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Sachverständigenhaftung – Nichtaufnahme gewonnener Erkenntnisse in Gutachten

OLG Nürnberg – Az.: 13 U 56/19 – Urteil vom 28.05.2020

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2018, Az. 12 O 8560/17, abgeändert:

a) Die Klage ist dem Grunde nach für gerechtfertigt, soweit die Kläger auf Leistung (Zahlung) klagen.

b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche über den Leistungsantrag hinausgehenden künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Dienstleistungsvertrag vom 15.10.2013 herrühren.

2. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 101.881,42 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung des Beklagten bei der Ausführung eines Beratungsauftrags zur sachverständigen Beurteilung von Wert und Renovierungsaufwand einer zu erwerbenden Bestandsimmobilie.

Die Kläger überlegten im Oktober 2013, ein mit einem älteren Wohnhaus bebautes Grundstück in W… zu erwerben, das für 69.000 € angeboten wurde. Nach ihrer eigenen Einschätzung war das Wohnhaus renovierungsbedürftig. Daher beauftragte die Klägerin mit einem „Dienstleistungsvertrag“ vom 15.10.2013 den Beklagten, einen Bauingenieur. Der Beklagte sollte danach die Immobilie eingehend besichtigen, deren Wert unter Berücksichtigung der augenscheinlich erkennbaren Baumängel prüfen und eine Beurteilung abgeben. Die Beurteilung konnte mündlich erfolgen oder im Rahmen eines Protokolls der Ortsbesichtigung. Für seine Leistungen sollte der Beklagte ein Grundhonorar von 350 € erhalten. Für den Fall, dass die Kläger das Grundstück erwerben, war ihm eine weitere Vergütung in Höhe von 30 % der Differenz zwischen dem Angebotspreis und dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis versprochen.

Am 16.10.2013 führten die Klägerin und der Beklagte mit dem Eigentümer eine Begehung des anvisierten Grundstücks durch und besichtigten das Wohnhaus. Der Inhalt der dabei geführten Gespräche ist zwischen den Parteien streitig. Am 27.10.2013 legte der Beklagte ein schriftliches Begehungsprotokoll vor. Darin heißt es abschließend: „Die Immobilie bedarf einer Sanierung. Sie weist keine gravierenden Mängel auf, die auf weitere Mängel schließen lassen. Die hier angebotene Immobilie erfordert Instandsetzungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen … geschätzt … 86.500 €. … Ich halte einen Verkaufspreis für das angebotene Anwesen von ca. 55.000 € für angemessen.“

Mit notariellem Kaufvertrag vom 13.11.2013 erwarben die Kläger das besichtigte Grundstück für 67.000 €. Die Kläger begannen sodann mit der Durchführung von Renovierungsarbeiten in Eigenregie. Im Jahr 2016 beauftragten sie eine Architektin, J…, mit Beratungsleistungen zum weiteren Ausbau des erworbenen Anwesens. Diese kam nach einer Besichtigung des Hauses zu dem Ergebnis, dass wegen der Mängel mit Sanierungskosten von geschätzt 254.200 € zu rechnen sei.

Die Kläger behaupten, der Beklagte habe sie über den Zustand des Hauses nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Das Haus sei deutlich früher als im vom Beklagten übernommenen Baujahr 1954 erbaut worden. Es habe vor dem Verkauf zwei Jahre leer gestanden und das Grundstück sei im gegenwärtigen Zustand nichts wert. Das Haus habe die einzelnen, später festgestellten Mängel bereits im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Beklagten aufgewiesen und die Mängel seien für einen Fachmann auch erkennbar gewesen. Die Kläger hätten in Kenntnis der Mängel das Anwesen nicht erworben.

Die Kläger meinen, der ihnen bisher entstandene Aufwand begründe einen Schaden von insgesamt 114.851,78 €. Diesen habe ihnen der Beklagte zu ersetzen.

Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt zu erkennen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 114.851,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche, den Betrag gemäß Klageantrag Ziff. 1 übersteigende materielle Schäden, die aus dem Beratungsvertrag zwischen den Parteien herrühren und künftig entstehen, zu erstatten.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, das wahre Alter des Hauses sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Die klägerseits behaupteten schwerwiegenden Mängel lägen nicht vor. Das Haus sei bis kurz vor der Besichtigung bewohnt gewesen. Der Beklagte habe die Klägerin umfassend mündlich über seine Einschätzung des Zustands des Hauses und über den tatsächlichen Umfang des Sanierungsbedarfs informiert. Die klägerseits behaupteten Sanierungskosten seien unzutreffend. Im Übrigen beruft sich der Beklagte auf Verjährung.

