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Rückversetzung und Zustimmung des Betriebsrats

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 6 BV 167/01

Urteil vom 24.10.2001


In dem Beschlussverfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 6 auf die mündliche Anhörung vom24.10.2001 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die verweigerte Zustimmung zu einer beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme zu ersetzen ist.

Die Antragstellerin, fortan die Arbeitgeberin genannt, ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Neben der unterhält die Arbeitgeberin in mehreren Städten, darunter auch in Frankfurt am Main. Außenstellen. Die Außenstelle in Frankfurt am Main gliedert sich in die Bereiche Geschäftsstelle und Schadenaußenstelle. Die Aufgabe der Geschäftsstelle besteht im wesentlichen in der Anbahnung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen, in der Kundenberatung und in der Vertragsverwaltung. Diese Aufgaben erfüllt die Geschäftsstelle über die Bereiche K-Gruppe und Vertriebsgruppe. In der K-Gruppe erfolgt die Anbahnung von Versicherungen im telefonischen Kundenkontakt. während in der Vertriebsgruppe die Anbahnung von Versicherungen im telefonischen und im persönlichen – dem sogenannten Kundendienst – Kundenkontakt erfolgt. Gegenüber der Tätigkeit in der K-Gruppe bietet der Einsatz in der Vertriebsgruppe grundsätzlich die Möglichkeit der beruflichen Weiterentwicklung. Die Stelle einer Sachbearbeiterin in der Vertriebsgruppe entspricht den Tarifgruppenmerkmalen der TG IV bis VI.

Der Antragsgegner, fortan der Betriebsrat genannt, ist der in der Außenstelle Frankfurt am Main ordnungsgemäss gebildete Betriebsrat.

Am schrieb die Arbeitgeberin für ihre Außenstelle in Frankfurt am Main die Stelle einer Sachbearbeiterin für die Vertriebsgruppe intern aus. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird hierzu auf Bl. 12 d. A. Bezug genommen.

Auf diese Stelle bewarb sich die nach einer Beschäftigung in der Zentralverwaltung seit dem in der Außenstelle in Frankfurt am Main in der K-Gruppe tätige Mitarbeiterin die dort in Kenntnis ihrer Asthma-Erkrankung auf einem Nichtraucherarbeitsplatz beschäftigt wurde.

Mit Schreiben vom 21. November 2000 (Bl. 14 d. A.) teilte die Arbeitgeberin der Mitarbeiterin mit dass sie mit Wirkung vom 01. Januar 2001 innerhalb der Außenstelle Frankfurt am Main von der K-Gruppe zur Vertriebsgruppe versetzt werde, wobei eine Rückversetzung in die bisherige Funktion innerhalb von sechs Monaten vorbehalten bleibe.

Ab dem 01. Januar 2001 beschäftigte die Arbeitgeberin die Mitarbeiterin in der Vertriebsgruppe ihrer Außenstelle in Frankfurt am Main.

Am 11. Januar 2001 schilderte die Mitarbeiterin dem Vertriebsgruppenleiter von durch Zigarettenrauch im Kundendienst der Vertriebsgruppe bei ihr am Vorabend aufgetretene Gesundheitsbeschwerden. Zumindest dabei legte sie ein ärztliches Attest vor.

Am 12. Januar 2001 fand ein Personalgespräch mit der Mitarbeiterin statt, in der von der Arbeitgeberin ihre beabsichtigte Rückversetzung in die K-Gruppe mitgeteilt wurde.

Am 35. Januar 2001 widerrief die Arbeitgeberin gegenüber der Mitarbeiterin die Vereinbarung über deren vorläufigen Einsatz im Kundendienst. Anschließend wurde die Mitarbeiterin in der Vertriebsgruppe unter Befreiung vom Kundendienst ausschliesslich im Innendienst beschäftigt.

Ein erneutes Personalgespräch wegen der (Rück-)Versetzung der Mitarbeiterin in die K-Gruppe fand im Beisein des Vorsitzenden des Betriebsrats statt.

Mit Schreiben vom gleichen Tage (Bl. 19 d. A.) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die beabsichtigte (Rück-)Versetzung der Mitarbeiterin aus betrieblichen Gründen zum 07. März 2001 in die K-Gruppe.

