Oberlandesgericht Brandenburg
Az: 11 W 3/10
Beschluss vom 15.11.2010
In dem Rechtsstreit hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 15. November 2010 b e s c h l o s s e n :
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam (5 O 2/08) vom 9. Februar 2010 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 15. März 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadenersatz wegen Verletzung und Tötung eines ihr ehemals gehörenden Pferdes in Anspruch.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.10.2008 die Beweiserhebung mittels eines schriftlichen Gutachtens der später namentlich bestellten Sachverständigen Dr. med…. angeordnet. Auf den Inhalt des Beweisbeschlusses wird wegen dessen Einzelheiten Bezug genommen.
Das Gutachten (Blatt 167 ff.) gelangte am 30.01.2009 zur Akte und wurde den Parteien, verbunden jeweils mit der Nachricht, es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme, zur Kenntnis gegeben.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2009, auf dessen Inhalt wegen weiterer Einzelheiten ebenso Bezug genommen wird wie auf die weiteren schriftsätzlichen Begründungen, ließ die Klägerin erklären, sie lehne die Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Sie hat das unter anderem damit begründet, der Beklagte zu 1.sei, was von der Sachverständigen nicht in Abrede gestellt wird, für diese in ihrer Eigenschaft als Halterin eines zur Auktion bestimmten Pferdes im Jahre 2008 als einer von vier Bereitern tätig gewesen, wobei die Sachverständige allerdings darauf hinweist, der Beklagte habe mit ihr nie in persönlichem Kontakt gestanden. Vielmehr sei dieser Beritt, ebenso wie die drei weiteren Beritte desselben Pferdes, von einem Sponsor, nämlich einer Firma …, organisiert worden. Dazu wird auf die schriftliche Äußerung der Sachverständigen vom 23.06.2009 verwiesen.
Außerdem, so die Klägerin, habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit einem E-Mail-Schreiben vom 25.03.2009 (Kopie Blatt 221), mithin nach Erstattung des Gutachtens in vorliegender Sache, die Sachverständige an einen Dritten empfohlen.
Die Beklagten treten – ebenso wie die Sachverständige – dem Vorwurf entgegen, es sei der Anschein eines zu Lasten der Klägerin parteilichen Verhaltens entstanden.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin mit Beschluss vom 09.02.2010 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Gründe geltend macht. Die Kammer hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es dem Senat mit Beschluss vom 15.03.2010 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 406 Abs. 5 ZPO, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel der Klägerin indessen ohne Erfolg. Das Landgericht hat das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes in Anwendung der §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO zu Recht abgelehnt.
Dabei hat die Kammer, wie ihre Ausführungen in dem Beschluss erkennen lassen, die rechtlichen Voraussetzungen zutreffend erkannt, unter denen eine vernünftige Partei Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bzw. eines Sachverständigen hegen darf. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird in diesem Zusammenhang zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Entgegen der mit der Beschwerdebegründung aufrecht erhaltenen Rechtsauffassung der Klägerin kann es bei der Feststellung der eine Ablehnung tragenden Tatsachen keine Rolle spielen, ob etwa eine Sachbehauptung der einen Prozesspartei mangels Bestreitens der anderen Partei, hier der Beklagten, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln ist. Vielmehr hat das Gericht das Verhalten des abgelehnten Sachverständigen in der Beweisaufnahme, seine sachlichen und persönlichen Voraussetzungen und seine hierzu einzuholenden und im vorliegenden Fall auch aktenkundigen Äußerungen zu würdigen. So ist es insbesondere undenkbar, dass die Beklagte durch Nichtbestreiten einer entsprechenden Behauptung der Klägerin eine in Wahrheit nicht vorhandene Verflechtung der Sachverständigen in eine Tätigkeit für den Haftpflichtversicherer der Beklagten oder ein ihm konzernverwandtes Unternehmen „unstreitig“ werden lässt und so einen Ablehnungsgrund schafft.
Die Sachverständige ihrerseits hat in ihrer schriftlichen Äußerung nachvollziehbar bekundet, es sei ihr jedenfalls nicht bekannt gewesen – und darauf allein kann es dem Sinn des Ablehnungsrechts nach überhaupt nur ankommen – für ein dem Konzern des Haftpflichtversicherers der Beklagten zuzurechnendes Unternehmen tätig gewesen zu sein. Nur aus einer etwaigen Kenntnis eines Sachverständigen von einer solchen Verbindung könnte, wenn im Einzelfall überhaupt, eine Tendenz zu parteiischem Gutachten abgeleitet werden.
Die Sachverständige hat keinen Ablehnungsgrund dadurch geschaffen, dass bereits im Jahre 2008 eines ihrer Pferde auf Veranlassung eines Sponsors unter anderem, das heißt neben drei weiteren Personen an ganz verschiedenen Orten, auch von dem Beklagten zu 1. beritten wurde. Die Darlegung der Sachverständigen, zwischen dem Beklagten und ihr habe nie ein persönlicher Kontakt bestanden, ist ohne Weiteres nachzuvollziehen. Die Klägerin ihrerseits wertet diese Erklärung als „Schutzbehauptung“ ab. Damit gelangt sie indessen nicht zu ihrem Verfahrensziel. Denn sie ist es, die konkrete Tatsachen vorzutragen hat, welche aus der Sicht einer vernünftigen Partei Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen nähren. Sie hätte daher vortragen müssen, dass und aus welchen Gründen im Einzelnen der Darstellung der Sachverständigen in diesem Punkt nicht gefolgt werden könne.
Schließlich ist auch die von dem Beklagtenvertreter mittels seines Schreibens vom 25.03.2009 an eine dritte Person gerichtete Empfehlung der Sachverständigen nicht geeignet, aus der Sicht der Klägerin die Besorgnis deren Befangenheit zu begründen. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil das Schreiben erst nach der Begutachtung im vorliegenden Rechtsstreit verfasst wurde, sich daher ohne die Kenntnis weiterer etwaiger Verbindungen zwischen der Sachverständigen einerseits und der Kanzlei des Beklagtenvertreters andererseits nichts für die Haltung der Sachverständigen bei Erstellung des Gutachtens ableiten lässt. Solche Umstände aber sind nicht bekannt und werden auch von der Klägerin nicht vorgebracht.
III. Die Reaktion der Klägerin auf das Gutachten lässt deutlich erkennen, dass sie dessen Inhalt – auch – aus Zweifeln an der Kompetenz der Sachverständigen infrage stellt. Diese Erwägungen aber sind im Verfahren über das Ablehnungsgesuch nach den §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO ohne rechtlichen Belang.
Der Senat erlaubt sich dennoch in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass die unter anderem von der Klägerin zum Anlass ihrer Gutachtenkritik genommene Bewertung der Anknüpfungstatsachen durch die Sachverständige deshalb in einzelnen Punkten als zumindest aus der Sicht der Klägerin angreifbar erscheinen mag, weil es das Landgericht versäumt hat, der Sachverständigen in der erforderlichen Klarheit mitzuteilen, von welchem Sachverhalt sie bei der Gutachtenerstellung auszugehen habe. Die bloße Anordnung der Anwesenheit eines Sachverständigen bei der Vernehmung mehrerer Zeugen vermag diese allein vom Gericht vorzunehmende Beweiswürdigung nicht zu ersetzen.