Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ich habe meinen Flug mit Meilen bezahlt – bekomme ich bei Annullierung trotzdem Geld zurück?
- Worum genau ging es in dem Fall vor dem Landgericht Hamburg?
- Warum weigerte sich die Fluggesellschaft zu zahlen?
- Wie entschied das Gericht über die Erstattung des mit Meilen bezahlten Tickets?
- Warum wurde aus einem Anspruch auf Meilen plötzlich ein Anspruch auf Geld?
- Musste die Fluggesellschaft auch die pauschale Ausgleichszahlung leisten?
- Zählten die Corona-Einreiseverbote nicht als „außergewöhnlicher Umstand“?
- Warum musste die Airline auch die Anwaltskosten des Klägers übernehmen?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann kann sich mein Anspruch auf Bonusmeilen in eine Geldforderung umwandeln?
- Welche Pflichten hat die Fluggesellschaft, wenn sie sich auf ‚außergewöhnliche Umstände‘ beruft?
- Wer ist bei einer Flugannullierung mein Ansprechpartner, wenn ich über eine Partner-Airline oder ein Reisebüro gebucht habe?
- Welche Schritte sollte ich unternehmen, wenn die Fluggesellschaft meine berechtigten Forderungen ignoriert?
- Wie wird der Geldwert eines mit Bonusmeilen bezahlten Flugtickets bei einer Erstattung ermittelt?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 310 O 248/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Hamburg
- Datum: 02.05.2024
- Aktenzeichen: 310 O 248/22
- Verfahren: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Fluggastrechte, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Fluggast, der die Erstattung des Flugpreises (überwiegend mit Bonusmeilen bezahlt) und eine Ausgleichszahlung nach Annullierung seines Fluges forderte.
- Beklagte: Das ausführende Luftfahrtunternehmen, das die Forderungen des Klägers bestritt und sich auf behördliche Einreisebeschränkungen als Grund für die Annullierung berief.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Kläger buchte Flüge nach Hong Kong, die von der Beklagten weniger als 14 Tage vor Abflug annulliert wurden. Er verlangte die monetäre Erstattung des überwiegend mit Bonusmeilen bezahlten Flugpreises, eine Ausgleichszahlung und die Kosten seiner vorgerichtlichen Rechtsvertretung.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Steht einem Fluggast, dessen Flug weniger als 14 Tage vor Abflug durch das ausführende Luftfahrtunternehmen annulliert wurde, ein Anspruch auf monetäre Erstattung des Flugpreises – auch wenn dieser weit überwiegend mit Bonusmeilen bezahlt wurde – sowie auf Ausgleichszahlung zu, insbesondere wenn das Luftfahrtunternehmen die Annullierung mit behördlichen Einreisebeschränkungen im Zielland begründet?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Klage stattgegeben: Die Beklagte wurde zur Zahlung der geforderten Beträge für Flugpreiserstattung, Ausgleichszahlung und Anwaltskosten verurteilt.
- Kernaussagen der Begründung:
- Schadensersatz statt Leistung: Der ursprüngliche Anspruch auf Flugpreiserstattung wandelte sich in einen Schadensersatzanspruch in Geld um, da die Beklagte die Erstattung trotz Fristsetzung nicht leistete. Die ursprüngliche Zahlung mit Bonusmeilen ist dabei unerheblich.
- Keine außergewöhnlichen Umstände: Die Beklagte konnte sich nicht erfolgreich auf behördliche Covid-19-Restriktionen als Außergewöhnliche Umstände berufen, da sie nicht konkret darlegte, warum genau dieser Flug annulliert werden musste. Wirtschaftliche Gründe konnten nicht ausgeschlossen werden.
- Vorgerichtliche Anwaltskosten erstattungsfähig: Die Beklagte befand sich im Verzug, sodass die angemessenen Kosten für die vorgerichtliche Rechtsvertretung als Verzugsschaden zu erstatten sind.
- Folgen für den Kläger:
- Der Kläger erhält 5.483,20 € für Flugpreiserstattung und Ausgleichszahlung sowie 615,00 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, jeweils zuzüglich Zinsen.
- Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
Der Fall vor Gericht
Ich habe meinen Flug mit Meilen bezahlt – bekomme ich bei Annullierung trotzdem Geld zurück?
Stellen Sie sich vor, Sie haben monatelang Bonusmeilen gesammelt, um sich einen Traumflug in der Business-Klasse zu gönnen. Endlich ist es so weit, die Buchung ist abgeschlossen. Doch kurz vor dem Abflug kommt die E-Mail: Der Flug wurde gestrichen. Was nun? Bekommen Sie nur Ihre Meilen zurück, oder haben Sie möglicherweise Anspruch auf den vollen Ticketpreis in bar? Genau diese Frage musste das Landgericht Hamburg in einem bemerkenswerten Urteil klären. Es ging um einen Fluggast, der nicht nur den Ticketpreis in Geld, sondern auch eine zusätzliche Entschädigung forderte, nachdem sein mit Meilen bezahlter Flug annulliert wurde.
Worum genau ging es in dem Fall vor dem Landgericht Hamburg?

