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Saisonkennzeichen (verkleinertes): Kein Anspruch für Fahrer einer „Harley Davidson“

Verwaltungsgericht Koblenz

Az.: 4 K 1442/05.KO

Urteil vom 15.05.2006


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Zulassung eines Kraftfahrzeuges hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2006 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, über seinen Antrag auf Erteilung eines verkleinerten Saisonkennzeichens für sein Motorrad erneut zu entscheiden.

Er ist Eigentümer und Halter eines Kraftrades der Marke Harley-Davidson, Modell „Road King“, Baujahr 1995 mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 151 km/h. Das Motorrad ist im Zuständigkeitsbereich der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen KH – … zugelassen. Ausweislich einer Eintragung im Kfz-Brief beträgt der maximale Platz für das hintere amtliche Kennzeichen ohne Änderungen 170 x 330 mm.

Am 15. März 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung eines verkleinerten Saisonkennzeichens für den Zeitraum März bis Oktober. Zur Begründung trug er vor, die früher zuständig gewesene Zulassungsstelle, das Landratsamt des Zollern-Albkreises, habe ihm am 17. Juli 1997 eine Ausnahmegenehmigung von den Vorschriften des § 60 StVZO für ein Kennzeichen in fetter Engschrift erteilt. Mit der Einführung von Saisonkennzeichen und der Verpflichtung zur Anbringung von EU-Kennzeichen sei der Platzbedarf für die Angaben auf dem Kennzeichen gestiegen. Heute sei die Anbringung der Kennzeichenkombination KH – … als EU- und Saisonkennzeichen an der Rückseite seines Motorrades wegen des aus dem Kfz-Brief ersichtlichen maximalen Platzes von 170 x 330 mm nur noch auf einem verkleinerten zweizeiligen Kennzeichen möglich. Gemäß § 70 StVZO könne ihm hierfür eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden.

Mit Bescheid vom 17. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Ausnahmegenehmigung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach den Anlagen V a und V b zur StVZO dürfe ein verkleinertes Kennzeichen nur für Leichtkrafträder mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 80 km/h erteilt werden. Dies werde durch den Erlass des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 31. Mai 1995 bestätigt, wonach für Motorräder der Marke Harley-Davidson keine Ausnahmegenehmigungen für verkleinerte Kennzeichen erteilt würden. Der Erlass wurde dem Bescheid in Kopie beigefügt. Sofern von früher zuständigen Zulassungsstellen Fehler bei der Kennzeichenzuteilung gemacht worden seien, bestehe kein Anspruch auf Fehlerwiederholung.

Mit Schreiben vom 1. April 2005 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch und machte zur Begründung geltend, der Umstand, dass nach der zwischenzeitlichen verbindlichen Einführung von EU-Kennzeichen ein Saisonkennzeichen in der maximalen Größe von 170 x 330 mm nicht mehr erteilt werden könne, laufe auf eine faktische Zwangsstilllegung seines Motorrades – ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 StVZO – hinaus. Sein Motorrad befinde sich im Originalzustand ohne bauliche Veränderungen. Die Versagung einer Ausnahmegenehmigung greife unzulässig in sein Eigentumsgrundsrecht gemäß Art. 14 GG ein. Auch nach dem Erlass vom 31. Mai 1995 sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren.

Mit Schreiben vom 14. April 2005 lehnte die Beklagte eine Abhilfeentscheidung ab.

Ein Widerspruchsbescheid ist bisher nicht ergangen.

