Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Tierhalterhaftung: Ansprüche und Rechte bei Pferdeunfällen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Schwere Verletzungen nach Sturz von ungesatteltem Pferd: Halterhaftung auf ein Drittel beschränkt
- Unfallhergang bei einem Ausritt ohne ausreichende Sicherung
- Krankenversicherung fordert Behandlungskosten vom Pferdehalter
- Gericht sieht Hauptverantwortung bei der Mutter
- Mitverantwortung des Pferdehalters begründet Teilhaftung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche grundsätzlichen Haftungsregeln gelten für Pferdehalter bei Unfällen?
- Was müssen Pferdehalter beachten, um ihrer Sorgfaltspflicht gerecht zu werden?
- Welche Rolle spielen Versicherungen bei Unfällen mit Pferden?
- Wie wird das Mitverschulden anderer Personen bei Pferdeunfällen berücksichtigt?
- Welche Dokumente und Nachweise sind nach einem Pferdeunfall wichtig?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Meiningen
- Datum: 19.08.2022
- Aktenzeichen: 1 O 978/21
- Verfahrensart: Schadensersatzverfahren
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Tierhalterhaftung
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Krankenversicherung des verletzten M. P., die Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht. Sie fordert vom Beklagten 31.096,24 €, die sie für Heilbehandlungen gezahlt hat, und behauptet, dass der Beklagte für den Unfall verantwortlich sei, da sich die spezifische Tiergefahr beim Unfall verwirklicht habe.
- Beklagter: Besitzer des Pferdes, das den Unfall verursacht hat. Er weist die Ansprüche zurück und argumentiert, dass die Mutter des Geschädigten für den Unfall verantwortlich sei, da sie das Kind ohne ausreichende Sicherheit auf das Pferd gesetzt habe. Der Beklagte sieht sich aufgrund der Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr nicht haftbar.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der bei der Klägerin krankenversicherte M. P. wurde am 26.10.2018 von einem Pferd des Beklagten abgeworfen und verletzt. Die Mutter von M. P. setzte ihn auf das Pferd, das schließlich scheute und ihn abwarf.
- Kern des Rechtsstreits: Es geht um die Frage, ob der Beklagte als Halter des Pferdes für die Verletzungen von M. P. haftet oder ob die Mutter von M. P. aufgrund fahrlässigen Verhaltens eine entscheidende Mitverantwortung trägt, die die Haftung mindert.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Beklagte muss 10.352,41 € an die Klägerin zahlen und ist für ein Drittel zukünftiger Behandlungskosten verantwortlich.
- Begründung: Der Beklagte haftet aus § 833 BGB für die spezifische Tiergefahr. Die Mitschuld der Mutter von M. P. in Höhe von zwei Dritteln wird nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs angerechnet, da sie das Kind ungesichert auf das Pferd setzte und damit fahrlässig handelte.
- Folgen: Der Beklagte trägt die gekürzten Schadensersatzkosten. Das Urteil klärt die Haftungsverteilung zwischen dem Tierhalter und einer mitverantwortlichen Drittperson im Unfallgeschehen. Die Klägerin muss zwei Drittel der Gerichtskosten tragen, und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tierhalterhaftung: Ansprüche und Rechte bei Pferdeunfällen im Fokus
Die Tierhalterhaftung ist ein zentrales Thema im Tierrecht. Wenn ein Pferd verletzt oder einen anderen Menschen schädigt, können Schadensersatzforderungen gegen den Pferdehalter geltend gemacht werden. Die Verantwortlichkeit des Tierhalters wird dabei durch verschiedene Gesetze und Regelungen bestimmt, die eine klare Linie ziehen zwischen den Rechten der Geschädigten und den Pflichten der Halter. Pferdeunfälle können sowohl physische Verletzungen als auch emotionale Schäden nach sich ziehen, weshalb die rechtlichen Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz in vielen Fällen relevant sind.
Im Kontext dieser Haftungsfragen kann es hilfreich sein, konkrete Gerichtsurteile zu prüfen, die Aufschluss über die Anwendung der Tierhalterhaftung geben. Ein aktueller Fall beleuchtet die komplexen Aspekte der Haftung und zeigt, welche Ansprüche Kläger im Falle einer Verletzung durch ein Pferd geltend machen können.
