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Ruhegehaltsaberkennung bei Ruhestandsbeamten

OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

Az.: 11 A 10222/11.OVG

Urteil vom 31.03.2011


In der Disziplinarsache wegen Disziplinarklage hat der 11. Senat – Senat für Bundesdisziplinarsachen – des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2011 für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen die Aberkennung seines Ruhegehalts.

Der 19.. geborene Beklagte ist verheiratet und hat keine Kinder. Nach dem Hauptschulabschluss durchlief er ab 1982 zunächst eine Lehre zum Tiefbaufacharbeiter und wurde anschließend als ständiger Arbeiter bei der Deutschen Bundesbahn eingestellt. Mit Wirkung vom 1. November 1991 wurde der Beklagte in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Anlässlich der Zusammenführung und Privatisierung der Deutschen Bahnen wurde er Anfang 1994 der Deutschen Bahn AG, Niederlassung Brückenbau …, als Werkmeister (Bauaufsicht) zugewiesen.

Seit dem 6. Juli 1994 ist der Beklagte Beamter auf Lebenszeit. Er bekleidete zuletzt das Amt eines Hauptwerkmeisters (Besoldungsgruppe A 8). Mit Ablauf des 30. April 2010 wurde er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

Nachdem im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren gegen Auftragnehmer der Deutschen Bahn AG unter anderem wegen des Verdachts der Untreue und der Bestechlichkeit staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Beklagten aufgenommen worden waren, leitete der Kläger mit Schreiben vom 21. August 2007 ein behördliches Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Ihm wurde vorgeworfen, in seiner Funktion als Teamleiter im Ingenieurbau von Auftragnehmern der Deutschen Bahn AG Zuwendungen dafür gefordert und erhalten zu haben, dass er nicht zutreffende Angaben in Rechnungen als sachlich richtig gezeichnet und unzutreffende Stundenzettel abgezeichnet habe. Dadurch habe er den Auftragnehmern ermöglicht, gegenüber der Deutschen Bahn AG tatsächlich nicht erbrachte Leistungen beziehungsweise erbrachte Leistungen überhöht abzurechnen.

Ferner bestehe der Verdacht, dass der Beklagte Sach- und Geldzuwendungen der Firma F… angenommen habe.

Das Disziplinarverfahren wurde zunächst für die Dauer des bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main anhängigen sachgleichen Strafverfahrens ausgesetzt. Mit Strafbefehl vom 14. September 2007, rechtskräftig seit dem 27. September 2007, verhängte das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Beklagten wegen Bestechlichkeit in neun Fällen in Tatmehrheit mit neun Fällen der Untreue und der Beihilfe zum Betrug eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Beklagten wurde zur Auflage gemacht, eine Geldbuße von 11.000 € an gemeinnützige Organisationen zu zahlen.

Im Januar 2008 nahm der Kläger das Disziplinarverfahren wieder auf. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2008 enthob der Kläger den Beklagten vorläufig des Dienstes und behielt 30 v.H. der Dienstbezüge ein. Den hiergegen gerichteten Aussetzungsantrag des Beklagten lehnte das Verwaltungsgericht Trier mit rechtskräftigem Beschluss vom 14. Juli 2009 (4 L 336/09.TR) ab. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 wurde dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mitgeteilt. Gleichzeitig wurde ihm über die bisherigen Vorwürfe hinaus angelastet, sechs Rechnungen als „sachlich richtig“ bescheinigt zu haben, obwohl die zu Grunde liegenden Stundenzettel noch nicht abgezeichnet gewesen seien.

Zu diesem weiteren Disziplinarvorwurf erhielt der Beklagte nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme, von der er ausdrücklich keinen Gebrauch machte.