Zu den weiteren erstinstanzlichen Feststellungen und zum erstinstanzlichen Parteivortrag wird auf das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2018 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit am 26.11.2018 verkündeter Entscheidung, welche es mit Grundurteil überschrieben hat, die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es zusammengefasst ausgeführt: Das Grundurteil sei zulässig. Die Klage sei im Umfang des hälftigen Schadenersatzes gerechtfertigt. Der Beklagte sei aufgrund des Dienstleistungsvertrages verpflichtet gewesen, über die von ihm bekannten Umstände wahrheitsgemäß zu informieren. Auf der Grundlage der Parteianhörung sei das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte diese Pflicht verletzt habe. Das schriftliche Begehungsprotokoll vom 27.10.2013 sei nach eigener Mitteilung des Beklagten objektiv und subjektiv unzutreffend gewesen. Tatsächlich habe der Beklagte deutlich massivere als die im Begehungsprotokoll mitgeteilten Mängel wahrgenommen. Für seine Behauptung, er habe die Klägerin mündlich über diese weiteren Mängel aufgeklärt, sei der Beklagte den Beweis schuldig geblieben. Die Pflichtverletzung des Beklagten sei kausal für die Kaufentscheidung der Kläger gewesen. Insoweit folge das Landgericht den nachvollziehbaren und plausiblen Angaben der Klägerin. Die Kläger müssen sich aber bei ihrem Schadensersatzanspruch ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen. Es hätte ihnen aufgrund eigener Erkenntnismöglichkeiten auffallen müssen, dass die schriftliche Ausarbeitung des Beklagten nicht richtig sei. So sei der Klägerin bei der Begehung selbst aufgefallen, dass es furchtbar nach Moder gerochen habe, dass das Anwesen in schlechtem Zustand gewesen sei, dass es dort faulendes Holz und brüchiges Gestein gegeben habe. Auch habe die Klägerin angegeben, sie habe durch die Giebelwand hindurch Helligkeit durchschimmern sehen. All diese Punkte finden sich in der schriftlichen Ausarbeitung nicht. Insofern hätten die Kläger die Ausführungen im Begehungsprotokoll hinterfragen müssen. Verjährung sei nicht eingetreten. Zu den Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Sowohl die Kläger als auch der Beklagte wenden sich mit der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts.

Sachverständigenhaftung - Nichtaufnahme gewonnener Erkenntnisse in Gutachten
(Symbolfoto: Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Die Kläger verfolgen ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Sie sind der Auffassung, die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens durch das Landgericht sei zu Unrecht erfolgt. Den Klägern sei bewusst gewesen, dass das Wohnhaus auf dem zu erwerbenden Grundstück renovierungsbedürftig sei und sich in schlechtem Zustand befinde. Sie hätten gerade wegen ihrer beengten finanziellen Möglichkeiten ein renovierungsbedürftiges Haus gesucht, jedoch eines, dessen Renovierungsaufwand sie tragen können. Die Wahrnehmung von Modergeruch durch die Klägerin sei für sie mit der Erklärung des Verkäufers, es sei dort länger nicht mehr gelüftet worden, nachvollziehbar erklärt worden. Ebenso habe sie den Riss in der Giebelwand erkannt, diesen jedoch als statisch unbedenklichen Setzungsriss eingestuft. Aus der bei den Klägern vorhandenen Erkenntnis, dass Haus sei renovierungsbedürftig, folge nicht, dass sie den Umfang des Renovierungsaufwands haben abschätzen können. Um diesen zu klären, hätten sie gerade den Beklagten beauftragt.

Die Kläger beantragen in der Berufungsinstanz, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattzugeben.

Der Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte hält die Klage des Klägers schon deshalb unbegründet, weil dieser in keinem Vertragsverhältnis zum Beklagten stehe. Der Dienstleistungsvertrag sei ausschließlich mit der Klägerin geschlossen worden. Das Erstgericht habe keine Feststellung dazu getroffen, ob der vermeintliche Wasserschaden Einfluss auf die Höhe der vom Beklagten mit 86.500 € angesetzten Instandsetzungsarbeiten habe. Die Kläger hätten von Anfang an Arbeiten in eigener Regie ausführen wollen. Die von dem Beklagten kalkulierten Instandsetzungsarbeiten hätten sich allein auf die Positionen bezogen, die durch Fachfirmen auszuführen gewesen sein. Der Beklagte habe auch erstinstanzlich bestritten, dass für die Bewohnbarmachung des Anwesens ein Aufwand von 254.200 € erforderlich sei, zumal das Anwesen vor dem Verkauf bewohnt gewesen sei. Unzutreffend habe das Landgericht angenommen, die Kläger hätten bei Kenntnis des wahren Sachverhalts das Anwesen nicht erworben. Tatsächlich hielten sie an dem Objekt fest. Sie seien nicht vom Kauf zurückgetreten. Für das Behalten-Wollen spreche auch, dass sie einen höheren Preis als den vom Beklagten geschätzten gezahlt hätten und dass das Objekt insgesamt ihren Bedürfnissen entspreche. Der Beklagte habe vorgetragen, dass das feuchte Kellergewölbe keinen Einfluss auf die Bewohnbarkeit des Hauses habe, was die Klägerseite auch nicht bestritten habe. Zudem gehe die Schadenskalkulation davon aus, dass alle Arbeiten von Fachhandwerkern ausgeführt würden und Eigenleistungen nicht anfielen. Die Klage sei auch deshalb unschlüssig, weil unklar sei, was die Kläger damit meinen, das Haus sei in einen „bewohnbaren“ Zustand zu versetzen. Wenn den Klägern ein Mitverschulden zur Last falle, dann bedeute das auch, dass ihnen bereits 2013 die Umstände bekannt gewesen seien oder hätten bekannt sein müssen, die auch den Beginn der Verjährung begründen. Damit seien etwaige Ansprüche verjährt.

Zu den Einzelheiten des Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die bei dem Oberlandesgericht bis zum 07.05.2020 eingereichten Schriftsätze der Kläger und des Beklagten verwiesen.