Der Fall vor Gericht
Schwere Verletzungen nach Sturz von ungesatteltem Pferd: Halterhaftung auf ein Drittel beschränkt
Das Landgericht Meiningen hat in einem Urteil vom 19.08.2022 die Haftung eines Pferdehalters für Verletzungen eines vierjährigen Kindes auf ein Drittel begrenzt. Der Vorfall ereignete sich am 26.10.2018, als der Junge von der elfjährigen Pinto-Stute des Beklagten stürzte und durch einen Tritt des Pferdes schwer verletzt wurde.
Unfallhergang bei einem Ausritt ohne ausreichende Sicherung
Die Mutter des Kindes hatte mit Zustimmung des Pferdehalters dessen Stute von der Koppel geholt und war mit ihrem Sohn zu einem Spaziergang aufgebrochen. Auf dem Feldweg setzte sie den Vierjährigen ohne Sattel auf das Pferd, wobei dieser sich lediglich an der Mähne festhielt. Als die Mutter das Pferd auf dem Rückweg leicht antraben ließ, scheute das Tier, brach nach rechts aus und begann zu buckeln. Der Junge konnte sich nicht halten, stürzte ab und wurde von einem Hufschlag am Bauch getroffen.
Krankenversicherung fordert Behandlungskosten vom Pferdehalter
Die gesetzliche Krankenversicherung des verletzten Kindes zahlte Behandlungskosten in Höhe von über 31.000 Euro und verlangte vom Pferdehalter die vollständige Erstattung. Der Pferdehalter wies die Forderung mit der Begründung zurück, das weit überwiegende Verschulden liege bei der Mutter des Kindes.
Gericht sieht Hauptverantwortung bei der Mutter
Das Landgericht Meiningen erkannte zwar eine grundsätzliche Haftung des Pferdehalters nach § 833 BGB an, da sich in dem Verhalten des Pferdes die typische Tiergefahr verwirklicht hatte. Allerdings bewertete das Gericht den Verantwortungsanteil der Mutter mit zwei Dritteln. Sie habe ihre Sorgfaltspflicht verletzt, indem sie den vierjährigen Jungen ohne ausreichende Sicherung wie Sattel, Steigbügel und Zügel auf dem Pferd platzierte und dieses dann auch noch antraben ließ.
Mitverantwortung des Pferdehalters begründet Teilhaftung
Dem Pferdehalter lastete das Gericht ein Drittel der Verantwortung an. Er hätte aufgrund seiner Erfahrungen aus der Vergangenheit damit rechnen müssen, dass der Junge während des Spaziergangs auf das Pferd gesetzt würde. Daher wäre er verpflichtet gewesen, auf eine angemessene Ausstattung des Pferdes mit Sattel und Zügeln zu bestehen. Die Krankenversicherung erhält somit rund 10.350 Euro der aufgewendeten Behandlungskosten erstattet. Auch für künftige Behandlungskosten muss der Pferdehalter zu einem Drittel aufkommen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht verdeutlicht die geteilte Verantwortung bei Reitunfällen von Kindern: Während Pferdehalter grundsätzlich für Schäden durch ihre Tiere haften, können Aufsichtspflichtverletzungen der Eltern die Haftung erheblich reduzieren. Entscheidend ist dabei der Sorgfaltsmaßstab – je erfahrener die Aufsichtsperson im Umgang mit Pferden ist, desto höher sind die Anforderungen an ihre Sorgfaltspflicht. Das Urteil zeigt auch, dass Pferdehalter nicht völlig von der Haftung befreit werden, wenn sie von riskantem Verhalten wissen und nicht einschreiten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Pferdehalter müssen Sie aktiv für Sicherheitsvorkehrungen sorgen, wenn Sie wissen, dass Kinder auf Ihrem Pferd reiten – auch wenn die Eltern dabei sind. Lassen Sie niemanden ohne angemessene Schutzausrüstung wie Sattel, Steigbügel und Zügel auf Ihr Pferd. Dokumentieren Sie die Sicherheitseinweisungen und bestehen Sie auf der Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen. Als Geschädigter bei einem Reitunfall sollten Sie umgehend alle Verletzungen ärztlich dokumentieren lassen und Fotos von der Unfallsituation machen. Die Versicherung wird prüfen, ob Aufsichtspflichtverletzungen vorlagen, die die Haftung des Tierhalters mindern könnten.