Am 27. August 2010 hat der Kläger gegen den Beklagten Disziplinarklage auf Aberkennung des Ruhegehalts erhoben. Dieser habe in der Zeit von 2001 bis 2005 seine Dienstpflichten verletzt, indem er wissentlich Stundenzettel als sachlich richtig gezeichnet habe, obwohl diese weit überhöhte Stundenangaben enthalten beziehungsweise mehr Arbeiter eingetragen gewesen seien, als sich tatsächlich auf der Baustelle befunden hätten. Hierfür habe er durch seinen Vorgesetzten im Zeitraum von 2001 bis 2003 als Gegenleistung Sach- und Geldzuwendungen der Firma F… Service-GmBH W… im Gesamtwert von mindestens 5.100 € erhalten. Außerdem habe er mindestens sechs von der Firma… gestellte Rechnungen als sachlich-richtig bestätigt und damit freigegeben, obwohl die nach der einschlägigen Konzernrichtlinie erforderliche Abzeichnung der dazugehörigen Stundenzettel gefehlt habe.

Der Kläger hat beantragt, dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 8. Dezember 2010 hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Dieser habe sich als bestechlich erwiesen, indem er der Firma… durch die Zeichnung unzutreffender Stundenzettel als „sachlich richtig“ überhöhte Abrechnungen gegenüber der DB Netz AG ermöglicht und hierfür durch seinen Vorgesetzten B… Sach- und Geldzuwendungen erhalten habe. Außerdem habe er – durch die Bestätigung als sachlich richtig – Rechnungen zur Zahlung freigegeben, obwohl die dazugehörigen Stundenzettel noch nicht als sachlich richtig abgezeichnet gewesen seien. Hierin liege ein Verstoß gegen die einschlägige Konzernrichtlinie über die Bestellung und Abrechnung von Lieferungen und Leistungen. Insgesamt liege damit ein einheitlich zu bewertendes Dienstvergehen vor, welches so schwer wiege, dass die Aberkennung des Ruhegehalts geboten sei.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen seien zwar unstreitig. Allerdings habe das Gericht zu Unrecht angenommen, dass ihm aufgrund seines Dienstvergehens das Ruhegehalt aberkannt werden müsse. § 41 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbeamtengesetz – BBG – sehe vor, dass ein Beamtenverhältnis kraft Gesetzes ende, wenn der Beamte durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werde.

Dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung habe das Verwaltungsgericht nicht Rechnung getragen. Gegen ihn sei eine Freiheitsstrafe von lediglich 11 Monaten verhängt worden, und dies nicht etwa durch Urteil, sondern durch Strafbefehl. Eine Aberkennung des Ruhegehalts scheide in solchen Fällen grundsätzlich aus.

Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht nicht hinreichend bedacht, dass er keine der Taten auf eigene Initiative begangen habe. Er habe in allen Fällen auf Anweisung seines direkten Vorgesetzten… gehandelt. Zu keinem Zeitpunkt habe er irgendwelchen Kontakt zu Baufirmen gehabt oder Forderungen im Hinblick auf bestimmte Amtshandlungen gestellt. Dienstvergehen, die auf Anweisung eines Vorgesetzten begangen würden, könnten aufgrund der Gehorsamspflicht aber nicht mit derselben Strenge geahndet werden, wie Pflichtverletzungen, die aus eigenem Antrieb begangen würden. Schließlich habe das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob das Vertrauen seines Dienstherrn in ihn unwiderruflich zerstört sei, die Umstände des Falles nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere sei unbeachtet geblieben, dass er sich geständig offenbart habe, als er sich nicht mehr von seinem Vorgesetzten B… genötigt gefühlt habe. Gerade seine Angaben gegenüber dem Dienstherrn hätten auch zur Aufklärung der vom Vorgesetzten B… begangenen und veranlassten Dienstvergehen beigetragen.

Der Beklagte beantragt, die Disziplinarklage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 8. Dezember 2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Personal- und Disziplinarakten (3 Ordner und 1 Heft) sowie die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Trier, 4 L 336/09.TR verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat das Verhalten des Beklagten zutreffend als Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 BBG gewürdigt und ihm wegen des eingetretenen endgültigen Vertrauensverlustes zu Recht gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2, §§ 12, 13 Bundesdisziplinargesetz – BDG – das Ruhegehalt aberkannt.

1.

