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Rücklastschriftenpauschale in Mobilfunkanbieter-AGBs wirksam?

OLG Hamburg, Az.: 10 U 20/14, Beschluss vom 06.10.2016

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.11.2014 (Az.: 312 O 282/13) gern. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Rücklastschriftenpauschale in Mobilfunkanbieter-AGBs wirksam?
Symbolfoto: Von stockwerk-fotodesign /Shutterstock.com

Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§1,3 Abs. 1 Nr. 1,4 UKlaG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezüglich der streitgegenständlichen Rücklastschriftklausel in der Preisliste der Beklagten für die Tarife „clever2“ und „clever9“, Stand 3.2013, unter dem Punkt „Extra Leistungen“ zu.

Die Rücklastschriftenpauschale von 10,00 € ist als pauschalierter Schadensersatzanspruch des Verwenders am Maßstab des § 309 Nr. 5 a BGB zu messen und unwirksam, weil nicht festgestellt werden kann, dass sie dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden entspricht.

Zunächst wird zur Begründung vollumfänglich auf die rechtlichen Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 17.06.2014 zu dem Verfahren 10 U 9/13, in dem es ebenfalls um eine pauschale Rücklastschrift der Beklagten ging, verwiesen. Der Senat hält an seiner dort geäußerten Rechtsauffassung fest. Die dort aufgestellten Grundsätze sind auf den vorliegenden gleichgelagerten Rechtsstreit ohne weiteres übertragbar. Im Einzelnen:

Der Senat ist danach ebenso wie das Landgericht der Auffassung, dass der Verwender im Rahmen von § 309 Nr. 5 a BGB darlegen und ggfls. beweisen bzw. glaubhaft machen muss, dass die Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht. Dies ist auch die vorherrschende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (wie hier: OLG Schleswig MDR 2013, S. 579; OLG Brandenburg, MDR 2012, S. 391, BGH NJW 1977, S. 381) und Literatur (Palandt/Grüneberg, § 309 Rdn. 29 f, MünchKom Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rdn. 16; Erman – Roloff § 309 Nr. 5 Rdn. 48 f).

Mittlerweile ist diese von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage auch höchstrichterlich entschieden. Durch Urteil vom 18.02.2015, Az. XII ZR 199/13, hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass im Rahmen des § 309 Nr. 5a BGB der Klauselverwender die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des gewöhnlichen Schadens trägt.

Ebenfalls geklärt durch diese Entscheidung ist die bis dato unterschiedlich beantwortete Frage, ob der gewöhnliche Schaden i.S.d. § 309 Nr. 5 BGB ausschließlich der branchentypische durchschnittliche Schaden ist oder ob der Klauselverwender auch auf seinen individuellen durchschnittlichen Schaden abstellen kann. Die Ausführungen des BGH im Urteil vom 18.02.2015 zur Höhe des individuellen Schadens des dortigen Klauselverwenders zeigen, dass der BGH die dort angegriffene Schadenspauschalierung gebilligt hätte, wenn dem Klauselverwender der Nachweis gelungen wäre, dass die Pauschalenhöhe seinem individuellen durchschnittlichen Schaden entspricht. Demnach kann – wie der Kläger zutreffend ausführt – der Klauselverwender wählen, ob er die Angemessenheit der Höhe seiner Schadenspauschale im Streitfall durch den Nachweis eines branchentypischen durchschnittlichen Schadens in mindestens dieser Höhe oder durch den Nachweis eines individuellen durchschnittlichen Schadens in mindestens dieser Höhe rechtfertigen will.

Wählt der Klauselverwender letztere Möglichkeit, kommt ihm dabei zwar eine der Regelung des § 252 Satz 2 BGB, an der sich § 309 Abs. 1 Nr. 5 lit. a BGB orientiert, entsprechende Beweiserleichterung dahingehend zugute, dass der Schaden nicht in jedem konkreten Fall erreicht werden muss. Der Verwender muss aber nachweisen, dass der vereinbarte Betrag dem typischen Schadensumfang entspricht (Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 309 Rn. 26, 29 mwN). Auch gemessen an diesem erleichterten Maßstab kann nicht festgestellt werden, dass der pauschalierte Schaden in Höhe von 10,00 € dem typischen Schadensumfang entspricht.

Im Einzelnen:

1. Bankgebühren von mindestens 8,00 €

Die Darlegungen der Beklagten zur Höhe der durch die Rücklastschrift verursachten Bankgebühren sind nicht hinreichend substantiiert.