Benötigen Sie Hilfe?
Wenn Sie als Pferdehalter oder Geschädigter von einem Reitunfall betroffen sind, erfordert die komplexe Rechtslage zur geteilten Verantwortung eine sorgfältige rechtliche Prüfung Ihres individuellen Falls. Unsere erfahrenen Anwälte analysieren Ihre spezifische Situation und zeigen Ihnen auf, welche rechtlichen Möglichkeiten sich daraus ergeben. Mit langjähriger Expertise im Bereich der Tierhalterhaftung stehen wir Ihnen zur Seite, um Ihre Interessen bestmöglich zu wahren. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche grundsätzlichen Haftungsregeln gelten für Pferdehalter bei Unfällen?
Die Haftung des Pferdehalters richtet sich nach § 833 BGB und basiert auf dem Prinzip der Gefährdungshaftung. Als Pferdehalter haften Sie für Schäden, die Ihr Pferd verursacht – unabhängig davon, ob Sie ein Verschulden trifft.
Grundsätzliche Haftungsvoraussetzungen
Ein Schadensersatzanspruch gegen Sie als Pferdehalter besteht, wenn durch Ihr Pferd ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Dabei muss sich eine spezifische Tiergefahr verwirklicht haben. Diese liegt vor bei typischen Verhaltensweisen wie:
- Scheuen
- Durchgehen
- Ausschlagen
- Beißen
- Ausbrechen aus der Weide
Unterscheidung nach Nutzungsart
Bei der Haftung wird zwischen Luxus- und Nutztieren unterschieden:
Bei Freizeitpferden (Luxustiere) gilt die strenge Gefährdungshaftung. Sie haften also selbst dann, wenn Sie alle Sorgfaltspflichten vorbildlich erfüllt haben.
Bei Nutztieren, die dem Beruf oder Erwerb dienen (z.B. Schulpferde, Zuchtpferde in staatlichen Gestüten), gilt eine eingeschränkte Haftung. Hier können Sie sich entlasten, wenn Sie nachweisen, dass Sie die erforderliche Sorgfalt beachtet haben.
Besondere Haftungssituationen
Die Haftung entfällt, wenn sich das Pferd unter menschlicher Kontrolle befindet und dem Willen des Reiters gehorcht. In diesem Fall kommt nur eine Haftung des Reiters nach allgemeinem Deliktsrecht in Betracht.
Anders verhält es sich, wenn das Pferd trotz Kontrolle durch den Reiter willkürlich reagiert, etwa durch:
- Plötzliches Losgaloppieren
- Abruptes Anhalten
- Reaktionen auf äußere Reize wie Hundegebell oder flatternde Wäsche
Im Streitfall müssen Sie als Pferdehalter beweisen, dass der Schaden nicht durch Ihr Tier verursacht wurde oder keine spezifische Tiergefahr vorlag. Der Geschädigte muss lediglich nachweisen, dass Sie Halter des Pferdes sind und ein Schaden entstanden ist.
Was müssen Pferdehalter beachten, um ihrer Sorgfaltspflicht gerecht zu werden?
Grundlegende Sicherungsmaßnahmen
Als Pferdehalter tragen Sie eine besondere Verantwortung, da Pferde als Luxustiere einer strengen Gefährdungshaftung unterliegen. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst insbesondere die sichere Unterbringung der Tiere. Dazu gehört die Sicherung des Stalls gegen unbefugtes Öffnen durch Dritte, etwa durch Zylinderschlösser an Stalltüren und zusätzliche Sicherungen wie Ketten mit Vorhängeschlössern an Elektrozauntoren.