Ein Mann, wir nennen ihn hier den Kläger, buchte für sich und eine Begleitperson am 31. Dezember 2021 einen Flug von Hamburg über Zürich nach Hong Kong. Der Abflug sollte am 11. Januar 2022 stattfinden. Für diese Tickets in der Business-Klasse setzte er 93.000 seiner gesammelten Bonusmeilen ein und zahlte zusätzlich 91,92 Euro. Aus den Flugnummern ging hervor, dass eine bestimmte Fluggesellschaft, die Beklagte in diesem Verfahren, den Flug durchführen sollte. Man nennt diese Gesellschaft das ausführende Luftfahrtunternehmen – das ist die Airline, deren Flugzeug tatsächlich fliegen soll, selbst wenn man das Ticket woanders gebucht hat.
Weniger als zwei Wochen vor dem geplanten Abflug annullierte die Fluggesellschaft die Flüge. Der Grund dafür waren Einreisebeschränkungen in Hong Kong, die aufgrund der damaligen Corona-Pandemie galten. Touristen durften nicht mehr einreisen.
Der Kläger war damit nicht einverstanden. Er forderte die Fluggesellschaft per E-Mail auf, ihm den Ticketpreis zu erstatten, und setzte dafür eine Frist. Später forderte er konkret die Zahlung von 5.483,20 Euro. Dieser Betrag setzte sich aus dem seiner Meinung nach vollen Geldwert der Tickets (4.883,20 Euro) und einer pauschalen Entschädigung von 600 Euro zusammen.
Warum weigerte sich die Fluggesellschaft zu zahlen?
Die Fluggesellschaft lehnte die Forderungen ab und brachte im Wesentlichen drei Argumente vor:
- „Wir sind nicht zuständig“: Die Airline argumentierte, sie sei nicht der richtige Ansprechpartner. Der Kläger habe die Flüge ja über das Meilenprogramm einer Partner-Airline gebucht und solle sich dorthin wenden.
- „Nur Meilen, kein Geld“: Selbst wenn sie zahlen müsste, so die Fluggesellschaft, könne der Kläger höchstens die Rückgabe seiner 93.000 Bonusmeilen verlangen, aber keine Auszahlung des Ticketwerts in bar.
- „Außergewöhnliche Umstände“: Für die zusätzliche Entschädigungszahlung sei sie nicht verpflichtet, da die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sei. Das sind Ereignisse, die eine Fluggesellschaft nicht beherrschen kann, wie zum Beispiel politische Unruhen oder eben behördliche Anordnungen wie die Einreiseverbote in Hong Kong.
Da die Fluggesellschaft nicht zahlte, zog der Kläger vor Gericht.
Wie entschied das Gericht über die Erstattung des mit Meilen bezahlten Tickets?
Das Landgericht Hamburg gab dem Kläger vollständig recht. Die Fluggesellschaft wurde verurteilt, die geforderten 4.883,20 Euro für die Tickets zu zahlen. Die Argumentation des Gerichts war hier besonders interessant und stützte sich nicht direkt auf die europäische Fluggastrechte-Verordnung, sondern auf das deutsche Zivilrecht.
Zunächst stellte das Gericht klar, dass die Fluggesellschaft sehr wohl der richtige Ansprechpartner ist. Nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung richten sich die Ansprüche eines Passagiers bei einer Annullierung immer gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen – also die Airline, die den Flug durchführen sollte. Es spielt keine Rolle, wo das Ticket gebucht wurde.
Die entscheidende Frage war aber: Wie kommt das Gericht von 93.000 Meilen zu einer Geldforderung von fast 5.000 Euro?
Warum wurde aus einem Anspruch auf Meilen plötzlich ein Anspruch auf Geld?
Hier nutzte das Gericht einen Mechanismus aus dem deutschen Recht, den Schadensersatz statt der Leistung. Das klingt kompliziert, lässt sich aber gut mit einem Alltagsbeispiel erklären.
Stellen Sie sich vor, Sie bestellen bei einem Händler einen seltenen, blauen Stuhl. Der Händler liefert nicht. Sie schreiben ihm und setzen eine Frist: „Liefern Sie den Stuhl bis nächste Woche, sonst…“ Der Händler liefert trotzdem nicht. Nun können Sie nach Ablauf der Frist sagen: „Ich will den Stuhl nicht mehr. Gib mir stattdessen das Geld, das ich jetzt brauche, um mir einen gleichwertigen blauen Stuhl woanders zu kaufen.“ Ihr ursprünglicher Anspruch auf „Lieferung des Stuhls“ hat sich in einen Anspruch auf „Zahlung von Geld“ verwandelt.
Genau das ist hier passiert. Das Gericht argumentierte wie folgt:
- Durch die Annullierung hatte der Kläger einen Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises. Ob dieser Anspruch anfangs auf die Rückgabe von Meilen oder auf Geld gerichtet war, ließ das Gericht offen.
- Der Kläger forderte die Fluggesellschaft zur Erstattung auf und setzte eine klare Frist.
- Die Fluggesellschaft tat innerhalb dieser Frist nichts. Sie erstattete weder die Meilen noch zahlte sie Geld.
