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Schadensanzeigeformular – Nachfragepflicht des Versichers

OLG Karlsruhe

Az: 12 U 204/02

Urteil vom 06.02.2003


In dem Rechtsstreit wegen Versicherungsleistung hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 06. Februar 2003 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 14.08.2002 – 1 O 65/02 – im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Klagabweisung im übrigen verurteilt, an den Kläger 10.493,25 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.072,45 € seit dem 19.10.2001 und aus weiteren 420,80 seit 26.06.2002 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 7% und die Beklagte 93%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Sie führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10.493,25 €.

I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Der Kläger begehrt wegen eines Fahrzeugdiebstahls Leistungen aus einer Kraftfahrzeugkaskoversicherung. Die Beklagte hält sich wegen ihres Erachtens vorsätzlich falscher Angaben in der Schadensanzeige für leistungsfrei und beanstandet ferner die Höhe der geltend gemachten Ersatzleistung. Das Landgericht hat die Klage wegen Leistungsfreiheit der Beklagten aufgrund von Obliegenheitsverletzungen abgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten Urteils wird Bezug genommen.

Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter und wendet sich dabei insbesondere gegen die Auffassung des Landgerichts, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit gemäß §§ 6 Abs. 3 VVG, 7 I. 2, IV 4 AKB lägen vor.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

II. (§ 540 Abs. 1 Nr.2 ZPO)

A.
Das Landgericht geht davon aus, dass in die Schadensanzeige aufgenommene falsche Angaben zum Kaufpreis eines entwendeten Fahrzeugs und zum Vorhandensein auch reparierter Vorschäden relevante Verstöße gegen die vertragliche Obliegenheit, alles zur Aufklärung des Tatbestands dienliche zu tun, darstellen. Das ist zutreffend. Das Landgericht meint ferner, nachträgliche Korrekturen falscher Angaben könnten die Leistungsfreiheit nur dann zunichte machen, wenn der Versicherungsnehmer den wahren Sachverhalt allein aus eigenem Antrieb vollständig und unmissverständlich offenbart. Auch das ist richtig (BGH VersR 2002, 173). Dabei werden allerdings die Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht gewürdigt, die zum einen ein vorsätzliches Handeln des Klägers als ausgeschlossen erscheinen lassen und zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Nachfrageobliegenheit einer Leistungsfreiheit der Beklagten entgegen stehen.

1. Das vom Zeugen F., Schwager des Klägers und nebenberuflicher Versicherungsvermittler der Beklagten, ausgefüllte Schadensformular vermerkt bei der Rubrik „gezahlter Kaufpreis“ „lt. Gutachten“. Im Gutachten ist kein gezahlter Kaufpreis vermerkt, sondern lediglich ein Händlerverkaufswert. Richtig ist zwar, dass eine mögliche Auslegung dahin geht, dass der gezahlte Kaufpreis der Wertangabe im Bewertungsgutachten entsprach. Naheliegend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Darüber hinaus hat sich durch die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger selbst den Verweis auf das Gutachten anders verstanden hat. Der Zeuge F. hat bekundet, er habe angenommen, bei der nachgefragten Wertangabe habe es sich um den für die Berechnung der Entschädigung maßgebenden Wert gehandelt. Da der Wagen vom Kläger in beschädigten Zustand erworben worden und danach in Stand gesetzt worden sei, sei er unsicher gewesen hinsichtlich des einzutragenden Preises. Deshalb habe er versucht beim Schadenssachbearbeiter der Beklagten nachzufragen. Dort habe man ihm aber erklärt, er solle das Formular so ausfüllen, wie er denke. Deshalb habe er dem Kläger geraten, ein Bewertungsgutachten in Auftrag zu geben. Auf dessen Ergebnis habe er sodann in der Schadensanzeige Bezug genommen. Wenn der Kläger in Kenntnis dieser Umstände die Schadensanzeige unterzeichnete, so kann ihm eine vorsätzliche Falschangabe insoweit nicht vorgeworfen werden. Schließlich durfte er sich darauf verlassen, dass der erkennbar um eine ordnungsgemäße Schadensmeldung bemühte Zeuge ihm insoweit keine falschen Angaben zur Unterzeichnung vorlegte (OLG Hamm 2. Dezember 1987 – 20 U 112/87 -). Für ein kollusives Zusammenwirken von Kläger und Zeugen liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Auch die Beklagte behauptet dergleichen nicht.

