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Rückzahlungsverpflichtung stiller Gesellschafter bei Beendigung Gesellschaft

LG Koblenz – Az.: 3 HK O 13/19 – Urteil vom 18.02.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.002,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.05.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.779,70 € zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Wiedereinzahlung des negativen Abfindungswertes nach Beendigung eines Beteiligungsverhältnisses.

Unternehmensgegenstand der Klägerin sind u.a. der Erwerb, die Verwaltung und Veräußerung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und der Verkauf, die Errichtung, die Entwicklung, die Vermietung und Verpachtung, die Verwertung und wirtschaftliche Vermarktung von Immobilien, Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten im In- und Ausland.

Die Klägerin behauptet, Rechtsnachfolgerin der G. L. AG (im Folgenden: AG) zu sein. In den Jahren 2001 bis 2006 beteiligten sich Anleger im Wege einer mehrgliedrigen atypischen stillen Beteiligungsgesellschaft an dem Unternehmen der AG. Die Anleger konnten sich u.a. in der sog. Beteiligungsvariante „Classic“ beteiligen. Hierbei hatte der jeweilige Anleger die gesamte Einlage bereits zu Beginn seiner Beteiligung zu erbringen und während der Beteiligung einen Anspruch auf Auszahlung gewinnunabhängiger Entnahmen (Ausschüttungen). Grundlage der Beteiligung war der atypisch stille Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV), der u.a. die folgenden Regelungen enthält:

§ 10 Beteiligung am Vermögen

(…)

2. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters bestimmt sich seine Beteiligung am Vermögen der AG nach §§ 16 und 17 dieses Vertrages.

§ 16 Kündigung

(…)

1. Die Gesellschaft ist sowohl durch die Gesellschafter als auch durch den Geschäftsinhaber nach Maßgabe folgender Bestimmungen ordentlich kündbar:

(…)

Im Falle einer wirksamen Kündigung nach diesem Abs. 1 findet eine Auseinandersetzung der Gesellschaft nach § 17 statt.

§ 17 Abfindungsguthaben

1.Bei Beendigung der Gesellschaft nach Maßgabe von § 16 Abs. 1 oder § 16 Abs. 2 Buchstabe b) steht dem jeweiligen Gesellschafter ein Abfindungsguthaben zu, das sich aus dem Saldo seines Kapitalkontos gemäß Buchstabe a) und dem anteiligen Auseinandersetzungswert gemäß Buchstabe b) zum Auseinandersetzungsstichtag gemäß Abs. 2 zusammensetzt und gemäß Abs. 3 auszuzahlen ist.

(…)

d) Das Abfindungsguthaben entspricht der Summe aus dem Saldo des Kapitalkontos und dem anteiligen Auseinandersetzungswert. Im Falle eines negativen Abfindungsguthabens (also wenn ein negativer Saldo des Kapitalkontos den anteiligen Auseinandersetzungswert übersteigt) besteht eine Nachschusspflicht des ausscheidenden Gesellschafters nur in dem Umfang, in dem er Auszahlungen nach § 12 Abs. 1 erhalten hat, die eine Einlagenrückgewähr darstellen (zum Beispiel soweit Auszahlungen nicht durch ihm zugewiesene Ergebnisse gedeckt waren). Im übrigen besteht in diesem Fall keine Nachschusspflicht.

(…)

4. Die Ermittlung des Abfindungsguthabens erfolgt durch einen von der AG zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer. (…) Der ausscheidende Gesellschafter hat das Recht, die Ermittlung des Abfindungsguthabens auf eigene Kosten durch einen Wirtschaftsprüfer seiner Wahl überprüfen zu lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des GV wird Bezug genommen auf Anlage K1, Bl. 13 ff GA).

Unter dem 28.05.2004 beteiligte sich die J. M. C. C. GmbH mit einer Einlage in Höhe von 210.000,00 € in der Beteiligungsvariante „Classic“. Mit Schreiben vom 13.10.2016 hat die J. M. C. C. GmbH i. L. der Klägerin die Vereinbarung über den Verkauf und die Abtretung einer stillen Beteiligung zwischen der J. M. C. C. GmbH i.L. und der Beklagten übersandt. Die Klägerin stimmte mit Schreiben vom 05.12.2016 der Übertragung zu. Die AG zahlte während der Laufzeit gewinnunabhängige Auszahlungen (Ausschüttungen) in Höhe von 60.025,00 € an die Beklagte, bzw. die J. M. C. C. GmbH i.L.