- Durch diese Pflichtverletzung – das Nichtstun trotz Fristsetzung – wandelte sich der ursprüngliche Erstattungsanspruch des Klägers in einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld.
Der Kläger musste nun nur noch beweisen, wie hoch sein Schaden war. Er legte dem Gericht einen Screenshot vor, der zeigte, was ein vergleichbares, normal bezahltes Business-Class-Ticket für dieselbe Strecke am selben Tag gekostet hätte: 4.883,20 Euro. Die Fluggesellschaft bestritt diesen Betrag nur pauschal, ohne eigene Beweise vorzulegen. Das reichte dem Gericht nicht. Es erklärte, dass die Airline, die über alle Preis- und Tarifdaten verfügt, konkret hätte darlegen müssen, warum dieser Preis falsch sein soll. Da sie das nicht tat, galt der vom Kläger genannte Betrag als bewiesen.
Musste die Fluggesellschaft auch die pauschale Ausgleichszahlung leisten?
Ja, das Gericht verurteilte die Fluggesellschaft auch zur Zahlung der pauschalen Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro. Nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung steht Passagieren bei einer kurzfristigen Annullierung eines Langstreckenflugs (mehr als 3.500 km) eine solche Zahlung zu. Die Fluggesellschaft hatte den Flug weniger als 14 Tage vor Abflug gestrichen und keine zumutbare Alternative angeboten. Damit waren die Grundvoraussetzungen für den Anspruch erfüllt.
Doch was war mit dem Einwand der Airline, es hätten „außergewöhnliche Umstände“ vorgelegen?
Zählten die Corona-Einreiseverbote nicht als „außergewöhnlicher Umstand“?
Das Gericht wies dieses Argument der Fluggesellschaft zurück. Zwar können behördliche Anordnungen wie Einreiseverbote grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Allerdings trägt die Fluggesellschaft die Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, sie muss nicht nur behaupten, dass es einen außergewöhnlichen Umstand gab, sondern sie muss dem Gericht auch detailliert beweisen, dass genau dieser Umstand zur Annullierung des konkreten Flugs geführt hat und es keine Möglichkeit gab, dies zu verhindern.
Dieser Beweis ist der Fluggesellschaft laut Gericht nicht gelungen.
- Die Airline verwies nur allgemein auf die Einreisebeschränkungen in Hong Kong.
- Sie erklärte aber nicht, warum der Flug deshalb komplett gestrichen werden musste. Aus den vorgelegten Bestimmungen ging nämlich hervor, dass Flugzeugbesatzungen weiterhin nach Hong Kong einreisen durften.
- Die Fluggesellschaft legte nicht dar, warum der Flug nicht trotzdem hätte stattfinden können, zum Beispiel als reiner Fracht- oder Überführungsflug.
Das Gericht schloss daraus, dass es nicht ausschließen könne, dass der Flug in Wahrheit aus wirtschaftlichen Gründen annulliert wurde – also weil er sich mit zu wenigen Passagieren einfach nicht gelohnt hätte. Eine rein wirtschaftliche Entscheidung ist aber niemals ein außergewöhnlicher Umstand. Da die Fluggesellschaft ihre Beweispflicht nicht erfüllt hatte, musste sie die Ausgleichszahlung leisten.
Warum musste die Airline auch die Anwaltskosten des Klägers übernehmen?
Zuletzt verurteilte das Gericht die Fluggesellschaft auch dazu, die Anwaltskosten des Klägers in Höhe von 615 Euro zu erstatten. Der Grund dafür ist der sogenannte Verzug. Da der Kläger der Airline eine klare Frist zur Zahlung gesetzt hatte und diese Frist ohne Zahlung verstrichen war, befand sich die Fluggesellschaft „in Verzug“. Das ist vergleichbar mit einer Rechnung, die man nicht rechtzeitig bezahlt. Alle Kosten, die dem Gläubiger (hier dem Kläger) durch diesen Verzug entstehen – wie eben die Kosten für einen Anwalt, der das Geld eintreiben muss –, sind als Verzugsschaden vom Schuldner (hier der Airline) zu ersetzen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des Landgerichts Hamburg zeigt, dass auch mit Bonusmeilen bezahlte Flugtickets bei Annullierung zu Gelderstattungsansprüchen führen können, wenn die Airline nach Fristsetzung nicht handelt.
- Schadensersatz statt Leistung verwandelt Milenansprüche in Geldansprüche: Das Urteil verdeutlicht, dass durch das deutsche Zivilrecht ein ursprünglicher Erstattungsanspruch (Meilen oder Geld) nach erfolgloser Fristsetzung automatisch zu einem Schadensersatzanspruch in Höhe des Marktpreises eines vergleichbaren Tickets wird.
- Beweislast bei außergewöhnlichen Umständen liegt vollständig bei der Airline: Daraus folgt, dass Fluggesellschaften nicht nur behaupten dürfen, außergewöhnliche Umstände seien eingetreten, sondern konkret darlegen müssen, warum genau diese Umstände die Annullierung des spezifischen Flugs unvermeidbar machten und keine Alternativen existierten.
