OLG Braunschweig – Az.: 9 U 3/22 – Urteil vom 23.02.2023
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 14.12.2021 – 6 O 1177/22 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
Dieses und das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 14.12.2021 – 6 O 1177/22 – sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 45.584,- € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Zusammenfassung
In diesem Urteil geht es um die Möglichkeit, Geld von den Veranstaltern illegaler Online-Glücksspiele zurückzufordern. In Deutschland ist das Online-Glücksspiel nur mit einer Lizenz der Regierung erlaubt. Wenn ein Online-Glücksspielunternehmen ohne Lizenz arbeitet, wird es als illegal betrachtet.
Wenn jemand an einem solchen illegalen Online-Glücksspiel teilnimmt und Geld verliert, hat er das Recht, sein Geld zurückzufordern. Dies liegt daran, dass die zwischen dem Spieler und dem Glücksspielunternehmen geschlossenen Verträge als null und nichtig gelten, da sie illegal sind.
Um das Geld zurückzufordern, muss der Spieler beweisen, dass er an dem illegalen Online-Glücksspiel teilgenommen hat, und die getätigten Transaktionen nachweisen. Der Spieler kann auch verlangen, dass seine persönlichen Daten aus den Aufzeichnungen des Glücksspielunternehmens gelöscht werden.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Zeitrahmen für die Rückforderung des Geldes begrenzt ist. Der Spieler hat drei Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem er das Geld verloren hat, Zeit, einen Antrag zu stellen. Danach ist der Anspruch nicht mehr gültig.
Insgesamt ist es möglich, bei illegalen Online-Glücksspielen verlorenes Geld zurückzufordern, aber das Verfahren erfordert Beweise und muss innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens durchgeführt werden.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Geldeinsätzen, die er bei Glücksspielen im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 02.07.2019 auf einer von der Beklagten betriebenen Webseite für Online-Glücksspiele verloren hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 – 3 = Bl. 1115 f. d. A.) verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Klage sei zulässig, insbesondere sei das Landgericht Braunschweig international gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/ EuGVVO) i.V.m. Art. 17 Absatz 1c) EuGVVO zuständig.
Der Kläger sei Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, weil er nicht berufs- oder gewerbebezogen gehandelt habe. Trotz der hohen Einsätze über einen längeren Zeitraum habe er noch in seiner Eigenschaft als Verbraucher gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei selbst eine Person, die regelmäßig viele Stunden am Tag online Poker spiele, um damit Gewinne zu erzielen, noch als Verbraucher anzusehen.
Die Klage sei auch begründet. Deutsches Recht sei anwendbar. Eine wirksame Rechtswahl nach Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO für das maltesische Recht liege nicht vor. Die Klausel Nr. 2.16 in den AGB der Beklagten sei wegen eines Verstoßes gegen das Verständlichkeitsgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil nicht klar sei, welche Regelung mit der Formulierung „mit Ausnahme der Auswahl der Rechtsgrundlagen“ gemeint sei.
Wolle man nicht von einem Verstoß ausgehen, wäre die Klausel jedenfalls so auszulegen, dass die Vorschriften des BGB anzuwenden seien, weil sie unter eben jene „Rechtsgrundlagen“ fallen würden, die nach der Klausel Anwendung finden.
Anderenfalls wären sie aufgrund eines weiteren Verstoßes gegen das Verständlichkeitsgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Klausel weise nicht klar darauf hin, dass der Verbraucher auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genieße, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO dürfe eine Rechtswahlklausel nicht dazu führen, dass von zwingenden gesetzlichen Regelungen abgewichen werde, die dem Schutz des Verbrauchers nach dem Recht seines Mitgliedstaates dienten.
Der Kläger habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 45.584 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.
Der Kläger habe an die Beklagte den genannten Betrag geleistet. Insgesamt habe er im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 02.07.2019 Zahlungen an die Beklagte in Höhe von 53.633 € vorgenommen. 8.049 € habe er sich wieder auszahlen lassen, sodass der Differenzbetrag als Leistung bei der Beklagten verblieben sei.
Der Beklagte habe auch ohne rechtlichen Grund geleistet, weil der Vertrag zwischen den Parteien nach § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nichtig gewesen sei. Danach sei das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet im streitgegenständlichen Zeitraum verboten gewesen. Das Verbot habe im Einklang mit dem Unionsrecht gestanden.
Eine etwaige Duldung der Behörden ändere ebenso wenig etwas an der Gesetzeslage, wie der Umstand, dass § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nicht mehr gültig sei.
Die Rückforderung sei auch nicht nach § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Verbotene bzw. nichtige Glücksspielverträge würden nicht von § 762 BGB erfasst.
Die Rückforderung sei auch nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger positive Kenntnis davon gehabt habe, dass der Vertrag mit der Beklagten gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe, oder ob er sich dessen leichtfertig verschlossen habe.
Im vorliegenden Fall sei die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB bereits aufgrund einer teleologischen Reduktion dieser Norm ausgeschlossen. Das allgemeine Präventionsziel des § 817 Satz 2 BGB könne im Einzelfall mit Steuerungszielen kollidieren, die sich aus der durch die Leistung verletzten Rechtsvorschrift bzw. aus jener Wertung ergeben, die die Leistung als sittenwidrig erscheinen lasse. Der Bundesgerichtshof habe dies etwa in den „Schenkkreisfällen“, die nach einem Schneeballsystem funktionierten, angenommen. In diesen Fällen würde die Wirkung des Verbots im Ergebnis konterkariert und die Initiatoren solcher „Spiele“ zum Weitermachen geradezu eingeladen, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder ungeachtet der Nichtigkeit der das „Spiel“ tragenden Abreden behalten dürften.
Diese Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Ziele des GlüStV – Verhinderung von Glücksspielsucht, Spielerschutz, eine Lenkung des Spieltriebes der Bevölkerung in geordnete Bahnen sowie das Entgegenwirken der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen – könnten nur dann effektiv erreicht werden, wenn das Angebot solcher Spiele für inländische Verbraucher unterbunden werde. Könnten Verbraucher diese Zahlungen nicht zurückfordern, würde dies den Betreibern der entsprechenden Seiten einen erheblichen Anreiz schaffen, wie zuvor weiterzumachen. Das Verbot hätte für sie kaum spürbare Auswirkungen.
Dadurch würde auch nicht die Spielsucht „befeuert“. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Verbraucher bzw. der Spieler so sehr über die rechtliche Lage informiere, dass er vor dem Spielen von seinem Rückforderungsrecht Kenntnis habe. Wäre dies anders und würden die meisten Verbraucher von einer Rückforderungsmöglichkeit Gebrauch machen, würden die Betreiber dieser Seiten das Glücksspiel für deutsche Kunden nicht mehr anbieten und das Ziel des Gesetzgebers wäre erreicht. Im Übrigen sei das Risiko, die Rückzahlungspflicht im Ausland nicht durchsetzen zu können, erheblich.
Die Rückforderung sei auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte, die selbst gegen den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) verstoßen habe, könne sich nicht darauf berufen, dass die Rückforderung treuwidrig wäre. Der GlüStV solle die Spieler des Online-Glücksspiels schützen, sodass die Beklagte beim Anbieten von Online-Glücksspielen an Verbraucher in Ländern, in denen das Online-Glücksspiel verboten sei, nicht darauf habe vertrauen dürfen, die erhaltenen Einzahlungen auch behalten zu dürfen.
Der Kläger habe einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.05.2021 gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. den §§ 187 ff. BGB analog. Die Klage sei der Beklagten am 06.05.2021 zugestellt worden.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.12.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 13.01.2022 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäß verlängerter Frist bis zum 28.04.2022 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an:
Das Landgericht habe zu Unrecht die Anwendbarkeit deutschen Rechts bejaht. Es verkenne, dass die Parteien eine Rechtswahl wirksam vereinbart hatten. In Nr. 2.16 der vom Kläger vor Spielteilnahme akzeptierten AGB sei die Anwendbarkeit maltesischen Rechts explizit vorgesehen. Diese Rechtswahlklausel sei rechtlich zulässig gewesen. Ihr Zustandekommen und ihre wirksame Einbeziehung seien gem. Art. 3 Abs. 4 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO nach dem von den Parteien gewählten Vertragsstatut mit dem maltesischen Recht zu beurteilen. Verweise die Rechtswahlklausel auf „ausländisches“ Recht, bestimme sich die Einbeziehungskontrolle auch nach diesem. Nach maltesischem Recht seien sowohl die Klausel als auch ihr Einbezug in den Vertrag wirksam. EU-Recht stehe dem nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH reiche es für eine wirksame Einbeziehung aus, wenn der Verwender der Bedingungen sicherstelle, dass sein Kunde die AGB in der Weise zur Kenntnis nehmen könne, indem er an einer nicht übersehbaren Stelle auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme hingewiesen und sodann aufgefordert werde, einen „Button“ zu drücken, um auf diesem Wege seine Zustimmung zu erteilen. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.
Dieser zwischen den Parteien vereinbarten Rechtswahl stehe auch das vom Landgericht zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2012 – I ZR 40/11 – nicht entgegen. Es sei nicht einschlägig, da es eine Sonderkonstellation des deutschen Apothekenrechts betroffen habe.
Schließlich sei hervorzuheben, dass der GlüStV zwar verschiedene Schutzzwecke verfolge, er jedoch an keiner Stelle den Verbraucherschutz erwähne. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO beziehe sich schon dem klaren Wortlaut nach nur auf verbraucherschützende Vorschriften. Selbst wenn man also den Kläger als Verbraucher ansehen sollte, fehle es damit jedenfalls an einer Vorschrift des nationalen Rechts, die ihn gerade in seiner Eigenschaft als Verbraucher schützen sollte.
Selbst wenn das deutsche Recht entgegen der vereinbarten Rechtswahl anwendbar wäre, stünde dem Kläger dennoch kein Anspruch aus § 812 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz auf Rückzahlung der verlorenen Spieleinsätze gegen die Beklagte zu.
Das Landgericht habe verkannt, dass für eine Nichtigkeit nach § 134 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein beiderseitiger Verstoß gegen ein Verbotsgesetz notwendig wäre. Einen Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 könnte hingegen nur die Beklagte als Glückspielanbieterin begangen haben, weil sich diese Norm nur an die Glücksspielanbieter richte. Ob der Kläger seinerseits subjektiv und objektiv – wie vom BGH – gefordert gegen ein Verbotsgesetz verstoßen habe, habe das Landgericht hingegen nicht geprüft. Der Kläger selbst verneine einen Verstoß, weshalb seine Klage bereits unschlüssig sei.
