OLG Frankfurt – Az.: 23 U 46/19 – Urteil vom 29.01.2020
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.3.2019 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Meldepflichten und vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1.9.2013 bis zum 28.6.2016 geltend.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 36.444,18 € wegen rechtswidrig vorenthaltener Sozialversicherungsabgaben, § 266a StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB.
Die Klägerin sei Anspruchsinhaberin.
Zwar habe der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Der Beklagte habe sich aber nach § 138 Abs. 2 ZPO zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern, da er alle wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm zumutbar sei, nähere Angaben zu machen (BGH, NJW-RR 2015, Seite 1279). Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen, er trage trotz der bestandskräftig gewordenen Feststellungsbeschlüsse nicht vor, welche Versicherung anstatt der Klägerin für ihn zuständig und einzugsberechtigt sein solle. Sein Bestreiten sei deshalb nicht wirksam.
Der Beklagte sei als Alleingeschäftsführer der Gesellschaft auch verpflichtet gewesen, Sozialabgaben rechtzeitig abzuführen. Diese habe er nicht abgeführt, § 266a StGB.
Der Beklagte sei Arbeitnehmer der A UG gewesen. Auch nach Aufgabe der „Kopf- und Seelen-Rechtsprechung“ scheide eine selbstständige Tätigkeit eines Fremdgeschäftsführers generell aus (BSG vom 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R). Ein Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung sei ausnahmslos abhängig beschäftigt (BSG, a.a.O.). Maßgeblich für die Beurteilung in einer Gesellschaft sei die Beteiligung an den Gesellschaftsanteilen (BSG, a.a.O.). Ein Geschäftsführer, der nicht mehr als 50 Prozent der Anteile am Stammkapital halte, sei grundsätzlich abhängig beschäftigt (BSG, a.a.O.). Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetze, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, müsse gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein (BSG, a.a.O.).
Der Treuhandvertrag mit seiner Ehefrau führe rechtlich zu keinem anderen Ergebnis. Denn außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, etwa zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH, seien für die Beurteilung nicht zu berücksichtigen (BSG, a.a.O.). Dafür spreche im vorliegenden Falle auch, dass die Ehefrau des Beklagten als Alleingesellschafterin jederzeit in der Gesellschaftsversammlung dem Beklagten Weisungen hätte erteilen können, die dieser als Geschäftsführer der Gesellschaft hätte ausführen müssen, § 46 GmbHG.
Der Beklagte habe auch vorsätzlich als Geschäftsführer die ihm obliegenden Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge nicht an die Klägerin abgeführt.
Der Vorsatz bei § 266a StGB müsse sich auf die Eigenschaft Arbeitnehmer – dabei allerdings nur auf die statusbegründenden tatsächlichen Voraussetzungen, nicht auf die rechtliche Einordnung als solche und die Verpflichtung zur Beitragsabführung – und alle darüber hinausreichenden, die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten begründenden tatsächlichen Umstände erstrecken (BGH, Urteil vom 24. Januar 2018 – 1 StR 331/17 -, Rn 13, juris).
Vorsätzliches Handeln eines Geschäftsführers liege nahe, wenn er die für das Bestehen inländischer Beschäftigungsverhältnisse und der daraus resultierenden Abführungspflicht maßgeblichen Tatsachen kenne (BGH, NStZ 2014, 321).
Vorsatz sei zu bejahen, wenn in der Person des Täters das Bewusstsein und der Wille gegeben seien, die Beiträge bei Fälligkeit nicht abzuführen. Der Täter müsse nicht mit der Absicht gehandelt haben, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder die Einzugsstelle zu schädigen (Radtke in MüKoStGB, 3. Aufl. 2019, StGB § 266a Rn 89).
Der Beklagte habe alle seine Stellung als Arbeitnehmer begründenden Umstände gekannt. Er habe aufgrund des mit der Gesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrages gewusst, dass er ein festes, erfolgsunabhängiges Gehalt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie bezahlten Jahresurlaub erhalten habe. Zudem habe er keine eigene Betriebsstätte gehabt, sondern sei in der Gesellschaft tätig gewesen. Ferner habe er gewusst, dass er kein Gesellschafter der Gesellschaft gewesen sei und mit dieser einen Anstellungsvertrag geschlossen gehabt habe. Auch habe er gewusst, dass er kein Unternehmensrisiko getragen habe und den Weisungen der Gesellschaftsversammlung unterworfen gewesen sei. Zwar habe er seine Arbeitszeit frei einteilen können, was angesichts der vorgenannten gewichtigen Kriterien für eine abhängige Beschäftigung bei der erforderlichen Gesamtabwägung aber zu keiner anderen Beurteilung führe. Wegen der Vielzahl für eine abhängige Beschäftigung sprechender Aspekte sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass er einem Angestellten gleichstehe.
Der Beklagte habe ferner gewusst, dass er als Geschäftsführer einer UG verpflichtet gewesen sei, Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer an die Träger zu zahlen, zumal die UG mehrere Arbeitnehmer beschäftigt habe, für die Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden seien.
Die Abführung der Sozialversicherungsabgaben für sich sei ihm gleichgültig gewesen.
Überdies handele der wegen Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommene Geschäftsführer mit bedingtem Vorsatz, wenn er eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billige und nicht auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinwirke (BGH, NJW 2017, 886 (887)).
Überlasse es der Geschäftsführer anderen für das Unternehmen tätigen Personen, für die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu sorgen, müsse er (jedenfalls) im Rahmen der ihm verbliebenen Überwachungspflicht tätig werden, sobald Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Erfüllung der Aufgaben durch die intern damit betrauten Personen nicht mehr gewährleistet sei. Er müsse dann durch geeignete Maßnahmen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen (BGH NJW 2017, 886, (887)).
Indes trage der Beklagte nicht vor, geeignete Maßnahmen ergriffen zu haben, den Steuerberater überwacht und kontrolliert zu haben, um so die Zahlung an die Sozialversicherung sichergestellt zu haben. Auch dies zeige, die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge sei ihm gleichgültig gewesen.
Der Beklagte habe auch nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt.
Ein Irrtum hinsichtlich des Vorliegens und des Umfangs der Beitragsabführungspflicht sei ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB). Liege die Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse vor, unterliege der Geschäftsführer, wenn er glaube, nicht für die Abführung der Beiträge Sorge tragen zu müssen, keinem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, sondern allenfalls einem – in der Regel vermeidbaren – Verbotsirrtum (BGH, Urteil vom 24. Januar 2018 – 1 StR 331/17 -, Rn 13, juris).
Im Hinblick auf das Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV sei ein solcher Irrtum regelmäßig vermeidbar (Radtke in MüKoStGB, 3. Aufl. 2019, StGB § 266a Rn 91 m.w.N.). Der Beklagte habe unstreitig keinen Antrag auf Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens gestellt.
