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Sachverständigenvergütung bei Überschreitung des Vorschusses: Wann wird gekürzt?

Im Streit um die Sachverständigenvergütung bei Überschreitung des Vorschusses forderte ein Gutachter 2.400 Euro, obwohl nur 800 Euro veranschlagt waren. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Kürzung, da der Experte seine Pflicht zur rechtzeitigen Kosten-Mitteilung fahrlässig missachtete.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 25 W 98/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Hamm
  • Datum: 23.06.2025
  • Aktenzeichen: 25 W 98/25
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren über eine Sachverständigenvergütung
  • Rechtsbereiche: Sachverständigenvergütung, Zivilprozessrecht

  • Das Problem: Ein bestellter Sachverständiger stellte für die Erläuterung seines Gutachtens eine Rechnung über 2.172,63 Euro. Das Gericht hatte dafür lediglich einen Auslagenvorschuss von 800 Euro angefordert. Das Landgericht kürzte die Vergütung auf diesen Vorschuss, wogegen der Sachverständige Beschwerde einlegte.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Sachverständiger sein volles Honorar verlangen, wenn er das Gericht nicht informiert hat, dass seine Kosten den angeforderten Vorschuss deutlich übersteigen?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht setzte die Vergütung auf den Vorschuss von 800 Euro fest. Die tatsächliche Vergütung überschritt den Vorschuss erheblich, und der Sachverständige hat fahrlässig die Pflicht verletzt, dies rechtzeitig mitzuteilen.
  • Die Bedeutung: Gerichtliche Sachverständige müssen stets ihre voraussichtlichen Kosten prüfen und Abweichungen vom Vorschuss melden. Bereits Leichte Fahrlässigkeit führt dazu, dass das Honorar auf die Höhe des geleisteten Vorschusses begrenzt werden kann.

Wenn der Experte zu teuer wird: Warum ein Gericht die Sachverständigenvergütung drastisch kürzen darf

Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger erbringt eine wichtige Leistung, reicht seine Rechnung ein – und erhält am Ende nicht einmal die Hälfte des geforderten Betrags. Was für den Experten wie eine willkürliche Kürzung wirken mag, ist oft die konsequente Anwendung eines Gesetzes, das die Prozessparteien vor unvorhergesehenen Kostenexplosionen schützen soll.

Ein amtliches Gerichtsschreiben mit geringem Budget liegt neben einem leeren Notizblock und einem umfangreichen Stapel technischer Akten.
OLG Hamm kürzt Sachverständigenvergütung bei drohender Kostenexplosion ohne rechtzeitige Warnung. | Symbolbild: KI

In einem richtungsweisenden Beschluss hat das Oberlandesgericht Hamm am 23. Juni 2025 (Az. 25 W 98/25) die Grenzen der Vergütung klar aufgezeigt und die finanzielle Eigenverantwortung von Gutachtern betont. Der Fall enthüllt eine entscheidende Pflicht, die oft übersehen wird: die rechtzeitige Warnung vor einer drohenden Kostenüberschreitung.

Was genau war passiert?

Die Geschichte beginnt mit einem gewöhnlichen Zivilprozess vor dem Landgericht Arnsberg. Eine Klägerin war unzufrieden mit gelieferten Rollenbahnen und verklagte den Hersteller auf Rückzahlung des Kaufpreises und Schadensersatz. Um die behaupteten Mängel fachmännisch beurteilen zu lassen, beauftragte das Gericht einen Sachverständigen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens.

Zunächst lief alles nach Plan. Das Gericht forderte von der Klägerin einen Kostenvorschuss von 3.000 Euro an. Der bestellte Sachverständige prüfte den Fall und teilte dem Gericht mit, dass die Kosten für sein schriftliches Gutachten voraussichtlich bei 5.650 Euro liegen würden. Daraufhin forderte das Gericht von der Klägerin einen weiteren Vorschuss von 2.650 Euro an, der auch umgehend bezahlt wurde. Der Experte lieferte sein Gutachten ab und stellte eine Rechnung über 5.717,15 Euro, die aus dem Vorschusstopf beglichen wurde.

