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Sachverständige – eigenmächtige Ausdehnung des Beweisbeschlusses – Befangenheitsgrund

Sachverständige im Zwielicht: Eigenmächtige Ausdehnung des Beweisbeschlusses

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die gerichtlich bestellte Sachverständige, gegen deren Vorgehen die Beklagte Beschwerde eingelegt hat. Die Klägerin fordert von der Beklagten Ersatz für diverse Kosten, die infolge eines Verkehrsunfalls im Jahr 2017 entstanden sind. Ein zentrales Streitthema ist, ob die Klägerin rund um die Uhr Betreuung benötigt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 14 W 24/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Die Beklagte legt Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuches des gerichtlich bestellten Sachverständigen ein.
  • Im Kern geht es um Ersatzansprüche der Klägerin aufgrund gesundheitlicher Folgen eines Verkehrsunfalls aus 2017, insbesondere um die Frage einer 24-Stunden-Betreuung.
  • Die Beklagte argumentiert, dass die Sachverständige über den Beweisbeschluss hinausgegangen sei und der Klägerin Hinweise gegeben habe, einen höheren Stundensatz zu fordern.
  • Der Einzelrichter lehnte die Beschwerde ab, der Senat hat die Sachverständige zur Stellungnahme aufgefordert.
  • Die Sachverständige hat den Beweisbeschluss eigenmächtig erweitert und sich in die Position des Gerichts begeben, wodurch sie den Rechtsstreit im Sinne der Klägerin beeinflussen wollte.

Kontroverse um den Gutachtenauftrag

Die Beklagte argumentiert, dass die Sachverständige über ihren Gutachtenauftrag hinausgegangen sei. Sie behauptet, die Sachverständige habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie einen höheren Stundensatz fordern könne und solle. Zudem seien die Ausführungen zum behindertengerechten Fahrzeug nicht relevant für den Beweisbeschluss. Der Einzelrichter wies diese Bedenken zurück und sah keine Überschreitung des Gutachtenauftrags.

Befangenheit des Sachverständigen?

Ein zentrales Thema ist die Frage, ob die Sachverständige befangen ist. Ein Sachverständiger kann abgelehnt werden, wenn der Anschein der Parteilichkeit besteht. Dieser Anschein muss auf Tatsachen oder Umständen basieren, die die Befürchtung wecken, dass der Sachverständige nicht unvoreingenommen ist. Ein Ablehnungsgrund kann vorliegen, wenn ein Sachverständiger ohne Aufforderung über den Beweisbeschluss hinausgeht.

Überschreitung des Gutachtenauftrags

Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten detaillierte Ausführungen zur Höhe des anzusetzenden Stundensatzes gemacht, obwohl dies nicht Teil des ursprünglichen Gutachtenauftrags war. Sie hat den Gutachtenauftrag in Bezug auf die damit verbundenen Kosten erheblich überschritten. Darüber hinaus hat sie sich in die Position der Klägerin versetzt und ihr aufgezeigt, welchen Wert ihre Ansprüche haben sollten, was über den bisher eingeklagten Betrag hinausgeht.

Neutralitätspflicht verletzt?

Die Sachverständige hat sich laut Beklagter einseitig zugunsten der Klägerin in den Rechtsstreit eingemischt. Sie hat den Beweisbeschluss eigenmächtig auf bisher nicht gestellte Fragen ausgedehnt und sich quasi in die Position des Gerichts versetzt. Aus Sicht einer vernünftigen Partei könnte der Eindruck entstehen, dass die Sachverständige den Rechtsstreit im Sinne der Klägerin beeinflussen möchte.

Schlussbemerkungen

Die Sachverständige hat den Gutachtenauftrag nicht irrtümlich überschritten. Ihre Erklärung, dass der zuständige Richter sie um eine Kostenschätzung gebeten habe, ist nicht geeignet, die Besorgnisse der Beklagten zu zerstreuen. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht in diesem komplizierten Fall entscheiden wird.