- Ausführende Airline ist immer zuständig, unabhängig vom Buchungsweg: Das Gericht bestätigte, dass nach EU-Fluggastrechte-Verordnung stets das ausführende Luftfahrtunternehmen für Annullierungen haftet, selbst wenn das Ticket über Partner-Airlines oder Meilenprogramme gebucht wurde.
Dieses Urteil stärkt die Position von Fluggästen erheblich und zeigt, dass eine ordnungsgemäße Fristsetzung entscheidend sein kann, um aus einem unsicheren Erstattungsanspruch einen durchsetzbaren Geldanspruch zu machen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann kann sich mein Anspruch auf Bonusmeilen in eine Geldforderung umwandeln?
Ein ursprünglicher Anspruch auf Bonusmeilen, also auf eine Sachleistung, kann sich unter bestimmten Voraussetzungen in eine Geldforderung umwandeln. Dies ist eine wichtige Möglichkeit, Ihre Rechte durchzusetzen, wenn die Fluggesellschaft die vereinbarte Leistung nicht erbringt oder nicht mehr erbringen kann.
Der Weg zur Geldforderung: Schadensersatz statt der Leistung
Die Umwandlung von einem Anspruch auf Sachleistung (hier Bonusmeilen) in einen Anspruch auf Geld (Schadensersatz) geschieht im deutschen Recht häufig über das Konzept des sogenannten „Schadensersatzes statt der Leistung“. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Anspruch auf etwas Bestimmtes, zum Beispiel Bonusmeilen, und dieses wird Ihnen nicht gegeben. Dann können Sie unter bestimmten Bedingungen anstelle der Meilen ihren Wert in Geld verlangen.
Die wichtigsten Voraussetzungen für diese Umwandlung sind in der Regel:
- Eine bestehende Leistungspflicht: Die Fluggesellschaft muss Ihnen gegenüber verpflichtet sein, die Bonusmeilen zu gewähren.
- Eine Pflichtverletzung: Die Fluggesellschaft muss dieser Pflicht nicht nachkommen, also die Meilen nicht gewähren oder Sie verlieren diese unrechtmäßig.
- Die Setzung einer angemessenen Frist: In den meisten Fällen müssen Sie der Fluggesellschaft eine Angemessene Frist setzen, innerhalb derer sie die Bonusmeilen doch noch gutschreiben oder wiederherstellen soll. Eine „angemessene Frist“ bedeutet, dass die Zeitspanne für die Erbringung der Leistung realistisch sein muss, damit die Fluggesellschaft ihre Pflicht erfüllen kann.
- Erfolgloses Verstreichen der Frist: Läuft diese Frist ab, ohne dass die Fluggesellschaft die Meilen gewährt hat, kann der ursprüngliche Meilenanspruch in eine Geldforderung umgewandelt werden.
- Entbehrlichkeit der Fristsetzung: In bestimmten Ausnahmefällen ist keine Fristsetzung erforderlich. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Fluggesellschaft die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn die Leistung unmöglich geworden ist (z.B. wenn die Meilen definitiv nicht mehr wiederhergestellt werden können oder das Bonusprogramm eingestellt wird und es keine Alternative gibt).
Was bedeutet das in der Praxis?
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wandelt sich Ihr Anspruch auf die Bonusmeilen in einen Anspruch auf Geld um. Sie können dann nicht mehr die Bonusmeilen selbst einfordern, sondern verlangen stattdessen den monetären Wert der Meilen als Schadensersatz.
Die Höhe der Geldforderung richtet sich nach dem Wert der verlorenen Bonusmeilen. Dieser Wert kann je nach Bonusprogramm, den möglichen Verwendungen der Meilen und dem, was mit den Meilen hätte erworben werden können, variieren und ist oft ein zentraler Punkt bei der Bemessung des Schadens.
Dieses Prinzip ermöglicht es, auch dann eine Kompensation zu erhalten, wenn die ursprüngliche Sachleistung nicht mehr erbracht werden kann oder nicht gewünscht wird. Es dient dazu, dass der Ihnen durch die Nichtleistung entstandene Schaden in finanzieller Form ausgeglichen wird. Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich primär im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den Vorschriften zum Schadensersatz bei Pflichtverletzungen, wie zum Beispiel in den Paragraphen § 280 und § 281 BGB.
Welche Pflichten hat die Fluggesellschaft, wenn sie sich auf ‚außergewöhnliche Umstände‘ beruft?
Wenn eine Fluggesellschaft Entschädigungszahlungen wegen einer Annullierung oder großen Verspätung vermeiden möchte, indem sie sich auf „außergewöhnliche Umstände“ beruft, trägt sie hierfür eine erhebliche Pflicht zur Darlegung und zum Beweis. Eine pauschale Behauptung reicht dabei nicht aus, um die Ansprüche der Passagiere nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) abzuwehren.