Doch der Fall war damit nicht abgeschlossen. Das Gericht lud den Sachverständigen zu einem Verhandlungstermin, damit er sein Gutachten mündlich erläutern konnte. Für diesen zusätzlichen Aufwand – die Anreise, die Zeit im Gerichtssaal und die Vorbereitung – setzte das Gericht einen weiteren Kostenvorschuss von 800 Euro fest, den die Klägerin ebenfalls einzahlte. Der Sachverständige erhielt eine Kopie dieser gerichtlichen Anordnung und wusste somit, welcher Betrag für seine mündliche Erläuterung budgetiert war.

Nach dem Termin folgte die Überraschung: Der Sachverständige reichte für seine Leistungen rund um die mündliche Verhandlung eine Rechnung über 2.172,63 Euro ein – fast das Dreifache des dafür vorgesehenen Vorschusses. An dieser Stelle schaltete sich der Bezirksrevisor ein, eine Art Kostenkontrolleur der Justiz. Er beantragte, die Vergütung des Experten auf die Höhe des Vorschusses, also auf 800 Euro, zu begrenzen. Das Landgericht Arnsberg folgte diesem Antrag. Der Sachverständige, der sich um mehr als 1.300 Euro seines Honorars gebracht sah, legte Beschwerde ein und der Fall landete beim Oberlandesgericht Hamm.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Das Herzstück der gerichtlichen Entscheidung ist das jveg„>Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Dieses Gesetz regelt unter anderem, wie Sachverständige, Zeugen oder Dolmetscher für ihre Tätigkeit im Auftrag der Justiz entlohnt werden. Für den vorliegenden Fall ist vor allem § 8a JVEG in Verbindung mit § 407a der Zivilprozessordnung (ZPO) entscheidend.

Diese Vorschriften etablieren einen Schutzmechanismus für die Prozessparteien, die letztlich die Kosten tragen. Der Grundgedanke ist einfach: Ein Sachverständiger soll nicht unbegrenzt Kosten verursachen dürfen, ohne das Gericht und die zahlungspflichtige Partei rechtzeitig zu informieren. Konkret besagt § 8a Abs. 4 JVEG, dass der Anspruch eines Sachverständigen auf seine Vergütung auf die Höhe des vom Gericht angeforderten Vorschusses gekürzt werden kann, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Die tatsächliche Vergütung übersteigt den angeforderten Vorschuss „erheblich“.
  2. Der Sachverständige hat nicht rechtzeitig darauf hingewiesen, dass die Kosten den Vorschuss erheblich übersteigen werden.
  3. Der Sachverständige hat diese Pflichtverletzung zu vertreten, was laut § 8a Abs. 5 JVEG bereits bei leichter Fahrlässigkeit der Fall ist.

Diese Regelung schafft eine klare Verantwortlichkeit. Der Vorschuss dient nicht nur als finanzielle Sicherheit, sondern auch als Kommunikationsmittel – als eine Art Kostendeckel, dessen Überschreitung eine aktive Meldung des Experten erfordert.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Oberlandesgericht Hamm wies die Beschwerde des Sachverständigen zurück und bestätigte die Kürzung seines Honorars auf 800 Euro. Die Richter arbeiteten sich dabei systematisch an den drei Voraussetzungen des § 8a JVEG ab und legten die Argumente des Sachverständigen dar, um sie anschließend zu entkräften.

Ab wann gilt eine Überschreitung als „erheblich“?

Zuerst prüfte das Gericht, ob die Rechnung des Sachverständigen über 2.172,63 Euro den Vorschuss von 800 Euro „erheblich“ überstieg. Das Gesetz selbst definiert diesen Begriff nicht mit einer festen Prozentzahl. Die Rechtsprechung hat hier jedoch eine klare Linie entwickelt: Eine Erhebliche Überschreitung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Vorschuss um mehr als 25 % überschritten wird.

Für den konkreten Fall bedeutete dies: Eine Rechnung bis zu 1.000 Euro (800 Euro + 25 %) wäre möglicherweise noch im Rahmen gewesen. Die Forderung von 2.172,63 Euro lag jedoch weit jenseits dieser Schwelle. Die Überschreitung betrug fast 172 %. Damit war die erste Voraussetzung für eine Kürzung unzweifelhaft erfüllt.

