AG Duisburg – Az.: 77 C 1528/19 – Urteil vom 07.11.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückerstattung des Reisepreises sowie Schadensersatz.
Der Kläger buchte am 07.03.2019 über das Reisebüro … bei der Beklagten eine siebentägige Reise nach Abu Dhabi vom 11.03.2019 bis zum 18.03.2019. Der Reisepreis betrug EUR 1.521,00. Gegenstand der Reisebuchung war die Übernachtung im Hotel …, die Hin- und Rückflüge für die Strecke Düsseldorf / Abu Dhabi und ein Rail & Fly-Ticket für die 2. Klasse auf DB-Strecken. Hinsichtlich der Buchungsbestätigung wird auf Anlage K1, Bl. 7f, verwiesen. Im Hinblick auf die Rail & Fly-Fahrkarte wird auf Anlage K 2, Blatt 9 Bezug genommen.
Während der Buchung lagen dem Kläger die Hotelbeschreibung und die allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten vor. Mit der Buchung erkannte der Kläger die allgemeinen Reisebedingungen an.
Vor Reisebeginn erhielt der Kläger die Reiseunterlagen, bei denen sich auch das Flugticket befand. Sowohl in dem Katalog der Beklagten als auch auf dem Flugticket befand sich folgender Hinweis:
„… bietet in Kooperation mit der … und dem … die flexible Möglichkeit, den für den Urlaub preiswertesten innerdeutschen Abflughafen (inkl. Salzburg und Basel) entspannt zu erreichen.“
Diesbezüglich wird auf Anlage B 1 (Blatt 30) und B 5 (Blatt 41ff) verwiesen.
Ferner findet sich in den allgemeine Reisebedingungen (Anlage B 3, Blatt 36ff) unter Ziffer 10.4 sowie auf der Rückseite der von der Beklagten ausgestellten Rechnung (Anlage B 4, Blatt 40) der Hinweis, dass die Meldeschlusszeit am Abfertigungsschalter jeweils 90 Minuten vor der angegebenen Abflugzeit beträgt.
Des Weiteren ist im Katalog der Beklagten als auch auf der Internetseite der Beklagten folgender Text enthalten:
„Da bei öffentlichen Verkehrsmitteln Verspätungen und Ausfälle nie ganz ausgeschlossen werden können, sollten Sie ihre Zug-zum-Flugverbindung so wählen, dass sie ihren Abflughafen bequem erreichen. Jeder Reisende ist für seine rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich.“
Diesbezüglich wird auf Anlage B 1 (Blatt 30) und B 2 (Blatt 31) Bezug genommen.
Für den 11.03.2019 war eine Abflugzeit am Düsseldorfer Flughafen für 20.55 Uhr vorgesehen. Der Kläger wählte eine Zugverbindung, bei der er in Altenbeken um 15:56 Uhr in den ICE 2152 hätte umsteigen müssen. Dieser sollte um 18:03 Uhr im Bahnhof Düsseldorf Flughafen ankommen. Um 15:56 Uhr wurde per Lautsprecherdurchsage bekannt gegeben, dass der Zug ausfalle. Auf Empfehlung eines Mitarbeiters des Reisezentrums in alten Becken nahm der Kläger um 16:29 Uhr die S-Bahn 5 nach Paderborn, um dann um 17:11 Uhr den RE 11 nach Düsseldorf zu nehmen. Letzterer fiel ebenfalls aus. Sodann fuhr der Kläger über Hamm zum Flughafen Düsseldorf und traf am dortigen Bahnhof um 20:03 Uhr. Nachdem der Kläger den Skytrain zum Terminal nahm, erreicht der Kläger den bereits geschlossenen Schalter um 20.12 Uhr. Der Kläger konnte für den avisierten Flug nicht mehr einchecken.
Am 11.03.2019 um 19:18 Uhr rief der Kläger die Notrufnummer der Beklagten an. Der Inhalt des Gesprächs ist nicht bekannt. Um 19:30 Uhr rief der Kläger beim Flughafen Düsseldorf an und versuchte sich zur Fluggesellschaft durchstellen zu lassen, was jedoch nicht gelang.
Der Kläger konnte an diesem Abend nicht mehr zu seinem Wohnort zurückfahren und buchte ein Hotelzimmer zu einem Preis von EUR 117,00 zuzüglich Kosten für das Frühstück in Höhe von EUR 12,00.
Am 12.03.2019 bot das Reisebüro dem Kläger auf dessen Nachfrage an, gegen eine Zuzahlung von insgesamt EUR 710,00 eine Umbuchung vorzunehmen. Gegenstand der Umbuchung wäre gewesen, dass der Kläger am 12.03.2019 um 20:55 Uhr nach Abu Dhabi fliegt. Dieses Angebot nahm er nicht an.