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Sachverständiger: eigenmächtige Ausdehnung Beweisbeschluss – kurz erklärt


Ein Sachverständiger wird in gerichtlichen Verfahren hinzugezogen, um zu bestimmten Fragen, die besondere Fachkenntnisse erfordern, ein Gutachten zu erstellen. Das Gericht legt in einem Beweisbeschluss fest, welche Fragen der Sachverständige zu beantworten hat. Wenn ein Sachverständiger eigenmächtig den Beweisbeschluss ausdehnt und Fragen beantwortet, die nicht gestellt wurden, kann dies problematisch sein. Es kann den Anschein erwecken, dass der Sachverständige nicht neutral und unparteiisch ist. In solchen Fällen kann die Befangenheit des Sachverständigen geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass das Gutachten des Sachverständigen möglicherweise nicht berücksichtigt wird und ein anderer Sachverständiger beauftragt werden muss.


§ Relevante Rechtsbereiche sind unter anderem:

  • Zivilprozessordnung (ZPO): Die Zivilprozessordnung regelt das Verfahren vor den Zivilgerichten. In diesem Fall geht es insbesondere um die Regelungen zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit (z.B. § 411 Abs. 4 ZPO und § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  • Schadensersatzrecht: Hierbei handelt es sich um Ansprüche, die aus einem Schaden resultieren, den eine Partei der anderen zugefügt hat. In diesem Fall begehrt die Klägerin Ersatz von verschiedenen Kosten, die infolge eines Verkehrsunfalls entstanden sind.
  • Sachverständigenrecht: Dieses Rechtsgebiet befasst sich mit den Rechten und Pflichten von Sachverständigen. In diesem Fall geht es um die Neutralitätspflicht des Sachverständigen und die Frage, ob dieser über seinen Gutachtenauftrag hinausgegangen ist.


Das vorliegende Urteil

OLG Celle – Az.: 14 W 24/23 – Beschluss vom 07.08.2023

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 28. April 2023 – 17 O 148/21 – abgeändert:

Die Ablehnung der gerichtlich bestellten Sachverständigen wird für begründet erklärt.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 86.850,61 €.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuches in Bezug auf die gerichtlich bestellte Sachverständige. In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin von der Beklagten Ersatz von fiktivem Haushaltsführungsschaden, Pflegekosten sowie fiktiven Schadensersatz von Kosten für einen behindertengerechten Umbau eines PKW aufgrund der gesundheitlichen Folgen eines Verkehrsunfalls der Klägerin im Jahr 2017. Dabei ist unter anderem streitig, ob die Klägerin eine 24-Stunden-Betreuung benötigt. Die Klägerin hat ihrem Anspruch einen Stundensatz von 8 € zugrunde gelegt.

Die Kammer hat – ausschließlich – zur Frage, ob die Klägerin eine 24-Stunden-Betreuung benötigt, ein Sachverständigengutachten eingeholt (Beschluss vom 7. November 2022, Bl. 179 d.A.). Das Gutachten ist von der gerichtlich bestellten Sachverständigen am 10. Februar 2023 erstattet worden. Die Sachverständige geht in dem Gutachten – über die gestellte Beweisfrage hinaus – auf die Tages- und Nachtentgelte für die Pflege der Klägerin ein und nimmt konkrete Berechnungen der Pflege- und Haushaltsführungskosten vor. Hierbei orientiert sie sich am gesetzlichen Mindestlohn (S. 50 ff. nebst Tabelle Anlage A des Gutachtens). Bei der Berechnung der Pflege- und Haushaltsführungskosten berücksichtigt die Sachverständige das von der Berufsgenossenschaft an die Klägerin bezahlte Pflegegeld nicht. Die Sachverständige macht zudem Ausführungen zur Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs für die Klägerin (S. 38 des Gutachtens).

Mit Verfügung vom 2. März 2023, der Beklagten zugestellt am 10. März 2023, ist den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten von vier Wochen eingeräumt worden. Die Beklagte hat die Sachverständige mit Schriftsatz vom 20. März 2023 wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie ist der Ansicht, die Sachverständige habe den Gutachtenauftrag eigenmächtig und in erheblichem Maße überschritten.