Der Senat hat mit Zustimmung der Parteien am 08.04.2020 beschlossen, im schriftlichen Weg zu entscheiden, wobei als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, der 07.05.2020 bestimmt wurde. Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

II.

Das Landgericht hat in zulässiger Weise durch Grundurteil entschieden, wobei es sich – abweichend von der vom Landgericht gewählten Bezeichnung – um ein Grund- und Teilendurteil handelte. Der Beklagte haftet für die fehlerhafte sachverständige Beratung dem Grunde nach in vollem Umfang, ohne dass dieser Anspruch durch ein Mitverschulden der Kläger gekürzt wird. Die zulässige Berufung des Beklagten ist daher unbegründet, die zulässige Berufung der Kläger hingegen begründet.

1. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 10.03.2005 – VII ZR 220/03, juris Rn. 15). Hinsichtlich eines Gesamtanspruchs, der sich – wie hier – aus mehreren Einzelpositionen zusammensetzt, kann ein Grundurteil ergehen, wenn der geltend gemachte Gesamtanspruch auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht und das Gericht diesen festgestellt hat (BGH, Urteil vom 09.11.2006 – VII ZR 151/05, juris Rn. 13).

Vorliegend hat das Landgericht alle Fragen zum Haftungsgrund und auch zum etwaigen Mitverschulden der Kläger als Element des Grundes (Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 304 Rn. 17) abschließend beantwortet.

Ein umfassendes Grundurteil kann aber nicht ergehen, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz – wie hier – zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadens verbunden hat. Dies folgt daraus, dass über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden kann (BGH, Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06, juris Rn. 10). Entscheidet ein Gericht in dieser Konstellation nicht zugleich durch (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag, handelt es sich insofern nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilendurteil. Dieses ist als Teilendurteil dann unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist (BGH, aaO). Vorliegend hat das Landgericht jedoch zugleich abschließend – durch ein durch (Teil-)Endurteil – über das Feststellungsbegehren entschieden, auch wenn das aus der gewählten Urteilsbezeichnung nicht ersichtlich ist. Das folgt jedoch aus der Auslegung des angegriffenen Urteils. Gemäß der Ziff. 1 seines Tenors hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Das schließt eine Entscheidung über das Feststellungsbegehren nicht aus; es ist in der getroffenen Formulierung keine Beschränkung allein auf den Leistungsantrag enthalten. In den Urteilsgründen (S. 7), die zur Auslegung des Tenors herangezogen werden können (BGH, Urteil vom 22.07.2009 – XII ZR 77/06, juris Rn. 11), spricht das Landgericht davon, dass auch über den Feststellungsantrag ein Grundurteil ergehe; das ist zwar, wie ausgeführt, rechtstechnisch unzutreffend, lässt aber den Willen des Gerichts erkennen, den Feststellungsantrag zu verbescheiden. Der Streit über den Grund des Anspruchs sei, so das Landgericht weiter, vollständig und im bejahenden Sinne entscheidungsreif. Das spricht dafür, dass auch über den Feststellungsantrag – und im Hinblick auf diesen: abschließend – entschieden worden ist. Dafür spricht auch, dass der Erstrichter am Ende des angegriffenen Urteils (S. 12 unter C) allein noch von der ausstehenden Entscheidung über die Höhe des klägerischen Anspruchs spricht, nicht mehr jedoch von dem Feststellungsbegehren, das aus der Sicht des Landgerichts erledigt ist. Die Gefahr widerstreitender Entscheidungen besteht nach alldem nicht.

Der Senat hat den vorstehenden Befund demgemäß durch die Bezeichnung seiner Entscheidung als Grund- und Teilendurteil sowie die ausdrückliche Tenorierung der Feststellung umgesetzt und klargestellt.

Nur am Rande sei angemerkt, dass der Senat, wenn das Landgericht über den Feststellungsantrag nicht mitentschieden hätte, den Rechtsstreit insoweit an sich gezogen hätte und dann mit der nun getroffenen Tenorierung jedenfalls über den Feststellungsantrag mitentschieden hätte.

2. Die Haftung des Beklagten auf Schadenersatz dem Grunde nach ist gegeben, wie das Landgericht, auf dessen Ausführungen der Senat zunächst Bezug nimmt, zutreffend erkannt hat.

a) Beide Kläger sind hinsichtlich des vertraglichen Schadenersatzanspruchs aktivlegitimiert.

Bei der Klägerin, die im Dienstleistungsvertrag ausdrücklich als Auftraggeberin genannt wird, ist dies zwischen den Parteien unstrittig. Hinsichtlich des Klägers war die Stellung als Vertragspartner und damit seine Anspruchsberechtigung erstinstanzlich ebenfalls unstrittig. Im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Urteils (S. 2, Abs. 2 des Tatbestandes) wird insoweit bindend (§ 314 Satz 1 ZPO) festgestellt, dass „sie“, d. h. beide Kläger, mit dem Beklagten den Beratungsvertrag vereinbarten.