Am 11. August 2005 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, mit der er sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines Widerspruchsvorbringens weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. März 2005 zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für ein verkleinertes Saisonkennzeichen (sog. Leichtkraftradkennzeichen) mit den maximalen Maßen 170 x 330 mm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuteilung eines zweizeiligen Leichtkraftradkennzeichens mit den Maßen 170 x 330 mm, weil dieses nach den §§ 23 Abs. 3, 60 Abs. 1 c StVZO i. V. m. der Anlage V b, Abschnitt 2.3 nur für Leichtkrafträder mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erteilt werden dürfe; das Motorrad des Klägers habe jedoch eine Höchstgeschwindigkeit von 151 km/h. Ferner ergebe sich aus der Anlage V a, Abschnitt 4, Absatz 5, auf den Abschnitt 4 der Anlage V b verweise, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs Veränderungen an seinem Kraftfahrzeug vornehmen müsse, sofern die Zulassungsstelle ihm kein amtliches Kennzeichen zuteilen könne, das an der am Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden könne, es sei denn, die Veränderungen erforderten einen unverhältnismäßigen Aufwand. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass Veränderungen am Krad des Klägers zur Anbringung vorschriftsmäßiger Kennzeichen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würden. Der Kläger lehne vielmehr jegliche Veränderungen an seinem Fahrzeug ab.  Auch bei einem Motorrad, dessen Hersteller seinen Sitz in den USA habe, seien die deutschen Zulassungsbestimmungen einzuhalten. Die Beklagte habe sich im Bescheid vom 17. März 2005 den Inhalt des Erlasses vom 31. Mai 1995 zu Eigen gemacht. Darin werde auf das Wiener Weltabkommen über den Straßenverkehr von 1968 Bezug genommen, wonach amtliche Kennzeichen so angebracht werden müssen, dass sie am Tage und bei klarem Wetter auf eine Mindestentfernung von 40 m lesbar seien. Für die Erkennbarkeit spiele die mögliche Geschwindigkeit eines Fahrzeugs eine erhebliche Rolle. Deshalb seien Leichtkraftradkennzeichen nur an bestimmten, geschwindigkeitsbegrenzten Fahrzeugen zulässig. Dem Kläger sei im Übrigen in mehreren persönlichen Gesprächen erläutert worden, dass er die Bestimmungen durch Anbringen einer einfachen Halterung ohne weiteres einhalten könne.

Das Gericht hat dem Kläger aufgegeben, im Einzelnen darzulegen und in geeigneter Weise zu belegen, welche Umbaumaßnahmen an seinem Motorrad für die Anbringung eines Saisonkennzeichens in normaler Größe erforderlich wären, welcher Kostenaufwand hierfür voraussichtlich entstehen würde und welchen Wert das Motorrad gegenwärtig hat.

Der Kläger hat hierzu mitgeteilt, nach seinen Erkundigungen würde der erforderliche Umbau etwa 400 € zzgl. MWSt. kosten. Umgebaut werden müssten die Gepäckvorrichtung oberhalb des Kennzeichens, die Gepäckhalterungen links und rechts sowie die Beleuchtungseinrichtungen unterhalb des Kennzeichens. Der Zeitwert seines Motorrades betrage etwa 5000 €.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte und aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 75 VwGO zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für ein verkleinertes Saisonkennzeichen für sein Motorrad erneut zu entscheiden. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers ohne Ermessenfehler abgelehnt.

Gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 der Straßenverkehrszulassungs-Ordnung – StVZO – können die zuständigen Obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen Ausnahmen genehmigen von allen Vorschriften dieser Verordnung in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller, es sei denn, dass die Auswirkungen sich nicht auf das Gebiet des Landes beschränken und eine einheitliche Entscheidung erforderlich ist. Vorliegend ist die Beklagte als große kreisangehörige Stadt nach Landesrecht für die Genehmigung von Ausnahmen von den Vorschriften über die Ausgestaltung und Anbringung der amtlichen Kennzeichen (§ 60 StVZO) zuständig. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 10 k) der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts vom 12.03.1987 (GVBl. Seite 46 – BRS 923-3 –).

Des Weiteren ist höchstrichterlich geklärt, dass § 70 Abs. 1 StVZO keine bloße Zuständigkeitsregelung ist, sondern auch eine materielle Ermächtigung zur Erteilung von Ausnahmen von den in den verschiedenen Ziffern des § 70 Abs. 1 angesprochene Vorschriften der Verordnung enthält (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.2005 – 3 C 3/04 –, NVwZ-RR 2005, Seite 711 f., m.w.N.). Die Erteilung einer gegebenenfalls erforderlichen Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO steht daher – vorbehaltlich der vorliegend nicht einschlägigen Einschränkungen des 2. Halbsatzes der Vorschrift – im Ermessen der zuständigen Landesbehörde (vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 07.12.1992 – 27 A 22.92 –, Juris Rdnr. 13).

