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Sachverständiger – Besorgnis der Befangenheit

Landgericht München I

Az: 13 T 18596/11

Beschluss vom 26.10.2011


In Sachen erlässt das Landgericht München 1-13. Zivilkammer- am 26.10.2011 folgenden Beschluss

I.

Die Ablehnung des Sachverständigen T… wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts München vom 2.8.11 für begründet erklärt.

II.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300,00 EUR festgesetzt.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe :

I.

Mit der sofortigen Beschwerde macht der Kläger die Befangenheit des Sachverständigen geltend.

Mit der Klage vom 13.7.09 begehrte der Kläger Schadenersatz, da zwei Münzen (5,00 DM . Schiller 1955 und 5,00 DM Fichte 1964), die er am 28.10.08 über Ebay vom Beklagten gekauft hat, nicht der Kaufangebotsbeschreibung entsprächen und mangelhaft seien.

Das Amtsgericht erhob Beweis durch Sachverständigengutachten des Sachverständigen für Numismatik…… aus….

Dieser führte in seinem Gutachten vom 10.2.11 aus, die Münze 5,00 DM Schiller entspreche noch den im Handel üblichen Maßstäben der Beschreibung „winzige Kratzer, fast Stempelglanz“. Die Münze 5,00 DM Fichte beschrieben mit „winzige feine Kratzer, Stempelglanz aus polierter Platte“ sei eine Normälprägung und nicht „polierte Platte“.

Der Kläger stellte mit Schriftsatz vom 14.3.11 Ergänzungsfragen. Diese beantwortete der Sachverständige am 12.4.11. Hierbei schrieb er: „Auch hier ist für mich nicht nach zu vollziehen, was der Kläger will. Wenn ich Aussagen zu wertbildenden Kriterien treffen soll, hat das zwingend Auswirkungen auf die Bewertung selbst. Ich kann einen zusammenhängenden Sachverhalt nicht in einzelne Aspekte zerlegen, weil dem Kläger ein solcher nicht ins Konzept zu passen scheint.“

Mit Schriftsatz vom 30.5.11 lehnte der Kläger den Sachverständigen als befangen ab. Er rügte, der Sachverständigen habe sich nicht zu den überreichten Lichtbildern geäußert, aus denen sich eine massive Vielzahl von Kratzern ergebe, und keine Stellung dazu genommen, ob die Münze gemäß Beweisbeschluss vom 3.11.09 Mängel aufweise.

Der Sachverständige sei in einem Rechtstreit des hiesigen Klägers vor dem Amtsgericht Freyung (Geschäftsnummer 4 C 153/08) ebenfalls als Sachverständiger bestellt. Dort schrieb er in einer Stellungnahme vom 29.4.11, er sei „nicht bereit, ohne erkennbare Notwendigkeit in einer absolut unwichtigen Bagatellsache über 1200 km zu fahren. Die nach dem JYG zu erwartende Entschädigung kompensiere dies keineswegs, selbst wenn sie, wie zu erwarten, ein Mehrfaches der Klageforderung ausmachen würde. Die Beantragung meiner Anhörung ist nichts anderes als ein persönlicher Racheakt gegen meine Person, da dem Kläger meine Gutachten – so auch in auch in anderen Prozessen – nichts ins Konzept passen.“

Die beklagte Partei beantragte, dass Ablehnungsgesuch zurückzuweisen.

In seiner Stellungnahme vom 5.7.11 verwahrte sich der Sachverständige gegen den Vorwurf der Befangenheit. Dieser sei umso unsinniger, als der Kläger selbst vortrage, dass die Beweisfragen jedenfalls teilweise in seinem Sinne beantwortet wurden.

Durch Beschluss vom 2.8.11. zugestellt am 8.8.11, wies das Amtsgericht München den Antrag des Klägers, den Sachverständigen … für befangen zu erklären, zurück. .

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18.8.11, eingegangen beim Amtsgericht München am 22.8.11 sofortige Beschwerde ein.

Das Amtsgericht München half der Beschwerde durch Beschluss vom 2.8.11 nicht ab.

Die gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 f. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1.

Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden, also wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 1 ZPO). Diese liegt vor, wenn der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet vorliegt, d.h. mindestens glaubhaft gemacht ist (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 32. Auflage, § 42, Rdnr. 9; BGH NJW – RR 10 493). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden daher aus. Bei einem Sachverständigen wurde die Besorgnis der ‚ Befangenheit z.B. bejaht, wenn der Sachverständige ohne Beantwortung der gestellten abstrakten Beweisfrage deren Entscheidungserheblichkeit mangels Schlüssigkeit verneint (Thomas/Putzo/Reichold ZPO, 32. Auflage, § 406, Rdnr. 2 unter Hinweis auf OLG Köln, NJW – RR 87,912); bei einer unsachlichen Reaktion auf angekündigte Kritik (Thomas/Putzo, § 406 Rdnr. 2 unter Hinweis auf OLG Zweibrücken NJW 98, 912); oder bei einer unsachlichen oder die Person der Partei herabsetzenden Stellungnahme (Thomas/Putzo, § 406 Rdnr. 2 unter Hinweis auf OLG Brandenburg MDR 09,288).

Keine Ablehnungsgründe wurden angenommen bei einer scharfen Reaktion, die durch massive Angriffe einer Partei gegen Leistung und Person des Gutachters provoziert wurde (Thomas/Putzo, § 406 ZPO, Rdnr. 3 mit weiteren Nachweisen).

2.

Nach diesen Kriterien besteht aus Sicht des Klägers die Besorgnis der Befangenheit.

Die vom Kläger vorgetragenen Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten sind sachlich und ohne massive Angriffe gegen die Leistung oder Person des Gutachters vorgetragen worden.

Die Zivilprozessordnung sieht vor, dass Ergänzungsfragen gestellt werden können (§ 411 , Abs. 4 ZPO). Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere (§ 411 Abs. 3 ZPO).

Die Beantwortung von Ergänzungsfragen, Stellungnahmen zu Einwendungen der Parteien oder das Erscheinen zu einem Gerichtstermin gehören somit zu den Pflichten eines Sachverständigen, die dieser übernimmt, wenn er sich als Gerichtsachverständiger beauftragen lässt.

Der Sachverständige hat mehrere unsachliche Äußerungen getätigt. So schrieb er, er könne einen zusammenhängenden Sachverhalt nicht in einzelne Aspekte zerlegen, weil dem Kläger „ein solcher nicht ins Konzept zu passen“ scheint. Vor dem Amtsgericht Freyung schrieb er die „Beantragung seiner Anhörung sei nichts anderes als“ persönlicher Racheakt gegen seine Person“, da dem Kläger seine Gutachten – so auch in anderen Prozessen, nicht ins Konzept passen.“ Diese Aussage des Sachverständigen ist unsachlich, da die Beantragung einer Anhörung wie dargelegt ein zivilprozessuales Recht des Klägers ist. Die Ausübung dieses Rechtes kann somit „Racheakt“ sein. Die Äußerung fuhrt zu dem Eindruck, dass sich der Sachverständige sosehr über die Kläger (und somit auch den Kläger des hiesigen Verfahrens) geärgert hat, dass er sich zu einer solchen sachlich nicht gebotenen Äußerung, die letztlich eine Unterstellung beinhaltet, hat hinreißen lassen. Die Äußerungen des Sachverständigen in dem Prozess vor dem Amtsgericht Freyung sind mit zu berücksichtigen. Denn der Kläger ist auch in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Freyung Kläger. Auch nach München hat der Sachverständige von S… aus eine beträchtliche Wegstrecke zurückzulegen. Auch im hiesigen Verfahren besteht die Möglichkeit, dass das Gericht noch das Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens anordnet. Ein entsprechender Antrag . wurde im Schriftsatz des Klägers vom 14.3.11 gestellt.

Darüber hinaus ist der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.4:11 der Aufforderung des Klägers im Schriftsatz vom 14.3.11 nicht nachgekommen, zu den vorgelegten Lichtbildern und den hierin dokumentierten typischen Umlauf- und Fehlbehandlungsspuren Stellung zu nehmen. Von daher besteht aus Sicht des Klägers die Befürchtung, der Sachverständige könnte sein Gutachten nicht objektiv und unparteiisch erstatten.

Diese Befürchtung wird auch nicht dadurch entkräftet, dass der Sachverständige eine Beweisfrage zugunsten des Klägers beantwortet hat. Denn das Sachverständigengutachten ist “ zum Teil nachteilig für den Kläger. Die Besorgnis „der Befangenheit wird deshalb hierdurch nicht ausgeräumt.

Der sofortigen Beschwerde war daher stattzugeben.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 300,00 EUR, also ein Drittel des . Hauptsachestreitwertes festgesetzt. Die Festsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen. Da es sich bei Sachverständigenablehnung nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt, findet eine Kostenerstattung nicht statt (Zöller/Vollkommer ZPO, 28. Auflage, § 46,Rdnr. 20 mit weiteren Nachweisen).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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