Der Einzelrichter hat durch den angefochtenen Beschluss die Ablehnung für unbegründet erklärt. Eine Überschreitung des Gutachtenauftrags sei „(noch) nicht zu erkennen“. Die Monetarisierung der Pflegeleistung sei vom Umfang her nur untergeordnet und diene der Darstellung und Abgrenzung verschiedener Tages- und Nachtentgelte; auf eine Unvoreingenommenheit der Sachverständigen lasse dies nicht schließen. Die Ausführungen zum Fahrzeug stellten bloß den Zustand der hauswirtschaftlichen Versorgung durch den Ehemann dar. Die Nichtberücksichtigung des durch die Berufsgenossenschaft gezahlten Pflegegeldes sei lediglich ein Grund für die Beklagte, konkrete Nachfragen an die Sachverständige zu stellen.

Gegen diesen der Beklagten am 4. Mai 2023 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Mai 2023, beim Landgericht Hannover am selben Tag eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beklagte meint, die Sachverständige weise die Klägerin darauf hin, sie könne und müsse einen höheren Stundensatz begehren. Die Darlegungen zum behindertengerechten Fahrzeug hätten nichts mit dem Beweisbeschluss zu tun.

Der Einzelrichter hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat der Sachverständigen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27. Juni 2023, Bl. 277 f. d.A.). Die Sachverständige hat darauf am 7. Juli 2023 schriftlich Stellung genommen (Bl. 281 d.A.).

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der zweiwöchigen Frist gem. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden.

Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, läuft im Allgemeinen die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2005 – VI ZB 74/04 -). So liegt der Fall hier. Der Ablehnungsantrag ist binnen der mit Verfügung vom 2. März 2023 gesetzten Stellungnahmefrist gem. § 411 Abs. 4 ZPO gestellt worden.

2. Die Beschwerde hat Erfolg. Die Ablehnung der Sachverständigen ist begründet.

a) Gem. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 – X ZR 124/06 -). Insbesondere kann es einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn ein Sachverständiger ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgeht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet. Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus Sicht der Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn er lediglich irrtümlich das Beweisthema unzutreffend erfasst. (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. November 2011 – 5 W 40/11 -; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. November 2007 – 5 W 133/07 -).

Ob die Überschreitung eines Gutachtenauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – VII ZB 32/12 -).

b) Nach diesen Maßstäben liegt eine Überschreitung des Gutachtenauftrags vor, welche die Besorgnis der Befangenheit der Sachverständigen begründet. Die Sachverständige äußerte sich zu einer Frage, die nicht von ihrem Gutachtenauftrag umfasst war (aa). Hierbei verstieß sie gegen ihre Neutralitätspflicht (bb) und erweckte dadurch aus Sicht einer vernünftigen Partei den berechtigten Anschein der Unparteilichkeit (cc).

aa) Die Sachverständige hat mit ihren Ausführungen zur Höhe des Stundensatzes sowie zur Berechnung der Pflegekosten den Gutachtenauftrag erheblich überschritten.

Die Sachverständige war allein zur Begutachtung der Frage, ob für die Pflege der Klägerin eine 24-Stundenbetreuung notwendig sei, bestellt worden (Beschluss vom 7. November 2022, Bl. 179 d.A.). Diesem Auftrag entsprechend hat die Sachverständige zunächst den Pflege- und Hilfebedarf der Klägerin bewertet. Hierbei ist sie zu dem Ergebnis gekommen, dass eine 24-Stunden-Pflege und -Betreuung der Klägerin notwendig sei (S. 41 des Gutachtens). Die Frage des Beweisbeschlusses war hiermit beantwortet.

Insoweit die Sachverständige darüber hinaus Ausführungen zur Höhe des anzusetzenden Stundensatzes für die zu verrichtende Arbeit – insbesondere zum Pflegemindestlohn – macht, hat sie den Gutachtenauftrag erheblich überschritten. Die Beweisfrage bezog sich allein auf die Begutachtung des zeitlichen Pflegeumfangs und umfasste nicht die damit einhergehenden Kosten.

Unter Punkt 6 (S. 50) ihres Gutachtens hat die Sachverständige weiter den für die Bewertung der Hilfeleistungen ihrer Meinung nach anzuwendenden Maßstab dargelegt. Dazu hat sie ausgeführt:

„Üblicherweise wird zwischen hauswirtschaftlichen Verrichtungen einerseits und allgemeinen Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie reiner Rufbereitschaft andererseits unterschieden. Die Unterscheidung zwischen Hauswirtschafts- gegenüber Betreuungs- und Pflegeleistungen erscheint wenig zielführend (…), sodass nach diesseitiger Auffassung ausschließlich Pflege- und Betreuungszeiten bei der Klägerin anfallen“.

