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Schadenersatzanspruch – Sorgfaltsanforderungen an Kite-Surfer beim Startvorgang

LG Köln – Az.: 19 O 49/18 – Urteil vom 05.08.2019

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 401,86 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2017 sowie 525,58 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteile, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 6500 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 22.12.2017 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftig entstehende Schäden aus dem Unfall vom 00.00.00 in J/ Niederlande zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Unfall, der sich am 00.00.00 in J in den Niederlanden ereignete.

Am Unfalltag spazierte der Kläger mit seiner Ehefrau von einem Deich über eine Wiese in Richtung Strand. Auf der Wiese wurde er von der an einem Lenkdrachen (Kite) hängenden Beklagten umgestoßen. Die näheren Umstände des Unfalls sind streitig.

Durch den Zusammenprall erlitt der Kläger eine Tibiakopffraktur am rechten Bein. Nach der Notfallversorgung in einem niederländischen Krankenhaus wurde er nach Deutschland transportiert, wo er vom 03.- 12.10.2017 stationär behandelt wurde. Am 05.10.2017 wurde der Bruch operiert. Im Februar 2019 war eine weitere Operation erforderlich um das im Rahmen der ersten Operation zur Stabilisation eingebrachte Material wieder zu entfernen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.11.2017 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihre Schadenseintrittspflicht dem Grunde nach anzuerkennen. Diese ließ am 22.12.2017 durch ihre Haftpflichtversicherung mitteile, dass sie an dem Unfall kein Verschulden treffe und eine Haftung daher nicht anerkenne.

Der Kläger behauptet, er sei vom Damm auf einem eigens für Fußgänger vorgesehenen Weg über die Wiese gelaufen. Am Unfalltag habe eine Windstärke von ca 40 Knoten geherrscht. Der Kläger sei von der an dem Kite hängenden Beklagten völlig überrascht worden. Diese sei infolge eines Bedienungsfehlers mit hoher Geschwindigkeit von rechts angeflogen gekommen und habe ihn mitgerissen. Der Kläger sei mehrere Meter durch die Luft geschleudert worden.

Durch den Unfall sei ein materieller Gesamtschaden von 401,86 EUR entstanden. Dieser setzte sich zusammen aus Fahrtkosten seiner Ehefrau sowie eigenen Fahrtkosten zu Heilbehandlungen, Zuzahlungen für Medikamente sowie Kosten für ein Ärztliches Attest, einen Arztbericht und den Arztbesuch in den Niederlanden. Hinsichtlich der Einzelheiten der aufgeführten Positionen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 07.03.2018 und 14.06.2018 einschließlich der jeweiligen Anlagen (Bl. 1 ff, 40 ff GA) verwiesen.

Noch heute leide der Kläger unter erheblichen Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. In Folge des Unfalls sei zudem mit der Ausbildung einer posttraumatischen Gonarthrose zu rechnen. Bei den erlittenen Verletzungen seien Spätfolgen typischerweise zu erwarten.

Der Kläger hält ein Schmerzensgeld von mindestens 8000 EUR für angemessen. Er ist der Ansicht, dass sich das von der Beklagten gezeigte Regulierungsverhalten Schmerzensgelderhöhend auswirken müsse.

Der Kläger beantragt,

1.  Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 401,86 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2017 sowie 525,58 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

2.  Die Beklagte zu verurteile, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 22.12.2017 zu zahlen.

3.  Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftig entstehende Schäden aus dem Unfall vom 00.00.00 in J/ Niederlande zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die betreffende Wiese sei durch entsprechende Beschilderung am Deich als Start- und Landezone für Kitesurfer ausgewiesen. Der Kläger sei auf die Beklagte zugelaufen und habe sich daher unmittelbar in ihrem Startbereich befunden. Während des Startvorgangs sei sie durch eine Böe seitlich weggezogen worden. Sie habe einen Ausfallschritt gemacht, wobei sie mit dem Kläger zusammengestoßen sei. Hierdurch habe sie die Kontrolle über den Kite verloren und sei gemeinsam mit dem Kläger gestürzt.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 04.12.2018 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie durch Vernehmung der Zeugin G und des Zeugen T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 17.04.2019 (Bl. 74 GA) sowie das Sitzungsprotokoll vom 16.10.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO (Brüssel-Ia-VO). Das Landgericht Köln ist gemäß §§ 12,13 ZPO örtlich und gemäß §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich zuständig.

2. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass der Kläger, anders als in § 253 Abs. 2 Nr.2 ZPO vorgeschrieben, mit seinem Klageantrag zu 2) keinen bestimmten Antrag gestellt hat. Dies ist bei Schmerzensgeldklagen nach ständiger Rechtsprechung entbehrlich, weil das erkennende Gericht die Höhe des zuzusprechenden Betrages selbst nach billigem Ermessen gem. § 287 ZPO festsetzt. Es genügt für eine ordnungsgemäße Klageerhebung, dass der Kläger die Grundlagen für die Ermittlung des Betrages darlegt und seine Vorstellung von der Höhe seiner Forderung angegeben hat. Dieser Pflicht ist der Kläger nachgekommen. Er hat die Beeinträchtigungen in Folge des Unfalls substantiiert dargelegt und im Rahmen der Klageschrift das gewünschte Schmerzensgeld mit mindestens 8000 EUR beziffert.

3. Soweit der Kläger Feststellung begehrt, besteht auch ein nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliches Feststellungsinteresse. Das rechtliche Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht der ergibt sich daraus, dass er durch das Unfallereignis eine Körperverletzung erlitten hat. Weitere – neben den bereits eingetretenen- Folgeschäden sind noch nicht gänzlich auszuschließen. Lässt sich eine Aussage darüber, ob in Zukunft noch Spätfolgen des Unfalls auftreten können, nicht treffen, kann die Möglichkeit weiterer Folgen für einen Feststellungsantrag ausreichen (BGH, Urt. v. 20.03.2001 – VI ZR 325/99). Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, schon jetzt eine rechtskräftige Entscheidung über den Klagegrund zu erhalten, folgt auch im Hinblick auf die Verjährung.

II.

Die objektive Klagehäufung ist nach § 260 ZPO zulässig.

III.

Die Klage ist auch begründet.

1. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 3 Nr. 1 a) EGBGB i.V.m. Art. 4 Abs. 2 Rom-II-VO. Haben der Schädiger und der Geschädigte im Zeitpunkt einer unerlaubten Handlung ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in demselben Staat, so ist das Recht dieses Staates in Bezug auf die unerlaubte Handlung anwendbar. Beide Parteien lebten zur Zeit des Unfalls in Deutschland und hatten dort ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort.

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz für seine materiellen Schäden aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB.

a) Durch den Zusammenprall mit der Beklagten wurde der Kläger erheblich verletzt. Der Unfall wurde durch die Beklagte verschuldet. Diese handelte beim dem Startvorgang fahrlässig.

Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Hierunter versteht man die Sorgfalt, die sich auf die Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit der Tatbestandsverwirklichung richtet und wofür ein objektiver Maßstab innerhalb des jeweiligen Verkehrsreises anzulegen ist (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 823 Rn. 38). Vorliegend kommt es somit auf den im Verkehrskreis der Kitesurfer üblichen Sorgfältigkeitsmaßstab an.

Durch das Bedienen des Sportgeräts begründet ein Kitesurfer eine über das Normalmaß hinausgehende Gefahrenquelle, auch für Rechtsgüter Dritter. Er setzt sich in besonderem Maße den Kräften des Windes aus, welche er naturgemäß nicht beeinflussen kann. Während der Surfer mit dem Kite verbunden ist, haben seine Bewegungen durch den Wind eine größere Reichweite und eine stärkere Wucht. Im Fall eines Zusammenstoßes mit anderen, gehen vom Kitesurfer daher regelmäßig größere Kräfte aus, als sie dies im Normalfall tun würden. Während das Eröffnen der Gefahrenquelle an sich nicht untersagt ist, trifft einen Kitesurfer aber eine gesteigerte Verantwortung dafür, die aus dieser Gefahr resultierenden schädlichen Folgen abzuwenden oder wenigstens zu begrenzen (vgl. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdiger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, 823 Abs. 1 BGB, Rn. 86).

