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Rundfunkgebühren – eines Freiberufler für Privatfahrzeug

Verwaltungsgericht Stuttgart

Az.: 3 K 3393/07

Urteil vom 26.03.2008


Leitsätze:

Fahrten in einem mit Autoradio ausgestatteten Privatwagen des Rundfunkteilnehmers von der Wohnung zum Arbeitsplatz fallen unter die Zweitgerätefreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV. Das gilt auch für Fahrten eines Freiberuflers oder Selbständigen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.
Die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, nach der die Zweitgerätefreiheit nicht bei einer Nutzung „zu anderen als privaten Zwecken“ gilt, steht dem nicht entgegen.


Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 798,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2007 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rundfunkgebühren für ein Autoradio in einem PKW, den die Klägerin für die Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz nutzt.

Die Klägerin ist von Beruf niedergelassene Gynäkologin. Sie fährt regelmäßig von der Wohnung zur Praxis mit einem PKW, der über ein Autoradio verfügt. Beruflich bedingte Fahrten machte und macht sie nach ihrer Darstellung mit ihrem Wagen nicht. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung dazu erläutert, die Klägerin führe keine Hausbesuche durch. Sie arbeite an zwei halben Tagen und zusätzlich an einem Tag abends. Ihr Partner in der Praxisgemeinschaft, der ganztags arbeite, habe zu der Zeit vor der Umstellung des ärztlichen Notdienstes auf einen zentralen Dienst die auf die Praxis entfallenden Notdienste übernommen. Der Kollege wickele auch die Bankgeschäfte der Praxis und sonstige Erledigungen ab. Die steuerlichen Angelegenheiten seien ihrem Ehemann übergeben, ihr PKW werde steuerlich „privat“ eingestuft und nicht im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit geltend gemacht. Die Klägerin und ihr Ehemann zahlen die Rundfunkgebühren ihres 5-Personen-Haushalts unter der Teilnehmernummer ….

Ein mit der Ermittlung nicht angemeldeter Rundfunkteilnehmerverhältnisse Beauftragter des Beklagten suchte am 21.06.2006 zur Kontrolle die Praxisgemeinschaft auf, in der Klägerin tätig ist. Er fragte die Klägerin, ob sie ein Kraftfahrzeug mit Autoradio habe, was diese bejahte. Dies führte zur Ausfüllung eines Anmeldeformulars für die Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten. Darin hielt der Kontrolleur anhand der Angaben der Klägerin fest, sie arbeite seit Dezember 1992 in Teilzeit in der Praxis und nutze seither ihr jeweiliges Kraftfahrzeug, das mit Hörfunk versehen sei, für die Fahrt „ins Geschäft“. Die Klägerin und der Beauftragte unterschrieben das Formular, das auch eine Lastschriftermächtigung der Klägerin zur Einziehung der Rundfunkgebühren enthält.

Der Beklagte übersandte der Klägerin eine Anmeldebestätigung vom 06.07.2006 unter der neuen Rundfunkteilnehmernummer … für ein Radio in einem betrieblich genutzten Kraftfahrzeug, bezifferte den Zahlungsrückstand für den Zeitraum von Dezember 1992 bis Juli 2006 auf 798,23 EUR und kündigte die Einziehung des Betrags im Lastschriftverfahren an.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.07.2006 erhob die Klägerin vorsorglich „Einspruch“ und verlangte eine Aufschlüsselung und Begründung der Forderung. In der Antwort vom 25.09.2006 legte der Beklagte dar, dass das Autoradio gebührenpflichtig sei, weil das Fahrzeug im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrags zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit genutzt werde, wofür schon die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb genügten. Ein Gebührenbescheid sei nicht ergangen, weil die Gebühren vom Konto der Klägerin abgebucht worden seien. Im weiteren Schriftwechsel bezweifelte der Anwalt der Klägerin die Rechtsansicht des Beklagten und berief sich auf eine weitgehende Verjährung der Gebührenforderung. Der Beklagte bestand auf seiner Forderung.