Der Beklagtenvortrag in der Berufungsbegründung vom 05.03.2019 (S. 2), wonach der Kläger nicht Vertragspartner geworden sei, stellte sich danach als neuer Sachvortrag in der Berufungsinstanz dar. Dieser war aber zuzulassen, weil er in der Berufung unstreitig geblieben ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 531 Rn. 20). Die Kläger haben im Schriftsatz vom 03.04.2019 (S. 1) nämlich als zutreffend eingeräumt, dass der Kläger nicht im schriftlichen Vertrag als Auftraggeber ausgewiesen sei, und dass die Auftragsvergabe als solche allein durch die Klägerin erfolgt sei. Allerdings, so die Kläger weiter, ergäben sich die Ansprüche des Klägers aus dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

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Die Voraussetzungen hierfür (dazu allgemein Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 328 Rn. 15 ff.; speziell im Hinblick auf Sachverständige: Roeßner in Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 5. Aufl., § 33 Rn. 41 ff.) liegen in Bezug auf den Kläger vor. Die Klägerin wollte ein Haus für ihre Familie erwerben, wobei der Beklagte beraten sollte. Auch wenn der Beklagte den Kläger als den Ehemann der Klägerin nicht persönlich getroffen hat, war für ihn erkennbar, dass nicht nur die Klägerin mit seiner Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt, sondern auch ihre Familie, d. h. zumindest auch der Ehemann, und dass er in gleicher Weise wie sie schutzbedürftig ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1994 – VII ZR 73/93, juris Rn. 12). Der Kläger kam demnach mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung und es bestand aufgrund der Ehe zwischen den Klägern und dem beabsichtigten gemeinsamen Hauskauf ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten. Den Interessen des Schuldners wird durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung auf einen weiteren Gläubiger Rechnung getragen. Die Zumutbarkeit ergibt sich vor allem auch daraus, dass der Beklagte hinsichtlich der Höhe der Inanspruchnahme nicht schlechter gestellt wird als wenn er die Klägerin allein im Hinblick auf einen von ihr allein vorzunehmenden Hauskauf beraten hätte. Die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich führt also in wirtschaftlicher Hinsicht zu keiner umfangreicheren Haftung. Der Kläger ist als Miterwerber des Familienheims auch schutzbedürftig.

b) Bei dem geschlossenen Vertrag handelt es sich im Kern um einen Werkvertrag.

Entgegen seiner Bezeichnung als „Dienstleistungsvertrag“ begründet der zwischen der Klägerin und dem Beklagten abgeschlossene Vertrag in seinen für den Rechtsstreit maßgeblichen Teilen werkvertragliche Pflichten. Geschuldet wird nicht nur eine Bemühung des Beklagten durch Unterstützung der Klägerin (Nr. II.2 des Vertrags), sondern eine Prüfung und – das ist das zentrale Erfolgselement – eine Mangelfeststellung und -bewertung nach Sichtprüfung (Nr. II.1, III.2 des Vertrags). Der Beklagte hatte das Ergebnis seiner Untersuchung – seine Beurteilung – der Klägerin mündlich oder schriftlich im Rahmen eines Protokolls der Ortsbesichtigung mitzuteilen (Nr. II.1 Satz 2 des Vertrags). Damit entspricht der Vertrag in den vorgenannten, hier streitgegenständlichen Leistungsanforderungen einem Begutachtungsauftrag, der regelmäßig als Werkvertrag zu qualifizieren ist (Roeßner in Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 5. Aufl., § 33 Rn. 5; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., Einf. v. § 631 Rn. 27).

c) Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Vertrag verletzt (§ 280 Abs. 1 BGB), indem er pflichtwidrig ein unvollständiges und damit unzutreffendes Begehungsprotokoll erstellt hat.

aa) Die Pflicht, eine sachverständige Beurteilung oder Stellungnahme abzugeben, ist ordnungsgemäß erfüllt, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – der Sachverständige die Aufgabenstellung erschöpfend abarbeitet und eine fachlich zutreffende Beurteilung abgibt (Roeßner in Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 5. Aufl., § 9 Rn. 70). Der Vertrag der Parteien weicht von diesem Grundsatz nicht ab, schränkt allerdings die geforderte Prüfungstiefe des Sachverständigen insoweit ein, als dieser lediglich die augenscheinlich erkennbaren Baumängel zu bewerten hatte (Nr. II.1 des Vertrags) und weitergehende Untersuchungen, für die etwa Bauteilöffnungen erforderlich werden könnten, nur nach gesonderter weiterer Beauftragung – die hier nicht erfolgt ist – vorzunehmen hatte (Nr. III.2 des Vertrages). Der Beklagte schuldete mithin eine vollständige und fehlerfreie Begutachtung, soweit sie auf der Grundlage von Augenschein möglich war (vgl. auch OLG München, Urteil vom 04.10.2017 – 3 U 4833/15, juris Rn. 27). Diese Anforderungen hat der Beklagte pflichtwidrig unterschritten.

bb) Wie das Landgericht zutreffend auf S. 9 des angegriffenen Urteils ausgeführt hat, und worauf der Senat Bezug nimmt, war das vom Beklagten vorgelegte Begehungsprotokoll vom 27.10.2013 unvollständig, weil es nicht alle vom Beklagten festgestellten Mängel auswies und den Sanierungsaufwand mit lediglich rund zwei Fünfteln der von ihm tatsächlich für erforderlich gehaltenen Kosten bezifferte.

