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Sachverständigenablehnung aufgrund der Überschreitung des Gutachtensauftrags

AG Obernburg . Az.: 2 F 441/18 – Beschluss vom 12.11.2018

1. Das Ablehnungsgesuch des Kindsvaters gegen die Sachverständige … wird für begründet erklärt.

2. Der Sachverständigen steht eine Vergütung nicht zu.

Gründe

I.

Der Kindsvater begehrt die Ablehnung der Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. Die Kindsmutter begehrt die Feststellung, dass der Sachverständigen ein Vergütungsanspruch nicht zusteht.

Das Amtsgericht Wittlich bestellte mit Beschluss vom 14.09.2017 … zur Sachverständigen und beauftragte diese mit der Erstattung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens.

Es sollte Beweis erhoben werden darüber, ob a) das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes …, geb. 26.06.2014 nachhaltig gefährdet ist, also ob bereits ein diesbezüglicher Schaden eingetreten ist oder zumindest eine diesbezügliche Gefahr gegenwärtig schon in einem solchen Maß besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, und b) bejahendenfalls, welche Maßnahmen geeignet und erforderlich sind, die Gefahr abzuwenden und ob die Eltern zum Ergreifen dieser Maßnahmen nicht gewillt oder nicht in der Lage sind.

Der Sachverständigen wurde aufgegeben, konkret darzulegen, aufgrund welcher aktuell noch vorliegenden Umstände von einer solchen Kindeswohlgefährdung auszugehen ist und die Folgen für das Kind bei einer Rückführung in den mütterlichen Haushalt und bei einem Verbleib im Haushalt des Kindsvaters mitzuteilen. Weiter wurde der Sachverständigen aufgegeben Maßnahmen darzulegen, die geeignet und erforderlich sind, die o.g. Gefahr abzuwenden. Zudem sollte die Sachverständige darlegen, ob und wie die Eltern in die Lage versetzt werden können, künftig die o.g. Gefahr abzuwenden.

Zur Beantwortung von Fragen hinsichtlich einer Umgangsregelung bzw. zur Entwicklung von Lösungen für die Umgangsregelung wurde die Sachverständige nicht beauftragt.

Der Umgang war zwischen den Beteiligten zuletzt vergleichsweise im Sinne eines begleiteten Umgangs geregelt worden. Das Amtsgericht Wittlich stellte mit Beschluss vom 21.08.2017 im hiesigen Verfahren fest, dass zwischen den Beteiligten folgender Vergleich zu Stande gekommen ist:

1. Die Kindsmutter hat das Recht und die Pflicht, alle zwei Wochen samstags für 6 Stunden begleiteten Umgang mit dem Kind …, geb. 26.06.2014, wahrzunehmen.

2. Der Umgang wird begleitet durch Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe ….

3. Beginn der Umgangskontakte ist September 2017. Den genauen Beginn der Umgangskontakte sowie die weiteren Termine sprechen die Kindseltern mit der Kinder- und Jugendhilfe … ab.

Mit Schriftsatz vom 08.12.2017 bat die Sachverständige das Gericht um Überlassung weiterer 2 Beiakten, nämlich zwei beim Amtsgericht Trier abgeschlossener Umgangsverfahren. Weiter teilte sie dem Gericht mit, dass nach Auskunft der Kindsmutter derzeit kein Umgang mit der Kindsmutter stattfinde, ihr zur Beurteilung u.a. des Erziehungsverhaltens der Mutter aber eine Interaktionsbeobachtung notwendig erscheine.