Anforderungen an Stallungen und Reitanlagen
Die Stallungen müssen bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen. Dazu zählen ausreichend breite Boxentüren, die sich von innen und außen öffnen lassen, sowie breite Stallgassen mit rutschhemmendem Bodenbelag. Bei Reithallen sind eine ausreichende Höhe, eine umlaufende Bande mit Beinfreiheit für Reiter und die Möglichkeit zur Abdeckung vorhandener Spiegel erforderlich.
Aufsicht und Umgang
Im täglichen Umgang mit Pferden müssen Sie als Halter einige zentrale Verhaltensregeln beachten:
- Beim Führen stets zwischen Pferdekopf und Schulter gehen
- Niemals Führstricke um das Handgelenk wickeln
- Vor dem Loslassen das Pferd mit dem Kopf zum Führenden wenden
Präventive Sicherheitsmaßnahmen
Die regelmäßige Kontrolle der Gesundheit Ihres Pferdes durch tierärztliche Untersuchungen ist essentiell. Ebenso wichtig ist die Prüfung des Reitgeländes auf potenzielle Gefahrenquellen wie unebenes Terrain oder ungesicherte Hindernisse. Die Ausstattung mit geeigneter Schutzausrüstung, insbesondere Reithelm und Sicherheitsweste, gehört ebenfalls zu den grundlegenden Sicherheitsvorkehrungen.
Die Tierhalterhaftung greift auch dann, wenn Sie als Halter nicht vor Ort sind. Daher ist es wichtig, dass Sie klare Verantwortlichkeiten festlegen und alle Personen, die mit dem Pferd umgehen, über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Welche Rolle spielen Versicherungen bei Unfällen mit Pferden?
Bei Unfällen mit Pferden greifen verschiedene Versicherungsarten, die unterschiedliche Risiken abdecken. Als Pferdehalter haften Sie unbegrenzt für alle Schäden, die Ihr Pferd Dritten zufügt – und das ein Leben lang.
Pferdehalterhaftpflichtversicherung
Die Pferdehalterhaftpflichtversicherung ist die wichtigste Absicherung. Sie deckt Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab, die Ihr Pferd verursacht. Die Versicherungssummen liegen typischerweise zwischen 5 und 50 Millionen Euro für Personenschäden sowie 1 Million Euro für Vermögensschäden. Wenn Ihr Pferd beispielsweise auf eine Landstraße läuft und ein ausweichendes Auto verunfallt, übernimmt die Versicherung die Schäden.
Reiterunfallversicherung
Da Reiten als Freizeitaktivität nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt ist, empfiehlt sich eine spezielle Reiterunfallversicherung. Sie greift bei:
- Unfällen beim Reiten und der Pferdepflege
- dauerhaften körperlichen Beeinträchtigungen
- Such-, Bergungs- oder Rettungseinsätzen
- Krankenhausaufenthalten
Besondere Versicherungssituationen
Wenn Sie sich um ein fremdes Pferd kümmern, ist die Situation differenziert zu betrachten: Bei kurzen Kameradschaftsdiensten gilt dies als sportliche Betätigung. Wenn Sie sich jedoch aufgrund längerer Erkrankung des Halters „wie ein Arbeitnehmer“ um das Pferd kümmern, kann die gesetzliche Unfallversicherung zuständig sein.
Versicherungsumfang und Besonderheiten
Die Versicherungen decken auch spezielle Situationen ab:
- Fremdreiterrisiko: Schäden durch andere Personen, die Ihr Pferd reiten
- Flurschäden: Wenn Ihr Pferd aus der Koppel ausbricht
- Mietsachschäden: Beschädigungen an Stallungen oder Pferdeboxen
- Fohlenversicherung: Automatische Mitversicherung von Fohlen bis zu einem bestimmten Alter
Wenn Sie ein Pferd besitzen, sollten Sie die Versicherungssummen ausreichend hoch wählen, da Personenschäden schnell in die Millionen gehen können. Die Beiträge für eine Pferdehalterhaftpflicht beginnen bei etwa 6,78 Euro monatlich.
Wie wird das Mitverschulden anderer Personen bei Pferdeunfällen berücksichtigt?