Hätte das Gericht den Sachverständigen explizit warnen müssen?

Ein zentrales, wenn auch unausgesprochenes Argument des Sachverständigen dürfte gewesen sein, dass er nicht explizit auf die Konsequenzen einer Kostenüberschreitung hingewiesen wurde. Das Gericht erteilte dieser Sichtweise eine klare Absage. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, die Kosten seiner Tätigkeit im Blick zu behalten.

Die Richter betonten, dass der Experte durch die ihm zugesandte Gerichtsverfügung wusste, dass für seine mündliche Anhörung ein Vorschuss von 800 Euro festgesetzt war. Diese Information allein hätte ihn alarmieren müssen. Er ist ein professioneller Dienstleister, der regelmäßig für Gerichte tätig ist und mit den Abrechnungsmodalitäten vertraut sein muss. Es ist seine Aufgabe, die voraussichtlichen Kosten abzuschätzen und das Gericht zu informieren, wenn das vorgesehene Budget nicht ausreicht – und zwar bevor die Kosten anfallen. Die Verantwortung für die Kostenkontrolle liegt primär bei ihm, nicht beim Gericht.

Warum wiegt das Versäumnis des Sachverständigen so schwer?

Schließlich prüfte das OLG, ob der Sachverständige sein Versäumnis zu vertreten hatte. Das Gesetz ist hier besonders streng: § 8a Abs. 5 JVEG stellt klar, dass bereits leichte Fahrlässigkeit ausreicht. Der Experte hätte also nur die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lassen müssen.

Genau das sahen die Richter hier als gegeben an. Ein sorgfältig handelnder Sachverständiger hätte bei Kenntnis des 800-Euro-Vorschusses erkannt, dass dieser Betrag für den veranschlagten Aufwand (Vorbereitung, Reisezeit, Anwesenheit im Gericht) nicht ausreichen würde. Seine Pflicht wäre es gewesen, das Gericht umgehend zu kontaktieren und auf die voraussichtlich höheren Kosten hinzuweisen. Dies hätte dem Gericht die Möglichkeit gegeben, entweder einen höheren Vorschuss bei der Klägerin anzufordern oder die Anhörung des Sachverständigen möglicherweise anders zu gestalten. Da der Experte dies unterließ und stattdessen einfach die vollendeten Tatsachen in Form einer hohen Rechnung präsentierte, handelte er zumindest fahrlässig.

Die vorherige, korrekte Schätzung für das schriftliche Gutachten half ihm hier nicht. Im Gegenteil, sie zeigte dem Gericht, dass er grundsätzlich in der Lage war, Kosten korrekt zu kalkulieren und zu kommunizieren. Sein Schweigen im zweiten Schritt wurde ihm daher als schuldhafte Pflichtverletzung ausgelegt.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieser Beschluss des OLG Hamm ist mehr als nur eine Entscheidung über ein einzelnes Honorar. Er beleuchtet grundlegende Prinzipien der Zusammenarbeit zwischen Justiz und externen Experten und bietet wichtige Erkenntnisse für alle Beteiligten eines Gerichtsverfahrens.

Die wichtigste Lehre richtet sich an Sachverständige: Ihre Rolle ist nicht nur die eines fachlichen Aufklärers, sondern auch die eines verantwortungsvollen Kostenmanagers. Die Beauftragung durch ein Gericht ist kein Freibrief für eine unlimitierte Abrechnung. Ein Kostenvorschuss ist als verbindlicher finanzieller Rahmen zu verstehen. Wer absehen kann, dass dieser Rahmen nicht ausreicht, trägt das volle Risiko einer Honorarkürzung, wenn er nicht proaktiv und rechtzeitig das Gespräch mit dem Gericht sucht. Die Pflicht zur Kostentransparenz ist eine zentrale Berufspflicht.