Die Klägerin hat am 18.05.2007 Klage auf Erstattung der gezahlten Rundfunkgebühren erhoben. Sie hält die Wertung, dass, wenn ein Selbständiger ein Fahrzeug für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz benutzte, dies zu einer gewerblichen Nutzung werde, für falsch.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 798,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine bisherige Rechtsauffassung zur Gebührenpflicht für Fahrten eines Selbständigen von der Wohnung zum Arbeitsplatz. Er vermutet, dass die Klägerin auch darüber hinaus ihren PKW im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit nutze und beruft sich dafür auf eine allgemeine Lebenserfahrung. Er meint, dass die Rundfunkgebührenpflicht unabhängig davon bereits daraus folge, dass die Klägerin den Anmeldebeleg unterschrieben habe. Der Verjährungseinrede hält der Beklagte den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) in der Fassung des am 01.03.2007 in Kraft getretenen Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrags (GBl. 2007 S. 108 und 202) kann die Erstattung ohne rechtlichen Grund entrichteter Rundfunkgebühren von der zuständigen Landesrundfunkanstalt verlangt werden.

Die Klägerin hat Rundfunkgebühren in Höhe von 798,23 EUR ohne rechtlichen Grund an den Beklagten bezahlt. Für das Radiogerät, das sie in ihrem jeweiligen PKW im strittigen Zeitraum zum Empfang bereithielt, hatte sie aufgrund der Zweitgerätefreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV keine Rundfunkgebühren zu zahlen. Für den familiären Haushalt der Klägerin werden unter anderer Teilnehmernummer die Rundfunkgebühren gezahlt.

Entgegen der Meinung des Beklagten steht eine Rundfunkgebührenpflicht der Klägerin nicht schon aufgrund des von der Klägerin unterschriebenen Anmeldebelegs vom 21.06.2006 fest. Dieser ergibt lediglich die ohnehin unbestrittene Tatsache, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum mit ihrem jeweiligen Auto, in dem ein Autoradio eingebaut war bzw. ist, regelmäßig zur Arbeit („ins Geschäft“) gefahren ist. Eine Anmeldung dieser Art ist keine öffentlichen Urkunde im Sinne von §§ 98 VwGO, 415, 417 oder 418 ZPO, die den Beweis der Richtigkeit der enthaltenen Angaben begründet und den Rundfunkteilnehmer bindend mit den angegebenen Daten anmeldet oder gar eine Rundfunkgebührenpflicht unabhängig von gesetzlichen Voraussetzungen begründet. Eine solche Urkunde begründet gemäß § 416 ZPO allenfalls den Beweis dafür, dass der Beauftragte der Rundfunkanstalt die darin festgehaltenen Eintragungen anhand der Angaben der angetroffenen Person gemacht hat. Für die Frage, ob die eingetragenen Daten auch stimmen, ergibt der Anmeldungsbeleg nach der ständigen Rechtsprechung allerdings ein starkes Indiz, das zusammen mit den Äußerungen der Beteiligten, wie die Anmeldung zu Stande gekommen ist, im Rahmen der freien richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO zu würdigen ist (zur Indizwirkung des Anmeldungsbelegs vgl. Urteile der Kammer vom 29.10.2003 – 3 K 1256/03 -,juris; vom 12.11.2003 – 3 K 2778/03 -; vom 06.05.2004 – 3 K 2064/03 und vom 24.01.2008 -3 K – 4056/06 -; sowie VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.1994 – 2 S 247/94 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 30.11.2005 – 10 PA 118/05 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.09.2004 – 19 A 2556/03 -, NJW 2004, 3505; a.A. VG Mainz, Urteil vom 06.05.1999 – 7 K 2014/98.MZ -, das die Erbringung eines vollen Gegenbeweises der Unrichtigkeit der Urkunde verlangt). Für die Auslegung der Rechtsfrage, ob sich aus den beurkundeten Tatsachen eine Zahlungspflicht des Rundfunkteilnehmers ergibt, ist der Anmeldebeleg erst recht ohne Bedeutung. Es gibt im Rundfunkgebührenrecht keine Begründung eines Rundfunkteilnehmerverhältnisses durch „Anerkenntnis“. Rundfunkgebühren können nur nach Maßgabe des Rundfunkgebührenstaatsvertrags erhoben werden.