Die Behauptung der Beklagten, sie habe an eigenen und fremden Bankgebühren Kosten in Höhe von mindestens 8,00 € pro Rücklastschrift zu tragen, ist unerheblich. Denn es kommt gerade nicht auf den Maximalschaden („bis zu“) sondern auf den Durchschnittsschaden an, den die Beklagte nicht hinreichend schlüssig dargetan hat. Demgemäß bedarf es auch nicht der Vernehmung des Zeugen C. K. zu der Behauptung, dass der Beklagten durchschnittliche Rücklastschriftbankkosten von „bis zu € 8,75“ anfallen (Schriftsatz der Beklagten vom 20..12.2014, S. 8).

Die Beklagte ist auch der Behauptung des Klägers, über das sog. Internbankenentgelt von 3,00 € pro Rücklastschrift fielen bei Großkunden wie der Beklagten ohnehin keine weitergehenden Bankgebühren an, nicht hinreichend entgegengetreten.

2. Entgangener Gewinn: 4,93 €

Soweit sich die Beklagte auf einen entgangenen Gewinn i.H.v. 4,93 € aufgrund einer nach erfolgter Rücklastschrift durchgeführten Sperre bezieht, ist ihr Vortrag unschlüssig, weil nur solche Schadenspositionen nach § 309 Nr. 5a BGB pauschalierungsfähig sind, die im Schadensfall auch erstattungsfähig sind (vgl. Ermann/Roloff § 309 Rn 5 Rdn 44 a.E.).

Wenn trotz getroffener Lastschriftabrede eine Rücklastschrift erfolgt, besteht ein Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 S.1 BGB, weil der Schuldner einer Lastschriftabrede verpflichtet ist, dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung zu erteilen, eine hinreichende Kontodeckung vorzuhalten und die Einlösung einer berechtigten Lastschrift zu genehmigen (vgl. BGH NJW 2009, S. 3570 f).

Dieser Schadensersatzanspruch umfasst indes nur solche Vermögenseinbußen, die adäquat kausal auf die Pflichtverletzung des Schuldners zurückgehen und vom Schutzzweck der Haftungsnorm im Rücklastschriftfall erfasst sind.

Wenn die Beklagte nach einer Rücklastschrift das Konto eines Kunden sperrt und damit weitere Umsätze verhindert, kann der durch die Sperrung entgangene Gewinn nicht als Schadensersatz verlangt werden, weil das Verhalten des Kunden nicht adäquat kausal hierfür ist und der Schutzzweck der Lastschriftabrede sich nicht auf künftige Umsätze des Kunden bezieht. Es besteht gerade keine Verpflichtung, bestimmte Umsätze zu veranlassen.

Im Übrigen kann ein entgangener Durchschnittsgewinn von 4,93 € auch deshalb nicht wirksam in die Schadenspauschale einbezogen werden, weil diese für alle Kunden gleichermaßen gilt. Da nach den Ausführungen der Beklagten nicht jede Rücklastschrift eine Kontosperre nach sich zieht und die Rücklastschriftenpauschale insoweit keine Differenzierung enthält, können auch diejenigen Kunden mit der Position „entgangener Gewinn“ belastet werden, die ohne Sperrung bleiben und weitere Umsätze tätigen können.

Das Landgericht hat daher im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass ein entgangener Gewinn von 4,93 € nicht wirksam in die Schadenspauschale einbezogen werden kann.

3. Personalkosten: 4,01 €

Auch die geltend gemachten Personalkosten von 4,01 € können in die Schadenspauschale nicht einbezogen werden.

