AG Rheine – Az.: 4 C 67/18 – Urteil vom 08.01.2019
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind gemeinschaftliche Eigentümer des Grundstücks G1. Die Beklagte ist alleinige Eigentümerin des Grundstücks Grundbuch Stadt S G 2. Die Parteien sind direkte Grundstücksnachbarn. Die Gärten grenzen auf einer Länge von etwa 13 m unmittelbar aneinander. Entlang der Grundstückgrenze befindet sich ein Holzzaun, welcher das Grundstück der Beklagten einfriedet und von dem Grundstück der Kläger abgrenzen soll. Unmittelbar an den Holzzaun der Beklagten angrenzend befindet sich auf ihrem Grundstück ein Holzschuppen, der den Zaun überragt und vom Grundstück der Kläger aus sichtbar ist. Klägerseits besteht die Absicht, den eigenen Garten umzustrukturieren und an der Grenze, aber auf dem Grundstück der Kläger, einen Metallzaun zu setzen, um das Grundstück der Kläger einzufrieden.
Die Kläger behaupten, die Beklagte habe den etwa 2 m hohen Holzzaun errichtet. Der Holzzaun befinde sich vollständig auf dem Grundstück der Kläger. Ferner behaupten die Kläger, der Holzschuppen habe ein Fundament, die Maße von ca. 4,50 x 3 x 2,5 m und sei sehr nur sehr wenig gepflegt. Sie sind der Ansicht, der Holzzaun, und denknotwendig der unmittelbar an diesen angrenzende baurechtlich unzulässige Holzschuppen, der auch eine visuelle Beeinträchtigung darstelle, beeinträchtigten ihr Eigentum und müssten folglich abgebaut und zurückversetzt werden.
Die Kläger haben ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den sich vollständig auf dem Grundstück der Kläger, Grundbuch Stadt S rechts G1, befindlichen Holzzaun zurückzubauen und diesen bei eventueller Neuerrichtung unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände wieder zu errichten, die Beklagte zu verurteilen, die sich auf der Grundstückgrenze ihres Grundstücks Grundbuch Stadt S G2 und dem Grundstück der Kläger Grundbuch Stadt S rechts G 2, befindliche Holzhütte zurückzubauen sowie die Beklagte ferner zu verurteilen, an der Errichtung fester Grenzzeichen gemäß § 919 BGB mitzuwirken.
Den Antrag zu 3. haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2018 zurückgenommen.
Die Kläger beantragen nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, den sich vollständig auf dem Grundstück der Kläger, Grundbuch S rechts, G 1, befindlichen Holzzaun zurückzubauen und diesen bei eventueller Neuerrichtung unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände wieder zu errichten,
2. die Beklagte zu verurteilen, die sich auf der Grundstückgrenze ihres Grundstücks Grundbuch S G 2 und dem Grundstück der Kläger Grundbuch Stadt S, G1, befindliche Holzhütte zurückzubauen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Holzzaun befinde sich vollständig auf ihrem Grundstück, sei nur 1,80 m hoch und vom Voreigentümer des Grundstücks im Jahre 1978 durch eine Fachfirma errichtet worden. Die Beklagte trägt vor, der Holzschuppen habe kein Fundament und stünde seit über 30 Jahren auf ihrem Grundstück. Sie ist der Ansicht, der Holzschuppen sei baurechtlich nicht genehmigungspflichtig.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und verweist auf unzulässige Rechtsausübung seitens der Kläger.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 04.09.2018 durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Herrn C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29.10.2018 (Bl. 83-100 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Das Schlichtungsverfahren i.S.d. § 53 I JustG NRW ist durchgeführt worden, jedoch ohne Erfolg geblieben.
Den Klägern steht kein Anspruch auf Beseitigung des streitgegenständlichen Holzzaunes im Wege des Rückbaus durch die Beklagte aus §§ 823 I, 1004 BGB zu.
Der Holzzaun stellt eine Störung eines geschützten Rechtsguts der Kläger i.S.d. § 823 I BGB dar. Betroffen ist das klägerische Eigentumsrecht an ihrem Grundstück. Ausweislich des Sachverständigengutachtens stehen alle sieben Pfähle des Holzzaunes der Beklagten teilweise auf dem Grundstück der Kläger. Die Überschreitungen liegen zwischen 2 cm und 12 cm (10 cm, 12 cm, 2 cm, 7 cm, 8 cm, 10 cm). Auch die zwischen den Pfählen befindlichen Zaunelemente ragen an einigen Stellen in das Grundstück der Kläger hinein. Die Überschreitungen liegen zwischen 2 cm und 4 cm (2 cm, 4 cm, 2 cm).
Die Rechtsgutsverletzung indiziert die Rechtswidrigkeit der Störung. Für die Beklagte sprechende Rechtfertigungsgründe wurden nicht vorgetragen. Insbesondere trifft die Kläger weder eine gesetzliche noch eine auf Rechtsgeschäft beruhende Duldungspflicht gemäß § 1004 II BGB.
Der Anspruch der Kläger richtet sich auch zutreffend gegen die Beklagte als Zustandsstörerin. Zustandsstörer ist derjenige, der zwar nicht selbst gehandelt hat, durch dessen maßgebenden Willen aber der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird, von dessen Willen also die Beseitigung dieses Zustands abhängt. Im vorliegenden Fall hängt die Beseitigung der Störung vom Willen der Beklagten als der Eigentümerin ihres Grundstücks ab.