Zudem behaupte der Beklagte auch nicht, dass er sich speziell sozialrechtlich, etwa von einem Fachanwalt für Sozialrecht habe beraten lassen. Die Beratung durch einen Steuerberater umfasse primär steuerliche Fragen. Dass er sich speziell von einem Steuerberater über die Zahlung von Sozialabgaben für sich als Geschäftsführer habe beraten lassen, trage er ebenfalls nicht vor. Sein Vortrag (Bl. 69 d.A.) beschränke sich darauf, ein Steuerberater habe die Anmeldung, in Kenntnis des Gesellschaftsvertrages, der Abrede zwischen den Eheleuten und des Geschäftsführerdienstvertrags, unterlassen.
Er selbst sei, da er es nicht besser als ein Steuerberater gewusst habe, ebenfalls davon ausgegangen, dass er nicht in einem SBV tätig gewesen sei (Bl. 69 d.A.). Dass er den Steuerberater danach gefragt habe, ob für ihn als Geschäftsführer Sozialversicherungsabgaben zu zahlen seien, behaupte er nicht einmal.
für ihn zu bezahlen, sie sei deshalb zahlungsunfähig geworden, verdeutliche, dass von Anfang an bewusst ein Geschäftsmodell gewählt worden sei, Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen, um sich bzw. die Gesellschaft zu Lasten der Solidargemeinschaft zu bereichern.
Art und Höhe der nicht abgeführten Beiträge seien dem Beklagten gleichgültig gewesen, er habe überhaupt keine Beiträge abführen wollen, da die Gesellschaft, wie er vortragen lasse, finanziell zur Zahlung nicht in der Lage gewesen wäre.
Ferner habe der BGH im Urteil vom 24.1.2018 seine bisherige Rechtsprechung zu § 266a StGB und zum Verbotsirrtum nicht aufgegeben, dies allenfalls erwogen. Ein Grund, die bisherige Rechtsprechung aufzugeben, sei auch nicht ersichtlich und zum Schutz des Rechtsgutes auch nicht erforderlich.
Die Höhe der festgesetzten Beiträge sei zwischen den Parteien nicht streitig.
Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus den § 850f Abs. 2 ZPO und § 302 Abs. 1 InsO.
Die Klägerin habe gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen nach den §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 und Abs. 2 BGG, weil sich der Beklagte mit der Zahlung in Verzug befinde.
Der Beklagte hat am 25.6.2019 gegen das ihm am 28.3.2018 zugestellte Urteil des Landgerichts nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Wiedereinsetzung fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch am 25.6.2019 begründet.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Das angefochtene Urteil könne weder im Ergebnis noch mit den gegebenen Entscheidungsgründen überzeugen.
Unklar sei schon, woraus gerade die Beklagte ihre Aktivlegitimation herleiten wolle.
Aufgrund des Sachvortrags des Beklagten in seiner Klageerwiderung sei zudem davon auszugehen gewesen, dass er sich keines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 266 a StGB schuldig gemacht habe. Er sei vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass er aufgrund der tatsächlich ausgeübten und rechtlich über einen Treuhandvertrag abgesicherten Leitungsmacht kein Arbeitnehmer, sondern selbstständig tätig gewesen sei und dabei auch wirtschaftlich das Unternehmerrisiko getragen habe. Das und nichts anderes habe sich aus den getroffenen Verabredungen der Eheleute ergeben und sei auch im Tatsächlichen so gelebt worden.
Die Klägerin habe sich zu ihrer Rechtsinhaberschaft als zuständige und geschädigte Einzugsstelle in der Klage nicht geäußert und hierzu keine Tatsachen vorgetragen. Auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 19.2.2019 habe sich die Klägerin zu ihrer Rechtsinhaberschaft nicht geäußert. Die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich jedenfalls nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz, sondern aus weiteren Umständen, zu denen kein Sachvortrag erkennbar sei. Die Klage sei von daher nicht schlüssig, das Bestreiten des Beklagten in der Klageerwiderung demgemäß überflüssig und lediglich ein Hinweis auf die fehlende Darlegung der Aktivlegitimation, keinesfalls aber unbeachtlich, wie das LG meine.
Die Klage sei also schon wegen der fehlenden Darlegung der Rechtsinhaberschaft, zumindest aber wegen Bestreitens der Rechtsinhaberschaft und fehlenden Beweisangeboten hierzu unbegründet gewesen.
Das Urteil beruhe auf der Rechtsauffassung des Landgerichts, dass der Geschäftsführer einer GmbH oder UG nur dann selbständig und nicht im Rahmen eines SBV tätig sein könne, wenn er als Gesellschafter am Kapital beteiligt und auf dieser Grundlage dazu in der Lage sei, die Gesellschaft weisungsfrei zu führen. Diese Auffassung vertrete das BSG u. a. in der vom LG zitierten Entscheidung vom 14.3.2018 (12 KR 13/17). Der Rechtsauffassung des BSG, die die zuständigen Zivilgerichte ebenso wenig binden könne wie die im vorliegenden Fall zwischen anderen Parteien (der A UG und der DRV) inzidenter entschiedene Rechtsfrage zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers als Geschäftsführer der UG, sei allerdings nicht beizupflichten.
Der BGH habe in seinem Urteil vom 19. 4. 1999 (II ZR 365/ 97) darauf erkannt, dass ein Treuhandvertrag hinsichtlich eines GmbH-Geschäftsanteils, der vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages geschlossen werde, nicht dem Formzwang des § 15 Abs. 4 GmbH unterliege. Dem sei zu folgen. Wenn also, wie in der Klageerwiderung vorgetragen, von einem wirksam geschlossenen Treuhandvertrag zwischen dem Beklagten und dessen Ehefrau auszugehen sei, dann sei der Beklagte schon objektiv nicht als abhängig Beschäftigter im Rahmen eines SBV tätig geworden. Welche Entscheidungen auf einer Gesellschafterversammlung nach § 46 GmbHG auch bezüglich seiner Tätigkeit getroffen würden, hätte der Beklagte durch Weisung an die Treunehmerin bestimmen können. Er sei damit weisungsfrei tätig gewesen. Auf Grundlage dieser zutreffenden Rechtauffassung hätte das LG die Klage – ggf. nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des StB C und der Ehefrau Vorname1 D (S. 2 Klageerwiderung) – abweisen müssen.
