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Rücktritt vom Kaufvertrag bei Lieferung über 3 Monate vor Hochzeit

AG Frankenthal – Az.: 3a C 251/18

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26.11.2018 wird aufrechterhalten und die Widerklage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 27.10.2018 zugestellten Klage die Zahlung restlichen Kaufpreises und Abnahme eines Hochzeitskleides nebst Schleier.

Die Parteien schlossen am 30.11.2017 einen Kaufvertrag über ein Hochzeitskleid, Artikel-Nummer 9369, Farbe IV/SLV, Größe 12/40 nebst Schleier Artikel-Nummer 5143S, Farbe creme, Größe uni zu einem Gesamtpreis von € 2.398,00. In dem Kaufvertrag ist unter Ziffer 1 bestimmt, dass der Kaufpreis sofort fällig ist und bei Anzahlung die Ware erst dann bestellt wird, wenn der Kaufpreis vollständig bezahlt ist. Die Beklagte leistete aufgrund Vereinbarung eine Anzahlung von € 1.200,00. Als Hochzeitstermin ist im Vertrag der 09.10.2018 angegeben, das Kleid wird durch einen Lieferanten der Klägerin nach der Bestellung angefertigt.

Auf die Fristsetzungen der Klägerin zur Restzahlung von € 1.198,00 auf den 16.12.2017 wurde die Restzahlung erfolglos erneut zum 11.01.2018 angemahnt. Auf das Anschreiben der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 10.01.2018 wurde mitgeteilt, dass eine Restzahlung mangels Unwirksamkeit der Klausel nicht erfolgen werde, vielmehr wurde Fristsetzung auf den 24.01.2018 für die Bestätigung der Bestellung und Bekanntgabe des voraussichtlichen Liefertermins gesetzt. Auf die erneute Fristsetzung zur Mitteilung eines Liefertermins antwortete die Klägerin mit E-Mail vom 05.02.2018 und teilte den Liefertermin seitens des Lieferanten für Ende Juni 2018 mit. Die Beklagte ließ durch ihre Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass ein Liefertermin allenfalls bis Ende April 2018 akzeptiert werde und erklärte schließlich mit Schreiben vom 08.05.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Rückforderung der geleisteten Anzahlung in Höhe von € 1.200,00.

Die Klägerin teilte mit E-Mail vom 19.06.2018 ist, dass das Kleid eingetroffen sei und bei Restzahlung abgeholt werden könne.

Die Klägerin trägt vor, dass es sich vorliegend um ein Fix-Geschäft handele, bis zum 09.10.2018 sei das Kleid ca. 3,5 Monate früher zur Abholung bereitgestellt worden, ein Anspruch auf Abholung bis zum 30.04.2018 sei nicht gegeben.

Ein Rücktritt sei mangels Rücktrittsgrund unwirksam, die Beklagte habe aufgrund ihres Zahlungsverhaltens die erst im Januar erfolgte Bestellung des Kleides zu vertreten.

Die Beklagte befinde sich bis spätestens seit 17.12.2017 in Verzug, daneben habe sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 169,50, wegen deren Berechnung auf Blatt 7 der Akten Bezug genommen wird, zu erstatten.

Die Klägerin beantragte ursprünglich, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.198,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 17.12.2017 sowie € 169,50 außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen und das Hochzeitskleid Artikel Nr. 9363, Farbe IV/SLV Größe 12/40 und den Schleier Artikel Nr. 5143s, Farbe creme, Größe uni von der Klägerin abzunehmen.

Die Beklagte zeigte nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nicht innerhalb gesetzter Frist ihre Verteidigungsbereitschaft an, daher erging antragsgemäß gemäß § 331 Abs. 3 ZPO im schriftlichen Verfahren Erstes Versäumnisurteil, das der Beklagten am 03.12.2018 zugestellt worden ist; am 13.12.2018 legte die Beklagte Einspruch ein.

Die Beklagte behauptet, es sei eine Lieferung bis April angekündigt worden durch die Klägerin, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen habe, habe sie vom Vertrag gegen Entschädigung Abstand nehmen wollen, da sie sich in dem Kleid nicht wohlgefühlt habe. Der Geschäftsführer der Klägerin habe gleichwohl auf der Durchführung des Vertrages bestanden. Sie habe dann aufgrund Verlangens am 30.11.2017 € 1.200,00 angezahlt. Üblich sei eine Lieferung eines Hochzeitskleides 2-3 Monate nach Bestellung, von einer Maßanfertigung könne keine Rede sein. Der Zeitraum sei auch deshalb zu kurz, da die Brautjungfern ihre Kleider auch noch hätten bestellen müssen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 26.11.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen und widerklagend, die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin € 1.200,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.05.2018 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 26.11.2018 aufrecht zu erhalten und die Widerklage abzuweisen und trägt ergänzend vor, dass ein sachlicher Grund für die vollständige Kaufpreiszahlung vor Bestellung bestünde, da das Hochzeitskleid gefertigt werde aufgrund der Bestellung durch die Kundin. Die Lieferung des Kleides zum 19.06.2018 war auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten hinreichend.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 26.11.2018 bleibt in der Sache ebenso ohne Erfolg wie die zulässige Widerklage.

Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist örtlich nach §§ 12,13, 29 ZPO und sachlich nach § 23 Nr. 1 GVG zuständig, hinsichtlich der Widerklage folgt die Zuständigkeit aus § 33 ZPO aufgrund der Konnexität der streitgegenständlichen Ansprüche.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises sowie Abnahme des Hochzeitskleides nebst Schleier gem. § 433 Abs. 2 BGB.