Der Beklagte hat ein einheitliches Dienstvergehen begangen, indem er

a) der Firma F… Service-GmbH W… – durch die Zeichnung unzutreffender Stundenzettel als „sachlich richtig“ – überhöhte Abrechnungen gegenüber der DB Netz AG ermöglicht und hierfür im Gegenzug durch seinen Vorgesetzten B… Sach- und Geldzuwendungen von der Firma F… Service-GmbH W… entgegen genommen hat, sowie

b) entgegen der Konzernrichtlinie „Lieferungen und Leistungen bestellen und abrechnen – 273.0001(6)“ Rechnungen als sachlich richtig gezeichnet und damit zur Zahlung freigegeben hat, obwohl die dazugehörigen Stundenzettel noch nicht als sachlich richtig abgezeichnet waren.

Dies hat das Verwaltungsgericht ausführlich und zutreffend festgestellt. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 3 BDG in Verbindung mit § 130b Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – verwiesen werden. Der Beklagte hat die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil im Berufungsverfahren unstreitig gestellt. Er wendet sich der Sache nach nur noch gegen die Maßnahmebemessung durch das Verwaltungsgericht.

2.

Auch insoweit ist das angefochtene Urteil indes nicht zu beanstanden. Das Dienstvergehen wiegt auch unter Berücksichtigung der ihn entlastenden Umstände so schwer, dass die Aberkennung des Ruhegehalts zwingend geboten ist.

a) Gemäß § 13 Abs. 2 BDG wird einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt, wenn er durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat und daher als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen wäre. Dies ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände zu entscheiden, wobei der Schwere des Dienstvergehens als maßgebendem Bemessungskriterium richtungsweisende Bedeutung zukommt. Ist danach die Aberkennung des Ruhegehalts grundsätzlich gerechtfertigt, so kommt es – des Weiteren – darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere mildere Maßnahme oder gar ein Absehen von disziplinarischer Maßregelung geboten ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2007 – 2 C 28/06 – juris, insb. Rn. 19).

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b) Bilden – wie hier – Verstöße gegen die Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 BBG und das Verbot der Vorteilsannahme aus § 71 Abs. 1 BBG den Kern des Dienstvergehens, so ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis beziehungsweise die Aberkennung des Ruhegehalts jedenfalls dann Richtschnur für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme, wenn der Beamte als Gegenleistung für den gewährten Vorteil die ihm angesonnene pflichtwidrige Amtshandlung tatsächlich vorgenommen oder wenn er bares Geld angenommen hat. Die von der Schwere des Pflichtenverstoßes ausgehende Indizwirkung entfällt in einem solchen Fall nur dann, wenn mildernd Umstände von erheblichem Gewicht vorliegen, so dass eine fallbezogene Gesamtbetrachtung den Schluss rechtfertigt, es sei noch kein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 2011 – 1 D 1/06 – juris, insb. Rn. 30; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, Zweiter Teil, B. II. 10, Rn. 30 m.w.N.).

c) Hiervon ausgehend ist im Falle des Beklagten eine Aberkennung des Ruhegehalts unausweichlich. Das von ihm begangene Dienstvergehen wiegt sehr schwer. Er hat über einen längeren Zeitraum in zahlreichen Fällen gegen seine Pflichten aus § 61 Abs. 1 Satz 2 und § 70 Abs. 1 BBG verstoßen. Dabei hat er nicht nur Sachzuwendungen von erheblichen Wert entgegengenommen, sondern auch bares Geld in beträchtlicher Höhe (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27. November 1996 – 1 D 28/95 – juris, Rn. 33; Urteil vom 26. September 2000 – 1 D 66/99 – juris, Rn. 66). Gleichsam als Gegenleistung für die ihm gewährten Vorteile hat er immer wieder – wissentlich – überhöhte Stundenzettel der Firma F… Service-GmbH W… als „sachlich richtig“ gezeichnet, also pflichtwidrige Amtshandlungen vorgenommen. Hierdurch hat er seinen Dienstherrn bewusst und in nicht unerheblichem Maße geschädigt. Erschwerend kommt des Weiteren hinzu, dass der Dienstherr dem Beklagten ein besonderes Vertrauen entgegengebracht hatte, welches dieser durch seine Pflichtverletzungen zu seinem eigenen Vorteil missbraucht hat. Die Aufgabe, Stundenzettel von Auftragnehmern der DB Netz AG zu kontrollieren und gegebenenfalls als „sachlich richtig“ zu zeichnen, war dem Beklagten gerade deshalb übertragen worden, um Schädigungen der hier in Rede stehenden Art abzuwenden (vgl. hierzu hierzu BVerwG, Urteil vom 27. November 1996 a.a.O.). Zulasten des Beklagten wirkt sich schließlich auch aus, dass er mit der richtlinienwidrigen Freigabe von sechs Rechnungen weitere Dienstpflichtverletzungen begangen hat, die ebenfalls geeignet waren, seinen Dienstherrn zu schädigen.

