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Sachverständigenvergütung – persönliche Erstellung des Gutachtens

Oberlandesgericht Bremen

Az: 3 W 36/07

Beschluss vom 19.05.2008


In Sachen hat der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen am 19.05.2008 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 17.07.2007 wird festgestellt, dass weder dem Sachverständigen Prof. Dr. W. noch dem Oberarzt PD Dr. F. ein Anspruch auf Vergütung für das Gutachten vom 22.05.2003 zusteht.

G r ü n d e

I.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass näher benannte Kosten eines Sachverständigengutachtens von ihr zu tragen sind.

Die Klägerin begehrte im vorliegenden Rechtsstreit immateriellen und materiellen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 04.04.1986 in B. ereignete. Das Landgericht Bremen hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Im Rahmen der Beweisaufnahme ist durch Beschluss des Landgerichts vom 14.04.2003 Prof. Dr. W., Medizinische Hochschule H., zum medizinischen Sachverständigen zur Beantwortung der im Beweisbeschluss vom 20.02.2003 gestellten Fragen bestellt worden.

Die medizinische Untersuchung der Klägerin ist am 13.05.2003 von dem Oberarzt PD Dr. F. durchgeführt worden. Die Klägerin widersprach einer Untersuchung durch Dr. F. mit Anwaltsschriftsatz vom 30.04.2003 und wies darauf hin, dass der Sachverständige das Gutachten persönlich erstellen müsse. Dieses Schreiben wurde dem Sachverständigen mit Verfügung des Gerichts vom 06.05.2003, die am 12.05.2003 ausgeführt wurde, gesandt. In der Verfügung wurde darauf hingewiesen, dass die Kammer davon ausgehe, dass der vom Gericht bestellte Sachverständige die notwendigen Untersuchungen durchführen und das Gutachten erstellen werde.

Die Medizinische Hochschule H. wies mit Schreiben vom 16.05.2003, vorab per Fax, darauf hin, dass sie das gerichtliche Schreiben am 14.05.2003 erhalten habe. Der Oberarzt Dr. F. habe die Untersuchung der Klägerin bereits am 13.05.2003 durchgeführt. Weil der Sachverständige persönlich keine Gutachten erstelle, sei der Auftrag an Dr. F. weitergeleitet worden. Es wurde um die Genehmigung gebeten, Dr. F. als Sachverständigen zu akzeptieren.

Am 04.06.2003 ging das von Dr. F. gefertigte schriftliche Gutachten vom 22.05.2003 beim Landgericht ein. Unter dem Zusatz „Mit Form und Inhalt einverstanden“ war es vom Sachverständigen abgezeichnet worden. Beigefügt war eine Rechnung vom 30.05.2003 über EUR 617,48.

Zur mündlichen Verhandlung am 15.01.2005 wurde der Sachverständige geladen. Daraufhin teilte sein Sekretariat mit, dass der Sachverständige „seit Jahren“ keine Gutachten mehr erstatte und deshalb zu dem Termin nicht kommen werde. Mit Schreiben vom 28.10.2003 bestätigte der Sachverständige, dass er sich inhaltlich nicht in der Lage sehe, das Gutachten vom 22.05.2003 vor Gericht zu vertreten und empfahl, an seiner Stelle Dr. F. anzuhören.

Mit Beschluss des Landgerichts vom 21.11.2003 wurde die Bestellung des Sachverständigen zurückgenommen und ein neuer Sachverständiger bestellt, der auch ein Gutachten erstellte.

Beide Parteien beantragten bereits 2003 festzustellen, dass Prof. Dr. W. kein Vergütungsanspruch zustehe. Mit Anwaltsschreiben vom 27.10.2005 erweiterte die Klägerin diesen Antrag dahingehend, dass auch Dr. F. für das Gutachten vom 22.05.2003 keine Vergütung erhalten dürfe. Das Landgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 17.07.2007 zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin 14.08.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts beruht die Unverwertbarkeit des Gutachtens vom 22.05.2003 auf grober Fahrlässigkeit des Sachverständigen.