Dies ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beklagten in den mündlichen Verhandlungen vom 11.04.2018 und vom 29.10.2018. So hat er laut Protokoll vom 29.10.2018 (S. 2) ausgeführt: „Hätte ich die Aufwendungen so angegeben in meinen schriftlichen Ausführungen, wie ich sie festgestellt habe, dann wären diese viermal so hoch gewesen wie der Kaufpreis, den ich vorgeschlagen hatte“. Das bedeutet, dass der Beklagte die Aufwendungen mit 220.000 € schätzte, ausgehend von einem von ihm vorgeschlagenen Kaufpreis von 55.000 €. Die im Begehungsprotokoll angegebenen Sanierungskosten beliefen sich dagegen auf lediglich geschätzte 86.500 €. Weiter hat der Beklagte bestätigt: „Ich habe das [erg.: die weiteren Schadensfeststellungen] nicht ins Protokoll geschrieben“ (Protokoll vom 11.04.2018, S. 2).

Der Beklagte führte weiter aus, er hätte den Kaufvertrag über die streitgegenständliche Immobilie nicht abgeschlossen. Nach seiner Auffassung habe die Information über den tatsächliche Sanierungsaufwand in dem Protokoll nichts verloren. Er habe die Probleme mit der Feuchtigkeit im Keller thematisiert und der Klägerin erklärt, die Wände seien vor einer Woche frisch gestrichen worden. Damit habe der Verkäufer einen massiven Wasserschaden zu vertuschen versucht. Es habe sich um eindringende Feuchtigkeit von außen gehandelt. Mit den insoweit unstreitigen informatorischen Erklärungen des Beklagten kommt es für die Frage nach der Haftung dem Grunde nach nicht auf den Streit darüber an, ob weitergehende Mängel vorhanden und ob diese Mängel bei einer augenscheinlichen Kontrolle für den Fachmann erkennbar waren. So hat der Beklagte im Übrigen selbst vortragen lassen (Berufungsbegründung vom 05.03.2019, S. 3).

Entgegen der Auffassung des Beklagten wird die Pflichtverletzung nicht dadurch infrage gestellt, dass die Kläger nach eigener Angabe beabsichtigt hatten, die Sanierung in weiten Teilen in Eigenregie durchzuführen. Aus dem Dienstleistungsvertrag ergab sich keine Beschränkung des Auftrags dahin, dass nur diejenigen Mängel benannt und bewertet werden sollten, die durch Drittfirmen beseitigt werden könnten. Es findet sich auch kein Parteivortrag dazu, wo die Kläger die Grenze zwischen Eigen- und Fremdleistungen ziehen wollten und dass sie den Beklagten hierüber unterrichtet hätten. Damit verblieb es bei der vertraglichen Pflicht des Beklagten, den anstehenden Gesamtsanierungsaufwand abzuschätzen, soweit er aufgrund augenscheinlicher Prüfung feststellbar war. Hätte der Beklagte im Übrigen tatsächlich nur die Fremdkosten schätzen sollen, wie er schriftsätzlich vorbringen lässt, wäre der gesamte Sanierungsaufwand noch höher als vom Beklagten in den informatorischen Anhörungen angegeben, denn dann müsste man die Eigenkosten auf die Fremdkosten noch aufschlagen.

Der Beklagte rechtfertigte die Vorlage eines unzutreffenden Begehungsprotokolls damit, dass er den wahren Umfang seiner Feststellungen der Klägerin mündlich mitgeteilt hätte. Dies habe er getan, da er zusammen mit der Klägerin extra vereinbart habe, die Kosten für die vorzunehmende Sanierung nicht zu hoch anzusetzen (Protokoll vom 11.04.2018, S. 3). Er habe mit der Klägerin darüber gesprochen, dass es angesichts der für sie erforderlichen Finanzierung nicht gut sei, alles in das Gutachten reinzuschreiben, denn dann würde sie von keiner Bank Geld bekommen (Protokoll vom 29.10.2018, S. 2). Die Klägerin hat diese Aussagen jeweils bestritten und ausgeführt, sie habe dem Beklagten zwar gesagt, ihre finanziellen Verhältnisse seien beschränkt und sie müsse noch einen Kredit aufnehmen, wozu es aber später nicht gekommen sei. Eine Vereinbarung, wie vom Beklagten behauptet, dass er die Kosten niedriger ansetzen solle, habe es nicht gegeben. Die Klägerin habe selbst wissen wollen, ob sie und ihr Ehemann die finanzielle Belastung durch die Sanierung stemmen können. Auch habe der Beklagte, so die Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung weiter, sie keineswegs mündlich über die von ihm wahrgenommenen Mängel unterrichtet. Er habe sie nicht über das durch den frischen Anstrich verdeckte Feuchtigkeitsproblem im Kellergewölbe unterrichtet. Der Riss im Dachgiebel sei von ihm nicht thematisiert worden. Es sei lediglich darüber gesprochen worden, dass die Wärmedämmung überall, nur nicht an der Westseite des Hauses, angebracht werden müsse. Weiterhin habe er ihr nicht mitgeteilt, dass die von ihm angenommenen Sanierungsaufwendungen viermal so hoch anzusetzen seien wie der von ihm vorgeschlagene Kaufpreis. Schließlich ließ die Klägerin schriftsätzlich vortragen, der Beklagte habe nicht vom Kauf des Hauses abgeraten (Schriftsatz vom 26.03.2018, S. 4).