Das LG sei zutreffend davon ausgegangen, dass nur eine vorsätzliche Verwirklichung des § 266a StGB zur Schadensersatzpflicht des Beklagten führen könnte. Allerdings habe das LG den Vorsatz des Beklagten schon alleine daraus hergeleitet, dass dieser alle objektiven Umstände, die zum Entstehen eines SBV führen müssten, gekannt habe. Dem sei allerdings nicht zu folgen, da sich der Vorsatz bei der Verwirklichung des Tatbestands auf das Bestehen der Beitragspflicht eines Arbeitnehmers beziehen müsse. Der Beklagte sei, wie erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, davon ausgegangen, dass er als Geschäftsführer und Inhaber des Betriebs, den er ohne jede faktische und rechtlich ausgeschlossene Einflussnahme der als Gesellschafterin eingetragenen Ehefrau habe führen können, gerade nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft tätig gewesen sei. Bei der Frage, ob die Gesellschaft Arbeitgeber bzw. der Geschäftsführer ihr Arbeitnehmer gewesen sei, handele es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal. Der als Geschäftsführer nach § 14 StGB Verantwortliche müsse demnach wissen oder es für möglich halten, dass er als Arbeitnehmer tätig sei und von daher die Verpflichtung bestehe, seine Vergütung bei der zuständigen Einzugsstelle anzumelden und der Verbeitragung in der KV, AV und RV zu unterwerfen. Ohne Kenntnis einer möglichen Betragspflicht sei keine vorsätzliche Verwirklichung des § 266a StGB möglich (siehe BGH Urt. v. 24.1.2018 – 1 StR 331/17; OLG Frankfurt Beschl. 22. Februar 2019 – 23 W 4/19). Hiervon sei das LG entscheidungserheblich abgewichen, indem es den Vorsatz alleine aus den objektiven Umständen, die ein SBV begründen sollen, hergeleitet habe.
Allerdings sei dem Landgericht zuzugeben, dass nach der bisherigen Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs in Fällen wie dem vorliegenden schon dann von vorsätzlichem und strafbarem Handeln nach § 266 a StGB eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft (§ 14 StGB) auszugehen gewesen sei, wenn dieser alle tatsächlichen Umstände gekannt habe, die seine Arbeitnehmereigenschaft begründeten. Dem sei allerdings nicht mehr zu folgen.
Unrichtig sei, dass dem Beklagten der Vorwurf vorsätzlichen Handelns gemacht werden könnte. Der Beklagte habe vielmehr den Tatbestand des § 266a StGB nicht vorsätzlich verwirklicht, sodass eine Haftung i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ausscheide.
Wie das OLG in dem vorzitierten Beschluss deutlich gemacht habe, sei nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem Stand der wissenschaftlichen Diskussion unklar, welche Anforderungen an eine Bejahung des Vorsatzes im Rahmen vorbenannter Vorschriften des Strafgesetzbuches zu stellen seien. Vom zuständigen 1. Strafsenat des BGH sei eine Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung angekündigt worden. Der Bundesgerichtshof habe deutlich gemacht, dass er den Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft künftig als Tatbestandsirrtum einstufen werde (BGH, Urteil vom 22. Januar 2018 – 1 StR 331/17).
Bereits in der Klageerwiderung sei dargelegt, dass und warum der Beklagte auf Grundlage der ihm bekannten Tatsachen nicht davon ausgegangen sei, dass er tatsächlich Arbeitnehmer der A UG gewesen sei. Dort habe der Beklagte, der den Geschäftsbetrieb zunächst im Rahmen eines auf ihn gewerberechtlich angemeldeten Einzelunternehmens geführt habe, die Gründe zur Errichtung der Kapitalgesellschaft und der Einschätzung seines sozialversicherungsrechtlichen Status im Einzelnen und unter Beweisantritt dargestellt. Die Darlegungen seien in sich schlüssig und legten in der Tat nahe, dass der Beklagte nicht einmal im Ansatz seinen sozialversicherungsrechtlichen Status hinterfragt habe, ohne dass ihm deswegen der Vorwurf der Leichtfertigkeit gemacht werden könne. Letztlich habe sich für ihn im Ergebnis durch die Gründung der UG faktisch nichts geändert. Es habe für ihn keine Veranlassung gegeben, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu hinterfragen, da es sich nach wie vor (zumindest subjektiv) um »sein Unternehmen« gehandelt habe, für das er rechtlich als Geschäftsführer und wirtschaftlich auch als Unternehmer im Rahmen eines Treuhandverhältnisses einzustehen gehabt habe. Er habe auf den Rat seines Steuerberaters gehandelt, dem sämtliche vertraglichen Abreden bekannt gewesen seien und der auch mit der Anmeldung der Sozialversicherungsbeiträge aller Beschäftigten beauftragt gewesen sei. Der Steuerberater habe das Dienstverhältnis des Beklagten gerade nicht als SBV eingestuft und dem Beklagten auch keinen Hinweis darauf gegeben, dass hier eine gesonderte Überprüfung angeraten gewesen sei. Wenn nicht einmal der Fachmann einen Grund für weiter- und tiefergehende Prüfungen gesehen habe, wie hätten dann für den Beklagten überhaupt Unsicherheiten bei der Einstufung seines Status entstehen können sollen. Zudem sei zwischen den Eheleuten D klar verabredet gewesen, dass der Beklagte wie vorher auch Inhaber des Betriebs sein sollte und für den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens einzustehen gehabt habe.
Die Problematik werde nicht verkannt, dass im Hinblick auf die richtigerweise zu ändernde Rechtsprechung zum Vorsatz bei § 266 a StGB jeweils genau zu prüfen sei, ob derjenige, der den Tatbestand objektiv verwirkliche, einen Tatbestandsirrtum als Schutzbehauptung nur vorschiebe oder ob ein solcher wirklich vorliege. Hier werde man genau hinsehen und feststellen müssen, wie der Rechtsirrtum zustande gekommen sei, welchen naheliegenden Nutzen der (angeblich) Irrende ziehe und welche Umstände sich ihm hätten aufdrängen und zu einem Hinterfragen der Einstufung als selbständiger Tätigkeit hätten führen müssen. Letztlich sei die Feststellung vorsätzlichen Handelns, wie das OLG auf S. 6 des Beschlusses vom 22. Februar 2019 zutreffend meine, im Wege der richterlichen Beweiswürdigung zu ermitteln, was das LG im angefochtenen Urteil von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht rechtsfehlerfrei getan habe, da es den Bezugspunkt vorsätzlichen Handelns wie oben dargestellt verkannt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt, das am 20.3.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-4 O 363/18) wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts.
Der Beklagte habe in seiner Berufungsbegründung keine Rechtsverletzung und keinen Verstoß gegen die Tatsachenermittlung geltend gemacht.
