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Sachverständigenentschädigung trotz Unbrauchbarkeit der Beantwortung der Beweisfragen

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 W 27/11 – Beschluss vom 11.10.2011

Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 07.09.2011 – 6 O 560/05 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit dem Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Landgerichts Potsdam, durch den die Vergütung für ein von ihm erstattetes Gutachten sowie zwei Ergänzungsgutachten auf 0,- € festgesetzt und die Rückforderung der bereits vollständig angewiesenen Vergütung angeordnet worden ist, und zwar mit der Begründung, die gutachterlichen Äußerungen stellten sich „insgesamt als unbrauchbar dar“.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Sachverständige,

ihm die bereits angewiesenen 9.016,34 € als Vergütung für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachverständiger zu belassen.

Er macht geltend, die Voraussetzungen für einen Rückforderungsanspruch seien verkannt; es komme nicht auf die Brauchbarkeit oder inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens an. Darüber hinaus habe das Gericht seine Sachleitungsfunktion nur unzulänglich wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 890-897 d.A.) sowie auf das Beschwerdevorbringen (Bl. 905 i.V.m. Bl. 854 ff d.A.) Bezug genommen.

II.

Auf die – statthafte (§ 4 Abs. 3 JVEG) und auch ansonsten zulässige – Beschwerde war die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

1) Zwar hat das Landgericht auf S. 6 seines Beschlusses die Voraussetzungen, unter denen einem Sachverständigen ein Entschädigungsanspruch aberkannt werden kann (s. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 26.01.2011 – 2 Ws 19/11, Rn. 7 – zit. nach Juris), zutreffend benannt. Der Kammer ist ferner der in Übereinstimmung mit der von ihr insoweit in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Köln (OLG Köln, Beschluss vom 08.02.2010 – 17 W 20/10, Rn. 15 – zit. nach Juris) darin beizupflichten, dass auch eine – vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführte – Unverwertbarkeit eines Gutachtens aufgrund schwerwiegender inhaltlicher Mängel Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch entfalten kann. Der Senat folgt dem Landgericht ebenfalls uneingeschränkt in dessen Bewertung der Beantwortung der Beweisfragen zu Ziff. I D) und E) durch den Sachverständigen als unbrauchbar.

Der angefochtene Beschluss kann jedoch aus den folgenden Erwägungen keinen Bestand haben:

a) Die angefochtene Entscheidung lässt jede Differenzierung zwischen den drei Gutachten vermissen. Einer solchen hätte es aber bedurft, da die Bejahung der hier allein in Betracht kommenden Verschuldensform der groben Fahrlässigkeit nicht zuletzt davon abhängt, ob, wann und in welcher Weise das Gericht der ihm gemäß §§ 492 Abs. 1, 404 a ZPO obliegenden Sachleitungsfunktion nachgekommen ist.

Eine solche Prüfung drängte sich hier umso mehr auf, als die diesbezüglichen Angaben in Ziff. 2 des Anschreibens gemäß der Verfügung vom 08.01.2010 (Bl. 693 d.A.) nur ganz pauschal gehalten waren („Diese sind mit dem Gutachten vom 05.10.2009 nicht ausreichend beantwortet worden“). Wenn die Kammer einerseits durch Verfügung vom 08.10.2009 (Bl. 663 d.A.) ohne jede weitere anderweitige Veranlassung die Anweisung der Entschädigung für das Hauptgutachten in Gang setzte, war sie umso mehr gehalten, dem Gutachter konkrete Mitteilungen darüber zu machen, was im einzelnen zu beanstanden war und was in dem nunmehr beauftragten Ergänzungsgutachten anders – und besser – zu machen sei. Derartige konkrete Anweisungen sind in dem landgerichtlichen Verfahren jedoch erstmals durch das Schreiben gemäß der Verfügung vom 29.06.2010 (Bl. 751 d.A.) erfolgt, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem das Ergänzungsgutachten vom 17.03.2010 (Bl. 712 ff d.A.) bereits vorlag.

b) Darüber hinaus stützt das Landgericht seine Argumentation im Hinblick auf die von ihm angenommene inhaltliche Unbrauchbarkeit der Arbeit des Sachverständigen – auch – darauf, dass dieser in seinem Hauptgutachten Ausführungen zu den Beweisthemen gemäß Ziff. I A) bis C) gemacht habe, für die er gar nicht beauftragt gewesen sei.

