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Sachverständiger – Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken

Az.: 5 W 430/12

Beschluss vom 18.12.2012


Ablehnung eines Sachverständigen bei Verletzung von § 357 ZPO zum Nachteil einer Partei.

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.11.2012 wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 23.11.2012 – Az.: 15 O 253/11 – abgeändert und das Gesuch der Beklagten auf Ablehnung des Sachverständigen …. vom 05.11.2012 für begründet erklärt.

2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Mangelhaftigkeit der vom Kläger bei der Beklagten erworbenen Fliesen.

Mit Beschluss vom 14.04.2011 – 24 H 12/11 – hat das Amtsgericht Saarlouis den Sachverständigen …..mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 30.05.2011 erstattet hat.

Nach Klageerhebung in vorliegender Sache hat das Landgericht Saarbrücken durch Verfügung vom 18.07.2012 Termin bestimmt zur mündlichen Erläuterung des Sachverständigengutachtens und dem Sachverständigen….. aufgegeben, die Fliesen nochmals beim Kläger in Augenschein zu nehmen, nachdem zwischenzeitlich Reinigungsversuche durchgeführt worden waren. Im Termin vom 05.11.2012 erklärte der Sachverständige, dass er sich die Fliesen im Haus des Klägers vor dem Termin angesehen habe. Davon hatte der Sachverständige weder die Beklagte noch die Prozessbevollmächtigten beider Parteien unterrichtet. Die Beklagte lehnte daraufhin noch im Termin am 05.11.2012 den Sachverständigen …. wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Der Sachverständige hat erklärt, er habe die Inaugenscheinnahme gemäß Verfügung vom 18.07.2012 nicht als „offiziellen“ Ortstermin angesehen.

Das Landgericht hat den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 23.11.2012 – 15 O 253/11 (Bl. 141 d.A.) zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.11.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 04.12.2012 (Bl. 154 d.A.) nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 406 Abs. 5 ZPO statthaft und innerhalb der Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt. Sie ist auch begründet, weil die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß §§ 406 Abs. 1, Abs. 3, 42 ZPO erfüllt sind.

Der Senat hatte durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung vom Einzelrichter erlassen wurde.

(1.)

Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Gemäß § 42 ZPO genügt es, dass objektive Umstände gegeben sind, aufgrund deren vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung besteht, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (BGH, Urt. v. 15.04.1975 – X ZR 52/75 – NJW 1975, 1363; BGH, Beschl. v. 23.10.2007 – X ZR 100/05 – GRUR 2008, 191). Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hegt oder ob dieser tatsächlich parteiisch ist oder sich nach Lage der Dinge zumindest darüber hätte bewusst sein können, dass sein Verhalten geeignet sein könnte, Zweifel an seiner Neutralität aufkommen zu lassen. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der – nicht auf rein subjektiven oder unvernünftigen Vorstellungen beruhende – Anschein einer Voreingenommenheit besteht (BGH, Beschl. v. 23.10.2007 – X ZR 100/05 – GRUR 2008, 191).

Letzteres ist der Fall, weil der Sachverständige Dr. K. bei der Inaugenscheinnahme der Fliesen nach dem Reinigungsversuch vor der Gutachtenerläuterung im Termin vom 05.11.2012 den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit gemäß § 357 ZPO zum Nachteil der Beklagten verletzt hat.