Im Übrigen sei die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB nicht zwingend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei für eine Nichtigkeit nach § 134 BGB erforderlich, dass sie dem Sinn und Zweck des verletzten Verbotsgesetzes diene. Diesem Schutzzweck werde aber nicht gedient, wenn die abgeschlossenen Spielverträge als nichtig bewertet würden. Im Gegenteil: Die Spieler würden animiert, gerade an illegalen Glücksspielen teilzunehmen, mit dem Wissen, ihren Einsatz bei einem Verlust nach § 812 BGB zurückfordern zu können. Dieser Weg wäre ihnen bei Teilnahme an seit dem 01.07.2021 legalen Online-Glücksspielen wegen §§ 762, 763 BGB versperrt. Im Übrigen könne der Zweck des Verbotsgesetzes durch verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen erreicht werden. Dies hab der Bundesgerichtshof durch seinen Beschluss vom 13.09.2022 (XI ZR 515/21) bereits für das Vertragsverhältnis zwischen Zahlungsdienstanbieter und Spieler so entschieden. Dieser Vertrag sei trotz eines potentiellen Verstoßes des Zahlungsdienstanbieters gegen § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 nicht nichtig. Die vom Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze seien auf den hiesigen Fall übertragbar (S. 1-9 d. SSes v. 08.02.2023 = Bl. 1486 ff. d. A.).
Selbst wenn jedoch die Nichtigkeit der Spielverträge gemäß § 134 BGB wegen eines beiderseitigen Verstoßes zu bejahen wäre, würden Ansprüche des Klägers an § 817 Satz 2 BGB scheitern. Wenn der Kläger bedingt vorsätzlich gegen § 285 StGB verstoßen haben sollte, wären die – insoweit geringeren – subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB erfüllt.
Eine teleologische Reduktion dieser Norm habe der Bundesgerichtshof in einem strafrechtlichen Urteil zu § 284 StGB bereits einmal abgelehnt (BGH MDR 1968, 938). Der Spielerschutz würde auch geradezu konterkariert, wenn verlorene Spieleinsätze zurückerstattet würden, denn gerade die besonders vulnerablen Spielsüchtigen würden die rückerstatteten Beträge innerhalb kürzester Zeit wieder verspielen und zwar bewusst bei illegalen Angeboten.
Vor diesem Hintergrund sei eine teleologische Reduktion des § 817 Satz 2 BGB weder dogmatisch begründbar, noch seien die strengen Voraussetzungen, die aus Gründen der Gewaltenteilung an eine Nichtanwendung bestehenden Gesetzesrechts zu stellen seien, vorliegend erfüllt.
Zweck des § 817 Satz 2 BGB sei es, demjenigen keinen Rechtsschutz zu gewähren, der sich bei seiner Leistung selbst nicht rechtstreu verhalte. So habe auch der Bundesgerichtshof in Abkehr zu seiner alten Rechtsprechung in den sogenannten Schwarzarbeiterfällen nunmehr den Ausnahmecharakter der teleologischen Reduktion betont. Er habe ausgeführt, dass dem Leistenden trotz § 817 Satz 2 BGB ein Bereicherungsanspruch dann zustehen könne, wenn Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erforderten. Dies könne der Fall sein, wenn das Verbotsgesetz vor allem zum Schutz des Leistenden erlassen worden sei. In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall habe dieser eine teleologische Reduktion des § 817 Satz 2 BGB abgelehnt, weil das Schwarzarbeitergesetz in erster Linie der Wahrung öffentlicher Belange diene (BGH, NJW 2014, 1805). Daher scheide vorliegend eine teleologische Reduktion ebenfalls aus, weil ebenso – wie in den Fällen des Schwarzarbeitergesetzes – § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht zuvörderst dem Schutz des Einzelnen, sondern ganz allgemein dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Spielsucht und vor der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität diene.
Eine Bejahung von Rückforderungsansprüchen aus generalpräventiven Gründen erscheine vorliegend vor allem auch deshalb als zu kurz gedacht, weil der hier infrage stehende § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mittlerweile reformiert worden sei. Nunmehr seien auch Online-Glücksspiele grundsätzlich erlaubnisfähig. Die E.-Gruppe, zu der die Beklagte gehöre, beteilige sich am aktuellen Erlaubnisverfahren und werde in Zukunft ausschließlich genehmigte Online-Glücksspiele anbieten. Eine Generalprävention für die Vergangenheit ergebe aber keinen Sinn.
Die Argumentation des Landgerichts, wonach mit einem Weiterspielen und erneuten Verspielen von Beträgen zumindest seitens der spielsüchtigen Spieler nicht gerechnet werden müsse, da üblicherweise nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Spieler von seinem Rückforderungsrecht Kenntnis habe, sei bereits in sich widersprüchlich. Wenn ein Spieler bereits einmal vor Gericht Erfolg mit der Rückforderung gehabt habe, werde er die wiedererlangten Beträge erneut verspielen, wohl wissend, dass er sie bei Verlust gegebenenfalls zurückfordern könne. Im Übrigen tauschten sich die Spieler über Internetforen aus. Ferner würden zahlreiche Onlineangebote von Kanzleien und Rechtsdienstleistern mit einem „Rundum-Sorglos-Modell“ werben, welches die einfache und stressfreie Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen verspreche.
Auch die sogenannte „Schenkkreis“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei entgegen der Ansicht des Landgerichts auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Hinsichtlich der diesbezüglichen Argumentation der Beklagten wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung ab Seite 32 (Bl. 1201ff. d. A.) verwiesen.
Auch inhaltlich wäre § 817 Satz 2, 1. HS BGB erfüllt. Richtigerweise erfordere die Norm schon keine subjektiven Voraussetzungen beim Leistenden. Aber selbst wenn dies anders wäre, wären die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen beim Kläger jedenfalls erfüllt. Der Bundesgerichtshof lasse es genügen, dass sich der Leistende der Einsicht in den Gesetzesverstoß leichtfertig verschlossen habe. Ein leichtfertiges Handeln liege nach der Rechtsprechung bei der Teilnahme an Glücksspielen unter anderem dann vor, wenn der Spieler trotz des Hinweises in den Nutzungsbedingungen bzw. trotz Kenntnis von der Konzeption des Spiels nicht einmal eine einfache Internetrecherche vornehme, um die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu prüfen (vgl. u.a. OLG Celle, NJW 1996, 2660, 2661).
Die Beklagte habe hinsichtlich des sich leichtfertigen Verschließens des Klägers ausreichende Indizien vorgetragen. Dem sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger spiele seit September 2010 online Glücksspiele bei der Beklagten-Gruppe. Er sei daher unzweifelhaft gewinnspielerfahren und – interessiert und somit für das Thema sensibilisiert. Dennoch habe er behauptet, sich jahrelang überhaupt nicht mit der Rechtslage auseinandergesetzt zu haben, obwohl er zahlreiche Anhaltspunkte gehabt habe, die dies geboten hätten: Unstreitig habe sie – die Beklagte – in ihren AGB den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme nur zulässig sei, wenn der Kläger in einem Gebiet wohnhaft sei, in dem „Glücksspiel zulässig ist“. Diesen AGB habe der Kläger zugestimmt. Ferner gebe der Kläger selbst an, dass die Beklagte auf ihrer Webseite darauf hingewiesen habe, über eine Lizenz nach „gibraltarischem“ (gemeint wohl: maltesischem) Recht zu verfügen. Dann aber hätte sich dem Kläger die Frage aufdrängen müssen, ob nicht eine Lizenz nach deutschem Recht notwendig wäre, dies insbesondere vor dem Hintergrund des Hinweises in den AGB der Beklagten. Letztlich habe es zur Frage der „umstrittenen (Il)Legalität“ von Online-Glücksspielen in Deutschland seit Jahren zahlreiche Medienberichte gegeben. Insbesondere werde seit der Reformdiskussion um den GlüStV 2012, also zumindest seit 2015, in den deutschen Medien die Frage der Legalität des Online-Glücksspiels breit diskutiert. Dies werde auch im Internet ausgiebig thematisiert, ebenso in den sozialen Medien und Spielerforen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung und in Anbetracht der eingesetzten Beträge sei davon auszugehen, dass der Kläger sich im Internet zumindest ein Bild davon gemacht habe, ob es sich bei der Beklagten um einen seriösen Anbieter handele.
Insoweit hätten inzwischen zahlreiche Gerichte zu Recht ein „leichtfertiges Sich-Verschließen“ der Spieler und teilweise sogar bedingten Vorsatz im strafrechtlichen Sinne festgestellt. Hinsichtlich der von der Beklagten zitierten Entscheidungen wird auf Seite 38 f. der Berufungsbegründung (Bl. 1207 f. d. A.) verwiesen.
Entgegen der Ansicht des Klägers bestehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 oder § 284 StGB. Wegen der diesbezüglichen Argumentation der Beklagten wird auf die Seiten 42 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 1211 ff. d. A.) Bezug genommen.
Bei der Beurteilung, ob das Rückforderungsverlangen des Klägers als venire contra factum proprium anzusehen sei, komme es allein darauf an, ob es im Widerspruch zu seinem eigenen, früheren Verhalten stehe. Das sei hier der Fall. Das Landgericht habe hingegen rechtsirrig das Verhalten der Beklagten in den Vordergrund gestellt. Der Kläger begehre eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung weil die Spielverträge unwirksam seien, obwohl deren Abschluss auf seine eigene Initiative zurückgehe, er Kenntnis von der (vermeintlichen) Unzulässigkeit der Spielteilnahme gehabt habe, er regelmäßig die Angebote der Beklagten genutzt und so Vertrauen auf deren Durchführung hervorgerufen habe und zwischenzeitlich aus den Spielverträgen einen wirtschaftlichen Vorteil in Höhe von 8.049 € gezogen habe.
Die Beklagte hingegen habe sich an die vertraglichen Absprachen gehalten und die vom Kläger erzielten Gewinne auch an ihn ausgezahlt. Würde seiner Rückforderung gerichtlich stattgegeben, würde es dem Kläger ermöglicht, risikolos am Glücksspiel teilzunehmen.
Letztlich liege schon kein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vor. Das Landgericht erwähne in einem Satz eine – veraltete – Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und verkenne die schon frühere Verwaltungsrechtslage, die in Deutschland durch einen komplexen Schwebezustand gekennzeichnet gewesen sei. Die zuständigen Behörden duldeten bewusst zumindest die Angebote seriöser und regulierungswilliger Anbieter wie die der Beklagten. Ebenfalls ab Herbst 2020 duldeten die Behörden – auch rückwirkend – weitere Formen des Online-Glücksspiels, weil es bereits absehbar gewesen sei, dass die im Juli 2021 in Kraft getretene Überarbeitung des GlüStV gemäß der Kanalisierungsabsicht des Gesetzgebers auch diese Glücksspielformen legalisieren sollte. Aufgrund dessen seien die Online-Angebote der Beklagten auch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht illegal gewesen. Die zuständigen Behörden hätte diese vielmehr „aktiv“ geduldet, was eine Erlaubniswirkung zur Folge gehabt habe.
Bei dem von den Bundesländern verabschiedeten Umlaufbeschluss (Anlage B5) handele es sich um eine solche aktive Duldungsentscheidung. Aber selbst wenn man noch nicht allein auf diesen abstellen wollte, ergebe sich eine aktive Duldung spätestens im Zusammenhang mit den gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder vom 30.09.2020. Diese Duldung habe auch eine Rückwirkung entfaltet, weil der Umlaufbeschluss und die Leitlinien nur dann ein aufsichtsrechtliches Eingreifen und nachteilige Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit des Anbieters vorsehen, wenn ab dem 15.10.2020 bestimmte, in Umlaufbeschluss und Leitlinien im einzelnen niedergelegte Anforderungen nicht eingehalten würden. Dies tue die Beklagte jedoch.