Soweit die Beklagte sich auf einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag gem. § 323 Abs. 1 und Abs. 2 BGB beruft, so liegt ein absolutes Fix-Geschäft gemäß der vertraglichen Vereinbarung unter Bezeichnung des Hochzeitstermins zum 09.10.2018 vor, die Leistung selbst war indes zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch nicht fällig, auch hat die Klägerin nicht in vorwerfbarer Weise gegen ihre vertraglichen Nebenpflichten, § 241 BGB, verstoßen, sie hat insbesondere die vertraglich geschuldete Mitteilung des voraussichtlichen Liefertermins, der schließlich für den 19.06.2018 durch den Lieferanten angekündigt worden ist, in einem hinreichenden Zeitraum von annähernd 3,5 Monaten vor dem 09.10.2018 mitgeteilt.

§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nicht anwendbar, da es sich nicht um ein relatives Fix-Geschäft handelt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Rechtzeitigkeit der Leistung gesteigerte Bedeutung für die Vertragsdurchführung zukommt. Die Nichteinhaltung der Leistungszeit führt typischerweise dazu, dass der Gläubiger – hier die Beklagte – das Interesse an der Leistung durch den Schuldner – der Klägerin – verliert. Er soll deshalb sofort, ohne vorherige Fristsetzung, vom Vertrag zurücktreten und unter den Voraussetzungen der §§ 280, 281 BGB Schadensersatz verlangen können. Die Voraussetzungen für ein relatives Fixgeschäft sind die Vereinbarungen eines bestimmten Termins oder einer bestimmten Frist für die Leistung sowie die dem Schuldner mitgeteilte oder aus den Umständen ersichtliche Wesentlichkeit der Termine der fristgerechten Leistung für den Gläubiger.

Nicht unter § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB fällt das absolute Fixgeschäft, bei dem die Nicht-Einhaltung der Leistungszeit Unmöglichkeit begründet, §§ 275, 280, 283, 326 BGB. Hierfür muss die Leistungszeit derart wichtig sein, dass die Leistung nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, danach aber überhaupt nicht mehr erbracht werden kann, weil sie dann eine andere wäre, mit der der Leistungszweck des Gläubigers nicht mehr verwirklicht werden kann, etwa wenn die Braut das Hochzeitskleid nicht rechtzeitig zur Hochzeit erhält. Zwar kann das Kleid als solches auch später noch übergeben und übereignet werden; es handelt sich dann aber um eine andere Leistung, da der vereinbarte Verwendungszweck nicht mehr realisiert werden kann. Auch die Voraussetzungen des § 323 Abs. 4 BGB, wonach der Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistungen zurücktreten kann, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden, sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte vermag sich daneben auch nicht auf einen Rücktrittsgrund nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB berufen, da vorliegend dessen Voraussetzungen nicht feststehen.

Soweit die Beklagte einwendet, dass eine vollständige Vorauszahlungspflicht nach Ziffer 1 der durch die Klägerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 307 BGB unwirksam sei, so unterliegen Klauseln, durch die eine Vorleistungspflicht begründet wird, der Inhaltskontrolle des § 307 BGB (BGH NJW 2006, 3134 m.w.N.). Nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine Klausel als unangemessen benachteiligend unwirksam, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Indem die Kundinnen der Klägerin bereits bei Bestellung eines Hochzeitskleides den vollständigen Kaufpreis entrichten müssen, trifft sie abweichend von den gesetzlichen Fälligkeitsregelungen, §§ 433 Abs. 2, 320 BGB, die vollständige Vorleistungspflicht und mithin das Insolvenzrisiko. Nicht jede Abweichung von einer gesetzlichen Leitbestimmung führt aber zu Unwirksamkeit einer Klausel. Diese kann durch höherrangige Interessen des Verwenders, die in der Natur des konkreten Schuldverhältnisses liegen, gerechtfertigt sein. Auch die Festlegung einer Vorleistungspflicht gegenüber einem Verbraucher im Rahmen von AGB kann zulässig sein, wenn für sie ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht und die Erbringung der Gegenleistung gesichert ist (BGH GRUR 2003, 542). Zwar liegt vorliegend ein solcher sachlich gerechtfertigter Grund deshalb vor, da die Klägerin die Kleider weder selbst herstellt noch bevorratet, sie vielmehr beim Hersteller nach den Vorgaben der Kundin bestellt, indes ist der Verbraucher bereits deshalb unangemessen benachteiligt, weil bei der Bestellung bereits der volle Kaufpreis und nicht lediglich eine Anzahlung fällig ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist regelmäßig durch AGB nur eine verhältnismäßig geringe, mit Vertragsschluss zu entrichtende Anzahlung zu vereinbaren, da der Kunde für die Anzahlung keine substantielle Gegenleistung erhält und weitergehende Vorleistungspflichten grundsätzlich nur dann vertretbar sind, soweit dem Kunden hinreichende Sicherheiten gegeben werden (BGH NJW 1992, 3158 ff.). Soweit die Parteien eine individuelle Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass die Beklagte am 30.11.2017 € 1.200,00 als Anzahlung geleistet hat, so ist hierin insoweit eine Abänderung von Ziffer 1 der verwendeten AGB´s zu sehen, die ihrerseits nicht zu beanstanden ist, da unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der beteiligten Vertragsparteien eine hälftige Anzahlung im Ergebnis keinen Anlass zur Beanstandung gibt.

Nach dem Vorgenannten ist mangels wirksamen Rücktritts die Beklagte zur Zahlung und Abnahme des Hochzeitskleides nebst Schleier verpflichtet, die Widerklage hingegen unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709, S.1 und S 2 ZPO.

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