cc) Nach allgemeinen Grundsätzen muss diejenige, der eine Pflichtverletzung seines Vertragspartners behauptet, deren Voraussetzungen beweisen (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 281 Rn. 53). Vorliegend erfährt dieser Grundsatz aufgrund der geschilderten Vorgänge jedoch eine Modifikation. Der Beklagte beruft sich nämlich darauf, mit der Klägerin eine Abweichung – im Sinne einer Unterschreitung der vereinbarten Standards – vom ursprünglichen Vertragssoll vereinbart zu haben. Das von ihm vorgelegte Begehungsprotokoll sollte nach der Darstellung des Beklagten letztlich zur Täuschung der Banken den Zustand des Hauses besser und die erforderlichen Sanierungskosten niedriger erscheinen lassen, als sie tatsächlich waren. Für diese abweichende Festlegung des Vertragssolls und damit auch für die daran zu messende Mangelfreiheit des vorgelegten Werks, die bei Anlegung des ursprünglichen Maßstabs gerade nicht mehr gegeben war, ist der Beklagte beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2011 – VII ZR 87/11, juris Rn. 14). Zu gleichem Ergebnis führt in diesem Zusammenhang die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der ursprünglichen Vertragsurkunde, die das ursprüngliche Vertragssoll beschrieb. Diese Vermutung folgt aus dem Erfahrungssatz, dass das, was die Vertragsparteien in der Urkunde aufgenommen haben, ihre Abreden richtig und vollständig widerspiegelt (Laumen, MDR 2015, 1, 3), weshalb sie allerdings – anders als das Landgericht angenommen hat – auf das vom Beklagten einseitig erstellte Begehungsprotokoll keine Anwendung findet. Die Vermutung bewirkt, dass die Beweislast für außerhalb der Urkunde liegende Umstände die Partei trifft, die sich auf sie beruft (BGH, Urteil vom 05.02.1999 – V ZR 353/97, juris Rn. 8).

Der Beklagte hat, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, den ihm obliegenden Beweis nicht geführt. Damit steht zugleich auf der Grundlage seiner eigenen Aussage fest, dass der Beklagte dem ursprünglichen und weiterhin gültigen Leistungssoll, ein vollständiges und richtiges Gutachten zu erstatten, mit dem Begehungsprotokoll nicht genügt hat. In dieser Situation muss nicht die Klägerin nachweisen, dass sie vom Beklagten nicht über den wahren Zustand der Immobilie und die wahren Sanierungskosten abweichend von und entgegen dem Begehungsprotokoll mündlich unterrichtet worden ist, sondern der Beklagte muss beweisen, dass er die mündliche Aufklärung ordnungsgemäß erbracht hat, obwohl er bewusst ein fehlerhaftes schriftliches Gutachten erstattet hat.

d) Das nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutete Verschulden hat der Beklagte im Übrigen selbst eingeräumt.

e) Die Pflichtverletzung des Beklagten war ursächlich für den Abschluss des Kaufvertrages über die begutachtete Immobilie durch die Kläger. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts auf S. 10 (unter 4) des angegriffenen Urteils Bezug, das sich seine dahingehende Überzeugung nach der Anhörung der Parteien gebildet hat.

Der Beklagte hält die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht für überzeugend. Richtig sei vielmehr, dass die Kläger an dem erworbenen Haus festhalten wollen. Sie hätten zu keiner Zeit versucht, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Sie hätten weiterhin einen Kaufpreis bezahlt, der über dem vom Beklagten geschätzten Wert lag.

Da die Berufung in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient, ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden; eine erneute Tatsachenfeststellung ist nur als Ausnahme vorgesehen, soweit die erste Instanz die Feststellungen nicht vollständig und überzeugend getroffen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Allerdings können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, juris Rn. 7). Hat sich aber das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt – ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze – und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt, so sind die Feststellungen bindend. Eine Partei kann dann nicht in zulässiger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts setzen.

Dies vorweg geschickt hält der Senat die Beweiswürdigung des Landgerichts für überzeugend und die Einwände des Beklagten nicht für durchgreifend. Der Umstand, dass die Kläger immer noch Eigentümer des vom Beklagten begutachteten Grundstücks sind, rechtfertigt nicht die Annahme, sie hätten vom Kauf abgesehen, hätten sie den wahren Sanierungsaufwand gekannt. So haben die Beklagten vorgetragen, dass das Grundstück aus ihrer Sicht schlicht unverkäuflich und das Haus letztlich abzureißen sei (z.B. Schriftsatz vom 26.03.2018, S. 3/4). Das ist zwar bestritten, kann aber auf sich beruhen, weil es nichts über die Disposition der Kläger beim Abschluss des Kaufvertrags aussagt, ebenso wenig wie eine fehlende (Arglist)Anfechtung des Kaufvertrages durch die Kläger. Letztere wäre im Übrigen nur unter erheblichen Beweisschwierigkeiten durchsetzbar. Der Kaufvertrag der Kläger vom 13.11.2013 enthält den üblichen Gewährleistungsausschluss (Ziff. IV.2): „Das Vertragsobjekt wird im gebrauchten Zustand unter Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels verkauft, auch wenn ein solcher bis zum Zeitpunkt des Besitzübergangs entsteht … Dem Verkäufer ist nichts bekannt von wesentlichen verborgenen Mängeln …“. Es liegt für den Senat auf der Hand, dass eine Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege der Arglistanfechtung angesichts des unstreitig renovierungsbedürftigen Zustandes des Hauses vor dem Kauf und angesichts der sachverständigen Begehung durch den Beklagten eher geringe Erfolgsaussichten hätte, zumal die Beklagten behaupten, die schwerwiegenden Mängel erst im Jahr 2016 nach der Besichtigung durch die Architektin J… erkannt zu haben. Zu der Zeit haben sie bereits erheblich Zeit und Geld in die Renovierung gesteckt.

