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Sachverständigenhonorar – Zahlungspflicht der Haftpflichtversicherung

AMTSGERICHT SIEGEN

Az.: 11 C 149/04

Urteil vom 02.07.2005


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Siegen im schriftlichen Verfahren gem. § 128 II ZPO mit Erklärungsfrist bis zum 2. Juli 2004 für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von dem sich auf 864,20 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszins seit dem 19.01.2004 belaufenden Zahlungsanspruch des Sachverständigen … aus dem zwischen diesem und dem Kläger geschlossenen Gutachterauftrag vom 23.12.2003 Zug um Zug gegen Abtretung der ihm aus diesem Gutachterauftrag zustehenden Ansprüche freizustellen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Vertrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger erlitt am 22.12.2003 einen Verkehrsunfall, der ausschließlich durch den Unfallgegner … verursacht worden war. Das von diesem geführte Fahrzeug war zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversichert. Der Kläger ließ den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden durch den KFZ-Sachverständigen … aus begutachten. Dieser ermittelte in seinem Gutachten vom 23.12.2003, dass es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelte, weil die Reparaturkosten die Differenz zwischen Wiederbeschaffungs- und Restwert überstiegen (Bl. 7-17 d. A.). Der Sachverständige stellte für seine Tätigkeit unter dem 23.12.2003 einen Gesamtbetrag von 864,20 € brutto in Rechnung (Bl. 18). Dabei legte er ein nach der Schadenhöhe ermitteltes Grundhonorar von 635,- € netto zugrunde und berechnete darüber hinaus jeweils netto: Fahrtkosten von 0,80 € je km für insges. 10 km sowie 40,80 € für einen Satz von 17 Fotos, 34,- € für einen weiteren Fotosatz, 18,- € Schreibkosten und 9,20 € Porto- und Telefonkosten. Mit schriftlicher Abtretungserklärung vom 23.12.2003 trat der Kläger seine sich aus dem Unfallereignis ergebenden Schadensersatzansprüche in Höhe der Gutachterkosten sicherungshalber an den Sachverständigen ab (Bl. 59), sollte dabei jedoch selbst für Geltendmachung und Durchsetzung seiner Rechte zuständig bleiben. Die Angemessenheit der Sachverständigenrechnung ist zwischen den Parteien im Streit.

Die Beklagte glich den gesamten vom Kläger geltend gemachten Schaden mit Ausnahme der Sachverständigenrechnung über 864,20 € aus. Mit Schreiben an den Sachverständigen vom 19.01.2004 lehnte sie die Bezahlung seiner Rechnung ab (Bl. 19). Mit Anwaltsschreiben vom 10.02.2004 forderte der Kläger sie auf, auch die Kosten für das Gutachten sowie eine Kostenpauschale von 25,- € bis zum 16.02.2004 zu zahlen (Bl. 20). Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2004, den Betrag von 25,- € zu zahlen und verwies im übrigen wegen der Sachverständigenkosten auf ein Schreiben an das Büro … vom 10.02.2004, in dem dieses aufgefordert wurde, seine Honorarabrechnung nach Zeit- und Kostenaufwand aufzuschlüsseln (Bl. 22).

Der Kläger ist der Ansicht:

Die Beklagte sei zur Freistellung von den Sachverständigenkosten Zug um Zug gegen Abtretung der ihm gegen den Sachverständigen zustehenden Ansprüche verpflichtet. Das berechnete Honorar sei angemessen. Im übrigen sei es im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger unerheblich, ob die Sachverständigenkosten prüfbar und angemessen seien.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn von dem sich auf 864,20 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszins seit dem 19.01.2004 belaufenden Zahlungsanspruch des Sachverständigen … aus dem zwischen diesem und dem Kläger geschlossenen Gutachterauftrag vom 23.12.2003 Zug um Zug gegen Abtretung der ihm aus diesem Gutachterauftrag zustehenden Ansprüche freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht:

Sie sei lediglich verpflichtet, den Kläger von angemessenen, üblichen, dem billigen Ermessen entsprechenden Werklohnforderungen des Sachverständigen freizustellen. Die Gutachterrechnung des Sachverständigen … sei aber überhöht und entspreche nicht billigem Ermessen. Die Geltendmachung eines pauschalen Grundhonorars nach der Schadenhöhe sei unzureichend. Auch die Nebenkosten seien nicht hinreichend erklärt oder nachgewiesen.

Das Gericht hat im Einverständnis der Parteien mit Beschluss vom 18.06.2004 die Fortsetzung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren angeordnet und eine Schriftsatzfrist bis zum 02.07.2004 gesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist gem. §§ 7 StVG, 3 PflVersG in Verbindung mit § 257 BGB verpflichtet, den Kläger von den Ansprüchen des Sachverständigen … wegen der Begutachtung des durch das bei der Beklagten versicherte KFZ verursachten Schadens in Höhe des in der Gutachterrechnung vom 23.12.2004 ausgewiesenen Betrags zu befreien.

Unstreitig hat der Kläger den Rechnungsbetrag bislang nicht gezahlt und seine Forderungen gegen die Beklagte sicherungshalber an den Sachverständigen abgetreten. Er kann jedoch den Befreiungsanspruch geltend machen, weil er weiterhin im Verhältnis zum Sachverständigen für die Erfüllung des Honoraranspruchs haftet und zur Geltendmachung und Durchsetzung der Ansprüche aus dem Verkehrsunfall ermächtigt ist.