Ob wegen der Zweitgerätefreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV keine weiteren Rundfunkgebühren für ein Autoradio in dem auf die Klägerin zugelassenen PKW zu zahlen waren und sind, wirft eine noch nicht grundsätzlich geklärte Rechtsfrage auf, die nach Auffassung der Kammer zu bejahen ist. Die Kammer nimmt dabei angesichts der plausiblen und vom Beklagten nicht angegriffenen Darstellung der Klägerin an, dass sie ihren PKW im fraglichen Zeitraum, für den der Beklagte Rundfunkgebühren vereinnahmt hat, ausschließlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Praxis genutzt und ihn nicht für Fahrten im Dienste ihrer Berufstätigkeit als niedergelassene Gynäkologin benutzt hat.

Für die ab 01.04.2005 geltende Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV kommt es deshalb darauf an, ob Fahrten eines Freiberuflers zwischen Wohnung und Arbeitsplatz das Merkmal der Nutzung „zu anderen als privaten Zwecken“ erfüllen, das die Zweitgerätefreiheit wieder entfallen ließe.

Der Beklagte vertritt eine Auslegung der Vorschrift, die wegen § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV, der den Umfang der nicht privaten Nutzung für unerheblich erklärt, eine gesonderte Rundfunkgebührenpflicht für das Vorhandensein eines Rundfunkempfangsgeräts im Privatauto eines Freiberuflers praktisch nahezu unbeschränkt auslöst. Selbst wenn der Betroffene regelmäßig mit anderen Transportmitteln seinen Arbeitsplatz aufsucht, muss er schon bei gelegentlichen Nutzungen seines PKW für den Weg zur Arbeit sein Autoradio gesondert anmelden und dafür im betreffenden Monat Rundfunkgebühren zahlen. Aus praktischen Gründen müsste jeder Selbständige, der bei seiner eigentlichen Berufsausübung sein Privatauto nicht nutzt, dennoch ein weiteres Radiogerät anmelden und wäre von der Zweitgerätefreiheit, die ein abhängig Beschäftigter unter ansonsten gleichen Umständen nach der derzeitigen Praxis der Gebühreneinzugszentrale genießt, ausgeschlossen.

Eine Auslegung, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz als gebührenpflichtigen Tatbestand erfasst, erscheint nach dem Wortlaut der Vorschrift in ihrer aktuellen Fassung, die die Nutzung des Kraftfahrzeugs „zu anderen als privaten Zwecken“ von der Zweitgerätefreiheit ausschließt, zwar auf den ersten Blick durchaus möglich. Sie wird jedoch dem Wort „privat“ in § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bei näherem Hinsehen nicht gerecht. Das Wort ist von seinen vielfältigen Bedeutungen hier offensichtlich im Sinn von „nicht geschäftlich, außerdienstlich“ gebraucht (siehe Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl.). „Privat“ ist somit das Gegenteil von „die Erwerbstätigkeit betreffend“.