Die Klägerin habe bereits in der Stellungnahme vom 22.5.2019 an das Oberlandesgericht zu dem PKH-Antrag des Beklagten auf S. 2 ausführlich zu der Aktivlegitimation vorgetragen, worauf sie sich ausdrücklich zur Vermeidung von Wiederholungen beziehe. Es habe kein substantiiertes Bestreiten des Beklagten vorgelegen, wie das Landgericht zu Recht im Urteil S. 5 dargelegt habe. Zu konkreten Einwendungen sei der Beklagte aber umso mehr verpflichtet gewesen, als im öffentlichen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 5.2.2018 (siehe Anlage K 6) auf S. 2 unter dem Abschnitt „Beitragsrückstände“ ausdrücklich die Zuständigkeit der Krankenkasse für den Beklagten dargelegt worden sei, ohne dass der Beklagte substantiierte Einwendungen vorgetragen hätte, §§ 417, 418 ZPO. Auf Grund der gesetzlichen Zuständigkeit der B wäre der Beklagte aber zu konkretem Vortrag verpflichtet gewesen, aus welchen Gründen die Klägerin nicht zuständig sein sollte.
Die Bescheide der Deutschen Rentenversicherung vom 21.12.2015, als Anlage K 3 vorgelegt, und vom 5.2.2018, als Anlage K 6 vorgelegt, seien öffentliche Urkunden nach den §§ 417, 418 ZPO, die den Beweis für die Richtigkeit der darin abgegebenen Erklärungen führten (Musielak/Huber ZPO, § 417 Rn 1; MüKo ZPO/Schreiber, § 417, Rn 5; Wieczorek/Schütze/Ahrens ZPO § 417 Rn 3; Zöller, 2019 § 417 ZPO). Die öffentliche Urkunde über eine behördliche Erklärung erbringe vollen Beweis für den Inhalt der Urkunde (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 417, Rn 6). Der beurkundete Vorgang sei voll bewiesen (siehe Baumbach Lauterbach ZPO, 77. Aufl. 2019, § 417). Es handele sich um eine gesetzliche Beweisregel mit Vorrang vor § 286 ZPO (Baumbach/Lauterbach § 417 Rn 3). Nach § 418 ZPO erbringe der Bescheid vollen Beweis für die Tatsachen, die der Betriebsprüfer aus eigener Wahrnehmung festgestellt habe (BGH 6.11.2013 – VIII ZR 346/12). Zu der Urkunde gehöre auch die Anlage zur Beitragsberechnung, in der die B als zuständige Einzugsstelle aufgeführt sei.
Die Aktivlegitimation ergebe sich für die Klägerin als Krankenkasse aus den §§ 28i, 28h SGB IV, § 266a StGB, wonach die Einzugsstelle als Krankenkasse zur Geltendmachung vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge zuständig sei. Die Klägerin, die die Krankenversicherung des Beklagten durchführe, sei sowohl nach den §§ 28h, 28i SGB IV zur Geltendmachung aktivlegitimiert, als auch nach § 175 III Satz 3 SGB V, wonach die Spitzenverbände vereinbart hätten, dass bei Verstoß gegen Meldepflichten, ohne dass eine Krankenkassenwahl ersichtlich sei, sich die Zuständigkeit aus den letzten beiden Ziffern der Betriebsnummer 248 300 54 ergebe. Wie das Landgericht dargelegt habe, sei der Beklagte gemäß Urteil des BGH vom 10.2.2015 (VI ZR 343/13) zu konkreten, substantiierten Einwendungen verpflichtet, da auch die Wahl der Krankenkasse zu seinem Wissensbereich gehöre; solche konkreten Einwendungen seien nicht erfolgt.
Entgegen der Auffassung des Beklagten entspreche es ständiger, gefestigter Rechtsprechung, dass ein Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung, wie der Beklagte, abhängig beschäftigt sei, siehe Rechtsprechung in der Klage S. 3 und Landgericht Urteil S. 6.; siehe auch OLG Frankfurt im PKH-Beschluss in vorliegendem Verfahren vom 22.02.2019. Der bestrittene und auch vom Beklagten nicht einmal vorgelegte oder substantiiert eingeführte angebliche Treuhandvertrag ändere daran nichts. Die Klägerin beziehe sich auf die bereits in der Klage S. 3 aufgeführte Rechtsprechung sowie auf den rechtskräftigen Beschluss des Hess. Landessozialgerichts vom 19.5.2017, in dem die Sozialversicherungspflicht des Beklagten festgestellt werde. Die Forderung sei auch der Höhe nach nicht bestritten worden und ergebe sich aus den bestandskräftigen Bescheiden der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 21.12.2015 für den Zeitraum 1.9.2013 – 31.12.2014, Anlage K 3, sowie vom 5.2.2018 für den Zeitraum 1.1.2016 – 31.12.2016, siehe Anlage K 6. Die Bescheide seien öffentliche Urkunden, §§ 417, 418 ZPO.
Der Beklagte habe Kenntnis von allen die Beitragspflicht begründenden Tatsachen gehabt. Er habe den gesamten Sachverhalt gekannt, auf dem seine Handlungspflichten beruhten, so dass er die Meldung und Beitragszahlung vorsätzlich nicht durchgeführt habe (BGH Urt. 16.5.2017 – VI ZR 266/16 – Rn 15; BGH Urt. 2.12.2008 – 1 StR 416/08 – S. 13 f; BSG Urt. 9.11.2011 – B 12 R 18/09 R – ; BGH 2.6.2008 – II ZR 27/07-; BGH Urt. 4.9.2013 – 1 StR 94/13 -). Aus dieser Kenntnis folge das vorsätzliche Vorenthalten (BGH Urt. vom 5.8.2015 – 2 StR 172/15-; BGH 16.5.2017 – VI ZR 266/16 – Rn 19 f.; BGH Urteil 24.1.2018 – 1 StR 331/17 – Rdnr. 8, in dem ausdrücklich die ständige Rechtsprechung bestätigt werde). Eine nur in Erwägung gezogene andere Beurteilung im Falle eines Tatbestandsirrtums ändere nichts an den vom BGH auch im Urteil vom 24.1.2018 bestätigten Grundsätzen des vermeidbaren Verbotsirrtums, der den Vorsatz nicht tangiere. In der neueren Entscheidung des BGH vom 13.12.2018 (5 StR 275/18) werde die ständige Rechtsprechung zum vermeidbaren Verbotsirrtum fortgeführt. Nach ständiger geltender Rechtsprechung, die auch vom BGH im Urteil vom 24.1.2018 (aaO) angewandt werde, sowie der neueren Entscheidung des BGH vom 13.12.2018 (5 StR 275/18) und nach Auffassung in der Literatur liege vorsätzliches Handeln vor, wenn der Täter auch bei nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen erkennen könne, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Das Oberlandesgericht nehme in seinem der sofortigen Beschwerde des Beklagten gegen den PKH-Beschluss des Landgerichts stattgebendem Beschluss vom 22.2.2019 Bezug auf das Urteil des BGH vom 24.1.2018 (1 StR 331/17). Der BGH habe in diesem Urteil den Freispruch des Täters nach § 266a StGB aufgehoben, da nicht belegt sei, dass der Angeklagte hinsichtlich seiner – möglichen – Stellung als Arbeitgeber ohne Unrechtseinsicht gehandelt habe. Der BGH führe aus, dass allein der Umstand, dass der Angeklagte sich von einem Steuerberater habe beraten lassen, kein fehlendes Unrechtsbewusstsein im Hinblick auf die Arbeitgebereigenschaft begründe. Maßgeblich sei, so der BGH, die Ermittlung des Vorstellungsbildes des Angeklagten. Dieses werde aus den tatsächlichen, dem Angeklagten bekannten Sachverhalten gebildet. Kenne der Beklagte die tatsächlichen Sachverhalte, – hier die u.a. nochmals aufgeführten Parameter seines Anstellungsvertrags -, die die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses ergäben, unterliege er keinem Irrtum. Glaube der Angeklagte dann trotz dieser Kenntnis, kein Arbeitgeber zu sein, unterliege er allenfalls einem in der Regel vermeidbaren Verbotsirrtum (siehe BGH 24.1.2018 aaO, Rn 13). Der Hinweis des BGH, eine Gleichstellung mit § 370 AO zu erwägen, ändere bei Betrachtung der Voraussetzungen für einen Tatbestandsirrtum bei § 370 AO nichts an dem Ergebnis, wie ausgeführt.