Gegen die Kausalität spricht schließlich nicht, dass die Kläger einen höheren Kaufpreis für das Grundstück gezahlt haben (67.000 €) als die vom Beklagten für angemessen gehaltenen 55.000 €. Der gezahlte Preis belegt nicht, dass die Kläger das Grundstück „komme was wolle“ ungeachtet des tatsächlichen Gebäudezustands haben wollten. Gemessen am auch nach dem Gutachten des Beklagten insgesamt zu erwartenden Aufwand ist die genannte Überschreitung des vom Beklagten für angemessen gehaltenen Werts nicht erheblich und liegt im Rahmen üblicher Verhandlungsspielräume. Er gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Kläger das Grundstück auch bei einem – unter Berücksichtigung der tatsächlich erforderlichen Renovierungskosten – exorbitant höheren Preis gekauft hätten. Jedenfalls haben die Kläger einen geringeren als den ursprünglich vom Voreigentümer verlangten Preis (69.000 €) erzielt, woran der Beklagte aufgrund der vereinbarten Erfolgsbeteiligung für die Herabsetzung des Kaufpreises (vgl. Nr. IV.2 des Vertrags) mit 714 € profitierte (K3).

f) Es steht hinreichend wahrscheinlich fest, dass sich ein Schaden ergeben wird. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 7 (unter d) des angegriffenen Urteils ist der Senat überzeugt, dass es die Wahrscheinlichkeit des Schadens – in welcher Höhe auch immer – nicht infragestellt, dass der Beklagte unter Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens schriftsätzlich hat bestreiten lassen, es seien Sanierungskosten in Höhe von 254.200 € für die Bewohnbarmachung des Anwesens erforderlich. Denn das dem schriftsätzlichen Vortrag vorgehende unmittelbare Vorbringen des Beklagten vor dem Landgerichts führt ebenfalls zu einem zwar etwas niedriger geschätzten, aber immer noch beachtlichen Kostenansatz für die erforderliche Sanierung (4 x 55.000 € = 220.000 €, vgl. Protokoll vom 29.10.2018, S. 2), zumal der Beklagte weiterhin hat unbestritten vortragen lassen, bestimmte Mängel – entgegen der im Vertrag fixierten Verpflichtung – überhaupt nicht bewertet zu haben, soweit sie aus seiner Sicht nicht hätten behoben werden müssen (Beklagtenschriftsatz vom 05.03.2019, S. 3). Soweit die Parteien darüber hinaus um die Berechtigung oder Nichtberechtigung einzelne Posten streiten, ist dies im Betragsverfahren zu klären.

3. Die Kläger trifft kein Mitverschulden (§ 254 BGB), das zur Einschränkung der Haftung des Beklagten dem Grunde nach führen würde.

Das Landgericht hat ein Mitverschulden der Kläger bei der Entstehung des Schadens allein auf der Grundlage ihrer informatorischen Angaben bejaht. Der für das Mitverschulden darlegungs- und beweisbelastete (Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Aufl., § 254 Rn. 72) Beklagte hat insoweit keinen Beweis angetreten.

Auszugehen ist von der ständigen Rechtsprechung, wonach der Informationspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten kann, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich. Ebenso wenig kann grundsätzlich dem Geschädigten ein Mitverschulden angerechnet werden, weil er eine Gefahr, zu deren Vermeidung er einen Fachmann hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen und abwenden können (BGH, Urteil vom 13.01.2004 – XI ZR 355/02, juris Rn. 30; OLG Köln, Urteil vom 06.03.1998 – 19 U 116/97, juris Rn. 6). Anders kann es dann sein, wenn beim Geschädigten aufgrund der konkreten Umstände des Falls Anlass zu Misstrauen bestand (Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Aufl., § 254 Rn. 14).

Vorliegend waren die Kläger keine Fachleute für Bau- und Immobilienfragen. Ihnen war vor dem Kauf bekannt, dass sich das anvisierte Anwesen in einem grundsätzlich renovierungsbedürftigen Zustand befand. Sie waren jedoch nicht in der Lage, zuverlässig den daraus resultierenden und damit verbundenen Sanierungsaufwand zu schätzen. Insofern ist die Einlassung der Klägerin vor dem Landgericht plausibel, sie habe sich aufgrund der Beurteilung des Beklagten vergewissern wollen, ob sie die mit der Sanierung verbundene finanzielle Belastung stemmen könne; dazu sei der Beklagte beauftragt worden.