Für die Parteien eines Rechtsstreits, insbesondere für die vorschusspflichtige Seite, bietet das Urteil eine wichtige Sicherheit. Der Mechanismus des § 8a JVEG schützt sie davor, nach einem Prozessschritt von einer unerwarteten Kostenwelle überrollt zu werden. Der Kostenvorschuss fungiert als eine Art Frühwarnsystem. Er zwingt den Experten zur Planung und Kommunikation und gibt den Parteien und dem Gericht die Kontrolle über die Verfahrenskosten zurück. Das Urteil stärkt damit das Vertrauen in eine planbare und transparente Justiz.

Die Urteilslogik

Die Justiz begrenzt die Höhe der Sachverständigenvergütung strikt, um die Prozessparteien vor unerwarteten Kosten zu schützen.

  • [Proaktive Kostentransparenz]: Ein Sachverständiger muss das Gericht umgehend informieren, sobald absehbar ist, dass die tatsächlichen Kosten den festgesetzten Vorschuss erheblich überschreiten werden.
  • [Der Vorschuss als Kostendeckel]: Eine Überschreitung des gerichtlich festgesetzten Vorschusses um mehr als 25 Prozent gilt in der Regel als erheblich und rechtfertigt die Beschränkung des Honorars auf den vorausgezahlten Betrag.
  • [Pflicht zur Kostenkontrolle]: Der Sachverständige trägt die primäre Verantwortung für die Kalkulation und muss sich die Verletzung der Hinweispflicht bereits bei leichter Fahrlässigkeit zurechnen lassen.

Die Verpflichtung zur rechtzeitigen Kommunikation der Gutachterkosten garantiert die Planbarkeit und das Vertrauen in die gerichtliche Verfahrensführung.


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Experten Kommentar

Viele Sachverständige sehen den Gerichtsvorschuss nur als Startkapital – dieses Urteil zieht jedoch eine klare rote Linie, denn der Vorschuss ist ein konsequenter Kostendeckel. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, den Experten vor seiner eigenen Abrechnung zu schützen; vielmehr muss der Sachverständige selbst aktiv die Kosten im Blick behalten. Wer absehen kann, dass er den knappen Vorschuss massiv überschreitet, trägt das Risiko einer Honorarkürzung vollständig, wenn er nicht rechtzeitig Alarm schlägt. Damit stärkt das OLG Hamm die finanzielle Planbarkeit für die Prozessparteien und fordert von gerichtlichen Gutachtern eine deutliche Kosten-Sorgfaltspflicht.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Unter welchen Bedingungen darf das Gericht die Sachverständigenvergütung kürzen?

Ein Gericht darf das Honorar eines Sachverständigen drastisch kürzen und auf die Höhe des festgesetzten Vorschusses begrenzen, wenn der Experte gegen seine Pflicht zur Kostenkontrolle verstößt. Diese Maßnahme greift nur, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Die tatsächliche Vergütung übersteigt den Vorschuss erheblich, der Sachverständige hat nicht rechtzeitig vor der Überschreitung gewarnt, und er hat dieses Versäumnis zu vertreten.

Die rechtliche Grundlage für diese strenge Maßnahme bildet § 8a Abs. 4 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). Dieses Gesetz dient primär dem Schutz der Prozessparteien vor unvorhergesehenen Kostensteigerungen. Eine Überschreitung gilt in der Rechtsprechung als erheblich, sobald der Sachverständigenvorschuss um mehr als 25 % übertroffen wird. Schon ein geringer Überschuss über diese Schwelle löst die weitere Prüfung durch das Gericht aus.

Um die Kürzung abzuwehren, müssen Sie Ihre primäre Pflicht zur proaktiven Warnung erfüllen. Sie müssen das Gericht über die drohende erhebliche Kostenüberschreitung informieren, bevor die entsprechenden Mehrkosten anfallen. Entscheidend ist die Strenge der Haftungsnorm: Das Gesetz verlangt kein vorsätzliches Fehlverhalten, da gemäß § 8a Abs. 5 JVEG bereits leichte Fahrlässigkeit des Sachverständigen für die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung genügt.

Suchen Sie in Ihrer gerichtlichen Beauftragung sofort nach dem aktuell festgesetzten Kostenvorschuss (§ 8a JVEG) und berechnen Sie 125 % dieses Betrags; dies ist Ihr absoluter Kostendeckel ohne vorherige Kommunikation mit dem Gericht.


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Wie hoch darf der Sachverständigen-Vorschuss überschritten werden, bevor er als erheblich gilt?

Obwohl das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) selbst keine feste Zahl vorgibt, hat die Rechtsprechung einen klaren Grenzwert festgelegt. Eine Überschreitung des vom Gericht festgesetzten Sachverständigen-Vorschusses gilt in der Regel als erheblich, wenn sie den Betrag um mehr als 25 Prozent übersteigt. Nur Abweichungen, die innerhalb dieses Toleranzrahmens liegen, werden von den Gerichten meist noch als akzeptable Kostenentwicklung betrachtet.

Diese juristisch entwickelte Schwelle dient primär dem Schutz der Prozessparteien vor unerwarteten Kostenexplosionen. Innerhalb der 25-Prozent-Grenze erkennt das Gericht an, dass nicht alle Aufwände im Voraus exakt planbar sind. Überschreitet der Sachverständige diesen Wert, verletzt er seine Pflicht zur proaktiven Kommunikation und muss das Gericht vor der Ausführung der Mehrleistungen informieren.

Die Strenge dieser Regelung bestätigte das Oberlandesgericht Hamm in einem richtungsweisenden Beschluss. Dort betrug die tatsächliche Vergütung für eine mündliche Gutachtenerläuterung 2.172,63 Euro, während der Vorschuss nur 800 Euro betragen hatte. Die 172-prozentige Überschreitung lag weit jenseits der 25-Prozent-Schwelle, was zur drastischen Kürzung des Honorars führte.

Sollten Sie absehen, dass Ihre Kosten 80 Prozent des Vorschusses erreichen, informieren Sie das Gericht unverzüglich über die drohende Überschreitung.


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Muss ich als Sachverständiger vorab vor Mehrkosten warnen, um mein volles Honorar zu sichern?

Ja, als Sachverständiger sind Sie zwingend zur proaktiven Kommunikation verpflichtet, um Ihr volles Honorar zu sichern. Gemäß § 8a Abs. 4 JVEG müssen Sie das Gericht rechtzeitig vor einer drohenden erheblichen Überschreitung des festgesetzten Vorschusses warnen. Versäumen Sie diese Mitteilung, übernehmen Sie das volle finanzielle Risiko für die Mehrkosten. Der Gesetzgeber betrachtet den Vorschuss als verbindlichen Kostendeckel.

Die Pflicht zur frühzeitigen Warnung liegt primär beim Sachverständigen, da er als professioneller Dienstleister die voraussichtlichen Kosten am besten kalkulieren kann. Die Gerichtsverfügung über den Vorschuss dient bereits als ausreichende Alarmglocke, die Sie zur Kostenkontrolle zwingt. Das Gericht muss Sie nicht explizit auf die Konsequenzen einer Überschreitung hinweisen. Die Mitteilung muss unbedingt rechtzeitig erfolgen, also bevor die zusätzlichen, nicht budgetierten Leistungen bereits erbracht wurden.

Achten Sie darauf, dass eine informelle E-Mail oder eine mündliche Bemerkung im Gerichtssaal nicht ausreicht. Die Warnung muss schriftlich und nachweisbar dokumentiert sein, um im Falle einer gerichtlichen Überprüfung als Entlastung zu dienen. Nur wenn Sie das Gericht transparent informieren, geben Sie ihm die Möglichkeit, einen weiteren Vorschuss bei den Parteien anzufordern. Eine Überschreitung von mehr als 25 Prozent des Vorschusses gilt in der Regel als erheblich und zieht die Kürzung nach sich.

Setzen Sie sofort ein formelles Schreiben auf (Mitteilung gem. § 8a Abs. 4 JVEG), sobald Sie die Notwendigkeit einer Kostenüberschreitung sehen.


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Verliere ich als Gutachter mein Honorar auch schon bei leichter Fahrlässigkeit?