Unter Punkt 6.1.1 „Pflegemindestlohn“ (S. 51 des Gutachtens) folgt dann:

„Er erfüllt die Funktion einer Pflegehilfskraft, und für die Pflegehilfskräfte erscheint aus diesseitiger Sicht eine Vergütung auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Pflege sinnvoll und begründet.“

Es folgen Zitate des Bundeskabinetts in Bezug auf den Mindeststundenlohn in der Pflegebranche sowie eine tabellarische Übersicht der bundeseinheitlichen Mindestlohnentwicklung seit dem Jahr 2017. Unter Anlage A auf Seite 59 f. des Gutachtens legt die Sachverständige ferner eine konkrete und fallbezogene Berechnung vor, wobei sie den unter Punkt 6 beschriebenen Maßstab sowie den gesetzlichen Mindestlohn für Pflege- und Nichtpflegeberufe ansetzt.

Diese Ausführungen sind von der Beweisfrage nicht veranlasst gewesen. Ausweislich des Akteninhalts stand – jedenfalls bis zur Erstattung des Gutachtens – der Stundensatz für die Pflegekosten nicht im Streit. Daher bestand insoweit auch kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum der Sachverständigen.

bb) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht vor. Die Neutralitätspflicht des Sachverständigen gebietet es, dass seine Haltung gegenüber den Parteien und dem Gericht absolut objektiv ist und er die Beweisfragen unvoreingenommen beantwortet.

Das ist hier nicht gegeben. Die Sachverständige versetzt sich gewissermaßen in die Position der Klägerin als Anspruchstellerin, um ihr aufzuzeigen, welchen Wert ihre Ansprüche – und zwar über den bislang eingeklagten Betrag um 44.341,00 € hinausgehend (vgl. Bl. 84, 99 d.A. sowie S. 60 des Gutachtens) – haben sollten. Im Rechtsstreit war der Stundensatz für die von der Klägerin geltend gemachten Pflegekosten jedoch unstreitig. Gleichwohl hat die Sachverständige – ungefragt – den aus ihrer Sicht für richtig befundenen Weg der Bewertung des Pflegeaufwands sowie des Haushaltsführungsschadens aufgezeigt, indem sie den jeweils geltenden Stundenmindestlohn zu Grunde gelegt hat. Hierauf basierend hat sie konkrete Berechnungen des der Klägerin zustehenden Betrags vorgenommen.

Damit hat die Sachverständige einseitig zugunsten der Klägerin in den Rechtsstreit eingegriffen. Die Klägerin hat die Ansichten und Berechnungen der Sachverständigen im Rahmen ihres weiteren Prozessvortrags verwendet. Unter Bezug auf den Mindestlohn hat die Klägerin angekündigt, die Klage möglicherweise auch noch zu erhöhen; zeige die Gegenseite keine Vergleichsbereitschaft, werde die Sache „noch teurer“. Denn die Gutachterin habe erklärt, es sei in Anbetracht der kontinuierlich gestiegenen Mindestlöhne in der Pflege längst nicht mehr zeitgemäß, mit einem Stundensatz von 8 Euro fiktiv abzurechnen. Die Klägerin folge daher entsprechend der Berechnung im Gutachten (Schriftsatz vom 23. März 2023, Bl. 237 unten/237R d.A.).

cc) Auch in der Gesamtbetrachtung begründen die Ausführungen der Sachverständigen aus Sicht einer vernünftigen Partei den Anschein ihrer Unparteilichkeit. Die Sachverständige hat eigenmächtig den Beweisbeschluss auf bis dahin nicht aufgeworfene Fragen ausgedehnt, womit sie sich quasi in die Position des Gerichts begeben, und hierzu überdies einseitig die Klägerin begünstigende Ausführungen gemacht hat. Aus Sicht einer vernünftigen Partei besteht daher der Anschein, die Sachverständige wolle ungefragt den nach ihrer Sicht richtigen Weg zur Bemessung der fiktiven Pflege- und Haushaltsführungskosten aufzeigen und den Rechtsstreit im Sinn der Klägerin anspruchserhöhend beeinflussen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Klägerin ihre Anträge noch anpassen und die Klage tatsächlich erhöhen wird. Denn der Anschein der Parteilichkeit und die darauf gründende Besorgnis einer Befangenheit der Sachverständigen liegen ohnedies vor.