Nach seinem Wortlaut enthält § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO zwar eine pauschale Ermessensermächtigung zur Genehmigung von Ausnahmen von allen nicht speziell in § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO angesprochenen Vorschriften der StVZO, die –abgesehen von der Einschränkung im 2. Halbsatz des § 70 Abs. 1 Nr. 2 – an keine weiteren einschränkenden Voraussetzungen gebunden ist. Die Vorschrift muss jedoch in ihrem jeweiligen systematischen Zusammenhang mit den Vorschriften der StVZO gesehen werden, von denen Ausnahmen genehmigt werden sollen. Soweit diese speziellen Vorschriften konkrete Einschränkungen enthalten, unter denen eine Ausnahme von ansonsten zwingenden Regelungen nur in Betracht kommt, wirken sie sich als spezielle normative Beschränkungen des Ermessensspielraums für die Entscheidung über die Genehmigung von Ausnahmen aus.

Vorliegend ergibt sich eine solche Beschränkung aus den Vorschriften der StVZO über die Ausgestaltung und Anbringung von Saisonkennzeichen an Kraftfahrzeugen.

Gemäß § 23 Abs. 1 b StVZO wird für ein Fahrzeug auf Antrag ein auf einen nach vollen Monaten bemessenen Zeitraum (Betriebszeitraum) befristetes amtliches Kennzeichen nach Anlage V b zugeteilt, das jedes Jahr in diesem Zeitraum auch wiederholt verwendet werden darf (Saisonkennzeichen). Danach besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung eines Saisonkennzeichens für den gewünschten Betriebszeitraum, sofern die allgemeinen Voraussetzungen für die Zuteilung amtlicher Kennzeichen, insbesondere die Anforderungen des § 23 Abs. 1 StVZO an die Antragstellung, erfüllt sind. Es besteht allerdings kein Anspruch auf ein Saisonkennzeichen in beliebiger Größe und Ausgestaltung, sondern nur auf eines, das der Anlage V b zur StVZO entspricht. Allgemein bestimmt § 23 Abs. 3 StVZO, dass Kennzeichen nach § 60 auszugestalten und anzubringen sind. § 60 Abs. 1  c StVZO regelt wiederum, dass Saisonkennzeichen – neben anderen Anforderungen – „nach Maßgabe der Anlage V b dem Normblatt DIN 74069, Ausgabe Juli 1996, entsprechen“ müssen.

Die Anlage V b zur StVZO enthält sodann detaillierte Muster und Maße für Saisonkennzeichen. Aus ihnen ergibt sich, dass „normale“ (nicht verkleinerte) Saisonkennzeichen aufgrund der auf ihnen anzubringenden Zahlen- und Buchstabenkombination, Plaketten und weiteren Informationen sowie der allgemeinen Anforderungen an Größe und Gestaltung der Buchstaben und Zahlen bestimmte Mindestmaße hinsichtlich Breite und Höhe des Kennzeichens zwangsläufig nicht unterschreiten können.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass aufgrund dieses Platzbedarfs für das Kennzeichen am Heck des Motorrads des Klägers wegen des dort zur Verfügung stehenden Raumes von nur maximal 170 mm x 330 mm weder ein einzeiliges noch ein zweizeiliges Saisonkennzeichen in normaler Größe angebracht werden kann, auch wenn dieses neben dem Unterscheidungskennzeichen „KH“ für den Landkreis Bad Kreuznach eine Buchstaben/Zahlenkombination aus nur einem Buchstaben und einer Zahl enthielte. Davon hat sich das Gericht im Übrigen durch Vorlage von Fotos vom Heck des Motorrades des Klägers und weiteren Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung überzeugen können.

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Zwar enthält die Ziffer 2.3 der Anlage V b zur StVZO auch Muster und Maße für verkleinerte zweizeilige Saisonkennzeichen. Für diese ist jedoch zugleich einschränkend Folgendes bestimmt: „Nur für Leichtkrafträder mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 80 km/h und Leichtkrafträder im Sinne des § 72 Abs. 2 zu § 18 Abs. 2 Nr. 4 a sowie Zugmaschinen mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h und Anhänger mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 40km/h, wenn diese mit einem Geschwindigkeitsschild entsprechend § 58 für die betreffende Geschwindigkeit gekennzeichnet sind.“

Da das Kraftrad des Klägers schon wegen seiner zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 151 km/h nicht unter diese Bestimmung fällt, ist zunächst festzuhalten, dass für das Kraftrad des Klägers kein den Bestimmungen der §§ 23 Abs. 1 b und Abs. 3 i.V.m. 60 Abs. 1 c StVZO i.V.m. Anlage V b zur StVZO entsprechendes Saisonkennzeichen zugeteilt werden kann, das an der an diesem Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden könnte.

