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Rückgewährpflicht von Schenkungen unter Eheleuten – Unehelichkeit eines Kindes

OLG München – Az.: 20 U 2673/08 – Urteil vom 14.11.2012

I) Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 29. Februar 2008, Az. 20 O 23268/06, aufgehoben.

II) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 322.663,06 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 08.01.2007 zu bezahlen.

III) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.

IV) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um die Rückabwicklung von Vermögenszuwendungen, die der Kläger während der Ehe an die Beklagte erbracht hat.

Die Parteien heirateten im Mai 1990. In einem vor der Eheschließung abgeschlossenen Ehevertrag hatten sie Gütertrennung vereinbart und den Versorgungsausgleich sowie nacheheliche Unterhaltsansprüche weitgehend ausgeschlossen. Im Dezember 1991 gebar die Beklagte einen Sohn.

Die Parteien trennten sich im September 2003. Die Ehe wurde auf den im Mai 2004 zugestellten Scheidungsantrag im Juni 2006 rechtskräftig geschieden. Der Kläger hat seine Vaterschaft zu dem im Dezember 1991 geborenen Sohn angefochten. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde festgestellt, dass er nicht der Vater des Kindes ist.

Der Kläger begehrte die Rückzahlung von 270.000 €, die er der Beklagten zum Zwecke des Erwerbs einer Immobilie in München im Jahr 2002 zugewandt hatte. Hilfsweise verlangte er deren Übereignung, gestützt auf eine Vereinbarung im zugehörigen Kaufvertrag zu seinen Gunsten. Außerdem verlangte er weitere 80.000 EUR. Insoweit hatte er der Beklagten im Jahr 2001 für den Erwerb einer Immobilie in Augsburg 103.000 DEM zugewendet. Die Beklagte hatte diese für 80.000 EUR veräußert.

Der Kläger hat sich darauf berufen, dass er die Zuwendungen ausschließlich in der Erwartung gemacht habe, die eheliche Lebensgemeinschaft werde Bestand haben, und dass nach der Trennung die Geschäftsgrundlage entfallen sei. Nachdem ein im Vaterschaftsprozess vor dem Familiengericht eingeholtes Gutachten ergeben hatte, dass er nicht der leibliche Vater des Kindes ist, hat er zudem die Anfechtung der Zuwendungen wegen arglistiger Täuschung erklärt, ferner hat er die Zuwendungen als etwaige Schenkungen wegen groben Undanks widerrufen.

Zum Tatbestand wird ergänzend Bezug genommen auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.06.2012, AZ. XII ZR 47/09.

Mit Endurteil vom 29.02.2008 wies das Landgericht die Klage ab, da die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung unbenannter Zuwendungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben seien.

Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Übertragung des Objektes in München könne nicht mit Erfolg auf den notariellen Vertrages vom 16.05.2002 gestützt werden, da die dort niedergelegten Voraussetzungen für einen Übereignungsanspruch nicht erfüllt seien.

Ergänzend wird auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein Klagebegehren weiterverfolgt und dies zunächst damit begründete, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die ehebedingte Zuwendung in den beiden verfahrensgegenständlichen Sachverhalten verkannt und klägerischen Sachvortrag hierzu übergangen. Ferner habe das Landgericht den im Hilfsantrag geltend gemachten klägerischen Übertragungsanspruch hinsichtlich des Grundstücks in München aus dem notariellen Vertrag vom 16.05.2002 verkannt bzw. gar nicht darüber entschieden.

Der Senat wies mit Endurteil vom 28.01.2009 die klägerische Berufung mangels eines Rückforderungs- bzw. Übertragungsanspruches des Klägers zurück. Die Geldzuwendungen des Klägers seien keine ehebezogenen Zuwendungen, sondern Schenkungen. Ein Anspruch auf Rückforderung dieser Schenkungen wurde aus jedem Rechtsgrund verneint. Die Frage der ehelichen Abstammung des Sohnes der Beklagten ließ der Senat dahinstehen, da dieser Umstand weder Geschäftsgrundlage geworden noch im konkreten Fall offenbarungspflichtig gewesen sei. Zur Begründung wird Bezug genommen auf die Gründe des Endurteils vom 28.01.2009.

Hiergegen richtete sich die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers.

Mit Urteil vom 27.06.2012 hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Senats vom 28.01.2009 auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurück. Zwar habe der Senat zu Recht ehebezogene Zuwendungen verneint und Schenklungen angenommen. Jedoch lasse sich eine Rückforderung der streitgegenständlichen Geldzuwendungen wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage – hinsichtlich des Objekts in München – wie auch ein Bereicherungsanspruch nach Anfechtung der Zuwendungen wegen arglistiger Täuschung – hinsichtlich beider Objekte – nicht ausschließen. Denn es habe hier eine Pflicht der Beklagten zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit bestanden, dass das Kind nicht vom Kläger, sondern von einem anderen Mann abstamme. Zur Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.06.2012.

