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Rückzahlung von verlorenen Einsätzen bei Online-Glücksspiel

LG Paderborn – Az.: 4 O 424/20 – Urteil vom 24.09.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 115.130,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von verlorenen Einsätzen bei einem Online-Glücksspiel geltend.

Die Beklagte ist Betreiberin der Internetseite www…. mit Sitz in Gibraltar. Sie veranstaltet auf der von ihr betriebenen Internetseite „…“ Sportwetten und öffentliche Glücksspiele im Internet. Die Beklagte verfügt über eine behördliche Glücksspiellizenz aus Gibraltar; über eine entsprechende Glücksspiellizenz der in Deutschland zuständigen Behörden verfügt die Beklagte hingegen nicht. An Glücksspielen bietet die Beklagte unter anderem typische Casino-Spiele und Slots (Spielautomaten) an. Die Internetseite der Beklagten und der Kundensupport, also der Kontakt der Kunden zur Beklagten insbesondere beim Auftreten technischer Probleme, werden auch in deutscher Sprache angeboten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage B 6) sind ebenfalls in deutscher Sprache vorhanden.

Rückzahlung von verlorenen Einsätzen bei Online-Glücksspiel
(Symbolfoto: wavebreakmedia/Shutterstock.com)

Unter Ziff. 5.1. der AGB der Beklagten heißt es:

Durch das Eröffnen eines M-Kontos und/oder die Nutzung der Website garantieren Sie, dass sämtliche Punkte auf Sie zutreffen:

a. Sie haben das 18. Lebensjahr vollendet und haben das für Glücksspiel relevante gesetzliche Mindestalter des Landes erreicht, in dem Sie wohnhaft sind.

b. Sie verfügen über volle Geschäftsfähigkeit;

c. Sie haben sich nicht selbst durch Selbstausschluss vom Glücksspiel ausgeschlossen und wurden weder durch uns noch durch einen anderen Betreiber vom Glücksspiel ausgeschlossen (siehe Klausel 17 – Selbstausschluss);

d. Sie sind wohnhaft in einem Gebiet, in dem Glücksspiel zulässig ist; und

e. Der Bereich „Länderbeschränkungen“ findet keine Anwendung und Sie können daher ein Konto eröffnen.

Unter Ziff. 39.1. der AGB heißt es weiter:

Die Nutzungsbedingungen unterliegen englischer und walisischer Gesetzgebung. Gerichtsstand bei etwaigen im Zusammenhang mit den Nutzungsbedingungen auftretenden Rechtsstreits ist England und Wales.

In dem Zeitraum vom 29.09.2018 bis spätestens zum 07.12.2019 spielte die Klägerin auf der Internetseite der Beklagten ein dort angebotenes Glücksspiel, nämlich eine Variante von Videopoker. Hierbei handelt es sich nicht um das gängige Pokerspiel mit anderen, „echten“ Spielteilnehmern, sondern um einen Spielautomaten, bei dem gegen die Bank gespielt wird.

Zum Zwecke der Teilnahme an dem angebotenen Glücksspiel registrierte sich die in dem vorgenannten Zeitraum und auch weiterhin in M wohnhafte Klägerin über ein Webformular unter Angabe ihres Namens und ihrer Wohnanschrift in M. Die für die Teilnahme an dem Glücksspiel erforderlichen Geldbeträge überwies die Klägerin weit überwiegend jeweils per Sofort-Überweisung von ihrem Girokonto aus an die Beklagte, um die Geldbeträge anschließend in dem Glücksspiel einsetzen zu können. Insgesamt verlor die Klägerin durch ihren Einsatz bei den Glücksspielen auf der Internetseite der Beklagten einen Betrag in Höhe von 115.130,- EUR. Die Klägerin spielte dabei insbesondere abends und nachts und an den Wochenenden und ging im Übrigen einer geregelten beruflichen Tätigkeit nach.

Nachdem der Zugang der Klägerin bereits aus anderen Gründen gesperrt worden war, begann die Beklagte Anfang September 2020 die ersten Konten von deutschen Kunden zu inaktivieren und aufzulösen.