Die Vorschriften der StVZO über die Ausgestaltung und Anbringung amtlicher Kennzeichen enthalten jedoch Ergänzungsbestimmungen, die in solchen Fällen einschlägig sind. Zunächst enthält die für Saisonkennzeichen geltende Anlage V b in ihrem Abschnitt 4 die Ergänzungsbestimmung, dass Abschnitt 4 der (für alle amtlichen Kennzeichen geltenden) Anlage V a – mit bestimmten, hier nicht einschlägigen Abweichungen – auch auf Saisonkennzeichen Anwendung findet.

Abschnitt 4 der Anlage V a bestimmt sodann in seinem 5. Absatz insbesondere Folgendes:

„Ist es der Zulassungsbehörde nicht möglich, für ein Fahrzeug ein amtliches Kennzeichen zuzuteilen, das an der am Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden kann, so hat der Halter Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, die die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens ermöglichen, sofern die Veränderungen nicht unverhältnismäßigen Aufwand erfordern; in Zweifelsfällen kann die Zulassungsbehörde die Vorlage eines Gutachtens eines amtlichen anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr verlangen.“

Daraus folgt: Kann an einem Fahrzeug (etwa aufgrund technischer oder gestalterischer Gegebenheiten) an der dafür vorgesehenen Stelle kein vorschriftsmäßiges amtliches Kennzeichen angebracht werden, so ist es vorrangig die Pflicht des Halters dieses Fahrzeugs, an seinem Fahrzeug die erforderlichen (insbesondere technischen) Veränderungen vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen, damit ein vorschriftsmäßiges Kennzeichen angebracht werden kann. Nur, wenn der dafür erforderliche (Umbau-)Aufwand unverhältnismäßig ist, kann eine Ausnahme genehmigt werden, wobei die Behörde in Zweifelsfällen noch die Vorlage eines Sachverständigen-Gutachtens (insbesondere zur Frage des erforderlichen technischen Aufwands) verlangen kann.

Hieraus wird deutlich, dass Abschnitt 4 der Anlage V a die Ermessensentscheidung über die Genehmigung von Ausnahmen von den Vorschriften über die Ausgestaltung und Anbringung amtlicher Kfz-Kennzeichen an besondere, einschränkenden Voraussetzungen knüpft: Nur wenn der Veränderungsaufwand für den grundsätzlich dazu verpflichteten Halter im konkreten Fall unverhältnismäßig ist, darf die Behörde nach ihrem Ermessen eine Ausnahme genehmigen. Durch die Verweisung in Abschnitt 4 der Anlage V b gilt dies auch für Saisonkennzeichen. Die genannten Vorschriften erweisen sich so – in ihrem Zusammenwirken – als ein Fall des so genannten intendierten Ermessens: Die Richtung des Ermessens ist normativ in der Weise vorgezeichnet, dass ein bestimmtes Ergebnis von der Norm gewollt ist und davon nur ausnahmsweise abgesehen werden darf, mit der Folge, dass es im Falle des Fehlens der Voraussetzungen einer Ausnahme für die ablehnende Entscheidung keiner besonderen Begründung bedarf (vgl. zum Begriff des intendierten Ermessens insbesondere BVerwG, Urteil vom 05.07.1985 – 8 C 22/83 –, BVerwGE 72, 1 ff., m.w.N.). Vorliegend ist vom Normgeber grundsätzlich gewollt, dass der Halter Veränderungen am Fahrzeug vornimmt, wenn ein vorschriftsmäßiges amtliches Kennzeichen nicht „passt“; nur wenn der hierfür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig ist, besteht Raum für eine Ausnahmegenehmigung.

Im vorliegenden Fall ist die Beklagte – in Anlehnung an den Erlass des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 31. Mai 1995 – zutreffend davon ausgegangen, dass die zur Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens am Heck eines Motorrades der Marke Harley-Davidson erforderlichen Veränderungen allgemein und auch im speziellen Fall des Klägers keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern.