Nachweispflichten der Fluggesellschaft
Die Fluggesellschaft muss konkret aufzeigen, warum der Vorfall, der zur Annullierung oder Verspätung führte, ein „außergewöhnlicher Umstand“ war. Dies bedeutet:
- Genaue Beschreibung des Ereignisses: Die Fluggesellschaft muss detailliert darlegen, um welches spezifische Ereignis es sich handelte (z.B. ein bestimmter Sturm, ein Streik einer bestimmten Berufsgruppe, ein unerwartetes technisches Problem). Es muss klar benannt werden, wann und wo dieses Ereignis auftrat.
- Kausalzusammenhang: Es muss bewiesen werden, dass dieses außergewöhnliche Ereignis unmittelbar die Ursache für die Flugunregelmäßigkeit war. Eine allgemeine Störung im Flugverkehr reicht nicht aus, wenn der konkrete Flug nicht direkt davon betroffen war.
- Unvermeidbarkeit trotz zumutbarer Maßnahmen: Selbst wenn ein Ereignis außergewöhnlich war, muss die Fluggesellschaft zusätzlich nachweisen, dass die Annullierung oder große Verspätung nicht hätte vermieden werden können, selbst wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dies umfasst beispielsweise:
- Prüfung von Alternativen: Hat die Fluggesellschaft versucht, Ersatzflüge anzubieten oder Passagiere umzubuchen?
- Vorsorge und Wartung: Bei technischen Problemen muss dargelegt werden, dass diese trotz ordnungsgemäßer Wartung und Überprüfung unerwartet auftraten und nicht auf mangelnde Sorgfalt zurückzuführen sind. Routine-Wartungsarbeiten oder typische technische Defekte gelten in der Regel nicht als außergewöhnlich.
- Eigene Personalplanung: Ein Streik des eigenen Personals der Fluggesellschaft gilt beispielsweise in den meisten Fällen nicht als außergewöhnlicher Umstand, da die Fluggesellschaft hierauf Einfluss nehmen kann.
Praktische Auswirkungen für Fluggäste
Für Sie als Fluggast bedeutet dies, dass Sie die bloße Behauptung der Fluggesellschaft, es habe sich um „außergewöhnliche Umstände“ gehandelt, nicht einfach hinnehmen müssen. Die Fluggesellschaft ist verpflichtet, ihre Behauptung mit konkreten und nachvollziehbaren Fakten zu untermauern. Verlangt ein Gericht die Vorlage entsprechender Beweise, muss die Fluggesellschaft diese detailliert erbringen und glaubhaft machen, dass sie alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um die Auswirkungen des außergewöhnlichen Umstands zu minimieren.
Wichtiger Hinweis: Die Definition von „außergewöhnlichen Umständen“ und die Anforderungen an den Nachweis werden immer wieder durch die Rechtsprechung der Gerichte konkretisiert. Für weiterführende Informationen kann die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 oder offizielle Seiten von Verbraucherschutzorganisationen herangezogen werden.
Wer ist bei einer Flugannullierung mein Ansprechpartner, wenn ich über eine Partner-Airline oder ein Reisebüro gebucht habe?
Der rechtlich korrekte Ansprechpartner bei einer Flugannullierung ist immer das ausführende Luftfahrtunternehmen. Dies ist die Fluggesellschaft, die den Flug, um den es geht, tatsächlich durchführen sollte. Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie Ihr Ticket direkt bei dieser Airline, über eine Partner-Airline (z.B. im Rahmen einer Bonusmeilen-Buchung) oder bei einem Reisebüro gekauft haben.
Das ausführende Luftfahrtunternehmen: Der entscheidende Partner
Wenn ein Flug annulliert wird, richten sich Ihre Rechte und Ansprüche nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Diese Verordnung legt fest, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen für die Einhaltung der Fluggastrechte verantwortlich ist. Das bedeutet:
- Verantwortung für Entschädigung: Die Fluggesellschaft, die den Flug tatsächlich betreiben sollte, muss bei einer Annullierung unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung zahlen.
- Verantwortung für Betreuungsleistungen: Auch die Pflicht zur Bereitstellung von Mahlzeiten, Getränken oder einer Hotelunterkunft bei längeren Wartezeiten liegt beim ausführenden Luftfahrtunternehmen.
- Verantwortung für alternative Beförderung: Diese Airline ist auch dafür zuständig, Ihnen eine alternative Beförderung zum Zielort anzubieten.
Praktische Auswirkungen für Sie
Für Sie bedeutet das, dass Sie sich im Falle einer Flugannullierung direkt an die Fluggesellschaft wenden sollten, deren Flugnummer auf Ihrem Ticket für den annullierten Flug stand und die diesen Flug hätte durchführen sollen. Die Art Ihrer Buchung – sei es über ein Online-Reisebüro, ein traditionelles Reisebüro oder über ein Bonusprogramm einer anderen Airline – ändert nichts an dieser Zuständigkeit.