Mit dieser Auffassung vom Wortlaut sind dann aber konsequenterweise die Fahrten aller beruflich Tätigen zu beruflichen Zwecken – gleich ob abhängig beschäftigt oder selbständig – erfasst. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bezieht sich außerdem auch auf Räume. Nach ihrem Wortlaut nimmt sie Räume, in denen ein Rundfunk- oder Fernsehgerät zum Empfang bereitgehalten wird und in denen ein Erwerbstätiger jedweder Profession gelegentlich beruflich Arbeiten erledigt, genauso von der Zweitgerätefreiheit aus. Wenn man zudem in Rechnung stellt, dass ein systematischer Zusammenhang zwischen dem Begriff der Nutzung zu anderen als privaten Zwecken unabhängig vom Umfang der Nutzung zu diesen Zwecken mit dem Begriff „im nicht ausschließlich privaten Bereich“ nach § 5 Abs. 3 RGebStV besteht, der es gebietet, den beiden Begriffe den gleichen Regelungsgehalt beizumessen, wäre die Zweitgerätefreiheit für Berufstätige in erheblichem Ausmaß ausgeschlossen. Der Beklagte könnte jederzeit von seiner Praxis, nicht selbständig Beschäftigte von der Rundfunkgebühr für gelegentliche berufliche Nutzung eines Raums oder Kraftfahrzeugs mit Rundfunkempfangsgerät zu verschonen, abrücken.

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Die Gesetzesmaterialien ergeben keine hinreichende Klarheit darüber, wie der Wortlaut des § 5 Abs. 2 RGebStV gemeint sein soll. In der Einzelbegründung zu der Vorschrift (Landtagsdrucksache 13/3784), die durch das Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GBl. 2005 S. 189) zum 01.04.2005 neu gefasst wurde, heißt es:

Durch die Formulierung „zu anderen als privaten Zwecken“ in Absatz 2 Satz 1 wird klargestellt, dass es keine Gebührenfreiheit für jede Art der Nutzung gibt, die nicht ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgt.

Damit ist aber gerade nicht gesagt, dass der Gesetzgeber die Rechtslage des früheren Wortlauts der Vorschrift klarstellen wollte, denn die frühere Gesetzesfassung wird nicht genannt und der Satz hat auch ohne diesen Bezug einen Sinn. Sollte der Gesetzgeber aber dennoch mit der „Klarstellung“ gemeint und gewollt haben, dass die Vorschrift lediglich sprachlich besser gefasst, aber der Tatbestand nicht verändert werden soll (so Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 5 RGebStV Rn. 38 m.w.N.), wäre die „Klarstellung“ sprachlich missglückt.

Bis zum 31.03.2005 lautete die Vorschrift:

Die Gebührenfreiheit nach Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt werden.

Der Gesetzgeber hätte dann nicht gesehen, dass „nicht ausschließlich zu privaten Zwecken“ nach dem Wortsinn nicht nur gewerbliche oder selbständige Tätigkeit erfasst, sondern viel weiter greift. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz geht jedenfalls ohne weiteres davon aus, dass seit 01.04.2005 auch die berufliche Nutzung von Kraftfahrzeugen unselbständiger Beschäftigter die Zweitgerätefreiheit entfallen lässt (Urteil vom 13.12.2007 – 7 A 10913/07 -, juris). Klar ist nach dem Wortsinn zumindest, dass alle gewerblichen Nutzungen des Kraftfahrzeugs und Nutzungen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit nach der alten und neuen Fassung der Vorschrift die Zweitgerätefreiheit entfallen lassen.

Obwohl es im vorliegenden Fall nur um die Gebührenpflicht im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit geht, kann die Kammer die Frage der Reichweite der Gesetzesänderung für alle beruflich Tätigen deswegen nicht offen lassen, weil das Argument der Gleichbehandlung bei der gebotenen Auslegung, die Selbständige und unselbständig Beschäftigte gleichermaßen belastet, entfällt. Soweit die Rechtsprechung die Fahrten eines Selbständigen zum Arbeitsplatz dem privaten (gebührenbefreiten) Bereich zuordnete (so VG Göttingen, Urteil vom 26.04.2007 – 2 A 394/06 -, juris und VG München, Urteil vom 15.02.2000 – M 32a K 99.370 -, juris), hat sie auch wesentlich auf eine verfassungsrechtlich gebotene Auslegung abgestellt, die Gewerbetreibende und Selbstständige gegenüber Arbeitnehmern nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Dieser Gedanke ist nach Auffassung der Kammer nicht stichhaltig.

