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Sachverständigenablehnung – Besorgnis der Parteilichkeit

Oberlandesgericht Karlsruhe

Az: 9 W 39/08

Beschluss vom 15.08.2008


In dem Rechtsstreit wegen Forderung

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vorn 14.5.2008 wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 5.5.2008 – Az. 5 O 164/07 D – abgeändert:

Das Ablehnungsgesuch des Klägers betreffend den Sachverständigen ### vom 28.03.2008 wird für begründet erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.350 € festgesetzt.

Gründe
I.
Der Sachverständige ### wurde mit Beschluss vom 6.11.2007 mit der Gutachtenserstattung in dieser Sache betraut. Am 28.12.2007 erstattete er sein Gutachten. Auf die klägerische Stellungnahme vom 14.2.2008 wurde er mit der Ergänzung des Gutachtens beauftragt.

Das Ergänzungsgutachten vom 11.3.2008 nimmt der Kläger zum Anlass, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Im Gesuch vom 28.3.2008 führt der Kläger zur Begründung an, der Sachverständige habe durch eine Vielzahl über den Gutachtensauftrag hinausgehender Wertungen und Anmerkungen zu erkennen gegeben, dass er ihm nicht unvoreingenommen gegenüberstehe. So habe er ihn durch die Formulierung „wiederholt und unzutreffend“ in Bezug auf seinen Tatsachenvortrag abqualifiziert. Seinen Vortrag habe er auch abqualifiziert, in dem er sich hinsichtlich einer klägerischen Aufzählung geäußert habe, „diese diene nur dazu, den vorhandenen kleinen Mangel der Unzulänglichkeit weiter unsinnig zu dramatisieren“. Durch die unsachliche Befassung mit der Fachrichtung des von ihm beauftragten Privatgutachters habe er gegen das Gebot der Unparteilichkeit verstoßen. Er habe ferner seine Unsachlichkeit gegenüber dem Kläger dadurch gezeigt, dass er Unzulänglichkeiten in dessen Vorgehen aufgegriffen und hierzu Rechtsfragen aufgeworfen habe; ihm ferner vorgehalten habe, auf ein Angebot des Beklagten nicht eingegangen zu sein, und die Einschaltung des Privatgutachters als nicht zwingend notwendig bezeichnet habe. Außerdem rügt er die persönlichen Angriffe gegen den Privatgutachter.

Der Sachverständige hat sich zum Gesuch vom 7.4.2008 geäußert. Die Beklagte ist dem Gesuch mit Schriftsatz vom 14.4.2008 entgegen getreten. Der Kläger hat dazu am 16.4.2008 Stellung genommen.

Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 5.5.2008 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Die inhaltlich und formal überzogene Ausdrucksweise bei der Kritik am Privatgutachter habe der Kläger hinzunehmen, da diese lediglich eine Reaktion auf die heftigen Attacken des Privatgutachters gewesen seien, der ihm seinerseits die Kompetenz auf seinem Fachgebiet abgesprochen habe. Deshalb hielten sich die Formulierungen des Sachverständigen, die nicht isoliert betrachtet werden dürften, noch in dem angemessenen Rahmen.

Der Kläger wendet mit seiner sofortigen Beschwerde vom 14.5.2008 dagegen ein, dass nicht der Privatgutachter sondern der Gerichtssachverständige die verbalen Attacken in das Verfahren eingeführt habe. Soweit der Privatgutachter in seiner Stellungnahme vom 12.2.2008 die ihm vorgehaltenen Formulierungen („völlig irrig“, „nicht nachvollziehbar“, „zu einfach abgehakt“, „unsinnig und unnötig“) verwandt habe, gehe diese Wortwahl auf die im Gutachten des Gerichtsachverständigen vom 28.12.2008 betriebene Art der Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten zurück. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 26.5.2008 zur klägerischen Beschwerde geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angegriffenen Beschlusses, der Gutachten und der vorgenannten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Es liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des vom Landgericht bestellten Sachverständigen ### zu rechtfertigen (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO).

Für die Besorgnis der Befangenheit genügt der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (BGH NJW 1995, 1363; Zöller-Greger ZPO 26. Aufl. § 406 Rn. 8). Daraus folgt unmittelbar, dass der Sachverständige, soweit es um seine Pflicht zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten geht, sich grundsätzlich an den gleichen Maßstäben messen lassen muss, wie sie für den Richter gelten. Ebenso wie der Richter muss der Sachverständige als sein Helfer alles vermeiden, was ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in seine Unabhängigkeit rechtfertigen könnte.