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung erneut geltend macht, die Entscheidung des BGH vom 17.09.2009 (- Xa ZR 40/08 -, juris) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, kann dem nicht gefolgt werden. Weder die abweichende Höhe der Personalkosten (dort: 40,15 €, hier: 4,01 €) noch der im sog. Germanwings – Fall seitens der dortigen Beklagten geltend gemachte Aspekt des Führens einer sog. watchlist rechtfertigen eine andere rechtliche Bewertung. Nach den Darlegungen der Beklagten entstehen die Personalkosten dafür, dass bestimmte Arbeitnehmer bei Eingang einer Rücklastschrift damit beschäftigt sind, im Interesse der Kunden individuell in Ansehung von deren Bonität und unter Berücksichtigung der Dauer der Vertragsbeziehungen zu eruieren und zu entscheiden, wie im konkreten Einzelfall weiter vorgegangen werden soll. Insbesondere würden mittels Telefonat oder E-Mail-Kontakt mit dem jeweiligen Kunden die weiteren Zahlungsmodalitäten eruiert, Teilzahlungen vereinbart oder entschieden, das Mahnverfahren einzuleiten oder ggfls. auch den Kunden zu sperren und die noch ausstehenden Gebühren beizutreiben. Es geht also darum zu prüfen, wie auf die ausgebliebene Zahlung des Schuldners reagiert werden soll. Der für diese Entscheidungsfindung anfallende Personalaufwand dient letztlich der Durchsetzung der ausstehenden Forderung und etwaiger Schadensersatzforderungen. Diese Mühewaltung bei der Rechtswahrung dient dem eigenen Aufgabenkreis des Geschädigten und liegt außerhalb des Schutzzwecks der Haftung des Schädigers im Rücklastschriftfall (so auch OLG Schleswig a.a.O.). Diese Personalkosten für die individuelle weitere Bearbeitung der Rücklast sind – wie der BGH im Urteil vom 17.09.2009 festgestellt hat – gerade auch Folge der typischen Angebotsstruktur der Beklagten, die ihren Zahlungsverkehr allein auf das Lastschriftverfahren eingestellt hat (vgl. Ziff. 5.5 der AGB) und damit ihre Debitorenbuchhaltung einspart. Wenn dann Rücklastschriften eingehen und die Beklagte diese unter Personaleinsatz bearbeitet, sind die dafür anfallenden Personalkosten als dem Unternehmer obliegende Aufwendungen zur weiteren Durchführung und Abwicklung des Vertrages anzusehen, die bei wertender Betrachtung seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen sind und außerhalb des Schutzzwecks eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 2 S. 1 BGB wegen Nichteinhaltung der Lastschriftabrede liegen (so im Ergebnis auch OLG Schleswig a.a.O. und OLG Brandenburg a.a.O.).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich eine andere Wertung auch nicht daraus, dass es sich bei den zwischen der Beklagten und ihren Kunden abgeschlossenen Mobilfunkverträgen – anders als im vom BGH entschiedenen Fall – um Dauerschuldverhältnisse handelt. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass die Rücklastschriftenquote hier höher als im sog. Germanwings – Fall ist, erfordert dies gerade keine andere rechtliche Wertung: Die möglicherweise höhere Anzahl der abzuwickelnden Rücklastschriften spricht nicht für eine Überwälzung dieser Personalkosten auf die Kunden. Vielmehr zeigt eine solche im Gegenteil, dass die Vorhaltung einer entsprechenden Verwaltung für die weitere Bearbeitung der Zahlungsvorgänge notwendig ist und dass gerade die Struktur des Zahlungsverkehrs als reines Lastschriftverfahren systembedingt solche Personalkosten erfordert. Diese Folge einer unternehmerischen Entscheidung hat die Beklagte indes selbst zu tragen, nicht der die Rücklastschrift verursachende Kunde (so auch OLG Schleswig und OLG Brandenburg jeweils a.a.O. u. i. Ergebnis auch OLG Koblenz, MDR 2010, S. 815).

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung zu diesem Punkt geltend macht, die Durchführung des Lastschriftverfahrens bei einem Dauerschuldverhältnis diene nicht nur den Interessen des Unternehmers, sondern auch dem des Kunden, der ansonsten jeden Monat aufs Neue unter Aufwand von Zeit und Geld manuelle Überweisungen vornehmen müsse und jeden Monat Gefahr laufe, mit der Bezahlung einer Rechnung in Verzug zu geraten, überzeugt dies nicht. Zum einen hat der Kunde nach den Vertragsklauseln gar kein Wahlrecht zwischen Lastschrifteinzug und Überweisung. Zudem ist er sogar vorleistungspflichtig in Bezug auf die monatlichen Grundgebühren. Wenn sich die Beklagte damit neben der Vorleistungspflicht des Kunden eine Einzugsermächtigung erteilen lässt, kann dieses Lastschriftverfahren nur als im primären Interesse der Beklagten liegend angesehen werden, so dass die mit der Bearbeitung von Rücklastschriften verbundenen Kosten als eigene Mühewaltung der Beklagten in deren Verantwortungsbereich liegen.

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5. Übrige Kosten

Wie sich die ferner von der Beklagten behaupteten Benachrichtigungskosten von 1,50 € zusammensetzen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Software- und Refinanzierungskosten sind schon dem Grunde nach nicht als Rücklastschriftschaden ersetzbar.

Festzuhalten ist damit, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast dafür, dass eine Pauschale von 10,00 € dem üblichen Durchschnittsschaden im Rücklastschriftfall entspricht, nicht nachgekommen ist.

Die Berufung der Beklagten hat damit keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu den Hinweisen dieses Beschlusses binnen 3 Wochen Stellung zu nehmen, auch zu der Frage, ob die Berufung zurückgenommen werden soll.

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