Am 13.03.2019 meldete der Kläger sich bei der Beklagten und bat um Stornierung der Reise. Daraufhin stornierte die Beklagte die Reise, schrieb dem Kläger den Reisepreis gut, abzüglich Stornierungskosten in Höhe von EUR 1.368,90. Die Beklagte erstattete dem Kläger den Differenzbetrag in Höhe von EUR 152,10.
Von der Deutschen Bahn AG erhielt der Kläger wegen der Verspätung eine Erstattung in Höhe von EUR 10,00.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.03.2019 machte der Kläger Ansprüche in Höhe von EUR 3.008,90 geltend. Mit Schreiben vom selben Tag wies die Beklagte Ansprüche zurück. Nach erneuten Schriftwechsel zwischen den Parteien verweigerte die Beklagte weiterhin eine Zahlung an den Kläger.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Erstattung des übrigen Reisepreises in Höhe von EUR 1.368,90, der Kosten für die Hotelübernachtung inklusive Frühstück in einer Höhe von EUR 129,00 sowie die Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude in Höhe von EUR 1.521,00, mithin EUR 3.018,90.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe die Reiseleistung anderweitig vermarkten können. Des Weiteren ist der Kläger der Auffassung, die Deutsche Bahn sei Erfüllungsgehilfin der Beklagten, sodass die Beklagte sich das Verschulden der Deutschen Bahn zurechnen lassen müsse.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 3.008,90 zzgl. 5 % Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2019 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Belastung mit einer Honorarforderung des Rechtsanwaltes … i.H.v. 334,75 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß §§ 651n Abs. 1 und 2 BGB noch einen Anspruch auf Rückerstattung des vollständigen Reisepreises aus § 651l Abs. 2 Satz 2 BGB, § 651h BGB in Verbindung mit § 812 BGB bzw. Ziffer 6.2. der allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten.
I.
Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 651n BGB zu, da ein zum Schadenersatz berechtigender Reisemangel nicht gegeben ist.
1.
Bei der Deutschen Bahn handelt es sich nicht um einen Leistungserbringer im Sinne des § 651b Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Leistungserbringer ist eine Person, die alle oder einzelne Reiseleistungen ausführen soll (BeckOGK/Meier, 15.8.2019, BGB § 651b Rn. 3).
Bei der Zurverfügungstellung des Rail & Fly-Tickets durch die Beklagte handelt es sich jedoch nicht um eine Reiseleistung der Beklagten. Denn Voraussetzung dafür ist, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aus Sicht des Reisenden davon auszugehen war, dass der Reiseveranstalter nach der Buchung die entsprechende Transportmöglichkeit als eigene Leistung zur Verfügung stellt und insoweit nicht lediglich die Leistung eines Dritten vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – Xa ZR 46/10, RRa 2011, 20). Im Rahmen der Bewertung, ob die Anreise zum Flughafen mittels Zug als eigene Reiseleistung des Reiseveranstalters angeboten wird, ist auf sämtliche dem Reisenden zur Verfügung gestellten Unterlagen abzustellen. Zudem kann es sich als Indiz für eine entsprechende eigene Leistung darstellen, wenn der Reisepreis den Preis für die Anreise zum Flughafen beinhaltet. Insbesondere kommt in Betracht, dass die Anreise per Zug zum Flughafen als eigene Reiseleistung des Veranstalters von dem gebuchten Leistungspaket umfasst ist, wenn die Anreise zum Flughafen als eigener bequemer Anreiseservice des Reiseveranstalters bezeichnet wird und detaillierte Hinweise zur Auswahl der konkreten Bahnverbindung gegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – Xa ZR 46/10, RRa 2011, 20). Ferner ist maßgeblich, ob der Veranstalter deutlich darauf hinweist, dass die Zugfahrt lediglich in Kooperation mit der Bahn durchgeführt wird und der Reisende für seine rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich ist (Führich, in: Führich, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 45 Rn. 135).
Vorliegend ergibt sich aus den im Rahmen der Buchung zur Verfügung gestellten Unterlagen, dass die Beklagte die Zugfahrt zum Flughafen Düsseldorf nicht als eigene Reiseleistung im Rahmen der Pauschalreise zur Verfügung stellte. Das Gericht kommt zu diesem Ergebnis aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände. Die Anlage K 2 führt die dem Kläger für die Anreise zur Verfügung stehenden Zugtypen auf, ohne eine konkrete Verbindung vorzugeben oder vorzuschlagen. Ferner bezeichnete die Beklagte die Anreisemöglichkeit per Zug zum Flughafen nicht als eigene Serviceleistung, sondern gab vielmehr ausdrücklich an, dass es sich insoweit um eine Kooperation mit der … und dem … handelte. Des Weiteren wies die Beklagte in ihrem Reisekatalog darauf hin, dass Verspätungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausgeschlossen werden könnten, der Reisende die Zugverbindung so wählen sollte, dass er den Abflughafen bequem erreiche und jeder Reisende für seine rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich sei. Damit bringt die Beklagte zum einen zum Ausdruck, dass es sich bei der Anreise mit dem Zug nicht um eine eigene Reiseleistung handelt und der Reisende selbst verantwortlich ist, für eine rechtzeitige Anreise zu sorgen.