Vorliegend sei auch nach der neueren Rechtsprechung (siehe BGH – 13.12.2018 – 5 StR 275/18 – Rn 44) kein Irrtum gegeben. Der Beklagte habe alle Merkmale gekannt, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis relevant seien. Bei zumutbaren Wissensanstrengungen als Geschäftsführer habe er seine Sozialversicherungspflicht erkennen können. Er habe gewusst,
> dass er ab 1.09.2013 einen festen monatlichen Lohn über 2.500,00 €, ab 1.01.2014 ein Gehalt von monatlich 3.000,00 € bekommen und Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung besessen habe,
> dass er Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von 6 Wochen erhalte, also Leistungen, die gesetzlich nur für einen Arbeitnehmer / Angestellten gälten,
> dass er als Fremdgeschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung kein Unternehmerrisiko getragen und kein Stimmrecht besessen habe,
> dass er in den Betriebsablauf funktionsgerecht dienend eingegliedert gewesen sei und kein eigenes Büro unterhalten habe,
> dass sein Anstellungsvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende oder aus wichtigem Grund fristlos kündbar gewesen sei,
> dass die in der Gesellschaftsversammlung gefassten Beschlüsse, an denen er nicht beteiligt sei, die Geschäftstätigkeit lenkten und auch über sein Vertragsverhältnis bestimmten.
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BGH sowohl zu § 370 AO als auch zu § 266a StGB unterliege der Täter dann keinem Irrtum, da er vorliegend das Bestehen sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche gekannt und für möglich gehalten habe (siehe 8.9.2011 – 1 StR 38/11).
Auch bei der Vorsatzrechtsprechung nach § 370 AO genüge der Eventualvorsatz, der das Vorenthalten von Steuern, hier von Sozialversicherungsbeiträgen für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Demgemäß habe der BGH in der neueren Entscheidung vom 13.12.2018 (5 StR 275/18 Rn 44) einen Irrtum über das Bestehen von Beschäftigungsverhältnissen verneint, da dem Angeklagten alle maßgeblichen Umstände des Beschäftigungsverhältnisses bekannt gewesen seien und er den Verstoß billigend in Kauf genommen habe. Der BGH bejahe in dieser Entscheidung ausdrücklich vorsätzliches Handeln mit Ausschluss eines Irrtums, da dem Angeklagten alle tatsächlichen Umstände bekannt gewesen seien. Bereits das Erkennen der Möglichkeit eines Verstoßes begründe Eventualvorsatz, der auch im Steuerrecht ausreichend sei.
Der Beklagte habe vorliegend in Kenntnis des Prüfungszeitraums und des Statusverfahrens mit der Möglichkeit einer Beitragsvorenthaltung gerechnet, aber das Vorenthalten billigend in Kauf genommen. Am 30.6.2015 (siehe Bescheid vom 21.12.2015) sei er zur Stellungnahme zu den Feststellungen aufgefordert worden. Der Beklagte habe während des Verfahrens und in Kenntnis des Ergebnisses keine Beitragszahlungen bis 3.6.2016 veranlasst. Er habe im gesamten Vorenthaltungszeitraum keinem Irrtum über irgendein Tatbestandsmerkmal unterlegen. § 266a StGB und § 370 AO beschränkten die vorsätzliche Begehungsweise nicht auf Fachspezialisten, sondern erfassten auch Laien, die den Tatbestand kennen und mit der Möglichkeit eines Verstoßes rechnen würden. Für den Beklagten habe sich die Erkenntnis über ein Beschäftigungsverhältnis auch gerade deshalb aufgedrängt, weil er seine eigenen gesetzlichen Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und aus betrieblicher Altersvorsorge gekannt habe. Auch habe er das von der DRV durchgeführte Statusverfahren gekannt, so dass er seine eigene Beschäftigung erkannt habe. Das Landgericht habe den Vortrag des Beklagten, die Gesellschaft sei nicht in der Lage gewesen, Sozialversicherungsbeiträge für ihn zu bezahlen, zu recht dahingehend gewürdigt, dass der Beklagte bewusst eine ihm bekannte Sozialversicherungspflicht durch einen „Treuhandvertrag“ habe umgehen wollen habe, so dass Kenntnis bestanden habe, die Solidargemeinschaft der Versicherten zu schädigen. Der Beklagte habe sich als verantwortlicher Geschäftsführer an der bekannten Rechtsprechung orientieren können und müssen und gewusst, dass er als Lohnempfänger mit Lohnfortzahlungs- und betrieblichen Altersversorgungsansprüchen sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Der Beklagte habe zur Kenntnis nehmen können und müssen, dass auch ein etwaiger Treuhandvertrag nichts an dem Beschäftigungsverhältnis änderte. Verschließe er sich den Prüffeststellungen der für die Statusfeststellung zuständigen Deutschen Rentenversicherung, unterliege er weder einem Tatbestands- noch einem Verbotsirrtum. Der Beklagte habe spätestens, aber nicht erst seit dem Bescheid der DRV Bund vom 21.12.2015 gewusst, dass er als angestellter Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Er habe auch bewusst bei der von ihm im Statusverfahren angegebenen Darlehensgewährung an die Gesellschaft keine Geschäftsanteile erworben, weil offensichtlich keine Beteiligung am Unternehmen gewollt gewesen sei (siehe Bescheid 21.12.2015, S. 3 Abs. 5). Gemäß BGH (Urteil vom 16.5.2017 – VI ZR 266/16 – Rn 25f) habe ein Täter „… bereits dann eine den Verbotsirrtum ausschließende, ausreichende Unrechtseinsicht, wenn er bei Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt. Es genügt mithin das Bewusstsein, die Handlung verstoße gegen irgendwelche, wenn auch im Einzelnen nicht klar vorgestellte gesetzlichen Bestimmungen ( BGH, Urteile vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 525/13, BGH St 61,110 Rn 53 f.; vom 11. Oktober 2012 – 1 StR 213/10, BGH St 58,15 Rn. 65 jeweils mwN; verfassungsrechtlich unbedenklich: BVerfG (K), Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02, NJW 2006, 2684, 2686).“
Kenne der Angeklagte die tatsächlichen Sachverhalte, die die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses ergeben, wolle er sie sogar durch Konstruierung eines Ausnahmetatbestands umgehen, unterliege er keinem Irrtum. Glaube der Angeklagte dann trotz dieser Kenntnis, kein Arbeitgeber zu sein, unterliege er allenfalls einem in der Regel vermeidbaren Verbotsirrtum (siehe BGH 24.01.2018 aaO, Rn 13). Entsprechend habe der BGH im Urteil vom 16.5.2017 (VI ZR 266/16 Rn 28f) entschieden, dass für jemanden, der im Geschäftsleben stehe, kaum jemals ein Irrtum über das Bestehen eines Schutzgesetzes in seiner Branche unvermeidbar sei, weil jeder im Rahmen seines Wirkungskreises verpflichtet sei, sich über das Bestehen von Schutzgesetzen zu unterrichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Es liegt ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.