Ähnlich verhält es sich bezüglich der weiteren Angaben im Schadensformular zu der Frage „Hatte ihr Fahrzeug vor Schadenseintritt Schäden, Mängel oder Fehler durch Unfall, Sachbeschädigung, Verschleiß und dergleichen?“, die bei der Auswahl „repariert“, „nicht repariert“, „nein“ verneinend beantwortet wurde. Auch insoweit war dem Zeugen bekannt, dass bei Erwerb des Fahrzeugs Vorschäden, die der Kläger zwischenzeitlich beseitigt hatte, vorhanden gewesen waren.

2. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten kommt im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil die beanstandeten Angaben missverständlich und widersprüchlich waren. So wurde gerade kein Kaufpreis genannt und kein Kaufvertrag vorgelegt, sondern ein Bewertungsgutachten, dass sich zu einem gezahlten Kaufpreis ausschweigt. Der Beklagten musste sich somit die Möglichkeit aufdrängen, dass der Kläger auch nur den Schätzwert des Sachverständigen mitteilen wollte, ihre Formularfrage also gerade nicht vollständig beantwortet worden war. Noch augenfälliger war die Widersprüchlichkeit bei der Frage nach den Vorschäden. Während nämlich angesichts der Beantwortungsalternativen reparierte Vorschäden kaum mit der Antwort „nein“ zu erfassen waren, ergab sich aus dem dem Schadensformular zur Ergänzung beigefügten Bewertungsgutachten, dass solche Reparaturarbeiten durchgeführt worden waren. Das – nur eine Seite umfassende – Gutachten führt nämlich an, dass das Fahrzeug neu lackiert, Frontscheibe und Zahnriemen erneuert worden waren.

Wenn eine vom Versicherungsnehmer ausgefüllte Formularschadensanzeige solche Widersprüche enthält, kann von dem Versicherer nach Treu und Glauben erwartet werden, dass er den Versicherungsnehmer darauf hinweist und ihm Gelegenheit zur korrekten Beantwortung der Frage gibt (BGH VersR 1980, 159). Der Versicherer muss beim Versicherungsnehmer klärend nachfragen, wenn dessen Angaben im Schadensanzeigeformular (oder einem anderen der Schadenregulierung dienenden Fragebogen) widersprüchlich, sonst wie unklar oder erkennbar unrichtig sind. Anderenfalls kann er sich nach Treu und Glauben nicht auf Leistungsfreiheit wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung berufen (OLG Hamm VersR 2001, 1419; vgl. auch BGH RuS 1997, 84). Erfolgt – wie im vorliegenden Fall – eine Rückfrage, so kommt eine Leistungsfreiheit nur dann in Betracht, wenn die gebotene wahrheitsgemäße Klarstellung unterbleibt (OLG Hamm Schaden-Praxis 2000, 172). Auf die Rückfrage der Beklagten hat der Kläger hier jedoch alle offenen Fragen wahrheitsgemäß beantwortet.

B.
Die Klage ist der Höhe nach aber nur teilweise begründet. Dem Kläger steht gemäß § 13 Nr.1 AKB der Wiederbeschaffungswert zu, der sich nach dem Kaufpreis bestimmt, den der Versicherungsnehmer aufwenden muss, um ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben. Hierzu legt der Kläger ein Bewertungsgutachten vor, das allerdings hinsichtlich des Fahrzeugszustands allein auf seinen Angaben beruht. Das Fahrzeug selbst steht für eine gutachterliche Untersuchung nicht mehr zur Verfügung. Die Beklagte verweist lediglich auf Angaben in der Schwacke-Liste und geht dabei auf die wertbildenden Besonderheiten des Fahrzeugs nicht ein. Der Senat schätzt daher den Wiederbeschaffungswert unter Berücksichtigung des Gutachtens und der eigenen Wertangabe des ebenfalls sachkundigen Klägers im Versicherungsantrag auf 20.000 DM = 10.072,45 € (§ 287 ZPO).

Die Beklagte ist ferner aus § 286 BGB verpflichtet, die nach ihrer Leistungsverweigerung entstandenen Rechtsverfolgungskosten, die durch die Besprechung des klägerischen Rechtsanwalts mit dem Zeugen F. angefallen sind, zu ersetzen. Da die unberechtigte Zuvielforderung des Klägers hier keinen Gebührensprung auslöst, ist der Gesamtbetrag von 420,80 € zu erstatten.

III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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