Dies bedeutet bezogen auf den hier streitgegenständlichen Startvorgang an Land, dass der Kitesurfer insbesondere verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass ihm für den Startvorgang genügend Platz zur Verfügung steht und eine Gefährdung anderer nach Möglichkeit ausgeschlossen ist. Er darf den Startvorgang also insbesondere nur beginnen bzw. fortsetzen, wenn er sich vergewissert hat, dass sich in Richtung zum Wasser hin, in welche er sich vom Wind ziehen zu lassen beabsichtig, keine anderen Personen befinden. Außerdem muss er sich vergewissern, dass sich in seinem unmittelbaren Umfeld seitlich sowie jedenfalls schräg hinter ihm keine weiteren Personen befinden. Dass das Auftreten von Böen seitliche Ausweichbewegungen erforderlich machen könnte, um den durch den Kite ausgeübten Zug auszugleichen, ist – gerade für einen mit dem Sport vertrauten – vorhersehbar.

Darüber hinaus besteht eine Sorgfaltspflicht auch dahingehend, dass der Kitesurfer vor dem Startvorgang seine Umgebung kontinuierlich beobachten muss. Um einen gefährdungsfreien Start zu gewährleisten, muss er sich vergewissern, dass sich auch keine Personen in seinem näheren Umfeld befinden, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie in die durch den Start gefährdete Zone eintreten werden.

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Jedenfalls gegen diese Verkehrspflicht hat die Beklagte verstoßen. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Beklagte hat zwar – übereinstimmend mit dem Zeugen T- bekundet, sich vor Beginn des Startvorgangs nach hinten umgesehen zu haben. Dort habe sie jedoch niemanden wahrgenommen. Gleichzeitig ist jedoch unstreitig, dass der Kläger sich nicht besonders schnell in Richtung der Beklagten bewegte. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Beklagte lediglich einen, nach Bekunden des Zeugen T zwei bis drei seitliche Ausfallschritte gemacht, bevor sie mit dem Kläger zusammenstieß. Dieser muss sich somit in ihrer unmittelbaren Nähe befunden haben. Hätte die Beklagte ihr Umfeld vor Beginn des Starts hinreichend sorgfältig beobachtet, hätte sie ihn daher wahrnehmen müssen.

Unerheblich ist dagegen, ob es sich bei der Wiese um eine Kite-Zone handelte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der von der Beklagten genutzte Bereich nicht etwa für Kite-Laien gesperrt ist, sondern von jedermann genutzt werden kann. Das Maß der von der Beklagten anzuwendenden Sorgfalt war daher keinesfalls herabgesetzt.

Unerheblich ist auch, ob die Beklagte tatsächlich vom Boden abgehoben war und aus welcher exakten Richtung sie kam. Es ist unstreitig, dass der Kläger durch die Beklagte zu Fall gebracht und hierdurch verletzt wurde.

b) Den Kläger trifft auch kein Mitverschulden gem. § 254 BGB. Er befand sich auf einer öffentlich zugänglichen Wiese. Es war Pflicht der Beklagten sich zu vergewissern, dass sich keine Spaziergänger in ihrem Umfeld aufhalten bevor sie mit dem Startvorgang beginnt. Für einen mit der Sportart nicht vertrauten Spaziergänger ist nicht ersichtlich, wie weit der Gefahrenradius eines Kites reicht. Das Spazierengehen war auf der Wiese auch nicht verboten.

c) Die geltend gemachten materiellen Schäden sind auch in voller Höhe vom Schadensersatzanspruch des Klägers umfasst.