Stellen Sie sich vor, Sie buchen einen Flug von München nach New York bei Lufthansa, aber der Flug wird tatsächlich von United Airlines im Rahmen einer Codeshare-Vereinbarung durchgeführt. Wenn dieser Flug annulliert wird, ist United Airlines Ihr Ansprechpartner für Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung, da United Airlines das ausführende Luftfahrtunternehmen war. Das gilt auch, wenn Sie diesen Flug mit gesammelten Bonusmeilen einer dritten Fluggesellschaft gebucht haben. Die Beziehung zu dem Reisebüro oder der Partner-Airline ist für die direkten Ansprüche aus der Annullierung des Fluges, wie Entschädigung oder Betreuungsleistungen, zweitrangig. Ihre Ansprüche richten sich primär gegen die Fluggesellschaft, die den Flug operativ verantwortet hätte.
Welche Schritte sollte ich unternehmen, wenn die Fluggesellschaft meine berechtigten Forderungen ignoriert?
Wenn eine berechtigte Forderung gegenüber einer Fluggesellschaft unbeantwortet bleibt, ist eine klare und nachweisbare Kommunikation oft der erste wichtige Schritt. Ziel ist es, die Fluggesellschaft formal auf die bestehende Verpflichtung hinzuweisen und eine Reaktion innerhalb einer bestimmten Frist einzufordern.
Die schriftliche Aufforderung und Fristsetzung
Eine schriftliche Aufforderung, häufig auch als Mahnung bezeichnet, ist ein zentrales Element in dieser Situation. Sie dient dazu, die Fluggesellschaft offiziell und nachweisbar auf ihre ausstehende Leistung oder Zahlung hinzuweisen. Eine solche Aufforderung sollte präzise und verständlich formuliert sein und folgende Punkte enthalten:
- Eine detaillierte Beschreibung des Sachverhalts (z.B. Flugnummer, Datum, Strecke der Annullierung).
- Die konkrete Forderung (z.B. der genaue Betrag für Entschädigung oder Rückerstattung).
- Eine eindeutige und angemessene Frist für die Erfüllung der Forderung. Eine Frist von beispielsweise 14 Tagen ist hierbei üblich.
- Gegebenenfalls die Bankverbindung für eine mögliche Zahlung.
Es ist ratsam, einen Nachweis über den Versand der Aufforderung zu haben, etwa durch ein Einschreiben mit Rückschein oder eine E-Mail mit Lesebestätigung. Dies ermöglicht es, später zu belegen, dass die Fluggesellschaft die Aufforderung erhalten hat.
Die rechtlichen Auswirkungen: Der Verzug der Fluggesellschaft
Wenn die Fluggesellschaft eine berechtigte Forderung trotz einer klaren und angemessenen Fristsetzung nicht erfüllt, kann sie in Verzug geraten. Verzug bedeutet, dass die Fluggesellschaft ihre vertragliche Pflicht zur Leistung oder Zahlung nicht fristgerecht erfüllt.
Die Bedeutung des Verzugs für die fordernde Partei liegt darin, dass sich die rechtliche Ausgangslage verändern kann:
- Verzugszinsen: Ab dem Zeitpunkt des Verzugs können für den geschuldeten Betrag gesetzliche Verzugszinsen anfallen. Diese dienen als Ausgleich für die verspätete Zahlung und sind in ihrer Höhe gesetzlich festgelegt.
- Ersatz von Kosten: Darüber hinaus können unter bestimmten Voraussetzungen auch Kosten, die durch die verspätete Erfüllung der Forderung entstehen, erstattungsfähig werden. Dies betrifft Ausgaben, die notwendig wurden, weil die Fluggesellschaft ihrer Pflicht nach dem Eintritt des Verzugs nicht nachgekommen ist.
Diese Schritte sollen eine klare Kommunikationsgrundlage schaffen und die rechtliche Position des Fordernden stärken, um eine außergerichtliche Lösung zu fördern.
Wie wird der Geldwert eines mit Bonusmeilen bezahlten Flugtickets bei einer Erstattung ermittelt?
Wenn ein mit Bonusmeilen bezahltes Flugticket annulliert wird und Sie einen Anspruch auf eine Entschädigung in Geld haben, stellt sich die Frage, wie der Wert dieses Tickets berechnet wird, da Meilen selbst keinen direkten Geldwert haben. Gerichte bestimmen diesen Wert, indem sie den objektiven Geldwert der entgangenen Leistung – also des Fluges – ermitteln. Es geht dabei nicht darum, die Meilen in einen Geldwert umzurechnen, sondern den tatsächlichen Marktwert des Fluges festzustellen.
Ermittlung des Geldwerts durch Gerichte
Gerichte legen bei der Berechnung des Geldwerts in der Regel den regulären Kaufpreis eines vergleichbaren Flugtickets zugrunde. Das bedeutet, es wird geschaut, was Sie für denselben Flug oder einen Flug mit vergleichbaren Eigenschaften in Euro hätten bezahlen müssen. Dies dient dazu, Sie finanziell so zu stellen, als hätten Sie das Ticket regulär erworben und Anspruch auf eine Rückzahlung des Kaufpreises.
Für die Vergleichbarkeit spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
- Flugstrecke und Reiseklasse: Es muss derselbe Zielort und Ausgangspunkt sein, und die gleiche Klasse (Economy, Business, First Class).
- Zeitpunkt der Buchung: War Ihr Meilenticket weit im Voraus oder kurzfristig gebucht? Der Vergleichspreis sollte einem Ticket entsprechen, das zu einem ähnlichen Zeitpunkt vor dem Abflugdatum gebucht wurde.