Die Klägerin behauptet, sie sei auf Grund einer Suchterkrankung Kundin bei der Beklagten als Anbieterin des Online-Casinos geworden. Aufgrund dessen habe sie gar keine freie und willensgetragene Entscheidung treffen können. Ihr sei die von der Beklagten verschleierte Illegalität des Angebots in Deutschland nicht bewusst gewesen, vielmehr sei sie davon ausgegangen, dass es sich bei dem Spielangebot der Beklagten um legale Online-Glücksspiele handele. Sie habe dabei – so behauptet die Klägerin weiter – stets von ihrem Wohnsitz in M aus an dem Glücksspiel teilgenommen.

Tatsächlich handele es sich – so die Auffassung der Klägerin – um unerlaubtes Glücksspiel, denn das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet seien aufgrund der Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag verboten.

Die Klägerin meint weiter, dass sowohl der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung von Glücksspielen als auch das Internetverbot insbesondere mit Unionsrecht vereinbar seien.

Da die mit der Beklagten geschlossenen Glücksspielverträge gegen das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verstießen, seien diese gemäß § 134 BGB nichtig. Von daher sei die Beklagte zu Unrecht gemäß § 812 BGB bereichert. Die Beklagte könne sich nicht auf eine für einen anderen Mitgliedsstaat gültige Glücksspiellizenz berufen.

Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, dass ihrem Rückforderungsanspruch auch nicht der Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB entgegenstehe. Ihr sei kein Sittenverstoß vorzuwerfen, da die Beklagte bewusst versucht habe, den Anschein der Legalität des Online-Casino-Angebots zu erwecken.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 115.130,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die ordnungsgemäße Klageerhebung und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass aufgrund der Rechtswahlklausel englisches Recht anwendbar sei.

Die Beklagte meint weiter, dass sie keine illegalen Glücksspiele im Internet anbiete. Das Angebot der Beklagten sei auch in Anbetracht der im hier gegenständlichen Zeitraum geltenden Rechtslage rechtlich zulässig, denn das Internetverbot des GlüStV sei rechtswidrig und verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV. Ferner verfüge die Beklagte über eine nach gibraltarischem Recht erteilte, gültige Glücksspielerlaubnis und die Glücksspiele würden im Einklang mit dieser Lizenz angeboten; allein der Umstand, dass für die Internetseite der Beklagten eine deutsche Sprachfassung verfügbar gewesen sei, mache das dortige Angebot nicht zu einem nach deutschem Glücksspielrecht womöglich unzulässigen Angebot. Im Übrigen verfüge die Beklagte jedenfalls über eine aktive nationale Duldung, die eine Erlaubniswirkung zur Folge habe und einen Verstoß gegen die Regelungen des GlüStV ausschließe. Im Übrigen liege der Beklagten auch ein Verstoß gegen § 284 Abs. 1 StGB nicht zur Last.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass einem unterstellten Rückzahlungsanspruch jedenfalls § 817 S. 2 BGB entgegenstehe, denn die Klägerin hätte ihrer eigenen Argumentation folgend ihrerseits durch die Teilnahme am Glücksspiel den Tatbestand des § 285 StGB erfüllt. Selbst wenn man den Anspruchsausschluss von subjektiven Voraussetzungen abhängig machen wollte, sei jedenfalls keine positive Kenntnis vom Gesetzesverstoß erforderlich, sondern es genüge, dass sich die Klägerin der Einsicht in den objektiven Gesetzesverstoß leichtfertig verschlossen habe.

Auch nach diesen Maßstäben sei eine Rückforderung der Klägerin jedenfalls ausgeschlossen, denn sie sei in den von ihr ausdrücklich akzeptierten AGB der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass jeder Spieler selbst verpflichtet sei, zu prüfen, ob seine Teilnahme den gesetzlichen Bestimmungen entspreche.

Des Weiteren sei § 817 S. 1 Hs. 2 BGB auch nicht teleologisch zu reduzieren.

Letztlich sei der Klägerin aber auch keine (kausale) Vermögenseinbuße entstanden, denn im Online-Casinospiel betrage die durchschnittliche Auszahlungsrate – also der Prozentsatz von Spieleinsätzen, die in Form von Gewinnen wieder an die Spieler ausgeschüttet werden – mehr als 96 %. Die Einsätze würden somit im Wesentlichen umverteilt und den Verlusten eines Spielers stünden entsprechende Gewinne anderer Spieler gegenüber. Tatsächlich habe die Klägerin mithin als vertraglich vereinbarte Gegenleistung für die geleisteten Spieleinsätze die Möglichkeit der Spielteilnahme und die Chance auf einen Gewinn erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24.09.2021 Bezug genommen.