Zu Unrecht hat das Landgericht der Klage stattgegeben, denn einem Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 36.444,18 € wegen rechtswidrig vorenthaltener Sozialversicherungsabgaben nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB steht vorliegend jedenfalls ein Tatbestandsirrtum des Beklagten nach § 16 Abs. 1 StGB entgegen.
Die Aktivlegitimation der Klägerin ist indessen entgegen der Auffassung des Beklagten gegeben.
Sie folgt eindeutig aus den §§ 28h Abs. 1, 28i SGB IV, § 266a StGB, wonach der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen als Einzugsstellen zu zahlen ist und Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, von der Einzugsstelle geltend zu machen sind; zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Dass insoweit vorliegend die Klägerin die Krankenversicherung durchführt, hat der Beklagte nicht konkret bestritten. Im Übrigen ist auch unstreitig in den von der Klägerin vorgelegten Bescheiden der Deutschen Rentenversicherung vom 21.12.2015 (Anlage K 3) und vom 5.2.2018 (Anlage K 6) jeweils in den dortigen Anlagen zur Beitragsberechnung die Klägerin (B) als zuständige Einzugsstelle benannt (Bl. 21 und 37 d.A.). Zu den Aufgaben der jeweiligen Einzugsstelle zählt dabei nicht nur der Beitragseinzug, sondern auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB (Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann SGB IV § 28h Rn 5).
Angesichts der vorgenannten Umstände bleibt das pauschale, unsubstantiierte Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin durch den Beklagten unerheblich.
Im Hinblick auf die Frage, ob der Beklagte vorsätzlich als Geschäftsführer die ihm obliegenden Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge nicht an die Klägerin abgeführt hat im Sinne des § 266a StGB, kommt es entscheidungserheblich auf den nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils und Abfassen von Berufungsbegründung sowie -erwiderung ergangenen Beschluss des BGH vom 24.9.2019 (1 StR 346/18, juris) an.
Hiernach ist vorsätzliches Handeln bei pflichtwidrig unterlassenem Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB) nur dann anzunehmen, wenn der Täter auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts – zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre – nachvollzogen hat, er also seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen hat. Irrt der Täter über seine Arbeitgeberstellung oder die daraus resultierende Pflicht zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen, liegt ein Tatbestandsirrtum vor; an seiner entgegenstehenden, von einem Verbotsirrtum ausgehenden Rechtsprechung hält der 1. Strafsenat des BGH (a.a.O.) nicht fest.
Im Einzelnen hat der BGH (a.a.O.) dies wie folgt ausgeführt:
„Bei allen Varianten des § 266a StGB ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz ausreichend ist (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02 Rn. 22, BGHSt 47, 318, 323 f.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 266a Rn. 23 mwN). Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 24. April 2019 – 2 StR 377/18 Rn. 11; zu § 370 AO Beschluss vom 28. Juni 2017 – 1 StR 624/16 Rn. 12) voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) sowie dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Willenselement).
Hinsichtlich der Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und der daraus folgenden Abführungspflicht kommt es für das Vorliegen von bedingtem Vorsatz entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber erkannt und billigend in Kauf genommen hat, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls möglicherweise von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist und daraus gegebenenfalls für ihn eine Abführungspflicht folgt. Er muss in einer zumindest laienhaften Bewertung erkannt haben, dass er selbst möglicherweise Arbeitgeber ist, dass eine Abführungspflicht existieren und er durch die fehlende Anmeldung oder unvollständige oder unrichtige Angaben die Heranziehung zum Abführen von Sozialabgaben ganz oder teilweise vermeiden könnte (vgl. zu § 370 AO BGH, Urteil vom 17. Februar 1998 – 5 StR 624/97 Rn. 7). Eine bloße Erkennbarkeit reicht insofern nicht aus.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs musste sich der Vorsatz mit Blick auf die Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die daraus resultierenden sozialversicherungsrechtlichen Pflichten allerdings nur auf die hierfür maßgeblichen tatsächlichen Umstände beziehen, während es keiner zutreffenden rechtlichen Einordnung und damit auch keines Fürmöglichhaltens und keiner Billigung einer möglichen Verletzung der etwa in eigener Person bestehenden Verpflichtung zur Beitragsabführung bedurfte. Lag diese Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse vor, unterlag der Täter, wenn er glaubte, nicht Arbeitgeber zu sein oder für die Abführung der Beiträge nicht Sorge tragen zu müssen, nach bisheriger Rechtsprechung keinem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, sondern (allenfalls) einem – in der Regel vermeidbaren – Verbotsirrtum (BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 2009 – 1 StR 478/09 und vom 4. September 2013 – 1 StR 94/13 Rn. 16, jeweils mwN).