d) Diesen ganz erheblichen Erschwerungsgründen stehen keine entlastenden Gesichtspunkte von solchem Gewicht gegenüber, dass sie ein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten.

aa) Zwar ist dem Beklagten zugute zu halten, dass er nach Ablösung seines Vorgesetzten B… von einer Fortsetzung seines dienstpflichtwidrigen Tuns für die Zukunft abgerückt ist und seine neuen Vorgesetzten auf die Fehlerhaftigkeit von Stundenzetteln hingewiesen hat. Von einer freiwilligen und vorbehaltlosen Offenbarung seines Fehlverhaltens in der Vergangenheit hat er jedoch abgesehen. Insoweit hat er sich – wohl aus Angst vor disziplinarer und strafrechtlicher Verfolgung – im Wesentlichen auf Andeutungen, namentlich zum Verhalten und Charakter seines (ehemaligen) Vorgesetzten B… beschränkt. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen Bu… und R… in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, die der Senat seiner Entscheidung gemäß § 65 Abs. 4 BDG zugrunde legt. An der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen besteht kein Zweifel. Eine das Gewicht des Dienstvergehens auch nur ansatzweise aufwiegende Umkehrleistung des Beklagten liegt daher nicht vor.

bb) Auch der Umstand, dass der Beklagte nicht aus Eigeninitiative, sondern auf Veranlassung seines Vorgesetzten B… gehandelt hat, lässt sein Dienstvergehen nicht in einem entscheidend milderen Licht erscheinen. Zwar befindet sich ein Beamter gegenüber seinem Vorgesetzten in einer besonderen, durch die beamtenrechtliche Gehorsamspflicht geprägten Lage. Die Gehorsamspflicht entbindet den Beamten gemäß § 63 Abs. 1 BBG jedoch nicht von der vollen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Demgemäß wusste der Beklagte sehr genau, dass er auch auf Veranlassung seines Vorgesetzten B… keine überhöhten Stundenzettel als „sachlich richtig“ zeichnen und auch keine Zuwendungen Dritter entgegennehmen durfte. Es wäre ihm jederzeit möglich gewesen, sich an seinen nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden und diesen auf etwaige Anstiftungsversuche des Vorgesetzten B… aufmerksam zu machen.

cc) Des Weiteren vermag es den Beklagten jedenfalls nicht durchgreifend zu entlasten, dass er selbst gegenüber den vorteilsgewährenden Auftragnehmern nie unmittelbar in Erscheinung getreten ist, und er auch nie aktiv Zuwendungen gefordert hat. Diese Zurückhaltung ändert nichts daran, dass er sich über einen längeren Zeitraum aus purem Eigennutz immer wieder über die sehr hohe Hemmschwelle für eine Bestechlichkeit im Amt hinweg gesetzt und damit das Vertrauen des Dienstherrn, aber auch der Allgemeinheit in ihn unwiederbringlich zerstört hat.

Im Übrigen ist das Fehlverhalten des Beklagten trotz seiner Zurückhaltung nach außen hin wohl nicht verborgen geblieben. So wusste etwa Herr E… von der F… Service-GmbH W… anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung am 14. Dezember 2006 zu berichten, dass Herr B… mit dem Beklagten noch einen Mitarbeiter habe, welcher die Stundenzettel abzeichne.

dd) Zu Gunsten des Beklagten bleibt schließlich zu berücksichtigen, dass er bis zu den hier in Rede stehenden Verfehlungen weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten ist, er sich im vorliegenden Verfahren vollumfänglich geständig und kooperativ gezeigt hat, er den angerichteten Schaden freiwillig wieder gutgemacht hat beziehungsweise aufgrund des mittlerweile geschlossenen Vergleichs wieder gutmachen wird und seine dienstlichen Leistungen im Übrigen so gut waren, dass er hierfür in der Vergangenheit mehrfach Prämien erhielt.

