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Rundfunkgebührenpflicht – Gebührenbefreiung

Verwaltungsgericht Braunschweig

Az: 4 A 109/07

Urteil vom 21.10.2008


In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Braunschweig – 4. Kammer – auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2008 für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass der Kläger seit Juli 2007 nicht der Rundfunkgebührenpflicht unterliegt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.

Mit Schreiben vom 28. November 2006 meldete der Kläger, ein gemeinnütziger Verein, bei dem Beklagten drei internetfähige Personalcomputer (PC) als sog. neuartige Rundfunkempfangsgeräte an. Gleichzeitig beantragte er eine Rundfunkgebührenbefreiung. Der Beklagte eröffnete daraufhin für den Kläger ab Januar 2007 entsprechend der Rechtslage (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag – RGebStV) ein Rundfunkgebührenkonto für ein neuartiges Rundfunkgerät. Die Befreiung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2007 ab. Zur Begründung führte er aus, die Rundfunkempfangsgeräte würden nicht ausschließlich für den betreuten Personenkreis zum Empfang bereitgehalten, da Dritte die Möglichkeit der Nutzung hätten. In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die PCs würden ausschließlich für Zwecke des Vereins, nämlich für administrative Aufgaben, von den hierfür autorisierten Mitarbeitern der Geschäftsstelle und des Vorstandes genutzt.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2007 zurück, weil es sich um Geräte handele, die zumindest teil- oder zeitweise dem Personal der Einrichtung als Arbeitsmittel dienten. Es müsse dem betreuten Personenkreis selbst überlassen sein, ob und welche Sendungen er anhöre oder ansehe.

Am 16. August 2007 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten und vertieft seinen vorprozessualen Vortrag.

Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass er jedenfalls ab Juli 2007 nicht für die drei vorgehaltenen sog. neuartigen Rundfunkempfangsgeräte gebührenpflichtig ist,
hilfsweise,
den Bescheid vom 19. Januar 2007 in der Fassung des Wider-spruchsbescheides vom 13. Juli 2007 aufzuheben und dem Kläger Rundfunkgebührenbefreiung entsprechend seinem Antrag vom 28. November 2006 zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er erwidert: Bei dem Kläger handele es sich zwar um eine Einrichtung im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, aber die Rundfunkempfangsgeräte würden nicht ausschließlich, wie es § 5 Abs. 7 RGebStV fordere, für den betreuten Personenkreis zum Empfang bereit gehalten. Eine Befreiung komme nicht in Betracht für Rundfunkempfangsgeräte, die im Wesentlichen als Arbeitsmittel dienten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist mit dem Hauptantrag als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig, weil der Beklagte sich eines Rechtsverhältnisses berühmt und eine Verpflichtung zur Erteilung einer Befreiung das Bestehen eines Rundfunkgebührenverhältnisses denklogisch voraussetzt, so dass eine entsprechende Verpflichtungsklage (ausnahmsweise) nur hilfsweise zu prüfen ist.

Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Zwischen den Beteiligten bestand in dem streitigen Zeitraum kein Rundfunkgebührenverhältnis.

Die Rundfunkgebührenpflicht für privat und gewerblich genutzte Rundfunkempfangsgeräte – auch für neuartige Rundfunkempfangsgeräte – bestimmt sich nach §§ 1,2 und 4 RGebStV. § 5 RGebStV schränkt die Gebührenpflicht für Zweitgeräte und für gebührenbefreite Geräte ein.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer (vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV) für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rund-funkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Der Kläger ist nicht Rundfunkteilnehmer. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV ist Rundfunkteilnehmer, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV wird ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können. Der Tatbestand des Bereithaltens knüpft bei sog. herkömmlichen Rundfunkempfangsgeräten grundsätzlich nicht an die konkrete Nutzung als Empfangsgerät an, es bedarf auch keines Empfangswillens. Die Geeignetheit des Gerätes zum Empfang reicht aus. Zudem kommt es weder auf die Art, den Umfang und die Anzahl der empfangbaren Programme an, schon die Möglichkeit der Nutzung zum Rundfunkempfang reicht zur Gebührenpflichtigkeit des Vorhaltens eines Rundfunkempfangsgerätes aus. Das Anknüpfen an den bloßen Besitz eines sog. herkömmlichen Rundfunkempfangsgerätes für die Gebührenpflichtigkeit ist regelmäßig gerechtfertigt, weil eine andere Verwendung des Gerätes nahezu ausgeschlossen ist und es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass der Besitzer sie gerade zu die-sem Zweck angeschafft hat (vgl. VG Koblenz, Urt. v. 15. Juli 2008, 1 K 496/08 KO). Den an sich getrennten Tatbestandsmerkmalen des „Bereithaltens“ und „zum Empfang“ in § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV kommt deshalb bei sog. herkömmlichen Geräten keine jeweils eigenständige Bedeutung zu (ebenso VG Münster, Urt. v. 26. September 2008, 7 K 1473/07).

