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Rückwirkung der Zustellung einer Klage

Auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht

AG Schöneberg – Az.: 770 C 53/11.WEG – Urteil vom 22.08.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft M. Straße 1-5 / T Damm 55-61, B..

In der Eigentümerversammlung vom 16.06.2011 wurden mehrheitlich die folgenden Beschlüsse gefasst:

TOP 2

Beschluss Nr. 39

Es wird beschlossen, die mit der Einladung vorgelegte Tagesordnung anzunehmen.

TOP 4

Beschluss Nr. 40

Die bereits beschlossene Dachsanierung der M. Straße 1-5 gemäß Beschluss vom 25.08.2011 soll, wie folgt, umgesetzt werden. Die Verträge sollen nach VOB geschlossen werden:

1) Es soll als Material bezüglich der Bitumenabdichtung und der Wärmedämmmaterialien die Produkte der Firma I. verwendet werden.

2) Die Dachdeckerei G. E., B., soll gemäß ihrem Angebot, welches mit der Summe 176.905,49 € schließt, beauftragt werden.

3) Die Firma S., B., soll mit dem Gerüst Bauarbeiten gemäß ihrem Angebot, welches mit der Summe 18.638,85 € schließt, beauftragt werden.

4) Die Firma A. soll mit der Durchführung der Trockenbauarbeiten gemäß ihrem Angebot, welches mit der Summe 3.160,00 € schließt, beauftragt werden.

5) Die Firma B. C. soll mit der Durchführung der Maler arbeiten gemäß ihrem Angebot, welches mit der Summe 1.685,06 € schließt, beauftragt werden.

6) Die Firma J. soll mit der Durchführung der Elektroarbeiten gemäß ihrem Angebot, welches mit 2.020,82 € schließt, beauftragt werden.

7) Der Architekt Herr K. wird mit den Leistungsphasen VII bis VIII nach HOAI beauftragt.

8) Die Schornsteinköpfe sollen nach Möglichkeit entfernt werden, soweit dies gesetzlich zulässig ist.

9) Die Verwaltung kann weitere Baukosten bis zu 10 % in Absprache mit dem Beirat vergeben.

10) Die Kosten sollen aus der Instandhaltungsrücklage finanziert werden.

TOP 5

Beschluss Nr. 41

Es wird beschlossen, im Rahmen der oben beschlossenen Dachsanierung die Dachterrasse B. zu sanieren. Diese Sanierung soll auf der Grundlage der Kostenschätzung des Architekten K. vom 24.05.2011, die mit „Balkonsanierung B.“ überschrieben ist, erfolgen. Der Architekt wird mit der Betreuung des Bauvorhabens beauftragt. Herr K. soll insbesondere die Planung, die Ausschreibung und die Baubetreuung vornehmen und nach HOAI der Leistungsphasen V bis VIII abrechnen.

Zunächst soll eine Ausschreibung auf der Grundlage der beigefügten Kostenschätzung erfolgen.

Nach dem Ergebnis soll der jeweils günstigste Bieter durch die Hausverwaltung beauftragt werden, wenn der Architekt gegen die fachliche Qualifikation keine Einwände erhebt. Falls Einwände erhoben werden, soll der zweitgünstigsten Bieter beauftragt werden. Diese Aufträge an die Bieter sollen jedoch nur erfolgen, wenn die Kosten für die Dachsanierung nicht über 235.000,00 € liegen.

Die Kosten für diese Maßnahme betragen nach der Kostenschätzung ca. 25.494,15 €.

Die Kosten sollen aus der Instandhaltungsrücklage finanziert werden. Die Mehrkosten für den Abriss der Fliesen in Höhe von 40,00 bis 80,00 € soll Frau B. tragen. Diese Kosten werden in der Abrechnung umgelegt.

Die Verfliesung soll von Frau B. beauftragt und bezahlt werden. Die Fliesen sollen fachmännisch verlegt und von Herrn K. abgenommen werden.

TOP 8

Beschluss Nr. 43

Die vorliegende Jahresabrechnung 2010 mit einer Gesamtsumme in Höhe von 150.853,94 € wird beschlossen. Die Beträge sind somit fällig.

TOP 9

Beschluss Nr. 44

Der vorliegende Gesamtwirtschaftsplan und die Einzelwirtschaftspläne 2012 mit einem Gesamtbetrag in Höhe von insgesamt 225.759,12 € werden ab dem 01.01.2012 beschlossen und gelten fort bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans.