i. Die Fahrtkosten der Ehefrau des Klägers für tägliche Besuche in der Klinik vom 00.00.00 bis zum 12.10.2017 gehören zu den Kosten der Heilbehandlung und stellen daher einen materiellen Schaden des Klägers selbst dar (vgl. Palandt/ Grüneberg, § 249 Rn. 9). Die Anzahl der von der Ehefrau durchgeführten Fahrten ist von der Beklagten auch nicht bestritten worden. Bei einer einfachen Distanz des Krankenhauses zum Wohnort des Klägers und seiner Ehefrau von 30 km ergeben sich daher für die zehn Besuchstage insgesamt 600 abrechenbare Kilometer.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes erfolgt im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO. Dabei können hinsichtlich der Fahrtkosten die Bestimmungen über die Entschädigung des JVEG herangezogen werden. Der Betrag in Höhe von 0,30 EUR pro Kilometer entspricht dem in § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG angesetzten Betrag, der auch die Anschaffungs- und Unterhaltskosten des Fahrzeugs mitberücksichtigt. Konkrete Anhaltspunkte, die eine hiervon abweichende Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich (vgl. LG Bonn Anerkenntnisurteil vom 21.10.2011 – 3 O 272/06, BeckRS 2013, 6187, beck-online).

ii. Der Kläger hat an insgesamt 18 Tagen Krankengymnastik in einem Gesundheitszentrum in Anspruch genommen. Dies wurde durch den Physiotherapeuten bestätigt (Bl. 52 GA). Hierfür ist er insgesamt 54 km gefahren. Zudem hat er sieben Mal seinen Arzt in Steinheim aufgesucht, wozu er insgesamt 79,1 km gefahren ist. Die Arztbesuche wurden von dem Arzt bestätigt (Bl. 8f. GA). Nach den bereits erläuterten Grundsätzen ist dem Kläger durch die Fahrten ein Schaden von 39,39 EUR entstanden.

iii. Auch Kosten für Heilmittelzuzahlungen sind dem Kläger in Höhe von 60,72 EUR entstanden, was er mit entsprechenden Quittungen belegt hat (Bl. 15 GA). Für eine ärztliche Bescheinigung des W Hospitals in C musste der Kläger 5,00 EUR entrichten. Für die Erstbehandlung in den Niederlanden musste er 44,98 EUR und für ein Attest des Arztes in Steinheim 77,23 EUR selbst zahlen. Diese Kosten sind ebenfalls durch Vorlage entsprechender Belege nachgewiesen (Bl. 16 ff. GA).

d) Der Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2017 ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Mit der endgültigen Verweigerung der Regulierung befand sich die Beklagte ab diesem Tag mit der Zahlung in Verzug.

e) Der Schadensersatzanspruch des Klägers umfasst auch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, weil in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war. Der Kläger kann der Höhe nach die Erstattung vorgerichtlicher Kosten ausgehende von einer 1,3 – Gebühr und einem Gegenstandswert von 7401,86 EUR beanspruchen.

Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Abzustellen ist dabei auf die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Schadenshöhe (BGH NJW 2018, 935 ff.).

Der zu erstattende Betrag ist gemäß § 308 ZPO auf die Klageforderung zu deckeln.

3. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6500 EUR aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs.2 BGB.

a) Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299; OLG Hamm zfs 2005, 122 f.). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt (grdl. BGH – GSZ – BGHZ 18, 149 ff.; ferner BGH NJW 2006, 1068 f.). Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (OLG Hamm zfs 2005, 122 f.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erachtet das Gericht zum Ausgleich und zur Entschädigung ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 6500 EUR für angemessen und ausreichend. Ein noch höheres Schmerzensgeld, wie von dem Kläger beantragt, ist auch im Hinblick auf Vergleichsfälle nicht angemessen.

In die Bemessung des Schmerzensgeldes eingeflossen ist insbesondere die lange Behandlungsdauer. Die erlittene Tibiakopffraktur machte einen stationären Aufenthalt im Krankenhaus vom 03.-12.10.2017 erforderlich. Der Kläger musste infolge des Bruches insgesamt zweimal operiert werden und wurde über einen Zeitraum von drei Monaten weiter ambulant behandelt. Die MdE betrug vom Unfalltag bis zum 12.10.2017 100%, für ca einen weiteren Monat 60%, anschließend bis zum 30.11.2017 40% und vom 01.12.2017 bis zum 26.01.2018 noch 20%.