Mit Schreiben vom und letztlich vom verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme.

Mit dem am bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten (Rück-)Versetzung der Mitarbeiterin verlangt.

Sie ist der Ansicht, es seien keine Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben. Die Mitarbeiterin werde durch die beabsichtigte (Rück-)Versetzung nicht benachteiligt, da sie mangels Einsatzmöglichkeit im KD-Bereich ohnehin nicht höhergruppiert werden könne. Unabhängig davon liege ein Nachteil nur dann vor, wenn ein Rechtsanspruch oder eine rechtsverbindliche Anwartschaft auf den Arbeitsplatz bestanden habe. Selbst wenn jedoch ein Nachteil angenommen werde, sei die Maßnahme zum einen wegen der im Hinblick auf die Sonderbehandlung der Mitarbeiterin entstandene Unruhe unter den Arbeitskollegen gerechtfertigt. Zum anderen liegen wegen ihrer Asthma-Erkrankung Gründe in ihrer Person vor. Im übrigen habe der Betriebsrat den Vorbehalt der Rückversetzung bereits bei seiner Beteiligung anläßlich der Versetzung der Mitarbeiterin in die Vertriebsgruppe akzeptiert und damit bereits seine Zustimmung zu einer eventuellen Rückversetzung gegeben.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu l) beantragt, die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur (Rück-)Versetzung der von der Vertriebsgruppe in die K-Gruppe zu ersetzen.

Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er ist der Ansicht, ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG liege vor. Die betroffene Mitarbeiterin erleide anderenfalls erhebliche Nachteile, da ihr durch die vorgesehene Maßnahme die Möglichkeit einer beruflichen Fortentwicklung genommen werde. Vielmehr sei die Arbeitgeberin verpflichtet, der Mitarbeiterin einen rauchfreien Arbeitsplatz in der Vertriebsgruppe zur Verfügung zu stellen, der in sämtlichen anderen Abteilungen zur Verfügung stünde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Die begehrte Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten (Rück-)Versetzung der Mitarbeiterin von der Vertriebsgruppe in die K-Gruppe ist nicht gemäss § 99 Abs. 4 BetrVG durch das angerufene Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu ersetzen. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu Recht form- und fristgerecht verweigert. Durch die beabsichtigte (Rück-) Versetzung wird die betroffene Mitarbeiterin benachteiligt, ohne dass dies aus betrieblichen oder in ihrer Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Im einzelnen gilt folgendes:

Zunächst war die Arbeitgeberin verpflichtet, vor der beabsichtigten (Rück-)Versetzung der Mitarbeiterin den Betriebsrat nach § 99 Abs. l Satz l BetrVG zu beteiligen. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass der Betriebsrat im Hinblick auf den individualrechtlichen Rückversetzungsvorbehalt im Schreiben der Beklagten an die Mitarbeiterin mit Zustimmung zur Versetzung in die Vertriebsgruppe quasi zugleich seine Zustimmung zur vorbehaltenen Rückversetzung der Mitarbeiterin erteilt haben könnte. Nur bei einer vorübergehenden Versetzung bedarf die Rückkehr zum alten Arbeitsplatz – zu unveränderten Arbeitsbedingungen – nicht mehr der Zustimmung des Betriebsrats (vgl. BAG vom 14. November 1989, NZA 1990, 357). Im Streitfalle handelt es sich hingegen um keine lediglich vorübergehende Versetzung. Demzufolge mußte der Betriebsrat vor der beabsichtigten (Rück-)Versetzung. wie vor jeder anderen personellen Maßnahme auch, im Rahmen des § 99 BetrVG beteiligt werden. Ohnehin käme die beantragte Ersetzung der – dann bereits erteilten – Zustimmung durch das angerufene Arbeitsgericht nicht in Betracht. Auch in diesem Fall wäre der Antrag der Arbeitgeberin unbegründet.

Nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung eines Mitarbeiters verweigern, wenn der betroffene Mitarbeiter durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Mitarbeiters liegenden Gründen gerechtfertigt ist. Als Nachteil kommt, entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin, nicht nur der Verlust einer Rechtsposition, sondern jeder auch nur faktische Nachteil des von einer Versetzung betroffenen Arbeitnehmers in Betracht (Vgl. z. B. BAG vom 15. September 1987 – l ABR 44/86). Dass derartige Nachteile vorliegend anzunehmen sind, ergibt sich für die Kammer bereits aus dem eigenen Vortrag der Arbeitgeberin. Diese hat bereits in der Antragsschrift selbst eingeräumt.

dass gegenüber der Tätigkeit in der K-Gruppe der Einsatz im Vertrieb grundsätzlich die Möglichkeit der Weiterentwicklung bietet. Es steht weiter nicht in Streit, dass die Stelle einer Sachbearbeiterin in der Vertriebsgruppe den Tarifgruppenmerkmalen der TG IV bis VI entspricht. Zudem hat der Betriebsrat unwidersprochen vorgetragen, dass sämtliche im Betrieb der Arbeitgeberin eingesetzten Vertriebssachbearbeiter nach Abschluss der Einarbeitungsphase in die Tarifgruppe TG VI eingruppiert sind. Demgegenüber verfängt die Argumentation der Arbeitgeberin, eine Höhergruppierung scheide wegen der aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkten Verwendung der Mitarbeiterin in der Vertriebsgruppe ohnehin aus. nicht. Da die Arbeitgeberin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Vgl. BAG vom 17. Februar 1998-9 AZR 84/97), der die Kammer folgt, nach § 6l 8 Ab?, l BGB in diesem Falle zur Einrichtung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes verpflichtet ist. kann die Mitarbeiterin sodann auch ohne Einschränkung in der Vertriebsgruppe eingesetzt werden. Auch läßt der individualrechtliche Vorbehalt der Rückversetzung im Schreiben der Arbeitgeberin kein anderes Ergebnis zu. Da die Arbeitgeberin, wie soeben ausgeführt, nach § 618 Abs. l BGB der Mitarbeiterin im Vertriebsbereich einen rauchfreien Arbeitsplatz einrichten muss. kann sie sich ihrer dahingehenden Verpflichtung nicht durch (Rück-)Versetzung unter Hinweis auf den Vorbehalt in ihrem Schreiben entziehen. Damit wird die Mitarbeiterin benachteiligt im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG.

Die beabsichtigte, für die Mitarbeiterin mit Nachteilen verbundene (Rück-) Versetzung ist auch nicht aus betrieblichen oder in ihrer Person liegenden Gründen gerechtfertigt. Gründe in der Person der Mitarbeiterin liegen im Hinblick auf ihre Asthma-Erkrankung nicht vor. Die Arbeitgeberin ist. wie oben ausgeführt, in dieser Hinsicht nach § 618 Abs. l BGB zur Einrichtung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes verpflichtet. Es ist für das Gericht auch nicht ersichtlich oder von der Arbeitgeberin im einzelnen nachvollziehbar dargetan, dass dies für die Arbeitgeberin unzumutbar wäre. Betriebliche Gründe sind für die Kammer ebenfalls nicht gegeben. Die von der Arbeitgeberin behauptete Unruhe unter den Mitarbeitern der Vertriebsgruppe endet spätestens mit der nach .Einrichtung eines rauchfreien Arbeitsplatzes gegebenen vollen Einsatzfähigkeit der Mitarbeiterin in der Vertriebsgruppe. Im übrigen sind derartige betriebliche Gründe, denen bei Abwägung Vorrang vor dem Interesse der Mitarbeiterin an dem Schutz vor Benachteiligung einzuräumen wäre (Vgl. LAG Berlin vom 31. Januar 1983 – 12 TaBV 3/82). nicht ersichtlich.

Letztlich vermag die Kammer, ohne dies rechtlich einordnen zu müssen, auch kein „treuwidriges Verschaffen“ der Position einer Vertriebssachbearbeiterin durch die Mitarbeiterin zu erkennen. Dies scheidet von vornherein bereits deshalb aus. da die Asthma-Erkrankung der Arbeitgeberin, was diese selbst eingeräumt hat. bereits zuvor bekannt war. Dass sich eine Asthma-Erkrankung bei passiver Nikotinbelastung verschlimmert, ist allgemein bekannt.

Die Entscheidung ergeht gemäss § 12 Abs. 5 ArbGG gerichtskosten- und gebührenfrei.

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