Das Beteiligungsverhältnis wurde zum 31.01.2017 beendet. Wegen der Einzelheiten der Beschlussfassung wird Bezug genommen auf das Schlussprotokoll der schriftlichen Beschlussfassung, Anlage K 13, Bl. 87 GA.

Die Klägerin beauftragte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Ermittlung des Abfindungswertes der Beklagten, welche aufgrund eines berechneten Kapitalkontos der Beklagten und eines angenommenen anteiligen Auseinandersetzungswertes von 0 € einen negativen Abfindungswert in Höhe von -51.002,12 € ermittelte. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 20.04.2018 unter Fristsetzung bis zum 04.05.2018 und mit anwaltlichem Schreiben vom 25.07.2018 vergeblich zur Zahlung eines Betrages in Höhe des negativen Abfindungswertes auf.

Die Klägerin trägt vor:

Sie sei Rechtsnachfolgerin der G. L. AG. Diese sei mit Beschluss der Hauptversammlung vom 21.04.2014 in die L.F. I AG umfirmiert worden. Nach Maßgabe des Beschlusses der Hauptversammlung vom 28.06.2017 sei sodann durch Umwandlung im Wege des Formwechsels die L.F. I GmbH (Klägerin) entstanden. Die Rechtsfolgen der Beendigung des Beteiligungsverhältnisses ergäben sich aus §§ 10 Abs. 2, 16, 17 GV. Der GV sehe vor, dass generell für ein Ausscheiden eines Gesellschafters die Regelungen zur Beendigung im Falle einer Kündigung Anwendung finden. Die von ihr beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe den Abfindungswert der Beklagten anhand der Regelungen im GV errechnet.

Die Klägerin beantragt,

1.

an die Klägerin 51.002,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.05.2018 zu zahlen;

2.

an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.779,70 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Der Gesellschaftsvertrag sei keine ausreichende Grundlage für die Rückforderung gewinnunabhängiger Ausschüttungen, da der GV in sich widersprüchlich sei. Insbesondere sei der Fall der Beendigung des Beteiligungsverhältnisses durch Auflösung nicht im GV geregelt. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Ermittlung des Abfindungswertes nach den Vorgaben des Gesellschaftsvertrages erfolgt seien ebenso wie der Umstand, dass weder ein Ertragswert noch ein Substanzwert vorliege und sich ein anteiliger Auseinandersetzungswert von 0 € ergebe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 10 Abs. 2, 16, 17 Ziff. 1 d) GV.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug (Anlage K 19, Bl. 159 ff GA) ergibt sich sowohl die Umfirmierung der G. L. AG in L.F. I AG wie auch die Umwandlung im Wege des Formwechsels zu L.F. I GmbH (Klägerin).

Die Beklagte ist auch passivlegitimiert, da sich der Verkauf und die Abtretung der Beteiligung von der ursprünglich zeichnenden J. M. C. C. GmbH an die Beklagte aus der vorgelegten Vereinbarung vom 25.07.2016 (Bl. 84 f. GA) und der Zustimmung der Klägerin vom 05.12.2016 (Bl. 86 GA) ergibt.

Das Beteiligungsverhältnis wurde durch die Auflösung der stillen Gesellschaft zum 31.01.2017 beendet. Gemäß dem Schlussprotokoll der schriftlichen Beschlussfassung vom 31.01.2017 haben dem Beschlussvorschlag zur Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft 98,63 % zugestimmt.

Die Rechtsfolgen der Beendigung der Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss ist in dem GV nicht ausdrücklich geregelt. § 10 Abs. 2 GV behandelt den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters und verweist für diesen Fall auf §§ 16, 17 GV. § 16 Ziff. 1 GV sieht für den Fall einer ordentlichen Kündigung die Auseinandersetzung nach § 17 GV vor. § 17 GV regelt die Berechnung des Abfindungsguthabens bei Beendigung der Gesellschaft nach Maßgabe von § 16 Ziff. 1 oder Ziff. 2 b).