Die aktive Duldung sei vorliegend insbesondere auch zivilrechtlich aufgrund der Einheit der Rechtsordnung geboten.
Hilfsweise meint die Beklagte, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 aufgrund eines Verstoßes gegen höherrangiges Unionsrecht unanwendbar seien. Diesbezüglich wird auf ihre Ausführungen ab Seite 72 der Berufungsbegründung (Bl. 1241 ff. d. A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 14.12.2021 – 6 O 1177/21 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Er beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 28.04.2022 (Bl. 1170 – 1248 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 08.02.2023 (Bl. 1486 – 1499 d. A.) und die Berufungserwiderung vom 15.06.2022 (Bl. 1255 – 1321 d. A.), den Schriftsatz vom 02.02.2023 (Bl. 1352 – 1484 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 09.02.2023 (Bl. 1503 – 1516 d. A.) und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 16.02.2023 (Bl. 1517 – 1521 d.A.) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht ist das Landgericht von seiner Zuständigkeit ausgegangen und hat deutsches Recht angewandt (dazu unter A.).
Der Kläger hat auch gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrages von 45.584,- € aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB (dazu unter B.).
A.
1.
§ 513 Abs. 2 ZPO bezieht sich ungeachtet seines weitgefassten Wortlauts nicht auf die internationale Zuständigkeit (BGHZ 157, 224 = NJW 2004, 1456 = NJW-RR 2004, 791 LS.; BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426; Heßler, in: Zöller ZPO, 34. Aufl., ZPO § 513 Rn. 8). Vielmehr ist die internationale Zuständigkeit der angerufenen Gerichte in jeder Lage von Amts wegen zu prüfen (vgl. etwa BGH NZI 2012, 572 = WM 2012, 852). Vorliegend ist sie begründet. Sie bestimmt sich hier allein nach der seit dem 10.01.2015 in Kraft befindlichen VO (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) und folgt aus Art. 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz einen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus dem Vertrag verklagen, wenn der Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Das ist hier der Fall; insbesondere übt die Beklagte ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus, indem sie ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen unter anderem auf Deutschland ausrichtet.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Klägers. Die verfolgten bereicherungsrechtlichen und deliktischen Ansprüche unterfallen dem o. g. Verbrauchergerichtsstand, weil dieser auch nichtvertragliche Anspruchsgrundlagen erfasst, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGHZ 187, 156 = NJW 2011, 532; BGH NZI 2012, 572 = WM 2012, 852; jew. zu auf § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG gestützten Klagen; wie hier: OLG Hamm ZfWG 2022, 91 = BeckRS 2021, 37639; vgl. auch OLG Koblenz IHR 2021, 76 = BeckRS 2020, 28048; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2022, 1280, 1281).
2.
Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Danach ist bei Verträgen mit Verbrauchern – wie hier – das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies betrifft auch die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrags sowie etwaige Folgen der Nichtigkeit des Vertrags, vgl. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, e Rom I-VO, einschließlich der bereicherungsrechtlichen Folgen, vgl. Art. 10 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO).
Eine in Nr. 2.16 der AGB der Beklagten (Anlage B1 S. 5 = Bl. 101 d. A.) enthaltene abweichende Rechtswahl ist dagegen nicht wirksam. Denn nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO darf eine solche Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (EuGH, Urteil vom 28.07.2016, C-191/15, Celex-Nr. 62015CJ0191, juris, Rn. 69). Dementsprechend sind die §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, anwendbar (BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11, juris, Rn.33).
Soweit die Beklagte dagegen einwendet, § 4 Abs. 4 GlüStV diene nicht dem Verbraucherschutz und unterliege deshalb nicht Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO (BB S. 13 unten = Bl. 1182 d. A.), verkennt sie, dass es hinsichtlich der Rechtswahl in den AGB nicht um den Schutz durch § 4 Abs. 4 GlüStV, sondern den der §§ 305 ff. BGB geht. Diesen Bestimmungen darf der Verbraucher durch eine Rechtswahlklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht entzogen werden.
Die Rechtswahlklausel in den AGB der Beklagten benachteiligt den Kläger als Verbraucher unangemessen. Sie ist intransparent. Aus ihr geht gerade nicht klar und verständlich hervor, welche Rechtsvorschriften tatsächlich Anwendung finden. Ferner vermittelt sie den Eindruck, es sei lediglich maltesisches Recht anzuwenden. Insbesondere fehlt ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Kläger als Verbraucher nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO durch die Rechtswahl nicht den Schutz der zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts verlieren kann (vgl. EuGH, Urteil vom 28.07.2016, C-191/15, Celex-Nr. 62015CJ0191, juris, Rn. 71; BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11, juris, Rn.32; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2022, 1280, 1281).
So formuliert die Beklagte in Nr. 2.16 ihrer AGB:
„Die Spiele und das Online-Spielsystem des Unternehmens unterliegen den Gesetzen und Regelungen von Malta. Jeglicher Streit, der sich aus dem Online-Spielsystem ergibt oder sich darauf bezieht, sowie auf Spiele, Gewinne, die Webseite, die Client-Software, das Unternehmen und/oder das Unternehmen, das die Online-Spielerkonten der Nutzer verwaltet, unterliegt den Gesetzen von Malta, mit Ausnahme der Auswahl der Rechtsgrundlagen.“
Unabhängig davon ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass unter den Begriff der „Rechtsgrundlagen“ in Nr. 2.16 der AGB der Beklagten (Anlage B1 S. 5 = Bl. 101 d. A.) durchaus auch § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB fällt. Insoweit wäre schon nach dem Wortlaut der AGB der Beklagten deutschen Recht als Rechtsgrundlage des Anspruchs des Klägers anzuwenden.
B.
Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Einsätze gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB bejaht, weil die Einsätze ohne Rechtsgrund geleistet wurden. Der Vertrag mit der Beklagten über die Teilnahme an dem von der Beklagten angebotenen Casino-Glücksspielen bildet keinen tauglichen Rechtsgrund, da dessen Abschluss gegen den hier anwendbaren § 4 Abs. 4 GlüStV idF vom 15.12.2011 (im Folgenden GlüStV 2012), wonach das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist, verstoßen hat und daher gem. § 134 BGB nichtig ist (dazu unter 1.). Die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB liegen jedenfalls in subjektiver Hinsicht nicht vor (dazu unter 2.), so dass es auf die Frage einer teleologischen Reduktion dieser Norm nicht ankommt.
1.
Der Vertrag zwischen den Parteien ist wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gem. § 134 BGB nichtig.
Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat dagegen verstoßen, indem sie ihr Angebot auch Spielern in Niedersachsen zugänglich gemacht hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes ist derjenige der Vornahme des Rechtsgeschäfts (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – I ZR 136/10, juris, Rn. 22; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 134 Rn. 12 a m.w.N.), hier also der Zeitraum vom 01.01.2018 bis 02.07.2019. Mithin kann es auf eine etwaige spätere Legalisierung des Angebots der Beklagten von vornherein nicht ankommen, da damit keine rückwirkende Heilung des einzelnen, in der Vergangenheit abgeschlossenen Vertrags mit einem Spieler verbunden ist (OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1281; Beschluss vom 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 12 = Anlage K II 2).
a)
Selbst wenn man unterstellt, dass das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 für den Fall eines Verstoßes gegen Art. 56 AEUV gemäß dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts als entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne Weiteres und auch im Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen unanwendbar wäre (vgl. iE EuGH ECLI:EU:C:2018:631 = BeckRS 2018, 17516, Rn. 34 – 55, 57; EuGH ECLI:EU:C:2016:278 = BeckRS 2016, 80650, LS Nr. 2; EuGH ECLI:EU:C:2016:72 = BeckRS 2016, 80225, LS. Nr. 2; EuGH ECLI:EU:C:2010:503 = BeckRS 9998, 93383, LS; EuGH ECLI:EU:C:2010:21 = BeckRS 2010, 90051, LS Nr. 2; vgl. jüngst auch BGH EuGH-Vorlage BGHZ 225, 297 = NJW 2020, 2328; offenlassend insoweit: EuGH ECLI:EU:C:2022:33 = NJW 2022, 927), dringt die Beklagte nicht durch:
aa)
§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist bereits nicht unionsrechtswidrig gewesen. Insbesondere ist die damit verbundene Einschränkung der durch Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet gewesen ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zeitlichem Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertragsschluss entschieden und dabei durchaus berücksichtigt, dass es insoweit auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen der restriktiven nationalen Regelung ankommt (BVerwG NVwZ 2018, 895 LS 1: Das Verbot, Poker- und Casinospiele im Internet zu veranstalten und zu vermitteln, ist mit Unions- und Verfassungsrecht weiterhin vereinbar). Auch der Bundesgerichtshof geht in einer aktuellen Entscheidung unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von der fortbestehenden Unionsrechtskonformität der Regelungen in § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV 2012 aus (vgl. etwa BGH GRUR 2021, 1534 Rn. 45), ebenso – soweit ersichtlich – einhellig die jüngere obergerichtliche Rechtsprechung (eingehend KG, Urt. v. 6. Oktober 2020 – 5 U 72/19, juris; auch OLG München, Hinweisbeschl. v. 22. November 2021 – 5 U 5491/21, BeckRS 2021, 55957; OLG Hamm ZfWG 2022, 91; OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1282).
Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.
bb)
Auch ein entscheidungserhebliches zur Inkohärenz führendes Vollzugsdefizit liegt nicht vor.
Zwar hat sich, insbesondere, weil diese unerlaubten Spiele zumeist aus dem Ausland heraus über das Internet angeboten werden, die Bekämpfung des Schwarzmarktes in den vergangenen Jahren als schwierig erwiesen. Auch soweit unerlaubte Glücksspielangebote untersagt wurden und obwohl Gerichte das behördliche Vorgehen bestätigt haben, führen Glücksspielunternehmen ihre unerlaubten Angebote aus dem Ausland heraus weiter, wo sie sich dem Zugriff deutscher Behörden weitestgehend entziehen konnten. Rechtsvergleichende Studien haben ergeben, dass ohnehin in allen Regulierungsmodellen, die zum Schutz vor den aus Glücksspielen erwachsenden Gefahren mehr als nur unwesentliche Einschränkungen vorsehen, Defizite bei der Rechtsdurchsetzung im Internet gegen unerlaubte Angebote bestehen (Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, S. 1 f. m.w.N., abrufbar z.B. unter: https://mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/ Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/MI/3.
_Themen/Gluecksspiel/201029_Gluecksspielstaatsvertrag_2021_endgueltig_Erlaeuterungen.pdf, Abruf vom 14.02.2023, 16:26 Uhr).