TOP 10

Beschluss Nr. 45

Es wird beschlossen, die Beiräte Frau M. F., Frau H., Frau W. und Herrn N. für ihre Tätigkeit im Jahr 2010 zu entlasten.

Beschluss Nr. 46

Es wird beschlossen, die Hausverwaltung D. für die Tätigkeit im Jahr 2010 zu entlasten.

Die Klägerin trägt vor:

Das der Eigentümerversammlung zu Grunde liegende Protokoll sei zunächst nicht unterzeichnet worden. Es fehle die Unterschrift der Beiratsvorsitzenden. Das Protokoll sei ihr, der Klägerin, erst verspätet, nämlich am 13.07.2011, zugegangen.

Der Beschluss Nr. 39 sei in der Versammlung nicht so gefasst worden, wie laut Protokoll ausgewiesen. Eine Auszählung der per Handzeichen abgegebenen Stimmen sei nicht vorgenommen worden. An der Versammlung hätten auch Nichteigentümer teilgenommen.

Der Beschluss Nr. 44 entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Bezüglich des Wirtschaftsplanes 2012 sei keine vorherige Prüfung durch den Verwaltungsbeirat erfolgt. Der Verwaltungsbeirat habe auch keine Stellungnahme abgegeben. In den Wirtschaftsplan seien Posten eingestellt worden, die nicht nachvollziehbar seien. Dies gelte für die Positionen Auslagen Beirat / EV + Hausmeister, Hausreinigung / Hauswart, Kosten Lohnabrechnung Hausverwaltung, Rechts- und Beratungskosten € 500,00, Urlaubsvertretung HR Bodeschau, Verwalterhonorar.

Eine Entlastung des Verwaltungsbeirats und der Hausverwaltung (Beschlüsse Nr. 45 und 46) komme nicht in Betracht, da die Jahresabrechnung 2010 nebst Wirtschaftsplan 2012 nicht ordnungsgemäß erstellt worden sei.

Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin habe den geforderten Gerichtskostenvorschuss am 14.09.2011 „online“ überwiesen. Dies habe die Rechtsschutzversicherung auf Nachfrage gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch am 14.09.2011 bestätigt.

Die Klägerin beantragt, die in der Eigentümerversammlung vom 16. Juni 2011 zu den TOP 2, 9 und 10 gefassten Beschlüsse Nr. 39, Nr. 44, Nr. 45, Nr. 46 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor: Es sei unerheblich, ob das Protokoll der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung unterzeichnet worden sei.

Für die Anfechtung des Beschlusses Nr. 39 fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es sich bei diesem Beschluss um einen so genannten Geschäftsordnungsbeschluss handele, der sich mit der Beendigung der Eigentümerversammlung erledigt habe.

Es komme nicht darauf an, ob der Verwaltungsbeirat den Wirtschaftsplan 2012 vor der Eigentümerversammlung geprüft habe. In der Sache sei der Wirtschaftsplan nicht zu beanstanden, weil der Eigentümergemeinschaft ein sehr weites Ermessen hinsichtlich der in den Plan einzustellenden voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben zustehe.

Die Klägerin hat zunächst die Beschlüsse Nr. 39, Nr. 40, Nr. 41, Nr. 43, Nr. 44, Nr. 45 und Nr. 46 angefochten. Bezüglich der Beschlüsse Nr. 40, Nr. 41 und Nr. 43 ist das Verfahren abgetrennt und zum Zwecke der gemeinsamen Verhandlung mit dem Verfahren verbunden worden. In diesem Verfahren sind die Beschlüsse Nr. 40 und Nr. 41 für ungültig erklärt worden. Beschluss Nr. 43 ist im Hinblick auf die Abrechnung der Instandhaltungsrücklage hinsichtlich der Jahresgesamt-  und -einzelabrechnung 2010 für ungültig erklärt worden. Mit Schriftsatz vom 29.05.2012 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Beschlüsse Nr. 39 und Nr. 44 zurückgenommen. Die Beklagten haben der Klagerücknahme nicht zugestimmt.