- Airline: Idealerweise wird der Preis derselben Fluggesellschaft herangezogen. Ist dies nicht möglich, kann auch der Preis einer anderen Airline auf derselben Strecke herangezogen werden, sofern die Qualität vergleichbar ist.
Für Sie bedeutet das: Der Wert des annullierten Fluges wird nicht pauschal geschätzt, sondern anhand des Preises eines identischen oder möglichst ähnlichen regulären Flugtickets am Markt ermittelt.
Welche Belege können hilfreich sein?
Um den Wert eines mit Bonusmeilen bezahlten Tickets bei einer Erstattung nachzuweisen, können verschiedene Unterlagen nützlich sein:
- Buchungsbestätigung des Meilentickets: Diese zeigt die Flugdaten, die Airline und die Reiseklasse.
- Angebote für reguläre Flüge: Haben Sie vor oder zum Zeitpunkt der Buchung des Meilentickets auch nach regulären, mit Geld zu bezahlenden Flügen auf derselben Strecke gesucht? Screenshots oder E-Mails mit Preisangeboten aus dieser Zeit können als Nachweis dienen.
- Archivierte Flugpreise: Manchmal sind online Vergleichsportale oder Fluggesellschaften in der Lage, historische Flugpreise für bestimmte Strecken und Zeiträume zu ermitteln.
- Beweis für die Verfügbarkeit von Tickets: Dokumentieren Sie, dass zum Zeitpunkt Ihrer Meilenbuchung ein vergleichbares Ticket auch käuflich erwerbbar gewesen wäre.
Die praktische Auswirkung dieses Grundsatzes ist, dass die Fluggesellschaft, oder ein Gericht, den monetären Wert der ursprünglich vertraglich zugesagten Leistung (des Fluges) anhand des am Markt üblichen Preises für diese Leistung festlegt. Es wird so getan, als hätten Sie das Ticket regulär mit Geld bezahlt, um den entstandenen Schaden zu beziffern.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Angemessene Frist
Eine angemessene Frist ist eine Zeitspanne, die einer Partei eingeräumt wird, um eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder eine Leistung zu erbringen. Sie muss so bemessen sein, dass die Erfüllung der Verpflichtung unter normalen Umständen realistisch möglich ist. Die Setzung einer angemessenen Frist ist oft eine wichtige Voraussetzung, um bei Nichtleistung weitere rechtliche Schritte einleiten zu können, wie die Forderung von Schadensersatz oder das Eintreten des Verzugs. Im vorliegenden Fall setzte der Kläger der Fluggesellschaft eine Frist zur Erstattung des Ticketpreises. Als diese Frist ergebnislos verstrich, wandelte sich sein Anspruch in eine Geldforderung um und die Fluggesellschaft geriet in Verzug.
Außergewöhnliche Umstände
Dies sind Ereignisse, die eine Fluggesellschaft nicht beherrschen oder beeinflussen kann und die zu einer Annullierung oder großen Verspätung eines Fluges führen. Beispiele hierfür sind schwere Naturkatastrophen, politische Unruhen oder behördliche Anordnungen wie Einreiseverbote. Fluggesellschaften können sich nur bei Vorliegen solcher Umstände von der Pflicht zur Ausgleichszahlung befreien, müssen diese aber detailliert beweisen. Die Airline im Artikel berief sich auf Einreisebeschränkungen in Hong Kong als außergewöhnlichen Umstand, scheiterte aber vor Gericht, da sie nicht beweisen konnte, dass der Flug deswegen tatsächlich annulliert werden musste.
Ausführendes Luftfahrtunternehmen
Dies ist die Fluggesellschaft, die einen bestimmten Flug tatsächlich durchführen sollte. Ihre Identität ist entscheidend dafür, wer bei Problemen wie Annullierungen der Ansprechpartner für Fluggastrechte ist. Es spielt keine Rolle, wo oder bei wem das Ticket gebucht wurde (z.B. bei einer Partner-Airline oder einem Reisebüro). Alle Ansprüche nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung richten sich immer direkt gegen dieses Unternehmen. Im vorliegenden Fall war die Beklagte das ausführende Luftfahrtunternehmen, obwohl der Kläger über ein Meilenprogramm einer Partner-Airline gebucht hatte.
Darlegungs- und Beweislast
Dieser Begriff beschreibt, wer in einem Gerichtsverfahren welche Tatsachen vortragen und beweisen muss. Die „Darlegungslast“ bedeutet, dass eine Partei die Fakten, die ihre Behauptung stützen, ausführlich und verständlich darlegen muss. Die „Beweislast“ bedeutet, dass diese Partei auch die Beweise vorlegen muss, die diese Tatsachen belegen. Wer eine Behauptung aufstellt, trägt grundsätzlich die Last, sie auch zu beweisen, sonst wird sie vom Gericht nicht berücksichtigt. Die Fluggesellschaft trug die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Annullierung aufgrund außergewöhnlicher Umstände erfolgte. Da sie keine ausreichenden Beweise vorlegen konnte, verlor sie diesen Punkt.