Bei der Frage, ob ein Veränderungsaufwand im Sinne des Abschnitts 4 der Anlage V a zur StVZO unverhältnismäßig ist, muss sowohl der technische als auch der finanzielle Aufwand festgestellt und in Beziehung zum Zeitwert des Fahrzeugs gesetzt werden.

Vorliegend ist zunächst zwischen den Beteiligten unstreitig, dass Veränderungen zur Anbringung eines Saisonkennzeichens in normaler Größe am Heck des Motorrades des Klägers technisch möglich sind und im Wesentlichen nur erfordern, dass die Gepäckträgerhalterung für die Anbringung eines so genannten Topcase am hinteren Schutzblech einige Zentimeter nach oben versetzt werden muss. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Veränderung an einem Zubehörteil des Motorrades (auch, wenn dieses zur serienmäßigen Ausstattung gehört) Sicherheitsbedenken unterliegt, etwa die Fahreigenschaften des Motorrades nachhaltig verschlechtern würde. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zwar gemutmaßt, dass sein Motorrad durch das Hochsetzen der Gepäckträgerhalterung „instabil“ werden könnte. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht hinreichend substantiiert. Gegen einen nennenswerten Einfluss auf die Fahreigenschaften seines Motorrades spricht jedenfalls, dass dem Kläger auf eigene Nachfrage ohne weiteres ein Angebot von einem Harley-Davidson-Händler für die Umbaumaßnahme gemacht wurde. Davon, dass etwa dieser Händler Bedenken im Hinblick auf die Fahrstabilität des Motorrades geäußert hätte, hat der Kläger nicht berichtet. Im Übrigen dürften die Fahreigenschaften bei Verwendung eines Topcase ohnehin maßgeblich von dessen Größe und dem Gewicht seines Inhalts abhängen, sie können daher auch bei höher gesetzter Packhalterung vom Kläger selbst maßgeblich beeinflusst werden.

Sind die erforderlichen Veränderungen daher technisch möglich und unbedenklich, so ist weiter festzustellen, dass sie auch keinen unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand erfordern. Der Kläger hat angegeben, dass die erforderlichen Veränderungen nach einem von ihm eingeholten Angebot eines Harley-Davidson- Händlers etwa 400 € zuzüglich Mehrwertsteuer kosten würden. Rechnet man eine möglicherweise noch anfallende Gebühr für eine erneute Vorführung des Motorrades beim TÜV nach Vornahme der Veränderungen hinzu, so erscheint ein finanzieller Gesamtaufwand in Höhe von ca. 500 € realistisch.

Ein solcher Aufwand steht keineswegs außer Verhältnis zum Zeitwert des Motorrades des Klägers. Diesen gibt der Kläger aufgrund einer von ihm durchgeführten Internetabfrage in der so genannten Schwackeliste mit ca. 5.000 € an, was dem Gericht realistisch, jedenfalls nicht zu hoch eingeschätzt erscheint. Zum Vergleich: In der Zeitschrift „2 Räder“, Ausgabe Mai/Juni 2006, wird in der Rubrik „Marktspiegel“ auf Seite 197 für ein gebrauchtes Motorrad des Typs Harley-Davidson „Road King“, Baujahr 1996 mit 60 PS-Motor immerhin noch ein Händlerverkaufspreis von 8.850 € angegeben. Damit würde der finanzielle Veränderungsaufwand bei dem Motorrad des Klägers – ausgehend von 5.000 € Zeitwert – nur etwa 1/10 des (niedrig geschätzten) Zeitwertes ausmachen. Ohne dass der vorliegende Fall Anlass bietet, allgemein festzulegen, ab welchem Anteil des Zeitwertes eines Fahrzeugs ein Veränderungsaufwand für die Anbringung eines vorschriftsmäßigen amtlichen Kennzeichens unverhältnismäßig erscheint, kann jedenfalls festgestellt werden, dass ein Aufwand in Höhe von etwa 1/10 des Zeitwertes keinesfalls unverhältnismäßig ist.

Unter diesen Voraussetzungen durfte die Beklagte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in Anlehnung an die normative Wertung des Abschnittes 4 der Anlage V a zu StVZO ablehnen, ohne dass es weiterer Ermessenserwägungen bedurfte.

Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten steht auch mit höherrangigem Recht im Einklang.