Legt man diesen Maßstab an das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 11.03.2008 an, hat der Sachverständige durch seine Wortwahl seine Pflicht zur Sachlichkeit verletzt und dabei den Anschein seiner Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger erweckt.

Zwar ist die Würdigung des Parteivortrags durch einen Sachverständigen im Gutachten keine Seltenheit und begründet für sich noch nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Nimmt der Sachverständige jedoch, obwohl er dazu in keiner Weise berufen ist, eine Würdigung des Parteivortrags und -verhaltens vor, die deutlich zu Lasten der Partei ausfällt, so ist dies auch unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes nicht hinnehmbar. So liegen die Dinge hier.

Der Sachverständige hat gegenüber dem Parteivorbringen des Klägers nicht die ihm gebotene Sachlichkeit eingehalten. Er hat im Ergänzungsgutachten zu der klägerischen Liste der nicht nur wartungsfreien Armaturen geäußert, die Aufzählung diene nur dazu den vorhandenen kleinen Mangel der Unzulänglichkeit weiter unsinnig zu dramatisieren. Damit unterstellt der Sachverständige dem Kläger sachfremde Motive („kleinen Mangel weiter zu dramatisieren“) und qualifiziert dessen Vorgehensweise herab („unsinnig“). Ferner steht es dem Sachverständigen nicht an, das klägerische Verhalten über den sachlich gebotenen Gegenstand der Begutachtung hinaus zu würdigen. Vor diesem Hintergrund kann der Kläger die sachlich nicht gebotene und vom Gutachtenszweck in keiner Weise gedeckte Äußerung des Sachverständigen – „Die reduzierte Zugänglichkeit hätte ohne weiteres auch von einem heizungstechnischen Laien formuliert und vorgetragen werden können. Die Bemühungen eines Sachverständigen (Anm.: gemeint ist der Privatgutachter) waren nicht zwingend notwendig.“ – nur als unberechtigte Kritik am seinem Verhalten auffassen. Beide Textstellen sind für sich und in der Gesamtschau in den Augen der ablehnenden Partei bei vernünftiger Abwägung geeignet, berechtigtes Misstrauen an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen.

Zwar mag im Einzelfall auch eine inhaltlich und formal überzogene Ausdrucksweise bei der Kritik eines Privatgutachtens und des Parteivorbringens durch einen gerichtlichen Sachverständigen für eine Partei hinzunehmen sein, etwa wenn der gerichtliche Sachverständige in unsachlicher oder gar persönlich herabsetzender Weise angegriffen wird, da ansonsten der Ablehnungsgrund von der Partei selbst provoziert werden könnte (Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rn. 9). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Klägervertreter hat mit der gebotenen Sachlichkeit formuliert und dem Sachverständigen keinen Anlass für die oben genannten, gegen den Kläger selbst gerichteten Äußerungen gegeben. Insoweit kann auch dahin stehen, ob die Art und Weise, in der der Sachverständige auf die Stellungnahme des Privatgutachters vom 12.2.2008 reagiert hat, noch hinnehmbar ist. Der Kläger weist allerdings in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass nicht der Privatgutachter sondern der Gerichtssachverständige die verbalen Attacken in das Verfahren eingeführt hat.

III.

Die Kostenentscheidung ist veranlasst, auch wenn die sofortige Beschwerde Erfolg hat (BGH NJW 2005, 2233; Kroppenberg NJW 2005, 3112; vgl. zum Meinungsstand vor der Entscheidung des BGH: N. Schneider MDR 2001, 133 f.). Sie beruht auf § 91 ZPO. Die Beklagte ist am Verfahren beteiligt; der Auffassung, es fehle am kontradiktorischen Charakter des Verfahrens, ist nicht zu folgen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht Kosten des Hauptsacheverfahrens. Es handelt es sich um keine anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 19 Abs.1 S. 2 Nr.3 RVG (vgl: Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe RVG 17.A. § 19 Rdnr. 51 ff.). Im Übrigen hat sich die Beklagte vorliegend aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt und zur Beschwerde mit Schriftsatz vom 26.5.2008 geäußert.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der Wert für das Beschwerdeverfahren in Bezug auf eine Sachverständigenablehnung mit einem Bruchteil (1/4) des Hauptsachestreitwerts.

Die Rechtsbeschwerde ist mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

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