Schadensersatz statt der Leistung
Dieser rechtliche Mechanismus erlaubt es einem Gläubiger, statt der ursprünglich geschuldeten Leistung (z.B. die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer Dienstleistung) deren Geldwert als Schadensersatz zu verlangen. Dies tritt ein, wenn der Schuldner eine Leistungspflicht trotz Fristsetzung nicht erfüllt oder die Leistung unmöglich wird. Der ursprüngliche Anspruch auf eine Sachleistung wandelt sich in einen Anspruch auf eine Geldzahlung um.
Beispiel: Sie bestellen einen individuellen Kuchen für eine Feier. Wenn der Bäcker ihn trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung nicht backt, können Sie statt des Kuchens den Betrag fordern, der nötig wäre, um einen vergleichbaren Kuchen woanders zu kaufen.
Verzug
Verzug tritt ein, wenn jemand eine fällige Leistung oder Zahlung nicht erbringt, obwohl er dazu verpflichtet ist und ihm eine angemessene Frist gesetzt wurde oder eine Fristsetzung entbehrlich war. Ab diesem Zeitpunkt verletzt der Schuldner seine Pflichten in besonderer Weise. Der Schuldner muss dann alle Kosten ersetzen, die dem Gläubiger durch die verspätete Leistung oder Nichtzahlung entstehen, wie zum Beispiel Anwaltskosten oder Verzugszinsen. Die Fluggesellschaft geriet in Verzug, weil sie die berechtigte Geldforderung des Klägers trotz gesetzter Frist nicht zahlte, wodurch sie auch die Anwaltskosten des Klägers tragen musste.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- EU-Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004: Diese Verordnung regelt umfassend die Rechte von Flugpassagieren bei Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Ihr Ziel ist es, Fluggästen einen hohen Schutz zu bieten und klare Regeln für Entschädigungen und Unterstützungsleistungen festzulegen. Die Verordnung gilt für Flüge, die von einem EU-Flughafen abfliegen oder von einer EU-Fluggesellschaft zu einem EU-Flughafen führen. Sie legt unter anderem fest, welche Airline bei einer Störung verantwortlich ist und unter welchen Umständen Fluggäste eine pauschale Ausgleichszahlung erhalten können.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verordnung war die Grundlage für den Anspruch auf die pauschale Ausgleichszahlung und dafür, dass die Fluggesellschaft als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ der richtige Ansprechpartner für alle Forderungen war.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 281 BGB (Schadensersatz statt der Leistung): Dieser Paragraph des deutschen Zivilrechts kommt zur Anwendung, wenn eine geschuldete Leistung trotz einer vom Gläubiger gesetzten angemessenen Frist nicht erbracht wird. In diesem Fall kann der Gläubiger vom ursprünglich Leistungsanspruch auf einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld übergehen, anstatt weiterhin auf die Erbringung der eigentlichen Leistung zu bestehen. Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch wandelt sich somit in einen finanziellen Ersatzanspruch um.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph ermöglichte es dem Kläger, statt der Rückerstattung seiner Bonusmeilen den tatsächlichen Geldwert des Tickets als Schadensersatz zu fordern, da die Fluggesellschaft nicht fristgerecht reagiert hatte.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 286 BGB (Verzug): Gemäß diesem Paragraphen gerät ein Schuldner in Verzug, wenn er eine fällige und durchsetzbare Leistung trotz Mahnung oder Ablauf einer festgesetzten Leistungsfrist nicht erbringt. Sobald Verzug eingetreten ist, muss der Schuldner dem Gläubiger den Schaden ersetzen, der diesem durch die Verzögerung entstanden ist. Dazu gehören typischerweise auch die Kosten, die dem Gläubiger entstehen, um seinen Anspruch durchzusetzen, wie zum Beispiel Anwaltskosten.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Fluggesellschaft die vom Kläger gesetzte Frist zur Zahlung nicht einhielt, geriet sie in Verzug und musste die dem Kläger entstandenen Anwaltskosten übernehmen.
- Darlegungs- und Beweislast (im Kontext der Fluggastrechte-Verordnung): Dies ist ein grundlegendes Prinzip im Zivilprozessrecht, das festlegt, welche Partei bestimmte Tatsachen dem Gericht nicht nur vortragen, sondern auch beweisen muss. Im Rahmen der Fluggastrechte-Verordnung trägt die Fluggesellschaft die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass „außergewöhnliche Umstände“ vorlagen, die zur Annullierung führten und die sie nicht hätten vermeiden können. Gelingt ihr dieser Nachweis nicht detailliert, wird davon ausgegangen, dass keine solchen Umstände vorlagen oder sie nicht ursächlich waren.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Fluggesellschaft konnte ihre Behauptung der „außergewöhnlichen Umstände“ (Einreisebeschränkungen) nicht ausreichend beweisen, da sie nicht detailliert darlegte, warum der konkrete Flug tatsächlich annulliert werden musste.
Das vorliegende Urteil
LG Hamburg – Az.: 310 O 248/22 – Urteil vom 02.05.2024
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz