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Sachverständigenvergütung nach „Selbstablehnung“ des Gutachters

LG Koblenz, Az.: 16 O 309/12, Beschluss vom 29.08.2016

1. Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. … wird für begründet erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass der Sachverständige Dr. … für die Erstattung des Sachverständigengutachtens und der ergänzenden Begutachtung keine Vergütung erhält und bereits ausbezahlte Beträge von ihm zurückzuerstatten sind.

Gründe

I. Der Ablehnungsantrag des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. … hat Erfolg, da ein die Ablehnung rechtfertigender Grund vorliegt.

1. Gemäß § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger in Klageverfahren aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit wird somit entsprechend § 42 Abs. 2 ZPO ermöglicht, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln. Es müssen also tatsächliche Umstände vorliegen, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen können (vgl. etwa BGH, DS 2008, 27; BGH, DS 2007, 384; OLGR Naumburg 2007, 376; LG Mönchengladbach, NZV 2006,159).

2. Derartige tatsächliche Umstände sind gegeben. Einer verständigen Partei ist es nicht zuzumuten, sich von einem Sachverständigen begutachten zu lassen, der sich selbst für befangen hält, ohne hierfür triftige Gründe zu nennen. Der von dem Sachverständigen geschilderte Geschehensablauf und die hieraus von ihm gezogenen Konsequenzen sind bei objektiver Betrachtung nicht nachvollziehbar. Persönliche Vorbehalte gegen den Kläger, die der Sachverständige offen anspricht, werden hieraus jedenfalls nicht verständlich.

II. Dem Sachverständigen Dr. … steht kein Vergütungsanspruch zu.

1. Gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG n.F. erhält der Sachverständige seine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen. Soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, gilt sie als verwertbar (§ 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG n.F.).

Sachverständigenvergütung nach "Selbstablehnung" des Gutachters
Symbolfoto: smolaw/Bigstock

Insoweit ist unerheblich, dass die Regelung für die erste Beauftragung – nicht aber für den Auftrag zur ergänzenden Begutachtung – nach § 24 JVEG noch nicht anwendbar ist, da der Auftrag an den Sachverständigen vor dem 1. August 2013 erteilt wurde. In der Zeit davor bestand zwar keine entsprechende gesetzliche Regelung; nach der herrschenden Rechtsprechung führt aber die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit des Gutachtens bei nach der Übernahme des Gutachterauftrages entstandenen Ablehnungsgründen gleichfalls zum Verlust der Vergütung, wenn beim Sachverständigen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorlagen (OLG Stuttgart, MDR 2014, 1346 m.w.N.; OLG Karlsruhe, BauR 2012, 303; OLG Rostock JurBüro 2013, 651; OLG Stuttgart, BauR 2010, 1111). Grob fahrlässiges Handeln liegt dann vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 277 BGB, Rdnr. 5 m.w.N.).

2. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen gegeben. Der Sachverständige ist von der Kammer mit einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt worden, deren Erstattung er unter Hinweis auf seine eigene Befangenheit gegenüber dem Kläger verweigert hat. Hierfür sind keine objektiven Grundlagen ersichtlich. Es ist gerade Aufgabe eines Sachverständigen sich mit kritischen – hier aber keineswegs unsachlich vorgetragenen – Einwänden auseinanderzusetzen. Die Beanstandungen des Klägers konnten dem Sachverständigen also keineswegs persönliche Vorbehalte eröffnen, wie er sie in seiner Selbstablehnung anführt. Überdies sollte sich der Sachverständige nicht nur zu Einwendungen des Klägers, sondern auch zu konkreten Fragen der Kammer gemäß Beschluss vom 20. August 2015 äußern. Die persönlichen Vorbehalte werden durch den Sachverständigen auch in keiner Weise dargestellt, vielmehr erklärt der Sachverständige lediglich, die klägerischen Behauptungen seien nicht nachvollziehbar und er habe bereits eine ergänzende Stellungnahme hierzu abgegeben. Inwieweit sich hieraus Gründe ergeben sollen, die für den Sachverständigen eine weitere Begutachtung aus Gründen der Befangenheit nicht ermöglichen, erschließt sich nicht ansatzweise. Auch soweit der Umstand, dass der Kläger zwei Einladungen des Sachverständigen nicht gefolgt sei, als zutreffend unterstellt wird, ergibt sich hieraus kein Anlass, der es nachvollziehbar erscheinen lässt, dass der Sachverständige sich zu einer objektiven Begutachtung nicht mehr in der Lage sieht. Die Gerichtsakte wurde vielmehr durch den Sachverständigen erst nach Androhung eines Ordnungsgeldes durch die Kammer mit einem unergiebigen Schreiben zurückgesandt, welches nur den Schluss zulässt, dass der Sachverständige sich mit der Akte nicht erneut befassen will. Hierin liegt ein besonders schwerwiegendes Außerachtlassen der von einem Sachverständigen zu erwartenden Sorgfalt. Es muss jedem gerichtlichen Sachverständigen unmittelbar einleuchten, dass die Grenzen dessen, was eine Partei als gerade noch angemessen hinnehmen muss, hier klar überschritten sind. Angesicht der begründeten Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit aufgrund dieses nicht nachvollziehbaren Verhaltens des Sachverständigen, ist seine erbrachte Gutachterleistung nicht verwertbar. Es besteht daher kein Vergütungsanspruch und erbrachte Leistungen sind zurückzugewähren.

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