BGH
Az: X ZR 142/08
Beschluss vom 27.09.2011
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2011 beschlossen:
Der Antrag der Beklagten zu 1, den Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. K. E. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Nach § 406 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Einen solchen Grund hat die Beklagte zu 1 (nachfolgend: die Beklagte) nicht dargelegt.
Sie stützt ihren Ablehnungsantrag im Wesentlichen darauf, dass sich der gerichtliche Sachverständige nicht hinreichend mit ihrem Vorbringen zur Auslegung eines Merkmals des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auseinandergesetzt habe. Sie habe dargelegt, dass das Patentgericht in seinem mit der Berufung angegriffenen Urteil zwar zutreffend ausgeführt habe, dass das Merkmal „Anschnitt“ dem Gießkanal gleichzusetzen sei, der unmittelbar in den Formhohlraum münde. Zu Unrecht habe das Patentgericht jedoch bei der Prüfung der Neuheit im Hinblick auf die deutsche Offenlegungsschrift 2 263 539 (K 9) angenommen, dass das Ende des Steigrohrs immer noch zum Anschnitt zu zählen sei. Demgegenüber habe sie, die Beklagte, in ihrem Berufungsvorbringen mehrfach erläutert, dass ein Bereich, der außerhalb der Gießform (Kokille) liege, vom Fachmann nicht als Anschnitt verstanden werde. Der Sachverständige habe dies entgegen der Anweisung des Bundesgerichtshofs, sich mit dem Vorbringen der Parteien auseinanderzusetzen, nicht berücksichtigt. Er habe das Merkmal bei dem Neuheitsvergleich mit dem Gebrauchsmuster 91 11 541 (K 6) und der K 9 und bei der erfinderischen Tätigkeit nicht geprüft und sei einseitig zugunsten der Klägerin vorgegangen.
Aus dem Vorbringen ergeben sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung keine Umstände, die aus Sicht der Beklagten Zweifel an der Unparteilichkeit des gerichtlichen Sachverständigen begründen können. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten unter dem Anschnitt den Bereich verstanden, in dem die Schmelze in den Formhohlraum eintritt (Gutachten, S. 6). Das entspricht nicht nur der von der Beklagten in der Berufungsbegründung als zutreffend angesehenen Definition des Patentgerichts, sondern ist von der Beklagten auch in der Begründung ihres hiesigen Ablehnungsantrags als richtig bezeichnet worden. Dass der gerichtliche Sachverständige seine Definition des Merkmals nicht weiter begründet hat, mag als Unzulänglichkeit des Gutachtens angesehen werden. Lücken und Unzulänglichkeiten rechtfertigen jedoch für sich allein nicht die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit, weil dessen Unparteilichkeit dadurch nicht in Frage gestellt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2002 – X ZR 178/01, FF 2003, Sonderheft 1, 101; BGH, Beschluss vom 15. März 2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, 1870).
Nichts anderes gilt für den Umstand, dass es der gerichtliche Sachverständige unterlassen hat, sich bei der Erörterung der Neuheit mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Entgegenhaltungen K 6 und K 9 die Anordnung eines Gießfilters im Anschnitt der Gießform offenbaren, und das Merkmal auch nicht bei der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit behandelt hat.
Im Übrigen wird die für den 8. Dezember 2011 anberaumte Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen nach § 411 Abs. 3 ZPO dem Gericht und den Parteien Gelegenheit geben, eventuelle Unvollständigkeiten des Gutachtens zu beseitigen.
Soweit die Beklagte auf bereits in ihrem Schriftsatz vom 29. Januar 2010 geäußerte Bedenken hinsichtlich der Neutralität des gerichtlichen Sachverständigen verweist, weil dieser vor seiner Lehrtätigkeit für die B. AG tätig gewesen sei, die Kundin der Klägerin sei, kann er sich darauf schon deshalb nicht mehr zulässigerweise berufen, weil der Ablehnungsantrag in dieser Hinsicht nicht innerhalb der Frist des § 406 Abs. 2 ZPO gestellt worden ist. Auch der weitere Vortrag, dass der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausführe, dass ihm die Filter der Klägerin gemäß den Anlagen K 18 und K 22 aus seiner früheren Tätigkeit in der Gießerei der B. AG bekannt gewesen seien, rechtfertigt eben so wenig Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen wie deren weiteres Vorbringen, dass sie den Verdacht habe, dass die …. die Filter für einen streitgegenständlichen Einsatz inzwischen von der Klägerin beziehe.