Gestützt auf die Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshofs beantragt der Kläger nunmehr,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von EUR 270.000.- zzgl. Zinsen mit 5% über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung der Klageschrift zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von EUR 52.663,06 zzgl. Zinsen mit 5% über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung der Klageschrift zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie versteht die Ausführungen im Revisionsurteil dahingehend, dass die Offenbarungspflicht eine unmittelbare Zuwendung an das Kind vorausgesetzt hätte.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die Sitzungsprotokolle und die zitierten Entscheidungen der befassten Gerichte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist bezüglich des zuletzt gestellten Antrags in vollem Umfang begründet.

1. Der Senat geht weiterhin in Übereinstimmung mit dem Revisionsurteil davon aus, dass die streitgegenständlichen Zuwendungen keine ehebezogenen Zuwendungen, sondern Schenkungen waren.

Eine ehebezogene Zuwendung liegt vor, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Darin liegt die Geschäftsgrundlage der Zuwendung (BGH ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 142, 137 = FamRZ 1999, 1580 juris Rn. 23 mwN).

Im vorliegenden Fall wurden beide Immobilien erst angeschafft, als die Ehe der Parteien unstreitig bereits gescheitert („am Ende“) war. Die Immobilien dienten demnach nicht der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft und sollten auch nicht mittelbar dem Kläger zugute kommen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Zuwendungen gerade nicht vom Fortbestand der Ehe abhängig gemacht werden sollten, sondern dem Zweck dienten, die Beklagte unabhängig von der Fortdauer der Ehe abzusichern.

2. Ob alle Voraussetzungen einer Anfechtung dieser Schenkungen wegen arglistiger Täuschung erfüllt sind oder die eheliche Abstammung des Sohnes Geschäftsgrundlage der Schenkungen geworden ist, kann dahinstehen, da die Beklagte im Rahmen der jeweilig getroffenen Schenkungsabreden jedenfalls eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt und sich daher schadensersatzpflichtig gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 iVm 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB gemacht hat. Neben der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung kommt gleichzeitig auch ein Anspruch aus culpa in contrahendo gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 iVm 311 Abs. 2 u 3 BGB in Betracht (BGH NJW-RR 2002, 308, 309 m.w.Nw.; BGH NJW 06, 845, 847). Diesen Anspruch kann der Getäuschte auch noch nach erklärter Anfechtung – wie hier – geltend machen, da die Haftung aus culpa in contrahendo keinen wirksamen Vertrag voraussetzt (Singer in Staudinger BGB Neubearb. 2011 § 123 Rn. 101). Der sich daraus ergebende Schadensersatzanspruch richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB.

a) Ausweislich der bindenden Feststellungen im Revisionsurteil (§ 563 Abs. 2 ZPO) traf die Beklagte hier anlässlich der streitgegenständlichen Zuwendungen eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit, dass ihr Kind von einem anderen Mann als dem Kläger abstammte.

b) Dieser Offenbarungspflicht ist die Beklagte unstreitig nicht nachgekommen und hat damit ihre Aufklärungspflicht bei der Anbahnung der Schenkungsvereinbarungen verletzt.

c) Dass die Beklagte insoweit schuldhaft gehandelt hat, wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Vermutung hat sie nicht widerlegt.

d) Die Aufklärungspflichtverletzung war auch ursächlich für die Schenkungen. Die Beklagte hat bereits frühzeitig im Verfahren vorgetragen, dass die streitgegenständlichen Zuwendungen dazu dienen sollten, sie und den gemeinsamen Sohn wirtschaftlich abzusichern (vgl. Schriftsatz vom 15.02.2007, Seite 5, und Schriftsatz vom 17.01.2008, Seite 2). Diesen Vortrag hat sich der Kläger zu eigen gemacht (Schriftsatz vom 13.01.2009, Seite 2,3) und vorgetragen, dass er die streitgegenständlichen Zuwendungen nicht vollzogen hätte, wenn ihm zum Zeitpunkt der jeweiligen Zuwendung bekannt gewesen wäre, dass er nicht der leibliche Vater des Marius M. ist. Damit sprechen bereits die unstreitigen Tatsachen hinreichend für die Ursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung. Einen Beweis für das Gegenteil hat die Beklagte nicht angeboten.

e) Gemäß § 249 BGB kann der Kläger verlangen, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die Beklagte ihrer Offenbarungspflicht nachgekommen wäre. In diesem Fall hätte der Kläger die streitgegenständlichen Zuwendungen nicht vorgenommen, die er deshalb zurückfordern kann.

Die zugewandten Beträge belaufen sich unstreitig auf DM 103.000.- (entspr. EUR 52.663,06) und EUR 270.000.-, so dass der Kläger Anspruch auf Rückzahlung von EUR 322.663,06 hat.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2012 seinen Anspruch von ursprünglich EUR 350.000.- auf EUR 322.663,06 reduziert hat, hat dies keinen Einfluss auf die Verteilung der Kostentragung, da die Zuvielforderung verhältnismäßig gering war und keine höheren Kosten veranlasst hat.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Der Senat wendet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere die Revisionsentscheidung vom 27.06.2012 – XII ZR 47/09 -, auf diesen Einzelfall an.

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