Zudem handelt es sich hier nicht um ein dem Regelungssystem oder gar dem Behördenwillen (oder Mitbewerberwillen) geschuldetes, also „strukturelles“, sondern allenfalls um ein „faktisches Vollzugsdefizit“, indem den zahlreichen Verbotsverstößen und dem „geschickten“ Vorgehen der Rechtsbrecher nicht in dem Ausmaß und der Vollständigkeit beizukommen ist, wie dies vielleicht wünschenswert wäre. Dies kann aber – was keiner weiteren Vertiefung bedarf – nicht dazu führen, die Verbotsnormen als unanwendbar einzustufen und die Massenverstöße überhaupt nicht mehr zu verfolgen. Denn das hieße, dass die zahlreichen Rechtsbrecher ihr rechtswidriges Handeln selbst „legalisieren“ könnten, indem sie in einem Ausmaß und in einer dergestalt „geschickten“ Weise vorgehen, dass sich dies nicht mehr vollumfänglich und nachhaltig und – bei einer solchen Betrachtungsweise – schließlich aus Rechtsgründen sogar überhaupt nicht mehr unterbinden ließe (so auch: KG Berlin, Urteil vom 6. Oktober 2020 – 5 U 72/19, juris, Rn. 46ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5. Mai 2022, aaO, S. 14 f.).
Mithin kann auch mit Blick auf ein „Vollzugsdefizit“ insoweit von einer „Inkohärenz“ der zum streitentscheidenden Zeitpunkt gültigen Regelung keine Rede sein.
cc)
Zu keiner anderen Sichtweise führt die Reform des Glücksspielstaatsvertrags mit einem Erlaubnisverfahren für (u.a.) Online-Casino-Spiele und Online-Poker im Glücksspielstaatsvertrag 2021 (ebenso VG Schleswig, Beschluss v. 30. Juni 2020 – 12 B 27/20 – juris, Rn. 52-54; OLG Hamm, Beschluss v. 12. November 2021 – 12 W 13/21 = BeckRS 2021, 37639, Rn. 16).
Insbesondere lässt sich daraus – anders als die Berufung meint – nicht herleiten, dass die frühere Rechtslage etwa unionsrechtswidrig gewesen sei.
Dazu hat das KG Berlin in seinem Urteil vom 6. Oktober 2020 – 5 U 72/19 – zutreffend ausgeführt:
„Vielmehr haben die Bundesländer (…) für diesen Entwurf zahlreiche Untersuchungen und Studien der letzten Jahre ausgewertet, wonach Glücksspiel im Internet weiterhin gefährlich ist, und zwar insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Suchtgefahr. Das wesentliche Argument der Bundesländer für die Liberalisierung des Glücksspielstaatsvertrags insbesondere im Hinblick auf Online-Glücksspiele ist, dass man mit dem bisherigen Verbot von Online-Glücksspielen den (insbesondere vom Ausland aus operierenden) Schwarzmarkt nicht eindämmen konnte, sondern dieser sogar angewachsen ist mit der Folge, dass die weiterhin geltenden Ziele (u.a. Glücksspielsuchtbekämpfung, Kanalisierung, Schwarzmarktbekämpfung, Jugendschutz, Manipulationsvorbeugung, Kriminalitätsbekämpfung, vgl. Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021, S. 6, sowie § 1 des Entwurfs) nicht effektiv verwirklicht werden konnten (a.a.O. S. 5). Aus diesem Grund soll mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag ein Mehr an legalem und besser kontrollierbarem Glücksspiel-Markt im Internet geboten werden“ (zitiert nach juris, Rn. 50).
Dass diese Erwägungen zutreffend sind, zeigt das Verhalten der Beklagten. Soweit sie darauf abstellt, dass die Einhaltung von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 Sache der Behörden und nicht des Zivilrechts sei (BB S. 19 unten = Bl. 1188 d. A.; S. 1-9 d. SSes v. 08.02.2023 = Bl. 1486 ff. d.A.), konnten diese die Beklagte offensichtlich nicht effektiv davon abhalten, am (gesamten) deutschen Markt tätig zu werden. Der Zweck der Verbotsnorm konnte daher allein durch die Tätigkeit der Behörden nicht durchgesetzt werden, sodass die Norm auch als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anzusehen ist [siehe dazu lit b), c)].
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einige Online-Glückspiele nunmehr erlaubnisfähig sind. Dass die Beklagte für das vom Kläger durchgeführte Glücksspiel mittlerweile eine Lizenz hat, behauptet sie nicht einmal. Sie trägt vor, am Erlaubnisverfahren teilzunehmen (BB S. 72 Mitte = Bl. 1241). Ferner bleiben die schon 2018 geltenden Ziele der Suchtprävention u.ä. weiterbestehen. Sie sollen durch Lizenzen und einen legalen Glücksspielmarkt nur besser kontrolliert werden. Es geht deshalb nicht – wie die Beklagte meint – um eine „reine Präventionswirkung für die Vergangenheit“.
dd)
Auch eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. BGH Beschluss v. 22. Juli 2021 – I ZR 199/20, BeckRS 2021, 21504).
ee)
Es besteht – und bestand bei Vertragsschluss im Jahr 2018 – keine für das vorliegende Verfahren irgendwie relevante „Duldung“ des Glücksspielangebots der Beklagten durch Verwaltungshandeln. Abgesehen davon, dass etwa durch die Absprache der Staats- und Senatskanzleien der Länder mit Umlaufbeschluss vom 08.09.2020 die unerlaubten Online-Angebote von Casino- und Automatenspielen schon nicht im Wege eines Verwaltungsakts legalisiert worden sind und – ganz generell – die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche unabhängig von der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten stattfindet (BGH GRUR 2021, 1534), wäre eine innere Rechtfertigung für ein rückwirkendes Erlöschen einzelner, (hier bereits jahrelang) bestehender zivilrechtlicher Ansprüche infolge von Verwaltungshandeln nicht erkennbar. Auch wenn es nach dem soeben Gesagten ohnehin nicht durchgreifend sein kann, liegt auch keine irgendwie maßgebliche Duldung der von der Beklagten im Internet angebotenen Casino-Spiele durch die Formulierung eines von der Aufsichtsbehörde in einem früheren Konzessionsverfahren einer anderen Anbieterin verwendeten Formblatts vor (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2022, 1280, 1282).
Nichts anderes ergibt sich aus den „Gemeinsame Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder in Bezug auf Angebote von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker auf Grundlage des Umlaufbeschlusses der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 8. September 2020 vom 30. September 2020“. Zwar haben darin die Glückspielaufsichtsbehörden vereinbart, die zum damaligen Zeitpunkt nicht erlaubnisfähigen Angebote wie virtuelle Automatenspiele und Online-Poker „im glücksspielrechtlichen Vollzug nicht aufzugreifen“, sofern bestimmte Anforderungen erfüllt werden, doch bedeutet das – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine rückwirkende Duldung für die Vergangenheit. Vielmehr bezieht sich die Vereinbarung auf die Zukunft.
Überdies wurden diese Leitlinien Ende September 2020 und damit mehr als 2,5 Jahre nach dem Beginn der Spielserie des Klägers bei der Beklagten gefasst. Zum damaligen Zeitpunkt war der für die Leitlinien entscheidende Umstand – die neuen Regelungen im GlüStV ab dem 01.07.2021 – noch überhaupt nicht konkret absehbar. Entsprechend gab es im Jahr 2018 noch keine Leitlinien, die den Vollzug des GlüStV 2012 unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt haben.
Unabhängig davon fallen bzw. fielen unter diese Leitlinie nur virtuelle Automatenspiele und Online-Poker. Casino-Spiele, wie sie der Kläger gespielt hat, sind davon nicht erfasst (vgl. Gemeinsame Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder in Bezug auf Angebote von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker auf Grundlage des Umlaufbeschlusses der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 8. September 2020 vom 30. September 2020, Fn. 1).
Auch unter diesem Aspekt ist daher keine – erst recht keine Jahre rückwirkende – Duldung des Angebots der Beklagten festzustellen.
b)
Die Beklagte hat durch das Anbieten von Online-Casino-Spielen gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen. Dieser einseitige Verstoß genügt, um zu einer Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB zu führen.
aa)
Es kann vorliegend dahinstehen, ob ein ein- oder zweiseitiger Gesetzesverstoß vorgelegen hat.
Bei einem zweiseitigen Rechtsgeschäft kann eine mögliche Nichtigkeit nach § 134 BGB zwar entscheidend davon abhängen, ob sich ein gesetzliches Verbot gegen beide Vertragsparteien oder gegen nur eine der an dem Rechtsgeschäft beteiligten richtet. Sind beide Vertragsteile Adressat der Verbotsnorm, ist danach grundsätzlich von der Nichtigkeit eines hiergegen verstoßenden Rechtsgeschäfts auszugehen, während bei einem nur einseitigen Verstoß dessen Wirksamkeit in der Regel unberührt bleiben soll (Vossler, in: beck-online. GROSSKOMMENTAR, 01.12.2022, § 134, Rn. 56 m.w.N.: Armbrüster, in: MüKo, BGB, 9. Aufl. 2021, § 134, Rn. 65).
In besonderen Fällen – wie hier (s.u. zu lit. bb) – kann sich die Nichtigkeit allerdings auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben, falls der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf (BGH, Beschluss vom 13. September 2022 – XI ZR 515/21, juris, Rn. 11 m.w.N.). Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert (BGH, Urteil vom 17. Mai 1979 – III ZR 118/77, WM 1979, 1035) oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist (BGH, Urteil vom 25. Juni 1962 – VII ZR 120/61, BGHZ 37, 258, 262). Reicht es dagegen aus, dem gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit daneben keinen Platz (BGH, Urteil vom 19. Januar 1984 – VII ZR 121/83, BGHZ 89, 369, 373; Beschluss vom 13.09.2022 – XI ZR 515/21, juris, Rn. 11).
§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 richtet sich seinem Wortlaut nach klar gegen den Anbieter von Online-Glücksspielen (vgl. LG Waldshut-Tiengen, Urteil v. 21. September 2021 – 2 O 296/20, BeckRS 2021, 26917, Rn 49). Insoweit reicht der (mindestens) einseitige Verstoß des Anbieters hier (s.u. zu lit. bb) aus, um den Spielvertrag nichtig werden zu lassen. Die Rüge der Beklagten, das Landgericht habe einen Verstoß des Klägers nicht geprüft, verfängt deshalb nicht.
bb)
Selbst wenn man nicht davon ausginge, dass sich § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sowohl an den Anbieter als auch an den Spieler richtet, führt der jedenfalls einseitige Gesetzesverstoß hier ausnahmsweise zur Nichtigkeit des Spielvertrages, weil es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (vgl. Vossler, in: beck-online. GROSSKOMMENTAR, 01.12.2022, § 134, Rn. 57 m.w.N.; vgl. Armbrüster, in: MüKo, BGB, 9. Aufl., § 134, Rn. 65, 177 m.w.N.).
Zu diesem Ergebnis führt die gebotene, am Normzweck orientierte Auslegung. Danach ist dann von der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts auszugehen, wenn die infrage stehende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck den Eintritt der mit dem Rechtsgeschäft angestrebten Rechtsfolgen verhindern will und sich somit gegen dessen Inhalt und nicht nur gegen die Art und Weise seines Zustandekommens richtet. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern darüber hinaus gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit im Ergebnis gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (Vossler, in: beck-online. GROSSKOMMENTAR, 01.12.2022, § 134, Rn. 60 m.w.N.).