Zunächst liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Soweit der Kläger Fotos von Personenkraftwagen vorlegt, an denen –wohl aufgrund entsprechender Ausnahmegenehmigungen – verkleinerte Saisonkennzeichen angebracht wurden, fehlt es bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt. Im Übrigen kann nicht ausgeschlossen werden, dass in jenen Fällen die notwendigen technischen Veränderungen am Fahrzeug einen unverhältnismäßigen Aufwand erforderten. Soweit der Kläger unter Vorlage diverser Fotos belegt hat, dass für zahlreiche Motorräder, bei denen es sich augenscheinlich nicht um Leichtkrafträder und jedenfalls teilweise auch um Krafträder der Marke Harley-Davidson handelt, offenbar verkleinerte Saisonkennzeichen erteilt wurden, handelt sich ausnahmslos um Krafträder aus anderen Zulassungsbezirken in Rheinland-Pfalz bzw. aus anderen Bundesländern. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich zudem um Ausnahmegenehmigungen, die unter Verstoß gegen Abschnitt 4 der Anlage V a zur StVZO und damit rechtswidrig erteilt wurden. Der Kläger kann aber nicht verlangen, dass die Beklagte mit Rücksicht auf eine „großzügigere“ Entscheidungspraxis in anderen Landkreisen, Städten oder Bundesländern ihre rechtmäßige Entscheidungspraxis ändert. Denn im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

Die Versagung der Ausnahmegenehmigung für ein verkleinertes Saisonkennzeichen stellt auch keinen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG im Sinne einer „faktischen Zwangsstilllegung“ dar.

Bei den Vorschriften über die Anbringung und Ausgestaltung amtlicher Kennzeichen für Kraftfahrzeuge handelt es sich um zulässige Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums an Kraftfahrzeugen (vgl. HessVGH, Beschluss vom 01.10.1997 – 2 TG 3059/97 –, Juris, Rdnr. 8). Die Vorschriften über Muster und Maße für Saisonkennzeichen in der Anlage V b zur StVZO sowie die Regelung des Abschnitts 4 der Anlage V a über die grundsätzliche Pflicht des Halters zur Vornahme notwendiger Veränderungen am Fahrzeug finden ihre sachliche Rechtfertigung in den Anforderungen an die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Diese erfordern, dass amtliche Kennzeichen auf eine ausreichende Entfernung lesbar sein müssen, um bei Verkehrsverstößen, aber auch in zivilrechtlichen Haftungsfällen den verantwortlichen Halter eines Kraftfahrzeugs auch bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten noch möglichst sicher ermitteln zu können. In dem Erlass des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 31. Mai 1995 „Amtliche Kennzeichen bei Krafträdern“, auf den der Ablehnungsbescheid der Beklagten Bezug nimmt, wird insoweit überzeugend ausgeführt: „Das Bestehen auf Kennzeichen in vorschriftsmäßiger Ausführung hat seinen Grund darin, dass Kennzeichen auf einer ausreichende Entfernung lesbar sein müssen (vgl. Wiener Weltabkommen über den Straßenverkehr von 1968: Das amtliche Kennzeichen muss so zusammengesetzt und angebracht sein, dass es am Tage und bei klarem Wetter auf eine Mindestentfernung von 40 m lesbar sein muss, wenn das Fahrzeug steht.). Da das Ablesen der Buchstaben/Ziffern-Kombination auf dem amtlichen Kennzeichen eine gewisse Zeit dauert, spielt für die Erkennbarkeit am fahrenden Fahrzeug und damit die Verkehrssicherheit auch die mögliche Geschwindigkeit des Fahrzeugs (bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit) eine erhebliche Rolle, weshalb so genannte Leichtkraftrad-Kennzeichen nur an bestimmten geschwindigkeitsbegrenzten Fahrzeugen zulässig sind.“

Diesem Anliegen tragen die Bestimmungen der Anlagen V b und V a zur StVZO in zulässigerweise Rechnung, indem sie – notwendigerweise pauschalierend und generalisierend – bestimmte Größen und Gestaltungen amtlicher Kennzeichen –gegebenenfalls in Abhängigkeit von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bestimmter Fahrzeugtypen – vorschreiben und dem Halter des Fahrzeugs im Übrigen eine grundsätzliche Pflicht zur „Anpassung“ seines Fahrzeugs zur Ermöglichung der Anbringung eines ausreichend großen Kennzeichens auferlegen.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

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