Der GV ist jedoch nach Sinn und Zweck auszulegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die stillen Gesellschafter bei Auflösung der stillen Gesellschaft zur Rückzahlung der ihnen zugeflossenen gewinnunabhängigen Ausschüttungen verpflichtet, wenn dieser Rückzahlungsanspruch im Gesellschaftsvertrag geregelt ist (BGH, Urteil vom 20.09.2016, II ZR 120/15). In der Entscheidung stellt der BGH klar, dass selbst bei einer nicht eindeutigen Formulierung des GV in Hinsicht auf ein „Ausscheiden“, bzw. „Beendigung der Gesellschaft“ sich ein Gesellschafter nicht darauf berufen könne, dass die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Rechtsfolgen (nämlich die Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen bei negativem Kapitalkonto) nicht im Falle der Auflösung der gesamten Gesellschaft gelten (BGH a.a.O.). Die Pflicht zur Rückzahlung der gewinnunabhängigen Auszahlungen bei Auflösung der stillen Gesellschaft tragen dem Umstand Rechnung, dass die stillen Gesellschafter bei der vorliegenden vertraglichen Konstruktion das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens des Geschäftsinhabers tragen (BGH a.a.O., Rn 19). Die Gesellschafter haben einem Kommanditisten vergleichbare Mitwirkungsrechte (vergleiche zum Beispiel § 14 GV) und ihre Einlagen haben Eigenkapitalcharakter (vergleiche BGH, Urteil vom 17.12.1984, II ZR 36/84). Die stillen Gesellschafter sollen dem Geschäftsherrn die Schuldentilgung durch die Rückzahlung der Gelder ermöglichen, die sie nicht als Gewinn, sondern zulasten des Vermögens des Unternehmens des Geschäftsinhabers erhalten haben (BGH Urteil vom 20.09.2016, II ZR 120/15 Rn. 21). Nach Sinn und Zweck der Regelungen ist daher auch für den Fall der Auflösung der Gesellschaft und damit dem Ausscheiden aller stillen Gesellschafter über § 10 Abs. 2 GV i.V.m. § 17 GV ein Rückzahlungsanspruch für die gewinnunabhängigen Ausschüttungen bei negativem Kapitalkonto anzunehmen.

Die Klägerin hat die Berechnung des Abfindungsguthabens entsprechend den Regelungen in § 17 GV substantiiert dargelegt.

Die von der Klägerin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat den Saldo des Kapitalkontos der beklagten Partei wie folgt ermittelt:

gezahlte Einlage (= Zeichnungssumme)

210.000,00 €

abzgl. Ergebnisbeteiligung

– 200.977,12 €

abzgl. Entnahmen (= Ausschüttungen)

– 60.025,00 €

=

– 51.002,21 €.

Ein nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen ermittelter anteiliger Auseinanderset-zungswert aufgrund stiller Reserven bestand nach den Berechnungen der Wirtschaftsprü-fungsgesellschaft zum 31.01.2017 nicht. Nach dem Vortrag der Klägerin waren sämtliche An-lagen und Beteiligungen der Klägerin – mit Ausnahme von Anteilen an der L.F. V.I. GmbH – am 31.01.2017 wertberichtigt. Zum 31.01.2017 bestanden vor diesem Hintergrund schon des-halb keine stillen Reserven, da im Finanzanlagevermögen handelsrechtlich ein Wertaufho-lungsgebot für die Wertberichtigungen besteht. Daher bestand weder ein Ertragswert noch ein darüber hinausgehender Substanzwert, sodass sich ein anteiliger Auseinandersetzungswert von 0 € ergibt.

Da dem auf erster Stufe ermittelten negativen Kapitalkontensaldo auf zweiter Stufe kein positiver anteiliger Auseinandersetzungswert entgegensteht, der verrechnet werden könnte, wird vorliegend der Abfindungswert allein durch den auf erster Stufe ermittelten Wert, also dem Saldo des Kapitalkontos bestimmt.

Soweit die Beklagte die von der Klägerin substantiiert vorgetragene Berechnung des Abfindungsguthabens durch die von der Klägerin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestritten hat, ist das einfache Bestreiten nicht ausreichend (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat nach § 14 GV eigene Informations- und Kontrollrechte. Nach § 17 Ziff. 4 GV hat der Gesellschafter das Recht, die Ermittlung des Abfindungsguthabens durch einen Wirtschaftsprüfer seiner Wahl überprüfen zu lassen. Damit ist der Beklagten ein substantiiertes Bestreiten möglich. Konkrete Einwendungen gegen die Berechnung hat die Beklagte jedoch nicht erhoben.

Die Klägerin hat daher einen Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 51.002,12 €.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 286, 280 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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