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Sachverständigenladung zum Gerichtsverfahren zur Erläuterung

Bundesgerichtshof

Az: VIII ZR 295/08

Beschluss vom 14.07.2009


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2009 beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2008 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 115.446,30 EUR festgesetzt.

Gründe:
I.
Die Klägerin ist Maschinenversicherer der A. GmbH & Co. KG, die eine Deponie betreibt. Sie nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht wegen eines Maschinenschadens in Anspruch, der sich am 12. September 2003 an dem Motor einer Gasverstromungsanlage ereignete. Diese Anlage hatte die Beklagte unter gleichzeitigem Abschluss eines Vollwartungsvertrages an die Deponiebetreiberin geliefert. Die Klägerin erbrachte für den Schaden eine Versicherungsleistung in Höhe von 115.460,30 EUR an die Deponiebetreiberin.

Die Parteien streiten darüber, ob der Motorschaden auf einem Sachmangel der von der Beklagten gelieferten Anlage beruht oder darauf zurückzuführen ist, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin sie mit weit überhöhten Schadstoffgehalten im Deponiegas betrieben hat.

Nach der Bedienungsanleitung der Herstellerfirma D. sind Schadstoffwerte bis zu 10 mg/m³ i.N. CH4 für Silizium und bis zu 2.200 mg/m³ i.N. CH4 für Gesamtschwefel zulässig. Demgegenüber hatten die Beklagte und die Deponiebetreiberin – bezogen auf einen Methangasgehalt von 50 % – Grenzwerte von 7,5 mg/m³ Deponiegas für Silizium und 1.500 mg/m³ für Gesamtschwefel vereinbart. Bei entsprechender Umrechnung nach der Bedienungsanleitung des Herstellers ergaben sich daraus Werte von 15 mg/m³ für Silizium und 3.104 mg/m³ für Gesamtschwefel, mithin über den Herstellervorgaben liegende Werte.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 115.460,30 EUR Reparaturkosten sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO).

Sie ist auch begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gebietet es, dass sich das Gericht mit allen wesentlichen Punkten des Vortrags einer Partei auseinandersetzt. Zwar muss es nicht jede Erwägung in den Urteilsgründen ausdrücklich erörtern. Aus dem Gesamtzusammenhang muss aber hervorgehen, dass es die wesentlichen Punkte berücksichtigt und in seine Überlegungen mit einbezogen hat (Senatsbeschluss vom 5. April 2005 – VIII ZR 160/04, NJW 2005, 1950, unter II 2 b). Hier hat das Berufungsgericht den Kern des Verteidigungsvorbringens der Beklagten zu den mit der Deponiebetreiberin vereinbarten Schadstoffwerten und zur massiven Überschreitung dieser (erhöhten) Werte durch die Deponiebetreiberin übergangen.

1.

Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten gelieferte Anlage als mangelhaft angesehen, weil sie trotz der im Liefervertrag vereinbarten, über den Herstellervorgaben liegenden Grenzwerte nicht mit einer Gasreinigungsanlage ausgestattet gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Sachverständigen, dass die Zuführung von Gas in vertraglich vereinbarter Qualität und damit auch der Einbau einer Gasreinigungsanlage zum Pflichtenkreis des Deponiebetreibers und nicht des Anlagenbauers gehöre, sei die Beklagte verpflichtet gewesen, eine Gasreinigungsanlage zu planen und einzubauen, weil sich die Lieferpflicht der Beklagten auf die Gesamtkonzeption der Anlage erstreckt habe.

Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend macht, hatte die Beklagte – schon in der Klageerwiderung – vorgetragen, dass die Anlage auch mit den vereinbarten, (leicht) über den Herstellervorgaben liegenden Schadstoffwerten ohne Gefahr für den Motor betrieben werden könne; der Schaden sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Deponiebetreiberin die vereinbarten (erhöhten) Werte massiv überschritten habe. Dieser Vortrag wird durch die von der Beklagten bereits in der ersten Instanz vorgelegte Gasanalyse vom 24. September 2002 bestätigt, auf die die Nichtzulassungsbeschwerde Bezug nimmt. Nach dieser Analyse wurde für Silizium ein Wert von (umgerechnet) 25,98 mg/m³ und für Gesamtschwefel von 6.560 mg/m³ gemessen, so dass die vertraglich vereinbarten Werte um etwa 100 % überschritten wurden. In seinem Ergänzungsgutachten vom 30. Juni 2007 hat der gerichtliche Sachverständige die von der Beklagten behauptete Schadensursache bestätigt und außerdem ausgeführt, dass die Vereinbarung der gegenüber den Herstellerangaben erhöhten Grenzwerte lediglich den bei der Deponieerzeugung allgemein bekannten Schwankungen Rechnung getragen habe. Bei Einhaltung dieser (erhöhten) Grenzwerte sei nur ein gewisser zusätzlicher Wartungsaufwand zu erwarten gewesen, dem die Parteien im Wartungsvertrag bei den Basiskosten kalkulatorisch Rechnung getragen hätten. Der Sachverständige hat ferner auch aus den vor dem Schadensfall angefallenen umfangreichen Reparaturen geschlossen, dass die Schadstoffe weit über den zulässigen bzw. vereinbarten Grenzwerten gelegen haben müssten; die alleinige Schadensursache hat er bei der Deponiebetreiberin gesehen, zu deren Verantwortungsbereich die Einhaltung der erhöhten Grenzwerte beim Betrieb der Anlage gehöre.

2.

Ohne sich mit diesem durch das gerichtliche Gutachten bestätigten zentralen Verteidigungsvorbringen der Beklagten auseinanderzusetzen, hat das Berufungsgericht in seinem Urteil angenommen, dass die Herstellervorgaben bezüglich der Schadstoffwerte in jedem Fall einzuhalten seien und die Beklagte deshalb eine Gasreinigungsanlage hätte planen und einbauen müssen. Dies rügt die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht als Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten.

3.

Ferner ist das Berufungsgericht dem wiederholten, zuletzt in der Berufungsverhandlung gestellten Antrag der Beklagten auf mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht nachgekommen; auch dies verletzt die Beklagte in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör.

a)

Dem Antrag einer Partei auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen, auch wenn es das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Die Partei hat zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Erläuterung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1997 – VI ZR 252/96, NJW 1998, 162, unter II 2 a; Beschluss vom 22. Mai 2007 – VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294, Tz. 3, st. Rspr.). Beschränkungen des Antragsrechts können sich allenfalls aus dem – hier offensichtlich nicht vorliegendem – Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung ergeben (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2002 – VI ZR 353/01, NJW-RR 2003, 208, unter II 1). Das Berufungsgericht durfte die Anhörung des Sachverständigen daher nicht mit der Begründung ablehnen, die von der Beklagten gestellte Frage sei schon im (erstinstanzlichen) Gutachten des Sachverständigen beantwortet worden.

b)

Überdies hatte der Sachverständige die Frage, ob die Anlage trotz der vereinbarten (erhöhten) Schadstoffwerte dem Stand der Technik entsprach – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – keineswegs in seinem erstinstanzlichen Gutachten ausreichend und in dem Sinne beantwortet, den das Berufungsgericht seinen Ausführungen beigemessen hat. Denn in seinem vor dem Landgericht erstatteten Gutachten war der Sachverständige – irrtümlich – davon ausgegangen, dass die Parteien noch niedrigere (also strengere) Schadstoffwerte als vom Hersteller angegeben vereinbart hätten. Erst in seinem in der Berufungsinstanz erstatteten Ergänzungsgutachten hat sich der Sachverständige näher mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Liefervertrag eine gewisse Überschreitung der vom Hersteller genannten Schadstoffwerte vorsah; insoweit hat er aber – wie ausgeführt – die Fehlerfreiheit der Anlage auch unter diesem Gesichtspunkt ausdrücklich bejaht.

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