Die damalige Verfahrensbeiständin des Kindes, Dipl.-Psych. …, teilte mit Schriftsatz vom 20.12.2017 mit, dass die Sachverständige ihr telefonisch mitgeteilt habe, dass sie die Akten aus Trier noch nicht vollständig erhalten habe. Weiter habe diese angegeben, Frau … habe mitgeteilt, dass sie ihre Tochter so lange nicht gesehen habe, da die Kosten des begleiteten Umgangs nicht geklärt seien. Aus diesem Grund habe die Sachverständige der Mutter empfohlen mit dem Kindsvater Kontakt aufzunehmen, um … sehen zu können. Dies habe Frau … per SMS gemacht. Sie, die Verfahrensbeiständin, habe dem Kindsvater empfohlen sich an den Beschluss zu halten, der begleiteten Umgang festgelegt habe. Sie bitte den Einsatz der Gutachterin zu prüfen und stelle deren Neutralität in Frage.

Der Kindsvater trägt vor, er habe am 16.12.2017 eine SMS von der Kindsmutter mit folgendem Wortlaut erhalten: „Hallo …, wir wollen Weihnachten mit … feiern und Zeit verbringen. Wann können wir das an Weihnachten planen? Gruß“ Er habe daraufhin mit der Verfahrensbeiständin Rücksprache gehalten und die Kindsmutter in der Folge auf den vereinbarten begleiteten Umgang über die … verwiesen. Das Verhalten der Gutachterin erwecke bei ihm und auch bei einem objektiven Betrachter erhebliche Zweifel an deren Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit. Diese sei unter Ausdehnung ihres Auftrages und in Unkenntnis der kompletten Aktenlage sowie Missachtung der ihr bekannten Tatsache der Anordnung des begleiteten Umgangs offenkundig bereits im Vorfeld der tatsächlichen Begutachtung intervenierend mit dem Ziel der Durchführung eines Umgangs zwischen Kindsmutter und … und zwar in ungeschützter Form tätig geworden.

Der Kindsvater beantragt, die Sachverständige … wird wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Die Kindsmutter hat zunächst Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs beantragt.

Sie beantragt nunmehr, es wird festgestellt, dass die Gutachterin Gründe für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gesetzt hat. Der Gutachterin steht ein Vergütungsanspruch nicht zu.

Das Gericht hat die Sachverständige angehört. Diese hat erklärt, sie habe mit der Kindsmutter hinsichtlich der Durchführung einer Interaktionsbeobachtung im Rahmen der begleiteten Umgänge telefonisch Rücksprache gehalten. Die Kindsmutter habe in diesem Zusammenhang geäußert, dass es für sie sehr schwer sei, mit … in der Weihnachtszeit gar keinen Kontakt haben zu können, da Herr … von … ihr Termine frühestens für das Jahr 2018 in Aussicht gestellt habe. Sie habe daraufhin die Kindsmutter darauf hingewiesen, dass im Rahmen der gemeinsamen Sorge immer die Möglichkeit bestünde, den Kindsvater selbst nach Umgang zu fragen, und habe der Kindsmutter geraten, die Nachfrage möglichst offen so zu formulieren, ob er eine Möglichkeit sähe, dass sie … einmalig in der Weihnachtszeit sehen könne, z.B. in Begleitung ihrer Schwester oder in seiner Begleitung. Ein unbegleiteter Umgang sei nicht im Gespräch gewesen und eine Organisation des Umgangs durch sie ebenfalls nicht. Vielmehr habe sie lediglich von der Kindsmutter Informationen zum Stand der Dinge hinsichtlich des begleiteten Umgangs erhalten. Intervenierend sei sie nicht tätig geworden und habe auch nie einen Umgang selbst durchführen wollen.

II.

Das Ablehnungsgesuch des Kindsvaters vom 02.01.2018 ist zulässig.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 406 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 30 Abs. 1 FamFG. Zwar ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach Verkündung des Ernennungsbeschlusses zu stellen. Der Ablehnungsgrund, auf den sich der Kindsvater stützt, ist allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt zutage getreten. Er hat ihn sodann unverzüglich geltend gemacht.

Der Befangenheitsantrag ist begründet.

Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 30 Abs. 1 FamFG). Es kommt nicht darauf an, ob das Misstrauen des jeweiligen Beteiligten tatsächlich gerechtfertigt ist. Entscheidend ist allein, dass aus seiner Sicht – hier des Kindsvaters – ein sachlicher Anlass für ein Misstrauen gegenüber dem abgelehnten Sachverständigen besteht. Hierbei ist nicht auf eine möglicherweise lediglich subjektive Sichtweise des Beteiligten abzustellen, sondern auf die Perspektive des Ablehnenden „bei vernünftiger Betrachtung“ (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 15 W 14/06; Vollkommen in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rdn. 9).

Bei vernünftiger Betrachtung erscheinen die Bedenken des Kindsvaters vorliegend gerechtfertigt.

Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige den Gutachtensauftrag in einer Weise erledigt, die als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einem Beteiligten gedeutet werden kann. Dies kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Sachverständige Maßnahmen ergreift, welche von seinem Gutachtensauftrag nicht gedeckt sind, indem er etwa dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrnimmt (OLG Karlsruhe, Beschl. V. 18.12.2014 – 2 WF 239/14; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.03.2016 – 7 WF 15/16).

Die Sachverständige hat sich vorliegend über ihren allein auf sorgerechtliche Fragestellungen begrenzten Gutachtensauftrag hinweggesetzt und mit der Kindsmutter eine umgangsrechtliche Fragestellung erörtert, indem sie dieser mitteilte, sie könne hinsichtlich der Vereinbarung eines Weihnachtsumgangs auch direkt an den Kindsvater herantreten. Sie hat damit gleichsam, ohne Rückversicherung mit dem Gericht, die Veranlassung einer von der gerichtlich vereinbarten Umgangsgestaltung abweichenden Umgangsregelung durch die Kindsmutter befördert. Diese hat sich in der Folge des Gesprächs mit der Sachverständigen nämlich unmittelbar an den Kindsvater zur Vereinbarung eines Weihnachtsumgangs gewandt. Gerichtlich vereinbart und genehmigt war im Rahmen des Verfahrens wegen Kindswohlgefährdung indes lediglich ein begleiteter Umgang, im Rahmen dessen neben einer Begleitung der Umgangskontakte durch die Mitarbeiter der … auch eine Terminvereinbarung über die Mitarbeiter der … und eben nicht unmittelbar zwischen den Kindseltern vorgegeben war.

Bearbeitet ein Gutachter Fragen, welche nicht durch den Beweisbeschluss umfasst sind, so ist seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründet. Die Regelung des Umgangs obliegt allein dem Richter, ein Gutachter ist nicht berechtigt Umgänge zu gestalten (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.03.2016 – 7 WF 15/16).

III.

Der Sachverständigen steht eine Vergütung nicht zu.

Die Leistung der Sachverständigen ist nicht bestimmungsgemäß verwertbar, weil sie im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG).

Sie hat die Gründe für die Besorgnis seiner Befangenheit zumindest grob fahrlässig selbst gesetzt, denn für jeden Sachverständigen liegt es auf der Hand, dass er sich im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens auf die Beantwortung der Beweisfragen beschränken muss und keineswegs eigene rechtliche Bewertungen gegenüber den Beteiligten äußern und Aufgaben des Gerichts wahrnehmen darf (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.01.2010 – 5 W 1/10).

Der Gutachterin war aus dem Beweisbeschluss der Umfang ihres Gutachtensauftrags bekannt. Über diesen hat sie sich hinweggesetzt. Weiter war ihr durch das Aktenstudium bekannt, dass es sich vorliegend um ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung handelt, im Rahmen dessen lediglich ein über die … vermittelter und begleiteter Umgang der Kindsmutter mit dem Kind genehmigt war. Sie kannte aufgrund des Aktenstudiums auch die konfliktbelastete Elternbeziehung. Ihr musste daher klar sein, dass eine Erörterung des Umgangs mit der Kindsmutter ohne Einschaltung des Gerichts jedenfalls vom Kindsvater als Verstoß gegen ihre Unparteilichkeit angesehen werden wird.

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Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG erscheint eine gerichtliche Festsetzung der Vergütung angemessen.

 

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