Die Klage ist am 18.07.2011 bei Gericht eingegangen. Mit Verfügung vom 12.08.2011 ist der Klägerin aufgegeben worden, zur Ermittlung des Kostenvorschusses die Einzeljahresabrechnung 2010 und den Einzelwirtschaftsplan 2011 binnen einer Woche einzureichen. Mit Schriftsatz vom 25.08.2011 hat die Klägerin die geforderten Unterlagen eingereicht. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist die Kostenvorschussanforderung am 31.08.2011 zugegangen. Sie ist am 02.09.2011 an die Rechtsschutzversicherung weitergeleitet worden. Am 19.09.2011 ist der Vorschuss bei der Justizkasse eingegangen. Die Klage ist am 11.10.2011 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 05.07.2012 ist in das schriftliche Verfahren übergegangen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Anfechtungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 WEG ist nicht eingehalten worden. Die Klage ist nicht innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben worden. Die Erhebung der Klage erfolgt gemäß § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung an die beklagten Wohnungseigentümer. Die streitgegenständliche Eigentümerversammlung fand am 16.06.2011 statt. Die am 18.07.2011 bei Gericht eingegangene Klage ist den Beklagten am erst 11.10.2011 zugestellt worden, mithin mehr als einen Monat nach der Beschlussfassung.

Die Klägerin kann sich im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf § 167 ZPO berufen, wonach die Zustellung der Klage auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht zurückwirkt. Denn Voraussetzung dieser Rückwirkung ist, dass die Klagezustellung „demnächst“ erfolgt. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.

Geht es um von der klagenden Partei zu vertretende Zustellungsverzögerungen, so ist das Merkmal „demnächst“ nur erfüllt, wenn sich die Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen hält. Mit Blick auf den nach § 12 Abs. 1 GKG zu leistenden Gerichtskostenvorschuss ist das nur zu bejahen, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich „um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt“ (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 15. November 1985 – II ZR 236/84, NJW 1986, 1347, 1348; BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 – V ZR 74/08, BGHZ 179, 179, 230 Rn. 16, zitiert nach juris). Ob sich die Verzögerung „in einem hinnehmbaren Rahmen hält“, ist vor allem der Beurteilung des Tatrichters vorbehalten, der dabei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat.

Zwischen Zugang der Kostenanforderung bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31.08.2011 und Eingang des Kostenvorschusses bei Gericht liegt im vorliegenden Fall ein Zeitraum von 19 Tagen. Selbst zwischen Zuleitung der Kostenanforderung an die Rechtsschutzversicherung (02.09.2011) und Zahlungseingang liegt noch immer ein Zeitraum von 17 Tagen. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls führt dies in der Gesamtschau dazu, dass die Zustellung vorliegend nicht „demnächst“ erfolgt ist. Der Vorschuss ist nicht innerhalb eines Zeitraums eingezahlt worden, der sich „um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt“. Der Zeitraum zwischen Anforderung und Eingang des Vorschusses (19 Tage) überschreitet die 14-Tagefrist um über 30%.

Auch wenn man berücksichtigt, dass der Kostenvorschuss bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und nicht bei der Klägerin persönlich angefordert worden ist, ergibt die Gesamtschau, dass sich die Verzögerung nicht mehr in einem hinnehmbaren Rahmen hält. Denn auch bei einem Abstellen auf die Zuleitung der Kostenanforderung an die Rechtsschutzversicherung ergibt sich eine Überschreitung der 14-Tagesfrist von über 20%. Ohnehin ist nicht ersichtlich, dass eine Anforderung der Kosten bei der Klägerin persönlich zu einer zügigeren Zahlung geführt hätte. Entsprechendes hat die Klägerin auch nicht behauptet.

Bei gewissenhafter Prozessführung wäre es möglich gewesen, den Vorschuss innerhalb von 14 Tagen oder geringfügig darüber einzuzahlen. Es ist nicht ersichtlich, dass seitens der Klägerseite alles zumutbare für eine schnellstmögliche Zustellung unternommen wurde. Zuzurechnen ist der Klägerin insbesondere, dass die Rechtsschutzversicherung nach ihrem eigenen Vortrag die Überweisung am 14.09.2011 ausgelöst haben möchte, also genau 14 Tage nach Eingang der Kostenanforderung am 31.08.2011. Unter Berücksichtigung üblicher Banklaufzeiten war es erkennbar, dass es zu einer Verzögerung um mehr als 2 Wochen kommen kann. Dennoch ist eine frühere Zahlung nicht veranlasst worden. Gründe hierfür sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch unter Berücksichtigung üblicher Prüfungs- und Überlegungsfristen wäre es möglich gewesen, den Kostenvorschuss binnen 14 Tagen seit Anforderung einzuzahlen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob durch die Beantwortung der Streitwertanfrage eine weitere Verzögerung eingetreten ist.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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