Auch die Erlittenen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen waren für die Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe relevant. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger durch die Operationen und die mit der Fraktur einhergehende Bewegungseinschränkung über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren beeinträchtigt war und zeitweise unter starken Schmerzen litt. Noch immer ist er nicht völlig schmerzfrei. Dabei geht das Gericht jedoch nicht davon aus, dass mit erheblichen weiteren Beeinträchtigungen oder Dauerfolgen zu rechnen ist. Die Begutachtung des als Orthopäden besonders sachkundigen Sachverständigen hat ergeben, dass der Kläger im Zeitpunkt der Untersuchung nicht über einen längeren Zeitraum auf dem rechten Bein stehen konnte. Dies sei jedoch eine Folge der erst kurz zuvor durchgeführten zweiten Operation. Es seien keine Streckdefizite an den Kniegelenkten mehr feststellbar. Die Muskulatur des rechten Oberschenkels sei gegenüber der linken Seite deutlich reduziert, was auf eine zurückliegende Entlastung des rechten Beins in Folge der zweiten Operation schließen lasse. Insgesamt sei eine exzellente Rekonstruktion der Gelenkoberfläche gelungen. Eine Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht länger.

Eine andauernde erhebliche Schmerzsymptomatik und eine Beeinträchtigung bei alltäglicher Belastung konnte der Sachverständige ausschließen. Allerdings nimmt er an, dass eine gänzlich schmerzfreie Belastbarkeit über dem rechten Kniegelenk auch in Bezug auf große oder lang dauernde Belastungen möglicherweise nie wieder gegeben sein wird.

Schadenersatzanspruch - Sorgfaltsanforderungen an Kite-Surfer beim Startvorgang
(Symbolfoto: Von ohrim/Shutterstock.com)

Entgegen der Ansicht des Klägers führt das Regulierungsverhalten der Beklagten nicht zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes. Es ist zwar anerkannt, dass ein besonders zögerliches Regulierungsverhalten in die Bemessung des Schmerzensgeldes einfließen kann. Dies jedoch nur, wenn sich das das Unfallopfer durch das Regulierungsverhalten gekränkt oder verächtlich gemacht fühlt (OLG Köln NJW-RR 2002, 962, beck-online). Dies betrifft insbesondere den Fall, dass eine Haftung dem Grunde nach unstreitig ist und dennoch von einer alsbaldigen Zahlung abgesehen wird. Der Beklagten steht es jedoch zu, sich zunächst gegen eine Haftung dem Grunde nach zu wehren. Dieses Verhalten kann ihr nicht im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes angelastet werden.

b) Der Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2017 ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

4. Auch der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet. Die Beklagte haftet dem Grunde nach für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls. Die Entstehung zukünftiger weiterer Folgen ist auch hinreichend wahrscheinlich. An die Darlegung der für ein Feststellungsbegehren erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass spätere Schadensfolgen eintreten können, sind vor allem mit Rücksicht auf das Interesse des Klägers an einem Schutz vor der Verjährung seiner Ersatzansprüche maßvolle Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass der Kl. die aus seiner Sicht bei verständiger Würdigung nicht eben fern liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Folgeschäden aufzeigt (BGH, NJW-RR 1991, 917 Rn. 10; BGH Urteil vom 30.10.1973 – VI ZR 51/72). Davon ist aber bei Knochenverletzungen regelmäßig auszugehen (vgl. BGH, NJW 1973, 702 Rn. 17/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.3.2012 – 7 U 104/11; OLG München, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06).

Danach ist hier eine ausreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Folgeschäden gegeben. Der Kläger hat einen Bruch des Tibiakopfes erlitten, der durch Einbringung einer Platte behandelt worden ist. Der behandelnde Chirurg hat die Mögliche Entwicklung einer Gonarthrose in Aussicht gestellt und auch der gerichtliche Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass eine schmerzfreie Belastbarkeit möglicherweise nicht wiederhergestellt werden kann.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Hinsichtlich der Zuvielforderung des Schmerzensgelds ist kein relevantes Unterliegen nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzunehmen, da es sich um einen Anspruch handelt, der im Wege der richterlichen Schätzung zu ermitteln ist und bei dem die klägerische Zuvielforderung nicht mehr als 20% ausmacht (vgl. Thomas/Putzo, § 92 ZPO, Rn. 9).

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 9.401,86 EUR festgesetzt.

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