Die Klageschrift vom 14.10.2021 war ausweislich des Prüfvermerks vom 30.10.2020 (BL. 1 d.A.) nicht durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin qualifiziert elektronisch signiert, allerdings von ihm selbst aus seinem besonderen Anwaltspostfach an die elektronische Poststelle des Landgerichts übermittelt worden, wobei der Schriftsatz mit der Wiedergabe seines Namens endet. Die Klage ist der Beklagten am 27.01.2021 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage wirksam erhoben worden und das Landgericht Paderborn international und örtlich zuständig.

1.

Die vorliegende Klage ist wirksam erhoben worden.

Gemäß § 130a Abs. 1 ZPO können vorbereitende Schriftsätze nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 der Norm als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

Nach § 130a Abs. 3 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Als einfache Signatur genügt bei Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 130a Rn. 9). Vorliegend endet der Text der Klageschrift mit der Wiedergabe des Namens des anwaltlichen Vertreters der Klägerin.

Dieser hat die Klageschrift auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht. Ein sicherer Übermittlungsweg ist gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Hier hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach dem vorliegenden Prüfvermerk die Klageschrift aus seinem besonderen Anwaltspostfach an die elektronische Poststelle des Gerichts übermittelt. Die in § 130a ZPO vorgesehene Form ist bei Einreichung der Klageschrift mithin gewahrt.

2.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn für die streitgegenständlichen Ansprüche folgt aus Art. 18, 17 Abs. 1 c) Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO). Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn sein Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Als Verbraucher ist jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer (gegenwärtigen oder zukünftigen) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können (Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, Art. 17 EuGVVO, Rn. 2). So liegt es hier. Die Klägerin ist Verbraucherin mit Wohnsitz in M im Bezirk des Landgerichts Paderborn.

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Insofern ist auch nicht anzunehmen, dass die Klägerin gewerblich am Glücksspiel teilgenommen hat und deshalb nicht als Verbraucherin anzusehen ist:

Dabei müssen zunächst für die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen a.F. (nunmehr: Art. 17 Abs. 1 EuGVVO) drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss ein Vertragspartner die Eigenschaft eines Verbrauchers haben, der in einem Rahmen handelt, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, zweitens muss ein Vertrag zwischen diesem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden tatsächlich geschlossen worden sein und drittens muss dieser Vertrag zu einer der Kategorien von Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis c EuGVVO a.F. (nunmehr: Art. 17 Abs. 1 a) – c) EuGVVO) gehören. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, so dass, wenn es an einer der drei Voraussetzungen fehlt, die Zuständigkeit nicht nach den Regeln über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen bestimmt werden kann. Dabei ist Art. 15 Abs. 1 EuGVVO a.F. dahin auszulegen, dass eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, die zum einen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft einen Vertrag zu den von dieser Gesellschaft festgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen hat, um online Poker zu spielen, und zum anderen eine solche Tätigkeit weder amtlich angemeldet noch Dritten als kostenpflichtige Dienstleistung angeboten hat, nicht ihre Eigenschaft als „Verbraucher“ i.S.d Bestimmung verliert, selbst wenn sie täglich viele Stunden an diesem Spiel teilnimmt und dabei erhebliche Gewinne erzielt (EuGH Urt. v. 10.12.2020 – C-774/19, BeckRS 2020, 34335, beck-online).

Gemessen daran verliert die Klägerin ihre Eigenschaft als Verbraucherin nicht dadurch, dass sie womöglich einige Stunden am Tag online Glücksspiel betrieben und dabei fortlaufend größere Geldbeträge eingesetzt hat. Sie handelte nicht gewerblich. In dem dem EuGH vorgelegten Fall waren dies sogar neun Spielstunden am Tag, anhand dessen der EuGH die oben dargestellten Grundsätze entwickelte und die Verbrauchereigenschaft nicht per se verneinte. Die Klägerin ging unstreitig wochentäglich ihrem Beruf nach und spielte in den Abendstunden, zum Teil auch nachts und an Wochenenden. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass sie das Spiel gewerblich ausführte, sind weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich, wobei insoweit insbesondere nicht verkannt wird, dass die Klägerin sehr hohe Summen eingesetzt hat. Dabei geht das Gericht jedoch davon aus, dass dies schlicht der Spielsucht der Klägerin geschuldet war, wie sie es auch im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung freimütig eingeräumt hat. Ihre diesbezüglichen Erklärungen im Verhandlungstermin waren dabei insgesamt nachvollziehbar und glaubhaft. In besonderem Maße nachvollziehbar war hierbei auch die Schilderung zum Anlass und zum Ausmaß der Teilnahme an dem Glücksspiel seitens der Klägerin. Gerade die Angabe der Klägerin, sie habe sich in einem gewissen Kreislauf befunden, bei dem sie nach Verlust von Geld versucht habe, das verlorene Geld durch höhere Einsätze wieder zurückzubekommen, wodurch sie jedoch nur noch mehr Geld verloren habe, erklärt plausibel die hier gegenständlichen massiven finanziellen Verluste der Klägerin.