Eine etwaige Verjährungseinrede der Beklagten greift zwar nicht, vgl. § 902 Abs. 1 BGB. Der Geltendmachung des Anspruchs steht allerdings der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen. Die Voraussetzungen des § 242 BGB liegen im Einzelnen vor, wenn eine geringfügige, im Ergebnis folgenlos gebliebene Pflichtverletzung weitreichende eindeutig unangemessene Rechtsfolgen nach sich zieht. Unter Berücksichtigung von § 242 BGB kann die aufgrund einer Pflichtverletzung begehrte Rechtsfolge auch unverhältnismäßig sein, wenn diese Rechtsfolge nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Pflichtverletzung steht. Im Verhältnis zwischen Nachbarn können an sich bestehende Rechte eingeschränkt werden, wenn – gemessen an der objektiven Interessenlage – besondere Umstände gegeben sind, die schutzwürdigen Interessen der einen Seite dies erfordern und schutzwürdige Belange der anderen Seite nicht entgegenstehen. Die Rücksichtnahmepflicht kann insofern die Ausübung von Eigentumsrechten beschränken.
Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen können die Kläger die Beseitigung des Zauns nicht verlangen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen befinden sich alle Pfähle des Holzzauns teilweise auf dem Grundstück der Kläger sowie einzelne Abschnitte der Zaunelemente. Andere Abschnitte des Zauns befinden sich jedoch ausschließlich auf dem Grundstück der Beklagten mit einigem Abstand (bis zu 4 cm) zur Grundstücksgrenze, was zumindest in diesen Bereichen zu einer faktischen Vergrößerung des Klägergrundstücks führt.
Bei einer Gesamtlänge von etwa 13 m ragt nur einer der Pfähle des Holzzauns über 10 cm über das Grundstück der Beklagten hinaus. Die Grundstücke beider Parteien sind großzügig angelegt. Eine erheblich störende Wirkung durch die sich einige Zentimeter auf dem Grundstück der Kläger befindlichen Pfähle und einzelner Zaunelemente ist mithin nicht feststellbar. Es erscheint fragwürdig, ob die von den Klägern erstrebte Versetzung des Zauns, von dem letzten Endes nur die Pfähle versetzt werden müssten, um den Grenzverlauf einzuhalten, ihnen einen nennenswerten Vorteil bringen könnte. Die dadurch gewonnene Fläche wäre minimal. Unter diesen Umständen ist die von den Klägern beanstandete Grenzverletzung allenfalls geringfügig.
Die begehrte Entfernung des Holzzaunes ist zudem unverhältnismäßig. Die dafür erforderlichen Aufwendungen stehen außer Verhältnis zu der gegebenen Eigentumsbeeinträchtigung. Alle sieben Pfähle der Zaunanlage müssten, vermutlich durch ein Fachunternehmen, ausgehoben werden, um anschließend um wenige Zentimeter verschoben zu werden. Der dabei eintretende Flächengewinn des klägerischen Grundstücks stünde außer Verhältnis zum betriebenen Aufwand.
In diesem Zusammenhang muss auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Holzzaun der Beklagten inzwischen seit 40 Jahren dort steht. Aufgrund des unstreitig hohen Alters erscheinen geringfügige Verschiebungen des Zaunes nach seiner Errichtung nicht unwahrscheinlich. Auch wenn es mangels eines Umstandsmoments nicht zu einer Verwirkung der Ansprüche der Kläger gekommen war, ist bei der Abwägung der Interessen im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses das Bestandsinteresse der Beklagten zu berücksichtigen. Beachtenswert erscheint auch der Umstand, dass sich die Kläger erst an dem Zaun der Beklagten gestört haben, nachdem es in den vergangenen Jahren zu – zum Teil gerichtlichen – Auseinandersetzungen mit drei weiteren Nachbarn gekommen war.
Die genannten Erwägungen stehen auch einem Anspruch der Kläger auf Rückbau des Holzzaunes aus § 861 BGB entgegen.
Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Rückbau der Holzhütte gegen die Beklagte aus §§ 823, 1004 BGB zu. Es liegt keine Verletzung eines Rechtsguts der Kläger vor. Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Lichtbilder der Holzhütte weist diese kein außergewöhnlich ungepflegtes Erscheinungsbild auf. Zudem ist sie für die Kläger nur in Gestalt des über den Holzzaun ragenden Daches sichtbar. Es kann deshalb dahinstehen, ob visuelle Beeinträchtigungen eine Verletzung des Eigentumsrechts i.S.d. § 823 I BGB darstellen können.
Ein Anspruch auf Beseitigung einer Eigentumsverletzung ergibt sich für die Kläger auch nicht unter Berücksichtigung bauordnungsrechtlicher Vorschriften. Gemäß § 6 XI BauO NRW sind Gebäude mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m über der Geländeoberfläche an der Grenze, die zu Abstellzwecken genutzt werden, ohne eigene Abstandflächen zulässig. Die Holzhütte der Beklagten wird unstreitig zu Abstellzwecken genutzt und weist eine Höhe von weniger als 3 m auf, sodass sie unmittelbar an der Grundstückgrenze aufgestellt werden durfte.
Die unabhängig von der Frage des Abstandes zur Grundstücksgrenze bestehende Frage der generellen Genehmigungspflichtigkeit der Holzhütte kann ebenfalls dahingestellt bleiben. Weder haben die Kläger substantiiert vorgetragen, wie ihr Eigentum durch die behauptete fehlende Baugenehmigung für die Holzhütte beeinträchtigt sein soll noch wurden irgendwelche Gründe dafür vorgetragen, weshalb bei einer etwaigen Nachholung des bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens eine Baugenehmigung für die Holzhütte versagt werden würde.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91; 709 ZPO.
Der Vortrag in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägervertreters vom 03.01.19 rechtfertigt nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. In dem Schreiben werden lediglich die bereits mitgeteilten Rechtsauffassungen der Klägerseite wiederholt.
Der Streitwert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.