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Rückforderung Vorfälligkeitsentschädigung – Berechnung Aktiv-Passiv-Methode

OLG Frankfurt – Az.: 24 U 270/20 – Urteil vom 13.08.2021

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.11.2020 verkündete Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Berufung wird auf 4.992,34 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Bank, auf Rückzahlung der von ihr unter Vorbehalt bezahlten Vorfälligkeitsentschädigung von 5.451,10 € in Anspruch, die sie wegen der vorzeitigen Rückführung eines im Jahre 2016 zur Finanzierung einer Eigentumswohnung aufgenommenen Darlehens bezahlt hat. Sie macht geltend, der Beklagten stehe ein solcher Anspruch nicht zu, weil sie im Darlehensvertrag nur unzureichend über die Berechnung dieser Entschädigung informiert habe. Die Beklagte hat unter Hinweis auf eine von ihr veranlasste Neuberechnung der Entschädigung einen Betrag von 458,76 € anerkannt. Das Landgericht hat die Beklagte dem Anerkenntnis gemäß und hinsichtlich hierauf entfallender Zinsen und vorgerichtlicher Kosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen, weil die vertraglichen Informationen ausreichend gewesen seien. Mit der Berufung, der die Beklagte entgegentritt, verfolgt die Klägerin ihren restlichen Rückforderungsanspruch in Höhe von 4.992,34 € weiter.

Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage hinsichtlich des von der Beklagten nicht anerkannten Teilbetrages abgewiesen, weil der Klägerin kein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zusteht. Die Beklagte konnte von der Klägerin die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für das vor Ablauf der Zinsbindungsfrist vorzeitig zurückgezahlte Darlehen verlangen. Insbesondere waren die Angaben im Vertrag über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auch nicht unzureichend (§ 502 Abs. 1 und 2 BGB).

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind, wenn sie nicht klar und verständlich im Sinne von Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i. V. m. § 492 Abs. 2 BGB sind, wobei maßgeblich die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers ist (vgl. BGH, NJW 2020, 461). Unzureichend ist auch eine fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, etwa, wenn diese nicht auf den ersatzfähigen Schaden des Darlehnsgebers, sondern allein auf gesetzliche Höchstbeträge abstellt (BGH, NJW 2021, 66). Was die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung angeht, so bedarf es nicht der Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel. Vielmehr genügt es, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH, NJW 2020, 461).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind die hier von der Beklagten gegebenen Informationen im Vertrag nicht unzureichend. Die Beklagte hat unter Nr. 8 der Vertragsbedingungen hinreichend deutlich darüber informiert, dass sie den durch die vorzeitige Rückzahlung entstehenden Schaden ersetzt verlangt und diesen nach der Aktiv-Passiv-Methode ermitteln wird. Die entsprechende Berechnungsweise ist ausreichend dadurch deutlich gemacht worden, dass die Beklagte den Zinsverschlechterungsschaden durch nahezu wörtliches Zitat aus der entsprechenden Grundsatzentscheidung des BGH (NJW 1997, 2875, 2878, dort unter 4c) beschrieben hat. Damit sind die wesentlichen Parameter, nämlich Differenz zwischen Vertragszins und Kapitalmarktrendite, Kürzungen für ersparte Aufwendungen und Risikoentfall sowie Abzinsung auf den Zeitpunkt der Zahlung) in groben Zügen beschrieben.

Soweit die Berufung meint, die Beschreibung sei fehlerhaft, weil sie weder die aktuelle Rechtsprechung berücksichtige noch hinreichend deutlich die berechtigte Zinserwartung beschreibe, greift dies nicht durch.

Es trifft zwar zu, dass Hypothekenpfandbriefe höher verzinst werden als öffentliche Anleihen und deshalb bei Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode heranzuziehen wären (vgl. BGH, NJW 2001, 509), wie es im Übrigen die Beklagte bei ihrer Berechnung auch tatsächlich getan hat. Gleichwohl macht dies die Beschreibung der Beklagten, die auf „Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner“ abstellt, nicht fehlerhaft. Denn zum einen handelt es sich auch bei Hypothekenpfandbriefen jedenfalls um „Kapitalmarkttitel“, da es sich um gedeckte Schuldverschreibungen handelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 PfandBG). Zum anderen können auch Pfandbriefe sich auf öffentliche Schuldner beziehen (§ 20 PfandBG). Die von der Beklagten verwendete Bezeichnung vermag daher eine unzureichende Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu begründen. Zudem würde eine nähere Beschreibung der für die Berechnung heranzuziehenden Wertpapiere nicht dem Erfordernis entsprechen, dass die wesentlichen Parameter lediglich „in groben Zügen“ zu benennen sind. Wesentlich ist, dass die Kapitalmarktrendite anhand von sicheren Schuldtiteln zu ermitteln ist, worum es sich jedenfalls bei „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“ handelt. Welche letztlich tatsächlich herangezogen werden, ist eine Frage der Berechnung im Einzelfall, einer näheren abstrakten Beschreibung bedarf es insoweit nicht.