Die zweite Voraussetzung des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, dass zwischen den Parteien ein Vertrag geschlossen worden ist, liegt ebenfalls vor.

Ferner ist vorliegend auch die dritte Voraussetzung erfüllt, da ein Fall des Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO vorliegt.

Die Beklagte übte ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Die Beklagte als Vertragspartnerin hat ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen auf Deutschland, wo die Klägerin ihren Wohnsitz hat, ausgerichtet, indem sie ihre Dienste über ihre deutschsprachige Internetseite insbesondere Kunden in Deutschland angeboten hat. Einigkeit besteht darüber, dass das autonom auszulegende Tatbestandsmerkmal des „Ausrichtens“ jedenfalls erfüllt ist, wenn dem Vertragsschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung des Vertragspartners vorausgegangen ist (OLG Düsseldorf Urt. v. 01.03.2018 – 16 U 83/17, BeckRS 2018, 14040 Rn. 26, beck-online). Mit dem Anbieten der Dienste in deutscher Sprache kommt zum Ausdruck, dass eine Werbung um Kunden in Deutschland und auch ein Angebot der Dienste insbesondere in Deutschland durch die Beklagte beabsichtigt und angestrebt war. Das „Ausrichten“ der Tätigkeit i.S.v. Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO ist vorliegend auch ausreichend. Auf den Ort des Vertragsschlusses oder der hierfür erforderlichen Rechtshandlungen kommt es nicht an (BGH MDR 2013, 1365). Wo die Handlungen, die zum Vertragsschuss führten, vorgenommen worden sind, ist im Übrigen bei Vertragsschluss im Internet auch selten feststellbar. Der Schaden ist dabei dort eingetreten, wo die Klägerin ihren regelmäßigen Wohnsitz hat (so LG Coburg, Urt. v. 01.06.2021 – 23 O 416/20 m.w.N.; Anlage K14). Der prozessuale Verbraucherschutz gilt für Ansprüche aus einem Vertrag und für den Streit um das Zustandekommen des Vertrages. Erfasst sind auch Bereicherungsansprüche und nach der Rechtsprechung des EuGH auch deliktische Ansprüche, wenn die Ansprüche „untrennbar mit einem zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden tatsächlich geschlossenen Vertrag verbunden ist“ (Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, Art. 17, Rn. 1 b) ).

Damit liegt eine Verbrauchersache im Sinne von Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO vor, womit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen des Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner – hier die Beklagte – gemäß Art. 18 Abs. 1, 2. Alt. EuGVVO gegeben ist.

3.

Aus Art. 18 Abs. 2, 2. Alt. EuGVVO folgt neben der internationalen zugleich auch die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., Art. 18 EuGVVO Rn. 3) ). Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in M, mithin – wie aufgezeigt – im hiesigen Landgerichtsbezirk.

4.

Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche ergibt sich eine örtliche Zuständigkeit auch nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO (Geimer, in: Zöller, a.a.O., Art. 7 EUGVVO Rn. 34).

5.

Der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn steht auch nicht Ziffer 39.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten entgegen.

Diese Regelung ist unwirksam. Zuständigkeitsvereinbarungen sind nur in den Grenzen des Art. 19 EuGVVO möglich. Die Zulässigkeit ist im Interesse des privilegierten Schutzes von Verbrauchern eingeschränkt. Hiernach können Zuständigkeitsvereinbarungen erst nach dem Entstehen der Streitigkeit vereinbart werden, Art. 19 Nr. 1 EuGVVO. Zuständigkeitsregelungen, die bereits in den Hauptvertrag aufgenommen werden, so wie hier, sind damit ausgeschlossen (Geimer, in: Zöller, a.a.O, Art. 19 EUGVVO Rn. 1). Somit sind die Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zum Gerichtsstand nach Art. 25 Abs. 4 EuGVVO unwirksam (BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 40. Edition, Stand: 01.03.2021, Art. 25, Rn. 28).