Vorliegend will § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht nur den Abschluss eines Spielervertrags im Internet unterbinden, sondern die Folgen des dann durchgeführten Glücksspiels. Er dient der Suchtprävention und -bekämpfung, dem Spieler- und Jugendschutz, der Kriminalitätsprävention und der Vermeidung von Gefahren für die Integrität des Sports (Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 S. 4).
Demzufolge soll § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht den Abschluss des Vertrages an sich, sondern die mit der Durchführung des Glücksspiels verbundenen Folgen verhindern. Der Spieler soll vor Manipulation, Folgekriminalität und Gesundheitsgefahren geschützt werden. Diese zeigen sich aber erst bei der Durchführung des Vertrages und nicht bereits bei seinem Abschluss.
c)
Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum „Zahlungsdienstleister“-Fall (BGH, Beschl. v. 13.09.2022 – XI ZR 515/21) nicht entgegen.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Rechtsstreit zwischen einem Zahlungsdienstleister und einem Verbraucher zugrunde, der an einem Online-Glücksspiel teilgenommen hatte. Seine Einsätze zahlte er mithilfe des Zahlungsdienstleisters und begehrte nunmehr von diesem die Rückzahlung der verlorenen Einsätze. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Verstoß des Zahlungsdienstleisters gegen § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 (in der Fassung vom 15.12.2011, hier im Übrigen als 2012 zitiert) nicht zu einer Nichtigkeit der Autorisierung des Zahlungsvorgangs führe (BGH, Beschluss vom 13. September 2022 – XI ZR 515/21, juris, Rn. 10).
aa)
Diese Entscheidung ist nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar. Vorliegend handelt es sich nicht um eine Klage gegen einen Zahlungsdienstleister, sondern um eine gegen den Anbieter eines Online-Glücksspiels. Entscheidend ist daher nicht die Frage, ob ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2012 zu einer Nichtigkeit des zivilrechtlichen Schuldverhältnisses zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer führt, sondern ob ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zur Nichtigkeit des Glücksspielvertrages zwischen Anbieter und Spieler gemäß § 134 BGB führt. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof bereits einen anderen Sachverhalt zu beurteilen (vgl. OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 23. Januar 2023 – I 10 U 91/22, Anlage K II 31. S. 8 = Bl. 1462 ff. d.A.).
bb)
Auch sind die tragenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs – entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten – nicht auf den hiesigen Fall übertragbar.
(1)
Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs führt ein nur einseitiger Verstoß zur Nichtigkeit des zugrundeliegenden Vertrages, wenn der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen sei und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden könne (BGH, aaO, Rn. 11). § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 [2012] beinhalte ein einseitig an den Zahlungsdienstleister gerichtetes Verbot. Der Zweck des gesetzlichen Verbotes liege in der Bekämpfung der Spielsucht, der Kanalisation der Spiel- und Wettnachfrage auf legale Angebote, dem Jugend- und Spielerschutz und der Bekämpfung der Begleit- und Folgekriminalität. Zur Verfolgung dieser Ziele sei § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 [2012] als Verbotsnorm verfasst, der mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV eine entsprechende Befugnisnorm zur Seite gestellt worden sei. Sie ermögliche die Inanspruchnahme der am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, als verantwortliche Störer, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt worden sei. Darin liege eine Erweiterung der Eingriffsbefugnisse der Glücksspielaufsichtsbehörde gegenüber der Rechtslage unter Geltung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30.01.2007, der eine dem § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 [2012] entsprechende Verbotsnorm noch nicht beinhaltet hatte, weshalb die Beteiligten nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden konnten. Als Ausgleich für diese Erweiterung seien die eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 [2012] eingeführt worden (BGH, aaO, Rn. 13 f.).
Damit ließen diese Zusammenhänge auf den gesetzgeberischen Willen schließen, dass durch § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 [2012] nicht in das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer habe eingegriffen werden sollen (BGH, aaO, Rn. 16).
Die Interessen des Spielers gebieten es in diesem Zusammenhang nicht, ihn durch die Nichtigkeit der von ihm bewirkten Autorisierung vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen. Denn ein drohender Vermögensschaden resultiert gerade nicht aus dem Verbot unerlaubten Glücksspiels, an das § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 [2012] tatbestandlich anknüpft, sondern aus dem jedem Glücksspiel immanenten Risiko, dass Gewinne oder Verluste ungewiss und rein zufällig sind. Darin liegt das Wesen des Glücksspiels (BGH, aaO, Rn. 16; Urteile vom 18. April 1952 – 1 StR 739/51, BGHSt 2, 274, 276 und vom 8. August 2017 – 1 StR 519/16, ZfWG 2017, 502 Rn. 11 m.w.N.).
Diese Erwägungen sind für das hier zu beurteilende zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Online-Glücksspielanbieter und Spieler nicht einschlägig:
(a)
Vorliegend geht es gerade nicht um die Autorisierung des Zahlungsanbieters, sondern um den Spielvertrag selbst. Für den Zahlungsdienstleistervertrag gilt der Grundsatz, dass der Nutzer grundsätzlich gegenüber dem Zahlungsdienstleister keine Einwendungen aus dem zwischen ihm und dem Gläubiger bestehenden Valutaverhältnis erheben kann (vgl. Armbrüster, in: MüKo, BGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 175).
(b)
Zwar kann die Glücksspielaufsicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2012 die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen, sodass auch hier eine öffentlich-rechtliche Aufsicht besteht. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 kann hingegen nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber es für nicht notwendig erachtet hat, in die zivilrechtlichen Belange zwischen Anbieter und Spieler einzugreifen. So hat er auch in § 9 Abs. 1 Satz 3 StVO 2021 formuliert, die Glücksspielaufsicht könne unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen (Hervorhebung durch den Senat) die in den Nrn. 1-5 formulierten Maßnahmen ergreifen. Damit ist die Anwendung zivilrechtlicher Normen gerade nicht ausgeschlossen, sondern ausdrücklich möglich.
Dies gebieten auch die Interessen des Spielers in Anbetracht der Besonderheiten des Online-Glücksspiels:
(aa)
§ 4 Abs. 1 GlüStV 2012 regelt das Veranstalten oder Vermitteln öffentlicher Glücksspiele. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bezieht sich hingegen auf öffentliche Glücksspiele im Internet. Diesen öffentlichen Glücksspielen im Internet ist gerade nicht nur das übliche Zufallsrisiko immanent, sondern darüber hinaus – also weitergehend – die besondere Manipulationsanfälligkeit. Insoweit droht dem Teilnehmer eines Online-Glücksspiels neben dem Zufallsrisiko zusätzlich auch das hohe Risiko einer Manipulation der Spielabläufe, die sich digital viel leichter durchführen lässt als bei Glücksspielen an terrestrischen Automaten oder am Roulettetisch. Dass dennoch nach dem neuen § 4 Abs. 4 GlüStV 2021 Online-Casinospiele erlaubnisfähig sind, beruht auch gerade auf dem Gedanken, die Anbieter derartiger Spiele dann besser überwachen und kontrollieren zu können.
So heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf in Niedersachsen vom 09.02.2021: „Mit der Einführung eines Erlaubnismodells soll spielwilligen Personen, deren Nachfrage sich nicht in weniger gefährliche Spielformen kanalisieren lässt, eine weniger gefährliche Alternative zum bisherigen Schwarzmarkt geboten werden, indem Schutzmaßnahmen gegen Spielsucht, gegen Manipulationen und andere betrügerische Aktivitäten vorgeschrieben und umgesetzt werden, sodass ein kontrolliertes Spiel in geordneten Bahnen ermöglicht wird …“ (DRS 18/8495, S. 58). Daher bedürfe es weiter einer Konzession, die sicherstelle, dass die Schutzmaßnahmen auch eingreifen. Diese sollten sicherstellen, dass es zu keinen Spielmanipulationen und anderen betrügerischen Aktivitäten komme (vgl. DRS 18/8495, S. 64).
Daraus wird deutlich, dass gerade das Manipulationsrisiko bei Online-Glücksspielen durch das Erlaubnisverfahren gesenkt werden soll. Es geht mithin nicht um den Schutz eines drohenden Vermögensschadens aufgrund des Zufallsprinzips beim Glücksspiel, sondern um den Schutz vor Manipulationen bei Glücksspielen gerade im Internet. Insoweit resultiert der den Spielern drohende Vermögensschaden bei Online-Glücksspielen jedenfalls auch aus dem Verbot des unerlaubten Glücksspiels.
Mithin stellt § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 entgegen der Ansicht der Beklagten nicht einen bloßen Annex zu § 4 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt GlüStV 2012 dar (vgl. S. 3 d. Prot. v. 16.02.2023 = Bl. 1519 d. A.), sondern hat einen eigenen Regelungs- und insbesondere Schutzcharakter.
(bb)
Selbst wenn – wie die Beklagte meint – der BGH im Fall gegenüber dem Zahlungsdienstleister die Konstellation gegen den Anbieter als Quasi-Vorstufe mitbetrachtet haben sollte (vgl. S. 2 unten d. Prot. v. 16.02.2023 = Bl. 1518 d. A.), ließe sich daraus nicht ableiten, dass der Schutzzweck des Verbots in jeder Spieler-Anbieter-Konstellation zu der Frage, ob der einseitige Verstoß die zivilrechtliche Nichtigkeit nach sich zieht, auch eine Einzelfallprüfung verbietet. Denn eine solche Einzelfallprüfung in Bezug auf das Anbieterverhalten ist in der Fallkonstellation zum Zahlungsdienstleister schon deshalb nicht relevant, weil der Zahlungsdienstleister auf das Verhalten des Anbieters keinen Einfluss und in die Ausgestaltung des Spielvertrages regelmäßig keinen Einblick hat. Diese Einzelfallprüfung könnte es rechtfertigen, gegenüber einem Anbieter, der die Erlaubnis bereits beantragt hat und diese dann auch so ohne substantielle Nachbesserung erhält, die in der Zeit bis zur Erteilung der Erlaubnis eingenommenen „verlorenen“ Spielereinsätze zu behalten. Das rechtfertigt sich daraus, dass es keinen Grund gibt, den Spieler gegenüber einem zulassungsreifen Anbieter zu schützen, da dessen Spielbetrieb und seine Zuverlässigkeit mit dem bzw. der eines erlaubten bereits identisch sind und solchermaßen „erlaubte“ Anbieter ihre vom Spieler erhaltenen Einnahmen auch nicht zurückzahlen müssen. Dass indes die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum derartige Voraussetzungen bereits erfüllt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Eine etwaige „Vorprüfung“ der hiesigen Fallkonstellation für die vom Bundesgerichtshof zu treffende Entscheidung hätte darüber hinaus keine Konsequenzen für das hier streitgegenständliche Schuldverhältnis.
Der Bundesgerichtshof hat sich ausschließlich zu einer Nichtigkeit des zivilrechtlichen Schuldverhältnisses zwischen Zahlungsdienstanbieter und Spieler geäußert. Hätte er damit zugleich zum Ausdruck bringen wollen, dass auch das Vertragsverhältnis zwischen dem Glücksspielanbieter und dem Spieler durch § 4 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. GlüStV 2012 oder § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht berührt werden soll, hätte er dies in einem obiter dictum formulieren können. Unabhängig davon kann als Grundlage für den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lediglich angenommen werden, dass diesem ein verbotenes Glücksspiel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. GlüStV 2012 zugrunde lag. Zur Frage der Nichtigkeit des Spielvertrages für dieses verbotene Glücksspiel hat er sich ersichtlich nicht geäußert und musste es auch nicht. Eine Vorprüfung der hier entscheidenden Frage hat er daher nicht vorgenommen. Für die Frage der Nichtigkeit der Anweisung an den Zahlungsdienstanbieter war die Frage der Nichtigkeit des Spielvertrages ohne Relevanz, weil es dort als „Vorstufe“ lediglich darauf ankam festzustellen bzw. zu unterstellen, dass sich die Zahlungsvorgänge auf ein verbotenes Glücksspiel bezogen.
(c)
Entgegen der Annahme der Beklagten reicht(e) es auch nicht aus, dem gesetzlichen Verbot durch bloße verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen.
(aa)
Dies liegt hier schon darin begründet, dass die Glücksspielunternehmen vielfach ihren Sitz ins Ausland verlegt haben, wo sie sich dem Zugriff deutscher Behörden weitestgehend entziehen konnten (DRS 18/08495 S. 64). Auch hierin liegt ein Unterschied zu den Zahlungsdienstanbietern.
Rein behördliches Handeln war und ist deshalb im Verhältnis Anbieter und Spieler nicht ausreichend, um die Ziele des GlüStV 2012 zu erreichen.
(bb)
Der von der Beklagten erhobene Einwand, Duldung und Ermessen seien allein den Behörden und dem öffentlichen Recht zugewiesen, was daneben eine zivilrechtliche Nichtigkeit verbiete und auch überflüssig mache, kann unabhängig davon als Argument denknotwendig nur durchgreifen, falls es sich in der Spielzeit ohne Erlaubnis nicht um eine reine Karenzfrist für den Anbieter zur Beantragung der Erlaubnis gehandelt hat, sondern die Behörden gegenüber jedem Anbieter, der sich (noch) ohne Erlaubnis am Markt betätigte, bereits das (potentielle) Bewusstsein im Einzelfall hatten, dass und ggf. warum sie ihn unter Ermessensbetätigung duldeten. Dass dies bezüglich der Beklagten in der streitgegenständlichen Spielzeit des Klägers so gewesen ist bzw. gehandhabt wurde, ist nicht ersichtlich.
(cc)
Durch eine Nichtigkeit des vorliegenden Spielvertrages würde auch nicht die Testphase in § 10 a GlüStV 2012 konterkariert (S. 3 oben d. Prot. v. 16.02.2023 = Bl. 1519 d. A.). Die Experimentierklausel betrifft allein Sportwetten.
(dd)
Nichts anderes ergibt sich aus den Übergangsregelungen in § 29 GlüStV 2021. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 galten bis zum 30.06.2021 erteilte Erlaubnisse für Veranstalter im Sinne von § 10 Abs. 2 und 3 GlüStV 2021 bis zum 30.06.2022 mit der Maßgabe fort, dass die Regelungen des Staatsvertrages 2021 – abgesehen vom Erlaubniserfordernis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 – Anwendung fanden.
Dies kann sich jedoch nicht auf die Anbieter von Online-Glücksspielen beziehen, weil für diese ein absolutes Verbot in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gegolten hat, eine Erlaubnis im Sinne von § 10 Abs. 2 und 3 GlüStV 2021 also in der Vergangenheit nie erteilt werden konnte und der Beklagten auch nicht erteilt worden ist.
(3)
Letztlich greift auch das weitere Argument des Bundesgerichtshofs, die Autorisierung sei nicht auf die Erfüllung einer schlechterdings unerlaubten Tätigkeit gerichtet (BGH, Beschl. v. 13. September 2022, aaO, Rn. 17) in der vorliegenden Konstellation nicht. Zwar besteht nach § 4 Abs. 4, Abs. 5 GlüStV 2021 nur ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Beklagte verfügt jedoch über keine solche Erlaubnis und hat bis heute eine solche nicht erhalten. Ihre Tätigkeit ist damit unerlaubt und gerade die Durchführung ihrer vertraglich übernommenen Verpflichtung aus dem Spielvertrag verstößt gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2021. Im Übrigen war das Online-Glücksspiel zum Zeitpunkt der Spiele des Klägers nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 überhaupt nicht erlaubnisfähig.
d)
Damit ist der der Zahlung von 45.584 € zugrundeliegende Spielvertrag zwischen den Parteien nichtig, so dass ein Rückforderungsanspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB besteht.
2.
Dem Bereicherungsanspruch steht auch § 817 Satz 2 BGB jedenfalls vorliegend nicht entgegen.
Die Bestimmung verkörpert den Grundsatz, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH ZInsO 2022, 309 = BeckRS 2021, 41083 m.w.N.). § 817 Satz 2 BGB ist grundsätzlich auf sämtliche Fälle der Leistungskondiktion anwendbar (Schwab, in: MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 817, Rn. 11 m.w.N.). Vorliegend ist indes nicht festzustellen, dass sämtliche Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.
a)
Zwar dürfte der Kläger durch die Teilnahme an dem Online-Glücksspiel selbst objektiv gegen § 285 StGB verstoßen haben. Allerdings fehlt es an den erforderlichen [siehe nachfolgend zu lit b)] subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB. Ob die Kondiktionssperre in Fällen wie dem vorliegenden bereits nach dem Schutzzweck der verletzten Norm nicht zur Anwendung kommen kann, was in der bisherigen instanzgerichtlichen Rechtsprechung für die Fälle unerlaubten Online-Glücksspiels nicht einheitlich betrachtet wird (vgl. dazu die Auflistungen in der BB S. 30 = Bl. 1199 d. A. und der BErw S. 63 ff. = Bl. 1317 ff. d. A.), kann demgemäß vorliegend dahinstehen.
b)
§ 817 Satz 2 BGB setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat. Ein Ausschluss des Bereicherungsanspruchs ist gerade unter dem Aspekt der Generalprävention nur dann zu rechtfertigen, wenn sich der Leistende bewusst außerhalb der Rechtsordnung gestellt, wenn er die Rechts- oder Sittenordnung vorsätzlich verletzt hat (Schwab, in: MüKo, BGB, 8. Aufl., § 817 Rn. 85 m.w.N.).
Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 111/20 = BeckRS 2021, 41083, Rn. 31; NJW 2013, 401, 403; NJW 2005, 1490, 1491). Denn wer vor den Folgen seines Tuns oder vor dessen Bewertung geradezu die Augen verschließt, muss es sich gefallen lassen, wie ein bewusst Handelnder behandelt zu werden (BGH NJW 1983, 1420, 1423).
Soweit es um die Erkenntnis der Sittenwidrigkeit geht, reicht es in der Regel aus, dass der Leistende alle Tatsachen kennt, die die Sittenwidrigkeit seines Handelns ausmachen. Soweit dagegen – wie hier – ein Gesetzesverstoß des Leistenden in Rede steht, kann die Existenz der verschiedenartigsten Verbotsgesetze nicht ohne Weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden. Vielmehr ist die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes festzustellen, soweit dieses nicht als allgemein bekannt angesehen werden darf (OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1282; Schwab, in: MüKo, BGB, 8. Aufl., § 817 Rn. 87 m.w.N.), wobei es genügt, wenn sich der Leistende der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit leichtfertig verschließt (BGH NJW 1989, 3217, 3218; 1993, 2108, 2109; strenger: OLG München 22. November 2021 – 5 U 5491/21, BeckRS 2021, 55957, Rn. 1). Eine nur fahrlässige Unkenntnis reicht hingegen nicht (vgl. Schwab, in: MüKo, BGB, 8. Aufl., § 817 Rn. 88; so wohl auch: OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1283).
aa)
Es war Sache der als Bereicherungsschuldnerin in Anspruch genommenen Beklagten, die Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, mithin auch, dass dem Kläger ein im o. g. Sinne bewusster Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 817 Satz 2 BGB zur Last fällt (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1282; Beschl. v. 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 19 = Anlage K II 2; vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 3. Dezember 2021 – 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 14; OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2021 – 12 W 13/21 = BeckRS 2021, 37639, Rn. 19; Schwab, aaO, Rn. 89 m.w.N.).
Die Beklagte hat in I. Instanz trotz des Hinweises des Klägers (S. 51 d. SSes v. 10.09.2021 = Bl. 391 d. A.) auf ihre Darlegungs- und Beweislast zu den subjektiven Voraussetzungen eines Gesetzesverstoßes des Klägers i.S.v. § 817 Satz 2 BGB nichts Durchgreifendes vorgetragen, sondern nur bestritten, dass der Kläger erst im Sommer 2019 durch das Internet und eine Fernsehreportage auf die umstrittene rechtliche Lage von Online-Glücksspielen aufmerksam geworden sei (S. 5 Mitte d. SSes v. 06.12.2021 = Bl. 694 d. A.). Sein diesbezüglicher Vortrag sei – so die Beklagte – auch unglaubwürdig, weil es sich bei dem Kläger um einen „professionellen“ Spieler handele, der an die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum 119 Zahlungen – teilweise mehrere an einem Tag – geleistet habe. Bei gewinnspielerfahrenen Spielern sei es „lebensfremd“, anzunehmen, dass diese nicht um die Illegalität des Glücksspiels gewusst hätten (Klageerwiderung S. 37, 2. Abs. v. unten = Bl. 84; S. 5., 3. Abs. v. unten d. SSes v. 06.12.2021 = Bl. 694 d. A.; S. 4. d. Prot.v. 16.02.2023 = Bl. 1520 d. A.).
Ferner hat die Beklagte gerügt, dass der Kläger „offensichtlich keine Bemühungen unternommen habe, die Rechtslage zu prüfen“ (Klageerwiderung S. 36, letzter Abs. = Bl. 83 d. A.). Ergänzend hat die Beklagte dargelegt, dass die Frage der Illegalität des Online-Glücksspiels „breit in den Medien diskutiert“ worden sei (Klageerwiderung S. 7 Mitte, S. 36, letzter Abs. = Bl. 54, 83 d. A.). Der Kläger habe sich daher mindestens über die Rechtmäßigkeit von Online-Casinos informieren müssen, etwa über die Suchmaschine „Google“ (Klageerwiderung S. 7 Mitte = Bl. 54 d. A.). Weiter hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass in Nr. 2.8 ihrer AGB (Anlage B1 = Bl. 100 d. A.) ein Hinweis auf die alleinige Verantwortung des Spielers für die Rechtmäßigkeit seines Handelns enthalten sei, und behauptet, der Kläger habe den AGB im Zuge seiner Registrierung ausdrücklich zugestimmt. Indem er „offensichtlich keinerlei Bemühungen unternommen habe, die Rechtslage zu prüfen, sondern den Hinweis der Beklagten schlicht ignoriert“ habe, habe er eine mögliche Strafbarkeit bewusst in Kauf genommen bzw. sich dieser Möglichkeit zumindest leichtfertig verschlossen (Klageerwiderung S. 36 unten = Bl. 83 d. A.).
Insoweit hat die Beklagte aber ihrer Darlegungslast nicht genügt, als damit allenfalls ein fahrlässiger Verstoß behauptet worden ist.
Richtig ist zwar, dass der Kläger sich in einem Strafprozess nicht auf die Unkenntnis des § 285 StGB berufen könnte. § 285 StGB setzt aber unter Verweis auf § 284 StGB die objektiv und subjektiv tatbestandliche Beteiligung an einem unerlaubten Glücksspiel voraus. Ob das Glücksspiel vorliegend „unerlaubt“ war, folgte aus § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, dessen Inhalt aber nicht ohne Weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden kann. Auch wenn die Werbung für Online-Glücksspiele einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis darauf zu enthalten pflegt(e), dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richte, lässt sich daraus keine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland herleiten. Hinzu kommt, dass die in einem zur EU zählenden Staat ansässige Beklagte über eine örtliche Lizenz verfügte und sich mit ihrem deutschsprachigen Angebot an die potenziellen Kunden wandte, so dass sich auch deswegen das Fehlen einer notwendigen Lizenz in Deutschland nicht per se aufdrängen musste (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1283; Beschl. v. 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 20 = Anlage K II 2; vgl. LG Waldshut-Tiengen, Urteil v. 21. September 2021 – 2 O 296/20, aaO, Rn. 56).
Eine „Leichtfertigkeit“ in dem o. g. Sinne ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger die Kenntnisnahme der AGB der Beklagten im Zuge der Registrierung – was als wahr unterstellt werden kann – durch Betätigen eines „Clicks“ bzw. Setzen eines „Häkchens“ bestätigt haben mag. Denn zum einen ist schon nicht behauptet, dass der Kläger die AGB tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Dagegen ist das „Wegklicken“ umfangreicher Klauselwerke in Online-Registrierungsmasken ohne vorherige Kenntnisnahme der zur Verfügung gestellten Rechtstexte gerichtsbekannt derart weit verbreitet, dass es nicht als leichtfertig angesehen werden kann, zumal ein durchschnittlicher Verbraucher in Deutschland sehr wohl weiß, dass das Gesetz ihn ohnehin vor benachteiligenden AGB in sehr weitgehendem Umfang schützt. Zum anderen ist in Nr. 2.8 der AGB der Beklagten ein inhaltlicher Hinweis auf die Rechtswidrigkeit von Online-Glücksspielen gerade nicht enthalten, sondern lediglich auf die Eigenverantwortung des Spielers insoweit. Hinzu kommt, dass der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger in der Folge nach ordnungsgemäßer Registrierung offenbar tatsächlich den begehrten Zugang zu dem Online-Spiel gewährte, geeignet war, etwaige Bedenken des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit seines Spiels zu zerstreuen (vgl. dazu insgesamt: OLG Frankfurt NJW-RR, 2022, 1280, 1283; Beschl. v. 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 20 f. = Anlage K II 2;). Diesen Umstand zu vermeiden, war zudem für die Beklagte auch nicht erkennbar unmöglich. In Betracht wäre beispielsweise gekommen, Spielern, die nicht in Schleswig-Holstein ansässig sind, den Zugang zu den Glücksspielen durch eine fehlende Registriermöglichkeit zu verwehren.
bb)
Soweit die Beklagte zur Rechtslage im Zeitpunkt der Durchführung der Glücksspiele durch den Kläger ausgeführt hat, das Internetverbot sei „nicht mehr haltbar“ gewesen (S. 38 ff. d. SSes v. 06.12.2021 = Bl. 727 ff. d. A.), erschließt sich schon in rein tatsächlicher Hinsicht nicht, wie zugleich eine Google-Recherche zu dem schnellen und für den Kläger zuverlässigen Ergebnis einer Rechtswidrigkeit seines Tuns hätte führen können. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die fortbestehende Rechtmäßigkeit des Internetverbots des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ins Feld geführten (scheinbaren) Erkenntnisse hätten ggf. dann auch bei einer eingehenden Recherche des Klägers so wahrgenommen werden können (so auch: OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 1280, 1283; Beschl. v. 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 22 = Anlage K II 2).
cc)
Auch der pauschale Hinweis auf eine umfangreiche Medienberichterstattung führt nicht zu einer Kenntnis des Verbots oder einem leichtfertigen Sich-Verschließen des Klägers davor.
Der Bundesgerichtshof hat für die sog. Dieselskandal-Fälle bereits entschieden, dass allein aus dem Hinweis auf eine umfangreiche Medienberichterstattung nicht auf eine grob fahrlässige Unkenntnis des seinerzeitigen Klägers i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. BGB geschlossen werden könne. Dazu hätte es zumindest in einem ersten Schritt noch der ergänzenden Feststellung bedurft, dass der Kläger diese Berichterstattung wahrgenommen und damit allgemein vom sogenannten Dieselskandal Kenntnis erlangt hat. Ohne diesen Zwischenschritt knüpfe der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit letztlich an die unterbliebene Kenntnisnahme des Klägers von der Medienberichterstattung über den sogenannten Dieselskandal an; dem Kläger werde mit anderen Worten das Unterlassen eines wenigstens gelegentlichen Nachrichten- und Medienkonsums zum Vorwurf gemacht. Dies sei rechtsfehlerhaft, denn niemand sei von Rechts wegen gehalten, im Verjährungsinteresse etwaiger deliktischer Schuldner generell die Medien zu verfolgen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – VI ZR 1118/20, juris, Rn. 18; Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 679/21, juris, Rn. 28).
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn wie in den sog. Dieselskandal-Fällen liegt bzw. lag der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Rechtswirkungen ggf. auslösende Kenntnis des Kunden – hier über das Verbotensein des konkret angebotenen Glücksspiels – in der Sphäre des primär verbotswidrig Anbietenden. Es ist daher auch hier nicht veranlasst, ohne Rechtsgrundlage dem anderen Teil eine Informationsbeschaffungspflicht oder gar Wissensvermutung zuzuweisen.
Dass der Kläger die behauptete Berichterstattung in den Medien wahrgenommen hat, behauptet die Beklagte nicht einmal. Ihm ist auch nicht der Vorwurf zu machen, nicht wenigstens gelegentlich Nachrichten und Medien zu konsumieren, wobei die Berichterstattung über die rechtliche Einordnung von Online-Glücksspielen bei Weitem nicht das Ausmaß des Diesel-Skandals erreicht bzw. erreicht hat, so dass ein nur gelegentlicher Nachrichtenkonsum nicht zwangsläufig, sondern eher zufällig zur Kenntnisnahme der Illegalität von Online-Glücksspielen hätte führen können.
Wie oben schon unter lit. aa) dargestellt, hatte der Kläger aufgrund der Gestaltung der Webseite der Beklagten auf Deutsch, dem unwiderlegten Fehlen hinreichender Verdachtsmomente und der Registrierungsmöglichkeit für Spieler außerhalb Schleswig-Holsteins auch keine Veranlassung, sich aktiv über ein mögliches Verbot des Angebots der Beklagten zu informieren, um diese so vor einem etwaigen Bereicherungsanspruch zu bewahren.
Die von der Beklagten zitierten landgerichtlichen Entscheidungen, die die subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB bejahen, führen dafür vielfach lediglich apodiktisch an, dass es „lebensfremd“ wäre, wenn die jeweiligen Spieler die Presseberichterstattung über die Illegalität von Online-Glücksspielen nicht zur Kenntnis genommen hätten, indes ohne dies näher zu begründen (vgl. LG München I, Urteil vom 13. April 2021 – 8 O 16058/20, juris, Rn. 33; LG München II, Urteil vom 19. August 2021 – 9 O 5322/20, S. 6 = Anlage B 22, Bl. 740 d. A.; LG Memmingen, Urteil vom 18.11.2021 – 24 O 4/21, S. 8 = Anlage B 27, Bl. 785 d. A.; LG Amberg, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 12 O 951/20, S. 6 = Anlage B 42, Anlagenband Bekl.; LG Hanau, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 9 O 168/21, S. 5 = Anlage B 43, Anlagenband Bekl.). Eine Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Einzelfall fehlt.
Aufgrund der obigen Ausführungen, insbesondere in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur groben Fahrlässigkeit in den „Abgasskandal-Fällen“, erscheint es ohne Weiteres nicht als „lebensfremd“, soweit der hiesige Kläger vorträgt, erst mit einer Fernsehreportage im Sommer 2019 Kenntnis von der Illegalität des Angebots der Beklagten erhalten zu haben.
Anders als in dem der Entscheidung des Landgerichts Wuppertal zugrundeliegenden Sachverhalt (LG Wuppertal, Beschluss vom 14.09.2021 – 9 T 147/21, S. 2 = Anlage B 30, Bl. 809 d. A.) hat der Kläger sodann auch mit dem Online-Glücksspiel aufgehört. Sein Rückforderungsbegehr richtet sich jedenfalls nur auf im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 02.07.2019 verspielte Einsätze. Gegenteiliges vermochte die Beklagte weder hinreichend konkret darzulegen, noch zu beweisen [siehe dazu unten zu ff)].
dd)
Der erforderliche subjektive Tatbestand ist vorliegend auch nicht aufgrund der von der Beklagten (BB S. 36 = Bl. 1205 d. A.) zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG Celle, NJW 1996, 2660, 2661) anzunehmen. In dem vom diesem entschiedenen Fall ging es um ein Glücksspiel im sog. Schneeball- oder Progressionssystem. Davon wusste der dortige Kläger; ebenso hatte er Kenntnis von dem Umstand, dass die „astronomischen Gewinne“ nicht aus einem Verkauf von Waren oder einer Ausspielung im Rahmen einer Lotterie herrühren sollten. Daher habe sich dem dortigen Kläger die Frage aufdrängen müssen, wer ihm denn seinen Gewinn verschaffe, obschon er nichts dafür an Arbeitsleistung erbringen müsse. Indem er sich dennoch und trotz Bedenkzeit zur Teilnahme an dem Spiel entschlossen habe, habe er leichtfertig die Augen vor der Sittenwidrigkeit des Spielsystems verschlossen (OLG Celle, aaO).