dd) Die Stellungnahme der Sachverständigen vom 7. Juli 2023 (Bl. 281 d.A.) kann diese Besorgnis nicht entkräften, sondern bestätigt und verfestigt sie. Insbesondere hat die Sachverständige den Gutachtenauftrag demnach nicht irrtümlich überschritten. Die Erklärung der Sachverständigen, der zuständige Richter habe sie telefonisch um eine Kostenschätzung gebeten, weshalb sie um eine Ergänzung des Beweisbeschlusses gebeten habe, die ihr auch zugesagt worden sei, ist – unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Behauptung – objektiv ungeeignet, die begründeten Besorgnisse der Beklagten zu zerstreuen. Denn auch in dem von der Sachverständigen behaupteten Fall hätte eine an den Parteien vorbeigehende, nicht aktenkundige Ausweitung des Gutachtenauftrags vorgelegen. Zudem konnte und durfte die Sachverständige die konkrete Beweisfrage – unterstellt, der Einzelrichter hätte hier eigenmächtig in einer Art Amtsermittlung Aufklärungsbedarf zum unstreitigen Stundensatz gesehen – nicht antizipieren. Die Sachverständige gibt selbst zu (Bl. 281 d.A.), eine „Ergänzung des Beweisbeschlusses vor der Erstattung des Gutachtens nicht explizit abgewartet zu haben“.

c) Die Ausführungen zum Umbau eines behindertengerechten Fahrzeugs für die Klägerin können hingegen keine Besorgnis der Befangenheit begründen. Zu Recht führt die Kammer hierzu aus, dass lediglich der häusliche Zustand in Bezug auf Pflegehilfsmittel beschrieben wird. Hierauf kommt es allerdings in Anbetracht der im Übrigen gegebenen Umstände nicht an.

3. Die erwähnte Erklärung der Sachverständigen vom 7. Juli 2023 (Bl. 281 d.A.), sie sei telefonisch durch den zuständigen Richter gebeten worden, neben den detaillierten Ausführungen zum Zeitaufwand zusätzlich eine Kostenschätzung bei der Abfassung des Gutachtens abzugeben, bedarf – nach Anhörung des damals zuständigen Einzelrichters zu diesen Behauptungen der Sachverständigen – der weiteren Klärung durch das Landgericht im Hinblick auf einen etwaigen und ggf. kompletten Entfall des Vergütungsanspruchs der Sachverständigen. Die Entscheidung über die Vergütung der Sachverständigen obliegt zunächst dem Landgericht. Dabei wird von Bedeutung sein, ob der damals zuständige Einzelrichter die Sachverständige evtl. durch irreführende Hinweise oder Anweisungen – wie die Sachverständige behauptet – zu den weiteren, vom Beweisbeschluss nicht abgedeckten Fragen verleitet hat.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die Beschwerde Erfolg hat, fällt keine Gebühr gem. Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses zum GKG an. Die Kosten einer erfolgreichen Ablehnung eines Sachverständigen sind im Übrigen solche der Hauptsache und von dem letztlich Unterliegenden zu tragen (OLG München, Beschluss vom 31. März 2014 – 10 W 32/14 -).

IV.

Den Beschwerdewert hat der Senat gemäß § 3 ZPO auf ein Drittel des Hauptsachestreitwerts nach dem zuletzt gestellten Antrag (Bl. 84, 99 d.A.) geschätzt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2003 – II ZB 32/03 -). Für die Prozessbevollmächtigten gehört das Ablehnungsverfahren zur Instanz, vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG, das Beschwerdeverfahren fällt unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Insoweit kann eine 0,5-fache Gebühr entstehen. Daher bedurfte es der Festsetzung des Beschwerdewerts.

V.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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