II.

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Zahlungen in Höhe von 115.130,- EUR nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.

1.

Auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt findet gemäß Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (im Folgenden: Rom I-VO) deutsches materielles Recht Anwendung.

Die Klägerin hat als natürliche Personen – wie oben ausgeführt – ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit als Verbraucherin einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen, wobei letztere mit dem Anbieten von Online-Glücksspielen in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte (Unternehmer) und diese jedenfalls auch im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin (Deutschland) ausübte, Art. 6 Abs. 1 a) Rom I-VO.

Auch liegt entgegen der Auffassung der Beklagten keine abweichende Vereinbarung durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vor. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unter Ziffer 39.1 vorhandene Regelung ist unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.20212, I ZR 40/11; EuGH NJW 2016, 2727, Rn. 68 ff). Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung benachteiligt eine Rechtswahlklausel die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien entstandene Streitigkeiten gelten sollen. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO können die Parteien auch bei abgeschlossenen Verbraucherverträgen das anzuwendende Recht grundsätzlich gemäß Art. 3 Rom-I-VO frei wählen.

Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO darf eine solche Rechtswahl dem Verbraucher allerdings nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Eine Rechtswahl ist daher an § 307 BGB zu messen und als unangemessene Benachteiligung einzuordnen, wenn sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften tatsächlich Anwendung fänden. Eine Rechtswahl, die die ausschließliche Anwendung ausländischen Rechts versieht, muss somit hinreichend deutlich machen, dass andere anwendbare zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts anwendbar bleiben. Eine Regelung ist deshalb ohne aufklärende Hinweise wegen Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Transparenzgebot unwirksam (BGH, Urteil vom 19.07.2012, I ZR 40/11; beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2019, Rom I-VO Art. 6, Rn. 250).

Bestätigung hat die Auffassung des BGH auch durch den EuGH erfahren: Dieser entschied, dass eine vorformulierte Rechtswahlklausel zu Gunsten luxemburgischen Rechts wegen Verstoßes gegen das in Art. 5 Klausel-RL enthaltene Transparenzgebot unwirksam sei, weil sie suggeriere, dass der Vertrag allein und ausschließlich dem luxemburgischen Recht unterliege. Der Verwender müsse den Verbraucher deshalb darauf hinweisen, dass über Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO der Verbraucher nicht den Schutz der zwingenden Vorschriften seines Heimatstaates verlieren könne (EuGH NJW 2016, 2727, Rn. 68 ff).

Diesen Anforderungen entspricht die von der Beklagten verwendete Klausel nicht. Die Klausel enthält keine Hinweise darauf, dass der Verbraucher nicht den Schutz der zwingenden Vorschriften seines Heimatstaates verlieren kann. Eine abweichende Rechtswahl im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO ist somit nicht gegeben. Damit gilt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin, mithin deutsches Recht (so auch LG Coburg, a.a.O. mit Verweis auf: Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 0 616/20; Landgericht München I, Urteil vom 13.04.2021, AZ: 8 0 16058/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 0 84/20).

2.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung des von ihr Geleisteten nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB zu, denn die Beklagte hat die hier gegenständlichen Spieleinsätze der Klägerin durch den Leistung ohne rechtlichen Grund erlangt.

Die Klägerin hat ihre Spieleinsätze bei der Beklagten im Zeitraum vom 29.09.2018 bis spätestens zum 07.12.2019 in Höhe von 115.130,- EUR ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig ist.

a)

Die Beklagte hat von der Klägerin die Zahlung dieses Gesamtbetrages in Höhe von 115.130,- EUR erlangt.

b)

Die geleisteten Zahlungen hat die Beklagte durch Leistung der Klägerin und auch ohne Rechtsgrund erlangt.

Der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel ist nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GIüStV.

aa)

Die Klägerin hat die geleisteten Zahlungen unstreitig ausschließlich bei einem Glückspiel, nämlich einem an das Pokerspiel angelehnten Automatenspiel, im Online-Casino der Beklagten verloren.