Hieran hält der Senat nicht fest. Wie bereits in dem Beschluss vom 24. Januar 2018 angedeutet (1 StR 331/17 Rn. 15), ist vorsätzliches Handeln nur dann anzunehmen, wenn der Täter über die Kenntnis der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umstände hinaus auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts – zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre – nachvollzogen hat (zustimmend Habetha, StV 2019, 39 ff.; von Galen/Dawidowicz, NStZ 2019, 148 f.; Schneider/Rieks, HRRS 2019, 62 ff.; Rode/Hinderer, wistra 2018, 341 f.; Reichling, StraFo 2018, 357 f.; Floeth, NStZ-RR 2018, 182 f.; MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 266a Rn. 90; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 266a Rn. 23). Der Täter muss danach seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen haben. Demgemäß ist eine Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht als Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB einzuordnen.
Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Vorsatz und Irrtumsproblematik bei der Steuerhinterziehung, wonach zum Vorsatz der Steuerhinterziehung gehört, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11 Rn. 21 mwN). …
Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht. Der Beurteilung, die aufgrund einer Vielzahl von Kriterien zu erfolgen hat (unter anderem das Maß der Eingliederung des die Dienste Leistenden in den Betrieb, das Bestehen eines Direktionsrechts bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der Dienstleistung, das Vorliegen eines eigenen unternehmerischen Risikos des die Dienste Leistenden, vgl. BSG, NJW 2018, 2662 Rn. 16 ff.), kann eine komplexe Wertung zugrunde liegen, wobei sich die Ergebnisse, da die Kriterien im Einzelfall unterschiedliches Gewicht haben können, nicht immer sicher vorhersehen lassen (vgl. Schneider/Rieks, HRRS 2019, 62, 64; von Galen/Dawidowicz, NStZ 2019, 148, 149). Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind – ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R Rn. 18; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 5 StR 275/18, NStZ-RR 2019, 151 f. mwN) – die tatsächlichen Gegebenheiten der „gelebten Beziehung“, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 5 StR 275/18, aaO; vgl. auch BSG, NJW 2018, 2662 Rn. 16 ff.).
Ob ein Arbeitgeber seine entsprechende Stellung und das Bestehen hieraus folgender sozialversicherungsrechtlicher Abführungspflichten für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, muss vom Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung im Einzelfall anhand der konkreten Tatumstände geklärt werden.
Hierbei kann zunächst Bedeutung erlangen, wie eindeutig die Indizien sind, die – im Rahmen der außerstrafrechtlichen Wertung – für das Vorliegen einer Arbeitgeberstellung sprechen. Zudem kann von Relevanz sein, ob und inwiefern der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr erfahren ist oder nicht und ob das Thema illegaler Beschäftigung in der jeweiligen Branche im gegebenen zeitlichen Kontext gegebenenfalls vermehrt Gegenstand des öffentlichen Diskurses war. Ein gewichtiges Indiz kann daneben überdies sein, ob das gewählte Geschäftsmodell von vornherein auf Verschleierung oder eine Umgehung von sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen ausgerichtet ist. Jedenfalls bei Kaufleuten, die als Arbeitgeber zu qualifizieren sind, sind auch die im Zusammenhang mit ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtliche Situation in den Blick zu nehmen, weil eine Verletzung einer Erkundigungspflicht auf die Gleichgültigkeit des Verpflichteten hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflicht hindeuten kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11 Rn. 27).“
Auf der Grundlage des Urteils des BSG vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R – juris) sind Geschäftsführer (einer GmbH), die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind (sog Fremdgeschäftsführer), ausnahmslos abhängig beschäftigt. Ferner sind danach außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) zustande gekommene, das Stimmverhalten regelnde Vereinbarungen (Abreden) bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse nicht zu berücksichtigen. Aus welchem Grund dieser eingehend begründeten und plausiblen Rechtsauffassung des BSG nicht zu folgen sein sollte, hat der Beklagte nicht dargetan, sondern dies nur schlicht behauptet.
Hiernach ist vorliegend von einer Verpflichtung des Beklagten zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen auszugehen, der er nicht nachgekommen ist und womit er den objektiven Tatbestand des § 266a StGB erfüllt hat.
Der Beklagte verteidigt sich im Berufungsverfahren damit, er sei, wie erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, davon ausgegangen, dass er als Geschäftsführer und Inhaber des Betriebs, den er ohne jede faktische und rechtlich ausgeschlossene Einflussnahme der als Gesellschafterin eingetragenen Ehefrau habe führen können, gerade nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft tätig gewesen sei. Bereits in der Klageerwiderung sei dargelegt, dass und warum der Beklagte auf Grundlage der ihm bekannten Tatsachen nicht davon ausgegangen sei, dass er tatsächlich Arbeitnehmer der A UG gewesen sei. Dort habe der Beklagte, der den Geschäftsbetrieb zunächst im Rahmen eines auf ihn gewerberechtlich angemeldeten Einzelunternehmens geführt habe, die Gründe zur Errichtung der Kapitalgesellschaft und der Einschätzung seines sozialversicherungsrechtlichen Status im Einzelnen und unter Beweisantritt dargestellt. Die Darlegungen seien in sich schlüssig und legten nahe, dass der Beklagte nicht einmal im Ansatz seinen sozialversicherungsrechtlichen Status hinterfragt habe, ohne dass ihm deswegen der Vorwurf der Leichtfertigkeit gemacht werden könne. Letztlich habe sich für ihn im Ergebnis durch die Gründung der UG faktisch nichts geändert. Es habe für ihn keine Veranlassung gegeben, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu hinterfragen, da es sich nach wie vor (zumindest subjektiv) um »sein Unternehmen« gehandelt habe, für das er rechtlich als Geschäftsführer und wirtschaftlich auch als Unternehmer im Rahmen eines Treuhandverhältnisses einzustehen gehabt habe.
Dieses Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin nicht im Einzelnen bestritten (mit Ausnahme des behaupteten Treuhandverhältnisses), weshalb es insoweit zugrunde zu legen ist.
Erstinstanzlich hatte der Beklagte dazu weiter ausgeführt, dass er von 2003 bis zur Gründung der A UG (haftungsbeschränkt) als Einzelgewerbetreibender ein Reinigungsunternehmen mit der Bezeichnung D Dienstleistungen betrieben habe und der Steuerberater des Beklagten, C, zur Vermeidung einer persönlichen Haftung die Gründung eine Unternehmens in der Rechtsform einer UG (haftungsbeschränkt) empfohlen habe, wobei ein Familienangehöriger des Beklagten formal als Alleingesellschafter der UG habe auftreten sollen, der Beklagte aber nach wie vor „die Fäden in der Hand halten“ sollte (Bl. 69 d.A.). In Umsetzung dieser Empfehlung sei die Ehefrau des Beklagten dazu bestimmt worden, mit den vom Beklagten zur Verfügung gestellten Geldern die UG zu errichten und den Beklagten zum Alleingeschäftsführer zu bestimmen. Der Beklagte und seine Ehefrau seien sich vor der Gründung darüber einig gewesen, dass das Geschäft dem Beklagten gehören und von ihm geführt werden sollte und die Ehefrau keine das Geschäft betreffenden Entscheidungen treffen dürfe, es ihr insbesondere nicht zugestanden habe, dem Beklagten irgendwelche Anweisungen zur Geschäftsführung zu erteilen (Bl. 69 d.A. mit Beweisantritt). Entsprechend dieser Einigung sei im Ergebnis verfahren worden, wobei dies auch dem Umstand geschuldet gewesen sei, dass die Ehefrau des Beklagten „Nur-Hausfrau“ ohne jedwede Geschäfts- oder Branchenkenntnisse und damit ohnehin vom Beklagten abhängig gewesen sei.