Anders liegt es hier: Wie die Beklagte mehrfach betont hat (u.a. BB S. 56 = Bl. 1225 d. A.), hing der Gewinn des Klägers bei Casino-Spielen allein vom Zufall ab. Die Verbotswidrigkeit des Glücksspiels ergibt sich auch nicht aus der Konzeption des Spiels, sondern aus dem Angebot im Internet, das u.a. die besondere Gefahr der Manipulation bietet. Insoweit ist der hiesige Sachverhalt mit dem des Oberlandesgerichts Celle nicht vergleichbar.
ee)
Es ist auch nicht ohne Weiteres von einem „professionellen“ Spieler auf eine Kenntnis oder ein leichtfertiges Sich-Verschließen vor der Illegalität von Online-Glücksspielen zu schließen. Das Gegenteil dürfte eher der Fall sein: Wer sich einmal ohne vorherige Recherche zur Legalität derartiger Angebote entschließt, an hindernisfrei zugänglichen Online-Glücksspielen teilzunehmen, die keine erweislich konkreten Verdachtsanzeichen aufweisen, wird deren Rechtmäßigkeit beim wiederholten Spielen regelmäßig nicht mehr hinterfragen.
Dass der Kläger zu Beginn oder zumindest während seiner Spielserie bei der Beklagten Kenntnis von der Illegalität des Angebots der Beklagten in Niedersachsen hätte haben müssen, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Die von ihr vorgetragenen Umstände reichen jedenfalls nicht aus, um ein leichtfertiges Sich-Verschließen anzunehmen.
Aufgrund des zutreffenden und hinreichend deutlichen Hinweises des Klägers auf die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten zur subjektiven Komponente des § 817 Satz 2 BGB war ein weiterer gerichtlicher Hinweis – auch in der Berufungsinstanz – nicht veranlasst (vgl. BGH NJW 2007, 759, 761; NJW-RR 2008, 581, 582).
ff)
Unabhängig davon hat die Beklagte für ihre Behauptungen auch keinen Beweis angeboten. Dem vorsorglich gegenbeweislich erbrachten Beweisangebot der Parteianhörung des Klägers (S. 20 d. SSes v. 10.9.2021 = Bl. 360 d.A.) hat sie sogar ausdrücklich widersprochen (S. 5 d. SSes v. 12.8.21 = Bl. 53 d.A.; S. 5 d. SSes v. 6.12.21 = Bl. 694 d.A.). Die Rüge der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.02.2023, der Kläger sei vom Landgericht nicht einmal informatorisch angehört worden (S. 4 d. Prot v. 16.02.2023 = Bl. 1520 d. A.), konnte auch deshalb keinen Erfolg haben.
gg)
Die Bejahung des Bereicherungsanspruchs des Klägers konterkariert auch nicht den Spielerschutz. Ein Spieler von illegalen Online-Glücksspielen kann nicht beliebig oft seinen verlorenen Einsatz gerichtlich zurückfordern. Dies ist ihm lediglich einmal möglich, weil er spätestens mit diesem Rechtsstreit Kenntnis von der Illegalität von Online-Glücksspielen hat. Für alle seine Verluste aus seinem ggf. auch nach Geltendmachung seiner ersten Rückforderung durchgeführten weiteren Spielteilnahmen wären die subjektiven Voraussetzungen von § 817 Satz 2 BGB zu bejahen.
Eine dem entgegenstehende weiterreichende teleologische Reduktion der Norm erscheint dagegen wegen der erst sodann gegebenen Wiederholungsgefahr des Einsatzes zurückerstatteter Verluste bei den verschiedensten Anbietern von Online-Glücksspielen den Zielen des GlüStV nicht nur nicht zuträglich zu sein. Die teleologische Reduktion der Norm ist auch nicht erforderlich, um illegale Anbieter von Online-Glücksspielen von einer „Marktteilnahme“ wirtschaftlich abzuschrecken. Denn Anbieter von Online-Glücksspielen, die über keine Erlaubnis verfügen, müssen auch sonst damit rechnen, jedenfalls von Spielern, die Derartiges erstmals geltend machen, auf Rückerstattung ihrer verlorenen Einsätze einmalig erfolgreich in Anspruch genommen zu werden. Das beruht darauf, dass solchen Spielern vor der erstmaligen Rückforderung die subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB regelmäßig – wie vorliegend – nicht nachzuweisen sind. Damit wird durch die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB, sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht den Zielen des GlüStV – sowohl auf Seiten der Spieler als auch der verbotswidrig agierenden Anbieter – Rechnung getragen.
Dies steht auch in Übereinstimmung mit der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den „Schwarzarbeiter-Fällen“ (BGH NJW 2014, 1805). Auch dort geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustands nicht den ordnungspolitischen Zielen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes zuwiderliefe (BGH NJW 2014, 1805, 1806, Rn. 22). Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs – bei Vorliegen der objektiven und subjektiven (vgl. BGH, aaO, Rn. 26: „bewusst“) Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB – mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung sei vielmehr ein geeignetes Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern (BGH NJW 2014, 1805, 1807, Rn. 29). Das ändert jedoch nichts daran, dass den Bereicherungsschuldner die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB in der Person des Leistenden trifft (vgl. OLG Stuttgart, Urt.v. 22. Februar 2022 – 10 U 120/21 = BeckRS 2022, 7940, Rn. 32 m.w.N.; Sprau, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 817 Rn. 24).
3.
Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gem. § 242 BGB infolge eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium ausgeschlossen. Angesichts des eigenen gesetzwidrigen Handelns ist die Beklagte schon nicht – jedenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Kunden – vorrangig schutzwürdig (vgl. OLG Frankfurt NJW 2022, 1280, 1284; OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2021 – 12 W 13/21 = BeckRS 2021, 37639, Rn. 23), zumal sie selbst den Weg zur Teilnahme an dem Online-Glücksspiel eröffnet hat, der Kläger sich den Zugang nicht etwa erschlichen hat und im Übrigen auch bereit ist, sich die Gewinne anrechnen zu lassen (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 3. Dezember 2021 – 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 18).
Abgesehen davon schafft § 817 Satz 2 BGB in Konstellationen wie der vorliegenden im Falle eines objektiv und subjektiv beiderseitigen Gesetzesverstoßes bereits einen angemessenen Ausgleich im Sinne des Bereicherungsschuldners, so dass das Ergebnis der konkreten Anwendung des § 817 Satz 2 BGB im Einzelfall – so auch hier – regelmäßig nicht über § 242 BGB in sein Gegenteil verkehrt werden darf (vgl. OLG Frankfurt NJW 2002, 1280, 1284; Beschluss v. 5. Mai 2022 – 19 U 281/21, S. 23 = Anlage K II 2).
4.
Der Einwand, dass die Rückgewähr von verlorenen Spieleinsätzen dem Kläger im Ergebnis ein risikoloses Spiel ermöglichen würde, dies dem Sinn und Zweck bzw. der Geschäftsgrundlage eines Spielvertrags aber zuwiderlaufen würde, betrifft den Anwendungsbereich des § 762 BGB. Dieser soll aber gerade nur dann die Rückforderung des zum Zwecke des Spiels Geleisteten ausschließen, wenn es sich um einen legalen Spielvertrag handelt. Die Beklagte kann sich nicht auf die Geschäftsgrundlage eines unwirksamen Vertrags berufen (vgl. LG Waldshut-Tiengen, Urteil v. 21. September 2021 – 2 O 296/20, aaO, Rn. 63).
Dies läuft auch nicht dem Sinn und Zweck eines Spielvertrags entgegen. Im Gegenteil widerspräche es dem Schutzzweck des Online-Glücksspiel-Verbots, vor Gefahren zu schützen, die nicht nur von Online-Glücksspielen generell, sondern insbesondere auch von unreguliertem Glücksspiel ausgehen, wenn sich der Veranstalter solcher Glücksspiele, der zum Funktionieren seines Geschäftsmodells auf die Teilnahme von Personen angewiesen ist, stets darauf verlassen könnte, die auf diesem Wege illegal erwirtschafteten Gewinne behalten zu können (LG Waldshut-Tiengen, Urteil v. 21. September 2021 – 2 O 296/20, aaO, Rn. 64).
5.
Nach alledem kann offenbleiben, ob die Forderung auch deliktsrechtlich begründet wäre, insbesondere, ob § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und §§ 284 f. StGB Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB darstellen.
6.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
C.
Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und – davon unabhängig – die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschl. v. 28.April 2004 – IV ZR 144/03 = VersR 2005, 140f.; Beschl. v. 27.03.2003 – V ZR 291/02 = NJW 2003, 1943, 1944; Beschl. v. 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02 = NJW 2003, 65, 67).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
Entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist die Frage, ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den „Zahlungsdienstanbieter“-Fällen (BGH, Beschl. v. 13. September 2022 – XI ZR 515/21) zur Frage des Eingriffs von § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GlüStV 2011 [2012] in zivilrechtliche Schuldverhältnisse auf § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 übertragbar ist und damit ein Verstoß gegen diese Norm – entgegen der hier vertretenen Ansicht – nicht zur Nichtigkeit des Vertrages zwischen Glücksspielanbieter und Spieler gem. § 134 BGB führt.
Von der Nichtigkeit ausgehend ist die weitere Frage klärungsbedürftig, ob die in den Urteilen des Bundesgerichtshofs zu den sog. „Dieselskandal“- Fällen aufgestellten Grundsätze zur grob fahrlässigen Unkenntnis trotz umfangreicher Medienberichterstattung (vgl. BGH, Urteil v. 29. Juli 2021 – VI ZR 1118/20; Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 679/21) auch auf die Prüfung des leichtfertigen Sich-Verschließens i.S.d. § 817 Satz 2 BGB entsprechend übertragbar sind.
So haben einige Gerichte ein leichtfertiges Sich-Verschließen bereits aufgrund bloßer Presseberichterstattung zu Online-Glücksspielen angenommen (z.B. LG München I, Urteil vom 13. April 2021 – 8 O 16058/20, juris, Rn. 33; LG München II, Urteil vom 19. August 2021 – 9 O 5322/20, S. 6 = Anlage B 22, Bl. 740 d. A.; LG Memmingen, Urteil vom 18.11.2021 – 24 O 4/21, S. 8 = Anlage B 27, Bl. 785 d. A.; LG Amberg, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 12 O 951/20, S. 6 = Anlage B 42, Anlagenband Bekl.; LG Hanau, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 9 O 168/21, S. 5 = Anlage B 43, Anlagenband Bekl.). Falls dem – anders als hier vertreten – zu folgen wäre, würde vorliegend entscheidend, ob und wie eine teleologische Reduktion des § 817 Satz 2 BGB anzunehmen ist.
Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, was weiter erfordert, dass es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschl. v. 27. März 2003 – V ZR 291/02 = NJW 2003, 1943, 1945; Beschl. v. 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, betr. die Zulassung der Rechtsbeschwerde).
Das ist hier der Fall. Wie vorstehend ausgeführt, liegt dem vorliegenden Rechtsstreit ein typischer bzw. verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalt zu Grunde. Eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung als richtungsweisende Orientierungshilfe für die rechtliche Beurteilung eines derartigen Lebenssachverhaltes für Online-Glücksspiele liegt bislang nicht vor.
Hingegen liegen bei erstinstanzlichen Gerichten noch eine Vielzahl von Fällen vor, die nach dem GlüStV 2012 zu beurteilen sind. Ferner gilt das Online-Glücksspiel-Verbot im Grundsatz weiter, so dass die aufgeworfenen Fragen auch für die Zukunft einer Klärung bedürfen.