Anders verhält sich dies hingegen bei sog. neuartigen Rundfunkempfangsgeräten, weil diese multifunktional sind und nicht ausschließlich zum Rundfunkempfang erworben und eingesetzt werden. Inzwischen könnte u.a. auch mit Notebooks, UMTS- oder WLAN-Handys, PDAs oder internetfähigen Navigationssystemen, Rundfunk empfangen werden. Da derartige multifunktionale Geräte vielfältigen Zwecken dienen, kann aus dem bloßen Besitz nicht mehr automatisch auf ein Bereithalten zum Rundfunkempfang geschlossen werden.

Nach Sinn und Zweck der rundfunkgebührenrechtlichen Vorschriften ist das Abstellen auf die (bloße) Möglichkeit der Nutzung eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang in den Fällen nicht gerechtfertigt, in denen die § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV zugrunde liegende typisierende Annahme, ein vorhandenes Rundfunkempfangsgerät werde auch tatsächlich zum Empfang genutzt, regelmäßig nicht zutrifft.

Dies belegt die so genannte ARD/ZDF-Online-Studie 2007, die seit 1997 jährlich durchge-führt wird. Danach nutzten im Jahr 2007 rund 1,4 Millionen Hörer täglich das Netzradio – dies entspreche einem Anteil von 3,4 Prozent an allen Internetnutzern und 2,1 Prozent bezogen auf die Gesamtbevölkerung ab 14 Jahre. Der Anteil der täglichen Live – Radiohörer im Web sei im Vergleich zu den 50,2 Millionen Hörern über traditionelle Empfangswege relativ gering (vgl. hierzu Nachweise bei VG Münster, a.a.O.). Die Medien – Basisdaten der ARD kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Danach hörten im Internet im Jahr 2005 nur 6 % der Nutzer live Internetradio und nur 2 % von ihnen schauten im Internet live Fernsehen (www.ard.de/intern/basisdaten/onlinenutzung/onlineanwendungen/-id=55182 /f…).
Nach diesen Grundsätzen kann bei einem PC wegen dessen Multifunktionalität ein „Bereithalten zum Rundfunkempfang“ nur angenommen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen des Besitzers bestehen. Dies wäre gegebenenfalls vom Beklagten darzulegen und zu beweisen. Das ist dem Beklagten nicht gelungen.

Der Kläger nutzt die PCs nach seinen glaubhaften und vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben ausschließlich zur Verwaltung der Vereinsmitglieder und nicht zum Radio- oder Fernsehempfang.

Der Beklagte hat noch nicht einmal behauptet, dass der Kläger seinen internetfähigen PC tatsächlich zum Rundfunkempfang nutzt. Vielmehr hat er seinen Vortrag – aus seiner Sicht folgerichtig – darauf beschränkt, der Kläger besitze internetfähige PCs.

Die Kammer verkennt – wie auch das VG Münster – nicht, dass der dem Beklagten obliegende Nachweis der tatsächlichen Nutzung in der Praxis schwierig zu führen ist. Die Schwierigkeiten der Nachweisführung liegen aber ausschließlich in der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag geregelten gerätebezogenen Gebührenpflicht begründet, die den neueren technischen Entwicklungen erkennbar nicht Rechnung trägt. Die einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV ist deshalb geboten, weil eine Rundfunkgebührenpflicht, die lediglich auf den tatsächlichen Besitz abstellt und die fehlende tatsächliche Nutzung nicht zur Kenntnis nimmt, eine unzulässige Besitzabgabe für Computer darstellen würde (ebenso VG Münster, a.a.O.). Zudem bestehen Bedenken, ob die Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs unabhängig von der tatsächlichen Nutzung gegen das Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 HS 2 GG verstoßen würde (so VG Koblenz, a.a.O.). Diese Problematik verkennen das VG Hamburg (Urt. v. 24. Juli 2008, 10 K 1261/08) und das VG Ansbach (Urt. v. 10. Juli 2008, AN 5 K 08.00348), die lediglich auf die abstrakte Möglichkeit des Radioempfangs abstellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufi-ge Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a VwGO) liegen nicht vor.

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