Auch der Umstand, dass der Preis für das Rail & Fly-Ticket bereits im Reisepreis enthalten war und sich das Logo der Beklagten auf der Rail & Fly-Fahrkarte befindet, führt zu keinem Ergebnis. Denn diese Umstände können zwar auf eine eigene Reiseleistung der Beklagten hindeuten. Aufgrund der klaren, oben genannten Hinweise, führt der Gesamteindruck dennoch nicht zu einer anderen Wertung.
2.
Darüber hinaus haftet die Beklagte nicht gemäß § 651n Abs. 1 Nr. 2 BGB. Danach haftet der Reiseveranstalter nicht für Reisemängel, die von einem Dritten verschuldet sind, der weder Leistungserbringer ist noch in anderer Weise an der Erbringung der von dem Pauschalreisevertrag umfassten Reiseleistungen beteiligt ist und dies für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar oder nicht vermeidbar war.
Zwar handelt es sich bei der Deutschen Bahn um einen Dritten im Sinne der Vorschrift. Allerdings war der Ausfall der beiden Züge in concreto für die Beklagte nicht vorhersehbar und nicht vermeidbar. Zwar verspäten sich Züge der Deutschen Bahn häufig und fallen aus. Nach Auffassung des Gerichts reicht hierfür jedoch nicht, dass der Reisemangel abstrakt vorsehbar ist. Vielmehr muss dies für den Reiseveranstalter konkret vorhersehbar und vermeidbar gewesen sein. Die zwei konkreten Zugverspätungen waren jedoch weder vorhersehbar noch vermeidbar für die Beklagte.
II.
Darüber hinaus steht dem Kläger kein Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aus § 651l Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach behält der Reiseveranstalter hinsichtlich der erbrachten und zur Beendigung der Pauschalreise noch zu erbringenden Reiseleistungen den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, wenn der Reisende den Reisevertrag infolge einer erheblichen Beeinträchtigung durch einen Reisemangel kündigt. Hinsichtlich der nicht mehr zu erbringenden Reiseleistungen entfällt der Anspruch des Reiseveranstalters auf den vereinbarten Reisepreis; insoweit bereits geleistete Zahlungen sind dem Reisenden vom Reiseveranstalter zu erstatten.
Zwar ist die Erklärung des Klägers vom 13.03.2019, die Reise zu stornieren, als Kündigungserklärung auszulegen. Allerdings fehlt es aus unter A. I. genannten Gründen an einer erheblichen Beeinträchtigung aufgrund eines vom Reiseveranstalter zu vertretenden Reisemangels.
III.
Ein Anspruch auf teilweise Rückerstattung des gezahlten Reisepreises folgt auch nicht aus § 651h BGB in Verbindung mit § 812 BGB bzw. Ziffer 6.2. der allgemeinen Reisebedingungen.
Denn aufgrund des Beginns der Reise konnte der Kläger nicht mehr vor Beginn der Reise vom Vertrag zurücktreten. Reisebeginn ist dabei anzunehmen, sobald der Reisende wenigstens eine Reiseleistung auch nur teilweise in Anspruch genommen hat, was z.B. bei einer Flugreise mit Vornahme der zum Einchecken notwendigen Handlungen der Fall ist (BeckOK BGB/Geib, 51. Ed. 1.8.2019, BGB § 651h Rn. 2). Zwar hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht für den vorgesehenen Flug nach Abu Dhabi eingecheckt. Da er das Rail & Fly-Ticket bereits genutzt hat, um zum Flughafen Düsseldorf anzureisen, auch wenn es sich dabei nicht um eine eigene Reiseleistung der Beklagten, sondern entsprechend der vorherigen Ausführungen um eine Reiseleistung eines Dritten, hat er die Reise begonnen.
Im Übrigen kann der Reiseveranstalter sowohl nach § 651h BGB als auch nach Ziffer 6.2. der allgemeinen Reisebedingungen eine angemessene Entschädigung vom Reisenden verlangen. Die Höhe der Entschädigung kann der Reiseveranstalter gemäß § 651h Abs. 2 BGB pauschalieren. Davon hat die Beklagte in Ziffer 17.1 ihrer allgemeinen Reisebedingungen Gebrauch gemacht, sodass sie eine angemessene Entschädigung in Höhe von 90 % des Reisepreises einbehalten hat. Dass diese Regelung in den allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten unwirksam ist, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Aufgrund der Pauschalisierung der Entschädigung in den allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten kommt es auf die im Einzelfall angemessene Entschädigung und die Behauptung des Klägers, eine anderweitige Vermarktung der Reise sei möglich gewesen nicht an.
B.
Da die Klage in der Hauptsache unbegründet ist, bestehen auch keine Ansprüche auf die Zahlung von Verzugszinsen oder die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
C.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 3.008,90 EUR festgesetzt.