Bei Unfällen mit Pferden kann ein Mitverschulden des Geschädigten oder Dritter die Haftung des Tierhalters erheblich beeinflussen oder sogar vollständig ausschließen.
Mitverschulden des Geschädigten
Ein Mitverschulden liegt vor, wenn der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch zum eigenen Schutz aufwendet. Die Bewertung erfolgt dabei stets im Einzelfall und berücksichtigt die Erkennbarkeit der konkreten Gefahr sowie die Möglichkeit ihrer Vermeidung.
Wenn Sie beispielsweise als erfahrener Reiter den notwendigen Sicherheitsabstand zu einem Pferd nicht einhalten oder sich ohne Not im Gefahrenbereich aufhalten, kann dies zu einer Reduzierung oder sogar zum vollständigen Ausschluss der Haftung des Tierhalters führen.
Bewertung des Mitverschuldens
Die Gerichte bewerten verschiedene Faktoren bei der Bestimmung eines Mitverschuldens:
- Die Erfahrung der geschädigten Person mit Pferden und deren Verhaltensweisen
- Die Vorhersehbarkeit des verletzenden Verhaltens des Pferdes
- Die Schwere des Sorgfaltsverstoßes gegen das eigene Sicherheitsinteresse
Beispiele aus der Rechtsprechung
Stellen Sie sich folgende Situationen vor:
Bei einem Verladeversuch trifft eine Reiterin mit achtjähriger Erfahrung ein alleiniges Mitverschulden, wenn sie sich trotz vorheriger Probleme im Gefahrenbereich aufhält.
Bei einem Hubschrauberüberflug, der ein Pferd erschreckt und zum Durchgehen veranlasst, muss sich der Reiter lediglich ein Mitverschulden von etwa 20% zurechnen lassen.
Bei freilaufenden Hunden, die ein Pferd erschrecken und zum Scheuen bringen, kann die Haftung zwischen Hundehalter und Pferdehalter aufgeteilt werden.
Die Haftungsverteilung richtet sich nach § 254 BGB und berücksichtigt dabei stets die Umstände des Einzelfalls sowie das Verhältnis zwischen der Tiergefahr und dem Verursachungsbeitrag des Geschädigten.
Welche Dokumente und Nachweise sind nach einem Pferdeunfall wichtig?
Unfallbezogene Dokumentation
Nach einem Pferdeunfall müssen Sie umgehend alle relevanten Dokumente und Nachweise sichern. Der Equidenpass und die Eigentumsurkunde des beteiligten Pferdes sind grundlegende Dokumente zur Identifikation des Tieres. Die 15-stellige Mikrochipnummer des Pferdes sollte ebenfalls dokumentiert werden.
Medizinische Unterlagen
Bei Personenschäden sind sämtliche medizinische Unterlagen zu sichern. Dazu gehören Krankenhausberichte, Arztbriefe und Behandlungsdokumentationen. Auch die Belege über Zuzahlungen an die Krankenversicherung und zerstörte Kleidung durch Rettungspersonal sind aufzubewahren.
Versicherungsnachweise
Die Tierhalterhaftpflichtversicherung spielt eine zentrale Rolle bei der Schadensregulierung. Wenn Sie ein Pferd halten, sollten Sie die Versicherungspolice und alle relevanten Versicherungsunterlagen griffbereit haben. Bei mehreren Reitern eines Pferdes ist zu prüfen, ob alle Reiter durch die Versicherung abgedeckt sind.
Beweissicherung
Zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen benötigen Sie:
- Fotodokumentation der Unfallsituation und der Verletzungen
- Zeugenaussagen von anwesenden Personen
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Verdienstausfall
- Rechnungen und Belege für alle unfallbedingten Kosten
Die Dokumentation der spezifischen Tiergefahr ist besonders wichtig, da der Tierhalter für Schäden haftet, die durch unberechenbares Verhalten des Pferdes entstehen. Ein detailliertes Unfallprotokoll mit Datum, Uhrzeit, Ort und Hergang des Unfalls unterstützt die spätere Beweisführung.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Tierhalterhaftung
Die gesetzliche Verantwortung eines Tierhalters für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Diese Haftung ist im § 833 BGB geregelt und gilt verschuldensunabhängig, das heißt der Tierhalter haftet auch dann, wenn ihn persönlich keine Schuld trifft. Die Haftung basiert auf der sogenannten „Tiergefahr“ – dem unberechenbaren Eigenverhalten von Tieren. Bei Nutztieren wie Pferden gibt es eine Haftungserleichterung, wenn der Halter die nötige Sorgfalt beachtet hat. Beispiel: Ein scheuentendes Pferd verletzt einen Spaziergänger.