Ob ein gerichtlich bestellter Sachverständiger seinen Vergütungsanspruch nur dann verliert, wenn das Gutachten, wie das Landgericht meint, auf Grund mindestens grober Fahrlässigkeit des Gutachters unverwertbar ist (vgl. Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 413, Rn. 2 m.w.N.) oder sich der Maßstab der groben Fahrlässigkeit nur auf inhaltliche Mängel des Gutachtens bezieht, für jede Form des Übernahmeverschuldens aber bereits leichte Fahrlässigkeit ausreicht (vgl. Zöller/Greger, 28. Aufl., § 413 Rn. 4 m.w.N.) kann im Ergebnis offen bleiben, denn der Sachverständige hat hier grob fahrlässig die Unverwertbarkeit des Gutachtens herbeigeführt.

Nach § 404 Abs. 1 ZPO erfolgt u.a. die Auswahl des Sachverständigen durch das Prozessgericht. Der vom Gericht ausgewählte und persönlich beauftragte Sachverständige hat das Gutachten selbst und eigenverantwortlich zu erstatten. Eine Vertretung in der Ausarbeitung des Gutachtens ist ausgeschlossen (Zöller/Greger, a.a.O., § 404 Rn. 1a). Das bedeutet zwar nicht, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens nicht auch Gehilfen heranziehen darf. Deren Dienste dürfen aber ausschließlich unterstützende Funktion nach Weisung und unter Aufsicht des Sachverständigen haben, denn die Gesamtverantwortlichkeit sowie die wissenschaftliche Auswertung der Arbeitsergebnisse obliegen dem Sachverständigen persönlich (Zöller/Greger, a.a.O.).

Diesen Pflichten ist der Sachverständige hier nicht nachgekommen. Obwohl der Gutachtenauftrag an ihn persönlich gerichtet war und er das Gutachten als „mit Form und Inhalt einverstanden“ abgezeichnet hat, ist aus der Reaktion auf seine Ladung zur mündlichen Verhandlung deutlich geworden, dass er sich nicht in der Lage sah das Gutachten zu verteidigen, er also die wissenschaftliche Auswertung der Arbeitsergebnisse nicht selbst vorgenommen hat. Aus diesem Grunde hat das Landgericht das Gutachten zu Recht als nicht verwertbar angesehen und die Bestellung des Sachverständigen durch Beschluss vom 21.11.2003 zurückgenommen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die sich daraus ergebende Unverwertbarkeit des Gutachtens aber auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Sachverständigen zurückzuführen. Zwar ist in dem an den Sachverständigen gesandten Merkblatt nicht ausdrücklich vermerkt, dass er den Auftrag nicht auf andere Personen übertragen darf. Aus dem Verfahrensgang, dass nämlich zunächst die Klinik um die Benennung eines geeigneten Sachverständigen ersucht wurde, bevor der Gutachtenauftrag an den Sachverständigen persönlich durch Beschluss vom 14.04.2003 erteilt wurde und dem Umstand, dass in Ziff. 2 des übersandten Merkblattes ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass für eine Gutachtertätigkeit ohne Auftrag des Gerichts eine Vergütung nicht gezahlt wird, hätte der Sachverständige unschwer erkennen müssen, dass eine Erstellung des Gutachtens durch eine andere Person nicht vom Gutachtenauftrag des Gerichts erfasst war. Er hätte deshalb vorab den Gutachtenauftrag ablehnen bzw. den von ihm herangezogenen Oberarzt statt seiner dem Gericht als Sachverständigen vorschlagen müssen. Dass er gleichwohl das Gutachten von seinem Oberarzt in dessen eigener wissenschaftlicher Verantwortung erstellen ließ, stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Gutachtenauftrags dar, die zum Verlust des in § 413 ZPO statuierten Vergütungsanspruchs führt.

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