Der Befreiungsanspruch besteht gem. § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung seiner aus dem mit dem Gutachter geschlossenen Werkvertrag resultierenden Rechte aus §§ 315 III, 812 l S. 1, 1. Alt. BGB an die Beklagte (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 249 Rn. 40). Dem hat aber der Kläger bereits mit der Formulierung seines Klageantrags Rechnung getragen.

Dem Kläger steht im Verhältnis zum Schädiger der Befreiungsanspruch in voller Höhe zu. Dieser ist gerade durch die Abtretung der Rechte gem. § 255 BGB vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme geschützt. Es ist nicht unbillig ihm, insbesondere wenn es sich um einen Haftpflichtversicherer handelt, das Risiko der erfolgreichen Durchsetzung der entsprechenden Ansprüche zuzuweisen. Grundsätzlich erfasst der Schadensersatzanspruch gem. § 249 I BGB auch Rechtsverfolgungskosten, zu denen auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens dienen, wenn dieses für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig ist (BGH, NJW 1974, 35; Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Das ist bei Verkehrsunfällen anerkanntermaßen der Fall. Der Schädiger und der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer haben daher grundsätzlich zunächst den vollen Betrag zu ersetzen bzw. in der vollen Höhe freizustellen. Nur wenn dem Geschädigten ein Verstoß gegen die von Amts wegen zu prüfende Schadensminderungspflicht aus § 254 II BGB vorzuwerfen ist, würde dies den Ersatz- bzw. Befreiungsanspruch insoweit mindern. Ein Ersatzanspruch des Geschädigten könnte wegen der Schadensminderungspflicht der Höhe nach auf notwendige und angemessene Gutachterkosten beschränkt sein, weil er sich vor Auftragserteilung an einen Gutachter nach dessen Preisvorstellungen erkundigen und sich im Vergleich bei anerkannten Prüferverbänden wie DEKRA und TÜV erkundigen kann (so AG Hagen, NZV 2003, 144). Das ist jedoch unzutreffend, da dies überobligationsmäßige Leistungen des Geschädigten erfordern würde. Die Auswahl des Sachverständigen kann nicht ausschließlich aufgrund der beabsichtigten Art und Höhe der Abrechnung, sondern sollte auch auf räumlicher Nähe zum Besichtigungsort, fachlicher Qualifikation und Reputation sowie zeitlicher Verfügbarkeit beruhen. All diese Kriterien beeinflussen maßgeblich die Beurteilung, ob Begutachtungskosten durch einen Sachverständigen notwendig und angemessen sind. Hiervon geht unter anderem auch das ZSEG aus, welches für die Vergütung von Sachverständigen lediglich einen Rahmen vorgibt. Es ist alltägliche Praxis der Gerichte, erfahrungsgemäß überdurchschnittlich qualifizierten und sorgfältig arbeitenden Sachverständigen einen höheren Stundensatz zuzubilligen als anderen. Derartige Abwägungen können aber dem Geschädigten in der konkreten Schadenssituation nicht zugemutet werden. Ihm fehlen regelmäßig sowohl die fachlichen Kenntnisse als auch die notwendigen Mittel der Informationsbeschaffung, um im voraus abschätzen zu können, ob die vom jeweiligen Sachverständigen abgegebene Kostenschätzung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Kriterien angemessen sein kann (vgl. I.E. ebenso: Hörl, NZV 2003, 305 ff).

Daher war der Kläger in der konkreten Schadenssituation nicht verpflichtet, sich über die Abrechnungsweise des am Ort ansässigen Sachverständigen zu vergewissern und daraufhin andere geeignete Sachverständige zu kontaktieren, um ggf. die unterschiedliche Abrechnungsmethode und die sich daraus ergebenden Unterschiede wertend zu vergleichen.

Insofern sind die Ausführungen des BGH zu Mietwagenkosten im Unfallersatztarif grundsätzlich entsprechend anzuwenden (BGH NJW 1996, 1958, 1959), auch wenn diese im Hinblick auf die Mietwagenkosten selbst nicht überzeugen, denn Sachverständigenkosten sind – anders als Mietwagenpreise – aus den dargelegten Gründen nicht ohne weiteres objektiv vergleichbar. Die zu erwartenden Kosten für die Begutachtung hängen, von den genannten Kriterien abgesehen, entscheidend vom konkreten Schadensumfang ab. Es würde einen unangemessenen und unzumutbaren Aufwand erfordern, mehreren Gutachtern das beschädigte – im äußersten Fall nicht fahrbereite – KFZ vorzuführen, nur damit diese eine hinreichend begründete Schätzung der für die Begutachtung anfallenden Kosten abgeben können.

Ein anspruchsmindernder Verstoß gegen § 254 II ZPO läge nur vor, wenn dem Kläger vor Auftragserteilung erkennbar war oder bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt hätte erkennbar sein müssen, dass der von ihm ausgewählte Gutachter in unangemessener Weise abrechnen würde. Das ist hier nicht der Fall. Dementsprechend ist der überwiegenden Rechtsprechung zu folgen, wonach es für den Ersatzanspruch aus § 249 BGB unerheblich ist, wenn die Kosten des Gutachtens übersetzt sind (LG Köln, NZV 1999, 88; Palandt/Heinrichs, a.a.O.).

Die Beklagte ist darauf zu verweisen die auf sie übergehenden Ansprüche gegenüber dem Sachverständigen … geltend zu machen, soweit sie dessen Honorarforderung für übersetzt hält. Dem Kläger kann sie dies nicht entgegenhalten.

Der unbestrittene Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 I, 286 11 Nr. 3 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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