Sorgfaltspflicht
Eine rechtliche Verpflichtung, sich so zu verhalten, dass andere nicht geschädigt werden. Sie verlangt ein Maß an Vorsicht und Umsicht, das eine vernünftige Person in der jeweiligen Situation walten lassen würde. Die Anforderungen sind besonders hoch, wenn Kinder betroffen sind. Geregelt ist dies grundsätzlich in § 276 BGB. Beispiel: Eine Mutter muss bei einem Ausritt mit einem Kind für angemessene Sicherungsmaßnahmen (Sattel, Zügel) sorgen.
Tiergefahr
Das spezifische Risiko, das von einem Tier aufgrund seines natürlichen, instinktgesteuerten und nicht vollständig kontrollierbaren Verhaltens ausgeht. Der Begriff ist zentral für die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. Er umfasst alle tierischen Verhaltensweisen wie Scheuen, Ausbrechen oder Beißen, die zu Schäden führen können. Die Tiergefahr besteht unabhängig davon, ob das Tier als „friedlich“ gilt. Beispiel: Ein normalerweise ruhiges Pferd scheut plötzlich vor einem Geräusch.
Mitverschulden
Die rechtliche Bewertung, dass ein Geschädigter durch eigenes Verhalten zu seinem Schaden beigetragen hat. Geregelt in § 254 BGB führt ein Mitverschulden zu einer anteiligen Minderung des Schadensersatzanspruchs. Die Aufteilung erfolgt nach dem jeweiligen Verschuldensanteil der Beteiligten. Bei Kindern unter 7 Jahren wird kein Mitverschulden angerechnet. Beispiel: Die Mutter trägt durch fehlende Sicherung 2/3 der Verantwortung am Unfall ihres Kindes.
Schadensersatzanspruch
Ein gesetzlich geregelter Anspruch (§§ 249 ff. BGB) auf Ausgleich eines erlittenen Schadens. Er umfasst die Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dies kann sowohl materielle Schäden (z.B. Behandlungskosten) als auch immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) betreffen. Die Höhe richtet sich nach dem konkreten Schaden. Beispiel: Die Krankenversicherung fordert die Erstattung von Behandlungskosten vom Tierhalter.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 833 BGB (Haftung des Tierhalters): Dieser Paragraf regelt die Haftung des Tierhalters für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Der Tierhalter haftet grundsätzlich für alle Schäden, die durch sein Tier entstehen, unabhängig von einem Verschulden. Diese Haftung erstreckt sich auf Personen-, Sach- und Vermögensschäden.
In dem vorliegenden Fall ist der Beklagte als Halter der Stute „S.“ haftbar, da das Pferd den Geschädigten verletzt hat. Die spezifische Tiergefahr, die in § 833 BGB beschrieben wird, hat sich durch das Verhalten des Pferdes konkretisiert, wodurch der Beklagte zur Schadensersatzleistung verpflichtet ist. - § 823 Abs. 1 BGB (Allgemeine Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph bildet die Grundlage für die deliktische Haftung und verpflichtet den Schädiger, den Schaden zu ersetzen, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig ein geschütztes Rechtsgut verletzt. Geschützte Rechtsgüter umfassen Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und weitere Rechte.
Im vorliegenden Fall wurde durch das Verhalten der Zeugin B. Sch. eine Pflichtverletzung begangen, die zur Verletzung des Geschädigten führte. Dadurch entsteht neben der Haftung des Tierhalters auch eine haftungsgemäße Verletzung durch Unterlassen, was den Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB begründet. - § 116 Abs. 1 SGB X (Übertragung von Ansprüchen): Dieser Paragraf ermöglicht die Übertragung von Ansprüchen auf Sozialleistungsträger, wenn die Sozialleistungen zur Behebung eines Schadens dienen und im gleichen Zeitraum wie der Schadensersatz nach anderen gesetzlichen Vorschriften gewährt werden.