Das Gesetz ist in diesem Punkt sehr streng. Ja, Sie verlieren Ihren Vergütungsanspruch, wenn die Pflichtverletzung zur Kostenwarnung bereits auf leichter Fahrlässigkeit beruht. Gemäß § 8a Abs. 5 JVEG reicht das bloße Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aus, um die Honorarkürzung zu rechtfertigen. Der Sachverständige trägt damit ein hohes Risiko für Kalkulationsfehler.

Diese strenge Regelung zielt darauf ab, die vorschusspflichtigen Prozessparteien effektiv vor unkontrollierten Kostenexplosionen zu schützen. Das Gericht betrachtet den Sachverständigen als professionellen Dienstleister, der seine Aufwände präzise kalkulieren muss. Leichte Fahrlässigkeit liegt bereits dann vor, wenn der Gutachter bei Kenntnis des festgesetzten Vorschusses hätte erkennen müssen, dass dieser Betrag für den geplanten Aufwand nicht ausreicht.

Solche schuldhaften Versehen genügen, selbst wenn Sie sich im Grunde bemüht haben, aber beispielsweise die Reisezeit oder die Vorbereitung für die mündliche Anhörung unterschätzt wurde. Ein professioneller Sachverständiger muss die Kostenkontrolle aktiv pflegen. Hat der Experte in früheren Aufträgen seine Kosten korrekt geschätzt, kann diese Vorkenntnis die Annahme leichter Fahrlässigkeit im Folgeauftrag sogar noch bestärken, da er die Gefahr der Fehleinschätzung hätte kennen müssen.

Führen Sie für jede neue gerichtliche Beauftragung ein detailliertes Sorgfaltsprotokoll ein, in dem Sie die Festsetzung des Vorschusses und die aktive Warnpflicht dokumentieren.


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Welche Pflichten haben Sachverständige zur Kostenkontrolle gegenüber den Prozessparteien?

Der Sachverständige muss gegenüber den Prozessparteien als verantwortungsvoller Kostenmanager agieren. Seine primäre Pflicht zur Kostenkontrolle richtet sich zwar formal an das Gericht, sie dient jedoch direkt dem Schutz der vorschusspflichtigen Parteien. Er muss das Gericht rechtzeitig und proaktiv informieren, wenn die Kosten den festgesetzten Vorschuss erheblich zu überschreiten drohen.

Der Mechanismus des Kostenvorschusses nach § 8a JVEG funktioniert als essenzielles Frühwarnsystem für alle Verfahrensbeteiligten. Da die Prozessparteien, wie Kläger oder Beklagte, letztendlich die Gutachterkosten tragen müssen, sollen sie nicht von unerwarteten und unkalkulierbaren Rechnungen überrascht werden. Der Gesetzgeber verpflichtet den Experten zur transparenten Kommunikation, sobald dieser erkennt, dass der vom Gericht anberaumte finanzielle Rahmen nicht ausreichen wird.

Wenn der Sachverständige die Pflicht zur rechtzeitigen Warnung unterlässt, geht das gesamte finanzielle Risiko für die Mehrkosten auf ihn selbst über. Diese geforderte Kostentransparenz ermöglicht es dem Gericht, rechtzeitig einen höheren Vorschuss von der Partei anzufordern oder den Umfang des ursprünglichen Auftrags zu modifizieren. Damit behalten die zahlungspflichtigen Parteien die Möglichkeit, die Verfahrenskosten aktiv zu steuern und die finanzielle Planung zu korrigieren.

Als zahlungspflichtige Partei sollten Sie die Höhe des Vorschusses immer als Ihren vorläufigen, planbaren Kostendeckel betrachten.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Bezirksrevisor

Der Bezirksrevisor ist ein interner Kostenkontrolleur der Justiz, der die Rechnungen und Zahlungsansprüche von Gerichten, Sachverständigen oder Zeugen prüft, um die korrekte Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) sicherzustellen. Diese Funktion stellt sicher, dass öffentliche Mittel, die letztlich die Prozessparteien tragen, sparsam und gesetzeskonform verwendet werden, und fungiert somit als Wächter der Justizkosten.