Der in den genannten Urteilen der Verwaltungsgerichte Göttingen und München als zweite tragende Argumentation herangezogene Wortlaut der Vorschrift in ihrem systematischen Zusammenhang bleibt aber entscheidend. Die Fahrten zum Arbeitsplatz sind Privatsache, der Erwerbstätigkeit „vorgelagert“ (so VG Göttingen a.a.O.). Wie und mit welchem Verkehrsmittel ein Berufstätiger zu seinem Arbeitsplatz gelangt, ist in der Regel seine persönliche „private“ Entscheidung. Erst mit der Ankunft am Arbeitsplatz wird der Arbeitnehmer, Gewerbetreibende, Selbständige oder Freiberufler von den Erfordernissen der Erwerbstätigkeit bestimmt. Das Wort „privat“ grenzt in dieser Gegenüberstellung die Privatangelegenheiten von denen der Erwerbstätigkeit ab. Damit muss es sein Bewenden haben.

Der Beklagte kann für seine gegenteilige Auffassung nicht auf den Sprachgebrauch anderer Rechtsgebiete verweisen. Ob eine Fahrt steuerrechtlich als betrieblich veranlasst gilt oder etwa ein Unfall auf dem Weg zu und von der Arbeit im Beamtenrecht als Dienstunfall einzustufen ist, trägt zur Auslegung des Tatbestands des § 5 Abs. 2 RGebStV nichts bei. Der Gesetzgeber hat die Einheit der Rechtsordnung im Sprachgebrauch selbst verlassen, indem er statt der eingeführten Rechtsbegriffe „gewerblich“ und „selbständige Erwerbstätigkeit“ den neuen Begriff „zu anderen als privaten Zwecken“ bzw. „nicht ausschließlich privater Bereich“ eingeführt hat.

Es ist deshalb für die Kammer zwingend, dass Fahrten in einem mit Autoradio ausgestatteten Privatwagen des Rundfunkteilnehmers von der Wohnung zum Arbeitsplatz unter die Zweitgerätefreiheit fallen (auch bei wechselnden Einsatzorten oder bei Fahrten zu Fortbildungen).

Diese Rechtsauffassung schließt im vorliegenden Fall ebenso für den Zeitraum vor der Neufassung des § 5 Abs. 2 RGebStV die gesonderte Gebührenpflicht für das Autoradio der Klägerin aus. Auch für die frühere Fassung gilt, dass die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs nicht gleichzeitig eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit sein kann. Es gibt allerdings zu dem Problem unter der früheren Rechtslage wohl keine veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung. Diese beschäftigte sich nur mit der Gebührenpflicht bei einer nur geringfügigen Nutzung des Kraftfahrzeugs zu gewerblichen Zwecken (vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.04.1994 – 2 S 2521/93 -, juris). Denn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehen anscheinend erst seit kurzer Zeit darauf, die Fahrt eines Selbständigen zum Arbeitsplatz mit einen mit Autoradio versehenen Fahrzeug selbst dann als gebührenpflichtig zu behandeln, wenn ihm keine Nutzung seines Privatfahrzeugs auch nur in geringem Umfang im Rahmen der Erwerbstätigkeit (Fahrten zur Bank, zum Steuerberater, zu Einkäufen für die Berufstätigkeit usw.) vorgehalten werden kann. Möglicherweise wegen der Finanznot der Rundfunkanstalten greift der Beklagte dabei weit zurück – im vorliegenden Fall auf eine vermeintlich bestehende Gebührenschuld ab 1992. Da die geltend gemachte Gebührenpflicht der Klägerin von Anfang an nicht gegeben war, kommt es auf die schwierigen Fragen der Verjährung und der Verwirkung der Verjährungseinrede nicht mehr an (dazu VG Stuttgart, Beschluss vom 05.01.2007 – 3 K 4289/06 -, juris).

Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist für den gesamten umstrittenen Gebührenzeitraum begründet.

Die Berufung war nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob die Nutzung eines PKW für Fahrten eines freiberuflich Tätigen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz die Zweitgerätefreiheit entfallen lassen, grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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