In dem vorliegenden Fall sind die Schadensersatzansprüche des Geschädigten aufgrund der bereits erfolgten Heilbehandlung auf die gesetzliche Krankenversicherung als Klägerin übergegangen. Dies erfolgt gemäß § 116 Abs. 1 SGB X, wodurch die Versicherung stellvertretend für den Geschädigten in der Haftpflichtforderung auftritt. - § 1664 BGB (Haftung der Eltern für Aufsichtspflichtverletzungen): Dieser Paragraph regelt die Haftung der Eltern für Schäden, die durch ihre minderjährigen Kinder verursacht werden, sofern eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt. Eltern haften nur für ihr eigenes Verschulden bei der Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht.
Im vorliegenden Fall wird die Haftung der Zeugin B. Sch., als Erziehungsberechtigte, geprüft. Ihre fehlende Sicherung des Kindes auf dem Pferd stellt eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht gemäß § 1664 BGB dar, wodurch eine Mithaftung entsteht und der Schadensersatzanspruch des Beklagten gekürzt wird. - § 277 BGB (Ausschluss bzw. Beschränkung der Leistungspflicht): Dieser Paragraph begrenzt die Haftung in bestimmten Fällen, indem er allgemeine Leistungspflichten einschränkt oder ausschließt. Insbesondere wird der Umfang der Sorgfaltspflicht für bestimmte Schuldverhältnisse definiert.
In dem vorliegenden Fall wird § 277 BGB herangezogen, um den Verantwortungsteil der Zeugin B. Sch. zu bestimmen. Ihre besondere Stellung und die daraus resultierenden Sorgfaltsanforderungen führen dazu, dass ihre Pflichtverletzung im Rahmen dieser Vorschrift bewertet und der Schadensersatzanspruch entsprechend gekürzt wird.
Weitere Beiträge zum Thema
- Tierhalterhaftung bei mittelbarer Verletzung
Ein Hund jagte eine Katze, was eine Frau dazu veranlasste, einzugreifen. Dabei stürzte sie und verletzte sich. Das Landgericht Gießen wies die Haftung des Hundehalters zunächst ab. In der Berufung stellte das Landgericht Frankfurt jedoch fest, dass die bloße Mitverursachung durch das Tier für eine Haftung ausreicht. → → Haftung bei Tierverursachung von Unfällen - Tierhalterhaftung bei Pferden
Entlaufene Pferde verursachten einen Verkehrsunfall mit mehreren Fahrzeugen. Das Gericht entschied, dass die Tierhalter für die entstandenen Schäden haften, da die Tiere adäquat kausal für den Unfall waren. Eine Mitverursachung durch das Tierverhalten genügt für die Haftung. → → Haftung bei Verkehrsunfällen durch entlaufene Tiere - Tierhalterhaftung: Schadenersatz-/Schmerzensgeld wegen Sturz
Ein Fahrradfahrer kollidierte mit einer Hundehalterin, deren unangeleinter Hund plötzlich auf den Weg lief. Das Oberlandesgericht Hamm sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro zu und stellte die Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden fest, unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von einem Drittel. → → Schmerzensgeldansprüche bei Hundeunfällen - Hundehalterhaftung für Verletzung eines gehetzten Pferdes durch Stürze
Ein Hund hetzte ein Pferd, wodurch dieses in Panik geriet und sich verletzte. Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass die Hundehalterin für die Verletzungen des Pferdes haftet. Die hohen Behandlungskosten wurden trotz des geringen Verkehrswerts des Pferdes als erstattungsfähig anerkannt. → → Verletzungen von Tieren durch Hundeangriffe - Tierhalterhaftung – Schadensersatz und Schmerzensgeld bei Tritt durch Pferd
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Das vorliegende Urteil
LG Meiningen – Az.: 1 O 978/21 – Urteil vom 19.08.2022
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