Diese Milderungsgründe können indes – auch in einer Gesamtschau mit den übrigen zugunsten des Beklagten sprechenden Umständen – ein Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme ebenfalls nicht rechtfertigen. Dabei ist namentlich zu beachten, dass es sich bei strafrechtlichem und disziplinarischem Wohlverhalten und einer ordnungsgemäßen Dienstverrichtung gleichsam um beamtenrechtliche Selbstverständlichkeiten handelt. Zu einer Wiedergutmachung des angerichteten Schadens war der Beklagte von Rechts wegen ohnehin verpflichtet.

Demgegenüber gehören Vorteilsannahme und Bestechlichkeit seit jeher zu den schwersten Dienstvergehen, die ein Beamter begehen kann. Die selbstlose, uneigennützige, auf keinen Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte ist eine der wesentlichen Grundlagen des Berufsbeamtentums. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Integrität trägt entscheidend zur Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens bei (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2000 – 1 D 66/99 – juris, Rn. 64). Daher kommt in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich der

Beamte dauerhaft und hartnäckig über die Pflichten aus § 61 Abs. 1 Satz 2 und § 70 Abs. 1 BBG hinweggesetzt und Vorteile in erheblichem Umfang angenommen hat, eine andere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst beziehungsweise die Aberkennung des Ruhegehalts grundsätzlich nicht in Betracht.

ee) Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus § 41 Abs. 1 Nr. 1 BBG beziehungsweise § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG a.F., wonach das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes endet, wenn ein Beamter durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Die Vorschrift dient vor allem der Verfahrensvereinfachung.

Beamte, die sich nach dem Urteil eines deutschen Strafgerichts besonders schwer wiegender Rechtsverstöße schuldig gemacht haben, sollen kraft Gesetzes ihre Beamtenrechte verlieren, ohne dass es dazu einer nochmaligen individuellen Prüfung in einem Disziplinarverfahren bedarf (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Band 1a (BBG alt), § 48 Rn. 2).

Der Bestimmung kann indes – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht entnommen werden, dass bei einer strafrechtlichen Verurteilung zu weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe oder dem Erlass eines Strafbefehls auch im Disziplinarverfahren stets gewichtige Gründe gegen eine Entfernung aus dem Dienst beziehungsweise eine Aberkennung des Ruhegehalts sprechen. Auch in Fällen von geringerer oder sogar vollständig fehlender strafrechtlicher Bedeutung kann die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme dringend geboten sein. Dies gilt namentlich bei innerdienstlichen Vergehen wie der Bestechlichkeit, deren konsequente Verfolgung für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes schlechterdings unerlässlich ist.

e) Nach alledem steht fest, dass dem Beklagten das für eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses erforderliche Vertrauen nicht mehr entgegengebracht werden kann. Eine positive Zukunftsprognose kann ihm angesichts der Schwere seines Dienstvergehens nicht gestellt werden. Er hätte daher – stünde er noch im aktiven Beamtenverhältnis – aus dem Dienst entfernt werden müssen. Ihm war daher gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG das Ruhegehalt abzuerkennen.

f) Dieses Disziplinarmaß begegnet auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist im vorliegenden

Fall namentlich aus Gründen der Generalprävention dringend geboten.

Das Dienstvergehen des Beklagten muss disziplinarisch mit aller Konsequenz geahndet werden, um andere Beamte von einer Nachahmung wirksam abzuschrecken und so die Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Dienstes zu stärken.

Dem Beklagten ist die Maßnahme – trotz seiner schwerwiegenden Erkrankung – zumutbar, weil sie eine ohne weiteres vorhersehbare Folge seiner in hohem Maße schuldhaften Pflichtverletzungen während der aktiven Dienstzeit ist. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte infolge der Aberkennung des Ruhegehalts nicht ohne Versorgung dasteht, da er in der Gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert wird.

Zur weiteren Begründung namentlich der Entscheidung zur Maßnahmebemessung verweist der Senat gemäß § 3 BDG in Verbindung mit § 130b Satz 2 VwGO auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 3 BDG in Verbindung mit § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 69 BDG in Verbindung mit § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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