Das von der Beklagten angebotene Glücksspiel stellt ein verbotenes Online-Glücksspiel dar. Der Vertrag ist daher nach § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig (so auch LG Coburg, a.a.O. mit Verweis auf LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 0 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 0 84/20). Denn nach § 4 Abs. 4 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet ist nach § 4 Abs. 4 GlüStV grundsätzlich verboten. Unstreitig verfügt die Beklagte auch nicht über eine entsprechende Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 GlüStV. Nach § 134 BGB sind Verträge zudem nichtig, die gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen, wonach das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt ist (beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Hager, Stand: 01.03.2021, § 134, Rn. 219; LG Coburg, a.a.O., m.w.N.). Damit ist § 4 Abs. 4 GlüStV ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.

Im Allgemeinen liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot schon dann vor, wenn die objektiven Merkmale der Norm verwirklicht sind. Dass die Parteien das Verbot gekannt oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gekannt haben, ist grundsätzlich nicht erforderlich (Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Auflage 2021, § 134, Rn. 51). Die Beklagte hat mithin gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Online-Angebot im Internet auch Spielteilnehmern aus NRW, mithin der Klägerin, zugänglich gemacht hat.

Das Verbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, in dem die Klägerin die Einsätze getätigt hat, auch anzuwenden (LG Coburg, a.a.O. mit Verweis auf Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 0 84/20; OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019, AZ: 6 U 196/18).

Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV steht im Einklang mit dem Unionsrecht (OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019, AZ: 6 U 196/18; BVerwG, Urt. v. 26.10.2017, AZ: 8 C 18/16), was insbesondere auch durch das BVerwG bestätigt worden ist (Urt. v. 26.10.2017 – 8 C 18/16, m.w.N.) und dem sich das erkennende Gericht anschließt:

„§ 4 GlüStV steht mit Verfassungs- und Unionsrecht im Einklang. Wie das BVerfG und der EuGH zum damaligen § 4 IV GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. Es ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können.

Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten. Den spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden. So soll die in § 1 S. 1 Nr. 2 GlüStV 2012 hervorgehobene Schwarzmarktbekämpfung unter anderem durch die teilweise Öffnung des Internets für erlaubte Lotterie- sowie Sport- und Pferdewettangebote verwirklicht werden. Damit wird bezweckt, die Nachfrage spielaffiner Personen in Richtung der legalen Angebote und bei diesen wiederum in Richtung der, insbesondere aus suchtpräventiven Gesichtspunkten weniger gefahrenträchtigen Spielformen zu lenken. Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche.

Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform.

Das Internetverbot verstößt weiterhin nicht gegen Art. 12 I GG. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen.

Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen. Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Gleichwohl obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand derer dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen. Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind.

Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht in Zweifel.

Der EuGH hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt. Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen-

Das höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf. Darüber hinaus ist die ausnahmsweise Erlaubniserteilung für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet nach § 4 V GlüStV 2012 an strenge Voraussetzungen geknüpft, die dem spezifischen Gefährdungspotenzial des Online-Glücksspiels Rechnung tragen. Insbesondere ist gem. § 4 V Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen.“ (zum gesamten Vorstehenden: BVerwG, Urt. v. 26.10.2017 – 8 C 18/16, m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind damit sowohl das Internetverbot als auch der Erlaubnisvorbehalt beachtlich mit der Folge, dass die Beklagte durch das Anbieten des Glücksspiels in Deutschland hiergegen verstoßen hat. In Anbetracht der vorzitierten, eindeutigen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts ist der Ansicht der Beklagten, sie verfüge über eine rückwirkende „aktive nationale Duldung“, nicht zu folgen, denn die maßgeblichen Regelungen des GlüStV haben in dem hier in Rede stehenden Zeitraum – wirksam – bestanden und Geltung beansprucht.

bb)

Auch steht § 762 Abs. 2 Satz 1 BGB dem nicht entgegen. Die Unwirksamkeit des Spielvertrages führt dazu, dass § 762 BGB nicht anwendbar ist, da diese Vorschrift einen wirksamen Spielvertrag voraussetzt (Heidel/Hüßtege/ Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Auflage 2021, § 134, Rn. 184). Gemäß § 764 BGB begründen Spiel- und Wettverträge keine Verbindlichkeit sofern sie nicht aus anderen Gründen etwa wegen eines Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig sind. Dann gelten die allgemeinen Regeln der § 812 ff. BGB (beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Hager, Stand: 01.03.2021, § 134, Rn. 219).

cc)

Der damit vorliegende Bereicherungsanspruch scheitert auch nicht an § 817 S. 2 BGB.

Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt. Erste Voraussetzung für den Ausschluss der Kondiktion ist es demnach, dass jedenfalls dem Leistenden objektiv ein Gesetzes- oder Sittenverstoß anzulasten ist, wobei die Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit gerade im Zeitpunkt der Leistung gegeben sein muss. Diese Voraussetzung liegt vor, da der Klägerin durch die Teilnahme an dem Angebot der Beklagten ebenfalls ein Verstoß gegen Gesetzte (§§ 284 ff. StGB) anzulasten ist.

Zudem müssen subjektive Voraussetzungen erfüllt sein. Der Leistende muss sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte (Palandt, 79. Aufl. 2020, § 817, Rn. 24).

Die Klägerin hat schon schriftsätzlich angegeben, dass sie davon ausgegangen sei, dass es sich um ein legales Online-Glücksspiel handele. Die Beklagte gebe an, über eine Lizenz zu verfügen und habe ihren Geschäftsbetrieb zudem gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet, indem die Internetseite auf Deutsch verfügbar und die Vertragssprache Deutsch sei, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Deutsch verfügbar seien und der Kontakt zum Kundenservice unter anderem auf Deutsch erfolge.

Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung hat die Klägerin hiervon ausgehend in jeder Hinsicht nachvollziehbar angegeben, dass ihr in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht bewusst gewesen sei, dass die Teilnahme an diesem Glücksspiel in Deutschland illegal sei. Sie habe überhaupt keinen Zweifel daran gehabt, dass ihre Teilnahme legal sei, schließlich sei die Seite auf Deutsch gewesen und man habe sich dort registrieren und ohne weiteres spielen können, sodass sie auch nicht auf die Idee gekommen wäre, sich beispielsweise näher hinsichtlich der Legalität dessen zu vergewissern.

Die Klägerin hat sich entsprechend dieser in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und von der Beklagten nicht widerlegten Angaben nicht der Einsicht der Illegalität des Spiels leichtfertig verschlossen.

Einer Privatperson bereitet es nach Ansicht der Kammer in Anbetracht der durch die Beklagte bewusst gewählten Aufmachung des Internetangebotes nicht unerhebliche Schwierigkeiten, verlässlich zu erkennen, dass ein illegales Glücksspiel von der Beklagten angeboten wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das gesamte Agieren der Beklagten mit der deutschsprachigen Internetseite, dem deutschsprachigen Kundenservice und den in deutscher Sprache formulierten AGB offensiv darauf ausgerichtet war, dass bei Nutzern der Eindruck erweckt wird, das Online-Glücksspiel sei auch in Deutschland gerade nicht verboten. Hierfür spricht auch, dass die Klägerin sich nach ihren unwidersprochenen Angaben ohne Probleme mit ihrem Namen und unter ihrer Anschrift in M bei der Beklagten registriert hat und von da an von M aus an dem angebotenen Glücksspiel teilnehmen konnte. Eine Beschränkung des Zugangs für deutsche Kunden, den die Beklagte ab September 2020 vorgenommen hat, existierte zum damaligen Zeitpunkt nicht. Im Übrigen hat die Beklagte auch nicht darauf hingewiesen, dass das Glücksspiel gegen die Regelungen im GlüStV verstoße. Hierzu hatte sie ausgehend von der eigenen Argumentation auch gar keinen Anlass, da sie im hiesigen Verfahren noch die Auffassung vertreten hat, das angebotene Glücksspiel sei zulässig gewesen.

Vor diesem Hintergrund genügt auch das Vorhandensein der von der Beklagten zitierten Regelung in Ziff. 5.1. der AGB nicht, denn durch das Vorgehen der Beklagten war ja gerade der Eindruck erweckt, dass Glücksspiel im Internet auch in Deutschland zulässig sei.

Einem juristisch nicht gebildeten Laien ist es vor diesem Hintergrund damit nicht leichtfertig verschlossen geblieben, dass es sich um ein verbotenes Glücksspiel handelt. Insoweit sind die von der Klägerin insbesondere auch mündlich vorgetragenen Gründe für ihre gegenteilige Annahme, nachvollziehbar und – nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Eindrucks, den das Gericht von der Klägerin im Termin gewinnen konnte – glaubhaft.