Führt ein Sachverständiger zur Vorbereitung seines Gutachtens eine Orts- und Sachbesichtigung in Anwesenheit nur einer der Parteien durch, ohne die andere zu benachrichtigen und ihr Gelegenheit zur Teilnahme zu geben, so lässt ihn dies nach herrschender Meinung als befangen erscheinen (BGH, Beschl. v. 15.04.1975 – X ZR 52/75 – NJW 1975, 1363; OLG Karlsruhe MDR 2010, 1148; OLG Saarbrücken, MDR 2007, 1279; OLG Bremen OLGR 2009, 700; OLG Frankfurt OLGR 2009, 573). Dies rechtfertigt sich aus dem Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit, weil sich der Sachverständige der einseitigen Einflussnahme einer Partei aussetzt. Eine verständige Partei darf in der Folge mutmaßen, dass hierbei auch ein – für sie nach Inhalt und Umfang nicht zu überblickender – Informations- und Meinungsaustausch über das streitige Rechtsverhältnis stattgefunden hat. Dies ist aus Sicht eines unbefangenen Dritten geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen (Senat, Beschl. v. 28.07.2004 – 5 W 88/04 – OLGR Saarbrücken 2004, 612; Beschl. v. 27.04.2007 – 5 W 104/07 – OLGR Saarbrücken 2007, 636). Deshalb ist es grundsätzlich unerheblich, ob die fehlende Unterrichtung der abwesenden Partei über den Ortstermin auf einem Versehen beruhte und ob es zu einer Einflussnahme der anwesenden Partei tatsächlich gekommen ist (OLG Saarbrücken MDR 2007, 1279; OLG Bremen OLGR 2009, 700; OLG Karlsruhe MDR 2010, 1148). Vielmehr müssen sich die Parteien darauf verlassen können, dass der Sachverständige in seinem Ergebnis noch nicht festgelegt ist, solange die Parteien ihr Fragerecht noch nicht ausgeübt haben und die Begutachtung nicht abgeschlossen ist (OLG Bremen OLGR 2009, 700; OLG Saarbrücken, MDR 2007, 1279). Auch die Möglichkeit, die anlässlich des Ortstermins getroffenen Feststellungen zu wiederholen, vermag das dann begründete Misstrauen der benachteiligten Partei nicht auszuräumen (BGH, Beschl. v. 15.04.1975 – X ZR 52/75 – NJW 1975, 1363). Das gilt selbst dann, wenn der Sachverständige das beanstandete Geschehen nachträglich aus freien Stücken anlässlich der Erläuterung seines Gutachtens offen gelegt hat. Da sich die Besorgnis der Befangenheit neben der zu befürchtenden Festlegung hinsichtlich des Ergebnisses der Begutachtung gerade aus dem – von dem Beklagten in seiner Dimension nicht einzuschätzenden – Austausch des Sachverständigen mit der gegnerischen Partei ergibt, lassen sich die begründeten Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen, der diese Situation veranlasst hat, nicht mehr beseitigen (Senat, Beschl. v. 02.06.2009 – 5 W 165/09-58).

Aus diesen Gründen ist es nicht entscheidend, dass objektiv lediglich eine Fehleinschätzung des Sachverständigen Dr. K. vorgelegen haben mag und es zu keiner Einflussnahme des Klägers gekommen sein mag. Entscheidend ist, dass es nach § 357 ZPO keinen Unterschied zwischen einem „offiziellen“ und einem „inoffiziellen“ Ortstermin gibt, und auch lediglich vorbereitende Feststellungen des Sachverständigen zu seiner Information entweder unter Ausschluss beider Parteien (siehe dazu OLG Nürnberg MDR 2007, 237) oder unter Einbeziehung beider Parteien hätten stattfinden müssen (Greger in: Zöller, ZPO, 29.Aufl., § 402 Rn. 5a). Mag ein solches Missverständnis des Sachverständigen aufgrund der richterlichen Anordnung in der Ladungsverfügung seiner Vergütungspflicht mangels groben Verschuldens nicht entgegenstehen (siehe dazu allgemein: OLG Koblenz MDR 2004, 831), ändert dies nichts an der Besorgnis der Befangenheit aus Sicht der Beklagten.

Der Entscheidung des Senats vom 16.08.2011 – 5 W 189/11-81 – MDR 2011, 1315 kann nichts Gegenteiliges entnommen werden. Dort ging es um einen Sonderfall, in dem der Sachverständige die Prozessbevollmächtigten in einer Eilsituation kurzfristig telefonisch vom Ortstermin unterrichtet hatte und davon ausgehen konnte, dass die nicht anwesende Partei kein Interesse an einer Teilnahme hatte.

Auch in der Entscheidung des OLG Celle (OLGR 2009, 448) wurde eine Befangenheit des Sachverständigen trotz Ortstermins in Anwesenheit nur einer Partei nur deswegen verneint, weil der Sachverständige der Meinung sein konnte, seine Ladung habe auch die andere Partei erreicht und diese sei aus Desinteresse nicht erschienen.

(2.)

Da das Ablehnungsgesuch Erfolg hat, bedarf es keiner gesonderten Kostenentscheidung; seine Kosten sind vielmehr Teil der Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist auf 1/3 des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen (BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03 – AGS 2004, 159; Senat, Beschl. v. 27.04.2007 – 5 W 104/07 – OLGR Saarbrücken 2007, 636).

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