Auch die Rüge der Berufung, die Beschreibung der Beklagten berücksichtige nicht, dass die Vorfälligkeitsentschädigung nur anhand der rechtlich geschützten Zinserwartung der Beklagten berechnet werden dürfe, was durch die Formulierung „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht werde, ist unberechtigt. Denn Nr. 8 des Darlehensvertrages nimmt ausdrücklich Bezug auf Nr. 7, aus der ersichtlich ist, dass unter „vorzeitiger Rückzahlung“ lediglich eine vorzeitige Rückzahlung im Zeitraum der Sollzinsbindung zu verstehen ist. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher geht deshalb nicht davon aus, dass mit „Restlaufzeit des Darlehens“ in diesem Zusammenhang der Zeitraum bis zur vollständigen Darlehensrückführung gemeint ist, sondern lediglich der bis zum Ablauf der Sollzinsbindung. Auch hinsichtlich der vermeintlich unzureichenden Berücksichtigung der vereinbarten Sondertilgungen lässt sich kein Fehler feststellen. Denn das Sondertilgungsrecht wurde als Individualvereinbarung unter Nr. 14 des Darlehensvertrages festgeschrieben. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher weiß, dass allgemeine Vertragsbedingungen wie die unter Nr. 8 des Vertrages für eine Vielzahl von Fallgestaltungen offen sein müssen. Er erwartet deshalb auch nicht, dass eine allgemeine Erläuterung zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auf die in seinem Fall vereinbarten Sonderkonditionen zur Darlehenstilgung ausdrücklich eingeht. Insoweit ist es zur Beschreibung der wesentlichen Parameter der Berechnung in groben Zügen ausreichend, dass die Beklagte auf die „sich ergebenden Zinseinbußen“ verwiesen hat. Dass in diesem Fall bei den Zinseinbußen das Sondertilgungsrecht zu berücksichtigen ist, ist erneut eine Frage der Berechnung im Einzelfall und bedarf keiner näheren abstrakten Beschreibung.

Soweit das LG Konstanz (Urteil vom 08.12.2020 – C 4 O 155/20, BeckRS 2020, 43962) bei einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt die Angaben zur Restlaufzeit des Darlehens und zur Berücksichtigung von Sondertilgungen als unzureichend empfunden hat, vermag sich dem der Senat aus den genannten Gründen nicht anzuschließen.

Soweit die Berufung meint, das Landgericht sei nicht auf die Rüge der fehlerhaften Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung eingegangen, weil es sich nicht damit befasst habe, ob die Aktiv-Passiv-Methode nach heutigen Maßstäben noch zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung herangezogen werden dürfe, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Denn eine Berechnung nach dieser Methode ist vom Gesetzgeber bei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ausdrücklich für zulässig erachtet (BT-Drucks.18/5922, S. 116, vgl. Hölldampf, WM 2021, 325, 328) und auch vom BGH gebilligt worden (NJW 2020, 461, 465). Auch gibt Art. 25 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie gerade nicht vor, welche Berechnungsweise heranzuziehen ist, sondern begrenzt die Entschädigung nur auf den finanziellen Verlust des Darlehensgebers und stellt die Einzelheiten in die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten. Es bedarf somit auch keiner Vorlage an den EuGH. Die Klägerin kann eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Aktiv-Methode daher nicht verlangen.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Der Senat entscheidet lediglich einen Einzelfall auf der Grundlage der in der Rechtsprechung allgemein vertretenen Grundsätze. Insbesondere liegt auch keine Abweichung von der einen ganz anderen Sachverhalt betreffenden Entscheidung des 17. Zivilsenats vom 01.07.2020 (NJW-RR 2020, 1121) vor, bei der die betreffende Bank überobligationsmäßig versucht hatte, eine genaue Beschreibung der zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erforderlichen Rechenschritte vorzunehmen und dabei einen Schritt nur unvollständig erläutert hatte.

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