Diesen weitgehend unstreitigen Hintergrund zur Vorgeschichte und Gründung der A UG (haftungsbeschränkt) hat das Landgericht bei seiner Prüfung von Vorsatz und Irrtum im Rahmen des § 266a StGB nicht berücksichtigt; er streitet jedoch indiziell für das tatsächliche Vorhandensein der vom Beklagten behaupteten Vorstellung, dass er als Geschäftsführer und Inhaber des Betriebs diesen ohne jede faktische und rechtlich ausgeschlossene Einflussnahme der als Gesellschafterin eingetragenen Ehefrau habe führen können und damit im Ergebnis nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft tätig gewesen sei.
Hinzu kommt, dass nach der insoweit unbestritten gebliebenen Darstellung des Beklagten seine steuerlichen Berater in Kenntnis des Gesellschaftsvertrags sowie des Geschäftsführerdienstvertrags und der zwischen den Eheleuten getroffenen Abreden über die tatsächliche Handhabung der Geschäftsleitung die Anmeldung des Beklagten bei der Sozialversicherung unterlassen hätten, da sie der Auffassung gewesen seien, dass der Beklagte nicht in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen sei (Bl. 69 d.A. mit Beweisantritt). Dabei sei der Steuerberater des Beklagten auch mit der Anmeldung der Sozialversicherungsbeiträge aller Beschäftigten beauftragt gewesen, was nicht bestritten ist. Diese Umstände tragen als Indizien ebenfalls erheblich zur Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der oben dargelegten Vorstellung des Beklagten von seiner Rolle bei der A UG (haftungsbeschränkt) bei, in der er sich nicht als Arbeitnehmer gesehen hat und insoweit durch das beschriebene Verhalten seiner steuerlichen Berater bestätigt fühlen konnte, ohne dass ihm insoweit eine Gleichgültigkeit aufgrund Verletzung einer Erkundigungspflicht im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BGH zur Last gelegt werden kann.
In diesem Zusammenhang ist der weitere Umstand zu berücksichtigen, dass nach dem unstreitigen Vortrag des Beklagten die Gesellschaft nicht in der Lage gewesen sei, die Sozialversicherungsbeiträge für ihn zu bezahlen, sie sei deshalb zahlungsunfähig geworden. Die Wertung des Landgerichts, dass dies verdeutliche, dass von Anfang an bewusst ein Geschäftsmodell gewählt worden sei, Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen, um sich bzw. die Gesellschaft zu Lasten der Solidargemeinschaft zu bereichern, ist weder zwingend noch drängt sie sich auf. Vielmehr liegt es – nicht zuletzt angesichts der fachlichen Begleitung der Umgründung durch Steuerberater – näher, anzunehmen, dass ein Geschäftsmodell gewählt worden ist bzw. jedenfalls gewählt werden sollte, bei dem eine Sozialversicherungspflicht des Beklagten erst gar nicht entsteht, sodass keine entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind und die Gesellschaft insofern nicht belastet wird.
Ein gewichtiges Indiz im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BGH für vorsätzliches Handeln, nämlich, dass das gewählte Geschäftsmodell von vornherein auf Verschleierung oder eine Umgehung von sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen ausgerichtet ist, ist vor dem dargelegten Hintergrund somit vorliegend nicht anzunehmen. Vielmehr ging es dem Kläger bei der Gründung der A UG (haftungsbeschränkt) um die Vermeidung einer persönlichen Haftung.
Da es nach der aktuellen Entscheidung des BGH vom 24.9.2019 (a.a.O.) für das Vorliegen von bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und der daraus folgenden Abführungspflicht entscheidend darauf ankommt, ob der Arbeitgeber erkannt und billigend in Kauf genommen hat, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls möglicherweise von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist und daraus gegebenenfalls für ihn eine Abführungspflicht folgt und er in einer zumindest laienhaften Bewertung erkannt haben muss, dass er selbst möglicherweise Arbeitgeber ist, dass eine Abführungspflicht existieren und er durch die fehlende Anmeldung oder unvollständige oder unrichtige Angaben die Heranziehung zum Abführen von Sozialabgaben ganz oder teilweise vermeiden könnte, wobei eine bloße Erkennbarkeit insofern nicht ausreicht, bestehen vorliegend aufgrund der oben dargelegten konkreten Umstände dieses Falles doch erhebliche Zweifel, ob dem Beklagten hiernach mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit ein bedingter Vorsatz zur Last gelegt werden kann. Stichhaltige Gesichtspunkte bzw. Umstände, die in diesem Kontext über eine bloße Erkennbarkeit für den Beklagten – die noch nicht ausreicht – hinausgehen und die geforderte Erkenntnis des Beklagten von der Möglichkeit der abhängigen Beschäftigung und der daraus folgenden Abführungspflicht beweisen würden, sind nicht ersichtlich; die in der Entscheidung des BGH vom 24.9.2019 (a.a.O.) angeführten Indizien für das Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes sind hier nicht gegeben.
Die Darlegungs- und Beweislast des Sozialversicherungsträgers, der den Geschäftsführer einer Gesellschaft (mit beschränkter Haftung) wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266a Abs. 1 StGB in Anspruch nimmt, erstreckt sich auch auf den Vorsatz des beklagten Geschäftsführers; diesen trifft lediglich eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 18.12.2012, II ZR 220/10 – juris); das Ausbleiben eines Nachweises des Vorsatzes des Beklagten muss daher ebenso wie bereits ein non liquet zum Nachteil der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin gehen.
Nach der vorgenannten Entscheidung des BGH vom 24.9.2019 (a.a.O.) muss der Täter seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen habe, weshalb danach eine Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht als Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB einzuordnen ist. Auf dieser Grundlage ist wegen der oben ausgeführten Vorstellung des Beklagten von einem entsprechenden Tatbestandsirrtum auszugehen mit der Folge, dass gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB ein vorsätzliches Handeln des Beklagten nicht vorliegt und der subjektive Tatbestand des § 266a StGB nicht erfüllt ist.
Demzufolge ist vorliegend eine Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB nicht gegeben und die Berufung des Beklagten erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 iVm 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung mangels divergierender Entscheidungen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).