Beispiel: Nachdem der Sachverständige eine stark überhöhte Rechnung für die mündliche Erläuterung einreichte, schaltete sich der Bezirksrevisor ein und beantragte die Kürzung des Honorars auf die Höhe des ursprünglichen Vorschusses.

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Erhebliche Überschreitung

Juristen nennen es Erhebliche Überschreitung, wenn die tatsächliche Vergütung eines gerichtlichen Sachverständigen den zuvor festgelegten Kostenvorschuss deutlich übersteigt – in der gängigen Rechtsprechung gilt dies ab einer Mehrforderung von mehr als 25 %. Diese Schwelle markiert den kritischen Punkt, ab dem die Pflicht des Sachverständigen zur proaktiven Kostenwarnung greift, um die zahlungspflichtigen Prozessparteien vor unerwarteten Ausgaben zu schützen.

Beispiel: Die 172-prozentige Forderung über den Vorschuss hinaus stellte nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm eine unzweifelhafte erhebliche Überschreitung dar, weshalb die Richter die Vergütung auf die budgetierten 800 Euro kürzten.

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Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG)

Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) regelt bundesweit verbindlich, welche Honorare und Entschädigungen Sachverständige, Dolmetscher und Zeugen für ihre Leistungen im Auftrag der Gerichte und Staatsanwaltschaften erhalten. Dieses Gesetz schafft eine klare, einheitliche Abrechnungsgrundlage für alle justiziellen Dienstleistungen und beinhaltet wichtige Mechanismen zur Kostenkontrolle, insbesondere durch Regelungen zum Kostenvorschuss.

Beispiel: Das OLG Hamm nutzte das JVEG, insbesondere den zentralen § 8a, als Rechtsgrundlage, um die unzureichende Kostenkommunikation des Sachverständigen mit der Kürzung seines Honorars zu sanktionieren.

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Kostenvorschuss

Beim Kostenvorschuss handelt es sich um einen von der Prozesspartei vorab an das Gericht zu zahlenden Geldbetrag, der als finanzielle Sicherheit für die voraussichtlichen Kosten eines bestimmten Verfahrensschritts, wie zum Beispiel die Anhörung eines Experten, dient. Dieses Frühwarnsystem stellt sicher, dass Gerichtsverfahren finanziell planbar bleiben und gibt den Beteiligten Kontrolle über die Verfahrenskosten.

Beispiel: Die Klägerin musste für das schriftliche Gutachten zunächst 3.000 Euro Kostenvorschuss einzahlen und später für die mündliche Erläuterung des Sachverständigen einen weiteren Betrag von 800 Euro bereitstellen.

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Leichte Fahrlässigkeit

Im juristischen Sinne bedeutet Leichte Fahrlässigkeit, dass jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, ohne dabei grob oder vorsätzlich zu handeln. Im Kontext des § 8a JVEG genügt diese niedrige Stufe des Verschuldens bereits, um dem Sachverständigen eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen, da der Gesetzgeber die vorschusspflichtigen Prozessparteien maximal schützen will.

Beispiel: Die Richter urteilten, der Sachverständige habe zumindest leicht fahrlässig gehandelt, weil er bei Kenntnis des festgesetzten 800-Euro-Vorschusses nicht rechtzeitig auf die drohenden Mehrkosten hingewiesen hatte.

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Sachverständiger

Ein Sachverständiger ist eine vom Gericht bestellte, neutrale Fachperson, die aufgrund ihrer speziellen Expertise imstande ist, unklare technische oder fachliche Sachverhalte zu prüfen und dem Gericht in Form eines schriftlichen oder mündlichen Gutachtens zu erläutern. Der Experte hilft dem Gericht dabei, Fragen zu beantworten, für die den Richtern das notwendige Spezialwissen fehlt, und trägt so zur objektiven Wahrheitsfindung bei.

Beispiel: Um die behaupteten Mängel an den Rollenbahnen beurteilen zu können, beauftragte das Landgericht Arnsberg einen Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens.

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Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: 25 W 98/25 – Beschluss vom 23.06.2025


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