Vor diesem Hintergrund kann der Umstand, dass der Klägerin bei der Begehung des Hauses zusammen mit dem Beklagten Mängel aufgefallen sind, kein Mitverschulden begründen. Das Vorhandensein von Mängeln war gerade der Ausgangspunkt für den Gutachtensauftrag. Fraglich war allein, welchen Umfang die augenscheinlich erkennbaren Mängel hatten und welchen Sanierungsaufwand deren Beseitigung erfordern würde. Entgegen der Wertung des Landgerichts bildete der furchtbare Modergeruch, von dem die Klägerin sprach, keinen Anlass zu Misstrauen. Insoweit hat die Klägerin ausgesagt, der Voreigentümer habe ihr bei der Begehung mitgeteilt, dass er schon längere Zeit nicht gelüftet habe. Das habe die Klägerin geglaubt. Auch weitere augenscheinliche Mängel (faulendes Holz an einem Fenstersturz und etwas bröckeliges Gestein sowie der wahrgenommene Riss im Giebel) begründeten kein Mitverschulden. Der Beklagte hat in seinem Begehungsprotokoll nämlich nicht behauptet, an dem Bauwerk sei alles in Ordnung, sondern er hat einen Sanierungsaufwand von 86.500 € errechnet, also deutlich mehr als den gesamten Grundstückswert. In der Aufstellung der geschätzten Kosten waren u. a. Dämmarbeiten im Dachgeschoss, Trockenbauarbeiten an Decken und Wänden sowie Fenster- und Lackierarbeiten enthalten. Dabei handelt es sich um Gewerke, die mit den eigenen Mangelwahrnehmungen der Klägerin in Zusammenhang gebracht oder diesen zugeordnet werden können. Es hätte sich der Klägerin mithin nicht aufdrängen müssen, dass das Begehungsprotokoll unvollständig und die dort mitgeteilten Kostenansätze unrealistisch niedrig sind.

Ein Mitverschulden liegt auch nicht darin, dass der Kläger, der an der Besichtigung selbst nicht teilgenommen hatte und der im Kfz Gewerbe tätig ist, in der Sitzung vom 29.10.2018 (Protokoll, S. 2) meinte, er kenne es aus dem Kfz-Gewerbe, dass ein Gutachten schon 13 bis 14 Seiten schriftliche Ausführungen über die Bewertung eines Gegenstandes enthalte. Das habe er von dem Beklagten gerade nicht erhalten. Das Begehungsprotokoll enthalte die Lichtbilder und die Kostenaufstellung am Schluss. Die vom Kläger gezogene Parallele zu Kfz-Gutachten ist nicht tragfähig. Es handelt sich bei Letzteren – gerichtsbekannt – üblicherweise um extrem detaillierte und bis in die kleinsten Einzelposten aufgegliederte Werke, die mithilfe entsprechender Spezialprogramme per Computer erstellt werden (und gleichwohl in der Praxis oftmals das Doppelte bis Dreifache dessen kosten, was der Beklagte hier als gesichertes Fixhonorar verlangen konnte). Das ist mit einem individuellen Immobiliengutachten nicht zu vergleichen und war vorliegend auch nicht geschuldet. Der Beklagte schuldete eine (zusammenfassende) Beurteilung, die er nach dem Vertrag noch nicht einmal zwingend überhaupt schriftlich hätte niederlegen müssen. Damit war allein aus dem Umfang oder der Darstellungstiefe des Begehungsprotokolls kein Argument gegen seine sachliche Richtigkeit abzuleiten. Die wesentlichen Fragen der Kläger – was ist die Immobilie wert und wie viel muss noch reingesteckt werden? – wurden vom Beklagten darin beantwortet.

4. Der Schadensersatzanspruch der Kläger ist nicht verjährt. Für das Gutachten des Beklagten gilt die regelmäßige, dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Denn die hier geschuldete Begutachtung stellt sich nicht als Planungs- oder Überwachungsleistung im Sinne von § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB dar. Sie hat keinen planerischen, sondern nur feststellenden Charakter. Für solche Gutachten gilt § 634a Abs. 1 Nr. 3 BGB (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.05.2018 – 5 U 49/17, juris Rn. 58; OLG München, Urteil vom 04.10.2017 – 3 U 4833/15, juris Rn. 35; Roeßner in Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 5. Aufl., § 33 Rn. 34). Der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ist gemäß § 199 Abs. 1 BGB abhängig von der Entstehung des Anspruchs und von der Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners beziehungsweise der darauf bezogenen grob fahrlässigen Unkenntnis. Für die Voraussetzungen des Beginns der Verjährung ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Nachdem, wie oben ausgeführt, die grundsätzliche Kenntnis der Mangelhaftigkeit des Kaufobjekts schon kein Mitverschulden der Kläger begründete, gilt das gleiche auch für die grob fahrlässige Unkenntnis der Mängel. Ein früherer Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis als die von den Klägern selbst mitgeteilte Information durch die im Jahr 2016 beauftragte Architektin über das weitaus größere Ausmaß der erkennbaren Bauschäden ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht zur Überzeugung des Senats feststellbar.

5. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Feststellungsantrag in vollem Umfang gerechtfertigt ist. Das Haus auf dem erworbenen Grundstück ist noch nicht abschließend saniert und der weitere Schadenverlauf ist damit einerseits unklar andererseits möglich. Daraus folgt, dass der Feststellungsantrag begründet ist.

6. Zur Vermeidung von Unklarheiten (vgl. oben II.1) hat der Senat den Feststellungsausspruch in seinem Tenor gesondert ausgewiesen.

III.

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die Kosten des Berufungsverfahrens kann gleichfalls nicht entschieden werden, da die Kostenquote vom endgültigen Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien abhängig ist.

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Ein Ausspruch zur Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO war nicht veranlasst, nachdem keine der Parteien aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben kann.

3. Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Soweit allgemeine Rechtsfragen entscheidungserheblich waren, folgt der Senat der dazu bestehenden höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.

4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 47 GKG, 3 ZPO (80% von 114.851,78 € plus 10.000 € für den Feststellungsantrag = 101.881,42 €).

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