Zwar trifft es zu, dass in dem Beweisbeschluss vom 03.09.2008 (Bl. 542 ff d.A.) die Feststellung dazu, ob bestimmte, im Einzelnen bezeichnete Mangelerscheinungen vorhanden waren, mit Hilfe von Zeugenaussagen getroffen werden sollten, während ein Sachverständigengutachten nur bezüglich der Beweisthemen zu Ziff. I D) und E) – Planungs- oder Ausführungsmangel/Mängelbeseitigungskosten – angeordnet worden war. Dem Landgericht kann gleichwohl in seiner Sichtweise nicht gefolgt werden. Es hat auch insoweit erforderliche Feststellungen und Prüfungen unterlassen.

Wenn in der angefochtenen Entscheidung auf S. 6 letzter Absatz von der Bewertung „der feststehenden Mängel“ die Rede ist, fragt sich, von welchen „feststehenden Mängeln“ der Sachverständige überhaupt hätte ausgehen sollen – der Beweisbeschluss spricht ausdrücklich ausschließlich von „Mangelerscheinungen“. In dem Anschreiben gemäß der Verfügung vom 29.06.2010, mit dem das Landgericht erstmals in ausreichend konkreter Weise seine Sachleitungsfunktion wahrgenommen hatte, wird zudem der Sachverständige sogar ausdrücklich aufgefordert, „für die im Beweisbeschluss vom 15.10.2008 unter A.-C. bezeichneten Mangelerscheinungen zu prüfen, ob es sich jeweils wirklich um einen Mangel handelt“. Erst im Anschluss hieran sollte er sich den weiteren Fragen zuwenden, wie aus der Formulierung „…und, wenn ja, ob dieser auf einem Planungs- bzw. Überwachungsfehler beruht“, hervorgeht. Auch die Formulierung im nachfolgenden Abschnitt „Soweit es Ihnen nicht möglich ist festzustellen, ob ein Mangel gegeben ist …bzw. auf welche Ursache dieser zurückzuführen ist“, zeigt auf, dass das Landgericht jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt davon ausging, dass Ausführungen zur Verantwortlichkeitsthematik ohne vorherige Äußerungen – des Sachverständigen – zu Ziff. I A) bis C) nicht möglich sein würden.

Darüber hinaus hatte gerade der Beklagtenvertreter im Zusammenhang mit seinen Ergänzungsfragen, die durch die Kammer sämtlich, ohne Ausnahme, dem Gutachter – zur Beantwortung im Rahmen des unter dem 08.01.2010 beauftragten ersten Ergänzungsgutachtens – vorgelegt worden sind, gerade mehrfach beanstandet, der Sachverständige sei ohne eigene Prüfung von den Mängelfeststellungen des Privatgutachtens H… ausgegangen (so z.B. auf S. 8 des Schriftsatzes der Beklagtenvertreter vom 10.12.2009 = Bl. 684 d.A.) bzw. es wurde schriftsätzlich ausdrücklich gebeten, den Sachverständigen bestimmte Feststellungen treffen zu lassen (so etwa auf S. 11 des vorbezeichneten Schriftsatzes = Bl. 687 d.A. – „Konnten durch den Sachverständigen im Kellergeschoß des Hauses …. im gesamten Kellerbereich Risse … festgestellt werden? Konnten in dem Außenwandbereich …. Feuchtigkeitsschäden festgestellt werden?“).

2) Das Fehlen der aufgezeigten Prüfungsschritte ist nicht nur für die Frage von Bedeutung, ob und im Hinblick auf welches der Gutachten überhaupt von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden kann, sondern auch dafür, ob es tatsächlich, wie die Kammer meint (S. 7, dritter Absatz der angefochtenen Entscheidung = Bl. 896 d.A.) ausgeschlossen ist, dass der neu zu bestellende (und inzwischen auch bestellte) Sachverständige auch nur Teile der Gutachten des Sachverständigen W… verwenden kann, so dass auch eine teilweise Vergütung der bereits erbrachten Tätigkeit hier nicht in Betracht kommt.

Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat, selbst angesichts des im Beschwerdeverfahren besonders gewichtigen Aspektes der Beschleunigung des Verfahrens (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 572, Rn. 27), angemessen, von der durch § 572 Abs. 3 ZPO eröffneten Möglichkeit einer Zurückverweisung Gebrauch zu machen.

Bei der erneuten Prüfung wird sich die Kammer auch damit zu beschäftigen haben, ob, wann und in welchem Umfang dem Sachverständigen die erforderlichen Unterlagen vorgelegen haben.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

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