Im Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob sich die Klägerin der Einsicht der Illegalität des Spiels leichtfertig verschlossen hat. Unabhängig hiervon ist nämlich die Kondiktionssperre teleologisch einzuschränken (so auch LG Coburg, a.a.O. mit Verweis auf Landgericht Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, AZ: 2 0 616/20; Landgericht Gießen, Urteil vom 21.01.2021, AZ: 4 0 84/20). Die Kondiktion darf nicht gemäß § 817 S. 2 BGB deswegen ausgeschlossen sein, soweit der Verbleib der Leistung beim Empfänger weiteren gesetzes- oder sittenwidrigen Handlungen Vorschub leisten bzw. diese geradezu erzwingen oder legalisieren würde. Die Kondiktionssperre würde ansonsten den Anreiz sittenwidriges Handeln bilden. Dies hat der BGH beispielsweise im Falle von sogenannten „Schenk-Kreisen“ (BGH, NJW 2006, 45 ff.) angenommen. Auch bei Einzahlung von Beiträgen in ein sogenanntes Schneeball-System wurde die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB schutzzweckorientiert eingeschränkt. Würde man die Kondiktionssperre anwenden, so würden die Initiatoren solcher Systeme zum Weitermachen geradezu eingeladen. Auf die Frage, ob die Teilnehmer sich leichtfertig der Einsicht in die Sittenwidrigkeit eines solchen Spielsystems verschlossen haben, komme es nach Ansicht des BGH folglich nicht mehr an.

Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Insbesondere die zugedachte Präventionswirkung des § 4 Abs. 4 GIüStV macht die Einschränkung erforderlich (so auch LG Coburg, a.a.O.). Es ist hierbei maßgeblich auf den Zweck des Verbotsgesetzes abzustellen: Der Gesetzgeber hat sich mit § 4 Abs. 4 GlückStV bewusst für ein absolutes Verbot von Casino-Spielen im Internet entschieden. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass angesichts der hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und ihrem herausragenden Suchtpotenzial sowie ihrer Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche es nicht vertretbar erscheine, auch hier das Internet als Vertriebsweg zu eröffnen.

Weiter wird ausgeführt, dass das Angebot solcher Spiele im Internet mit Nachdruck bekämpft werden solle, insbesondere auch durch Maßnahmen zur Unterbindung entsprechender Zahlungsströme. Die Beklagte hat aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU heraus ein nach deutschem Recht nicht genehmigtes Casino-Spiel im Internet veranstaltet und damit gegen diese Vorschrift verstoßen. Würde die Kondiktionssperre greifen, würde die Initiatorin zur Fortsetzung der verbotswidrigen Tätigkeit geradezu ermutigt. Es würde im Ergebnis eine Legalisierung erfolgen. Die Regelungen des GlüStV sind demgegenüber insbesondere dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsform des Glücksspiels zu schützen. Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch vollständig unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätigt, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verbleiben. Dass es der Klägerin nunmehr unbenommen bleibt, ihre verlorenen Spieleinsätze von der Beklagten zurückzufordern, lag zudem allein im Risikobereich der Beklagten, welches sie bewusst dadurch eingegangen ist, dass sie verbotswidrig Online-Glücksspiele anbietet/angeboten hat.

Eine andere Bewertung scheint auch nicht vor dem Hintergrund angezeigt, dass ein Spieler, der sich nach § 285 StGB strafbar macht, in ungerechtfertigter Weise bessergestellt wird als ein an einem erlaubte Spiel teilnehmender Spieler, dessen Rückforderung nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen ist. Denn im Gegensatz zu dem an einem erlaubten Spiel teilnehmenden Spieler geht der Gesetzgeber davon aus, dass der an einem unerlaubten Spiel teilnehmende Spieler besonders schutzbedürftig ist und das Angebot von Glücksspielen im Internet zu unterbinden ist.

c)

Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem durch die Leistung der Klägerin seitens der Beklagten Erlangten. Hierbei handelt es sich um den nach Einsatz verlorenen Geldbetrag von insgesamt 115.130,- EUR, der der Beklagten in dieser Höhe unmittelbar zugeflossen ist. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob und nach welcher Wahrscheinlichkeit die Klägerin bei ihrer Spielteilnahme ihrerseits eine Chance auf einen Gewinn erlangt hat, kommt es mithin nicht entscheidend an, zumal sich eine etwaige Gewinnchance bei den hier gegenständlichen Spieleinsätzen jedenfalls gerade nicht realisiert hat.

3.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen seit Rechtshängigkeit ergibt sich aus § 291 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

 

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