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Schadensersatz bei außerordentlicher Kündigung eines Mobilfunkvertrags

AG Sondershausen, Az.: 4 C 11/17

Urteil vom 30.03.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 485,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2015 sowie weitere 115,42 € zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Berufung wird zugelassen

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem gekündigten Mobilfunkvertrag geltend.

Schadensersatz bei außerordentlicher Kündigung eines Mobilfunkvertrags
Symbolfoto: Pixabay

Die Klägerin betreibt ein Mobilfunknetz und schloss mit der Beklagten am 30.10.2014 einen Mobilfunkvertrag über zwei Mobilfunkkarten. Es war eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten vereinbart, die sich bei nicht fristgerechter Kündigung jeweils um ein weiteres Jahr verlängert.

Der Vertrag verpflichtet die Klägerin zur Bereitstellung ihres Mobilfunknetzes räumlich beschränkt auf den Empfangs- und Sendebereich ihrer Funkstationen.

Die Beklagte erhielt von der Klägerin die Mobilfunknummern 01520/926… und 0162/435… .

Die Abrechnung über die von der Klägerin erbrachten Leistungen erfolgte monatlich. Für den von der Beklagten gebuchten Tarif „Vodafone Zuhause FestnetzFlat“ fiel ein monatlicher Basispreis in Höhe von 9,95 € (brutto), 8,36 € (netto) und für den Tarif „Vodafone Smart L inkl. Smartphone“ fiel ein monatlicher Basispreis von 44,99 € (brutto), 37,81 € (netto) an.

Die Klägerin stellte folgende Rechnungen an die Beklagte:

Rechnung vom 15.04.2015 – 39,94 €

Rechnung vom 15.05.2015 – 98,94 € (darin: 3 € Mahnkosten, 5 € Rücklastschriftgebühr)

Rechnung vom 15.06.2015 – 75,38 € (darin: 3 € Mahnkosten, 5 € Rücklastschriftgebühr)

Rechnung vom 15.07.2015 – 141,94 €

Rechnung vom 13.08.2015 – 45,44 € (darin: 3 € Mahnkosten)

Rechnung vom 15.09.2015 – 45,44 € (darin: 3 € Mahnkosten)

Rechnung vom 15.10.2015 – 565,16 €

Die Klägerin machte damit insgesamt einen Betrag von 990,24 € geltend.

Mit der letzten Rechnung, vom 15.10.2015, machte die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 589,68 € geltend. Grundlage dieses Betrages ist die Kündigung der Klägerin vom 21.09.2015. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Restlaufzeit des Vertrages 13 Monate. Die Klägerin verlangt für 13 Monate die Grundgebühr (netto) aus beiden Tarifen in Höhe von je 46,17 € pro Monat von der Beklagten. Von diesem Betrag zog die Klägerin weitere 13 € als ersparten Aufwand für Druck und Portokosten der Rechnung ab. Außerdem nahm die Kläger eine Abzinsung des Ergebnisses in Höhe von 3 % vor.

Die Klägerin beauftragte zunächst ein Inkassounternehmen mit der Durchsetzung der geltend gemachten Forderungen. Da Zahlungen der Beklagten ausblieben, beauftragte die Klägerin schließlich die Rechtsanwälte H. & Kollegen, welche die Beklagte ebenfalls zur Zahlung aufforderten.

Die Kosten, die der Klägerin für die Beauftragung des Inkassounternehmens und der anwaltlichen außergerichtlichen Vertretung entstanden sind, macht sie ebenfalls geltend.

Das Gericht hat mit Verfügung vom 12.01.2017 das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Die Klageschrift wurde der Beklagten ausweislich der Postzustellurkunde am 17.01.2017 zugestellt. Eine Reaktion der Beklagten erfolge nicht und sie wurde daher auch nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen.

Die Klägerin nahm die Klage teilweise in Höhe von 58,97 € zurück und beantragt zuletzt durch Versäumnisurteil zu erkennen:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 931,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.11.2015 sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 12 €, 10 € Rücklastschriftkosten, 124 € Inkassokosten, 1,40 € Auskunftskosten und 67,20 € Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Hinweis des Gerichts vom 03.02.2017, sowie den Schriftsätzen der Klägerin und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat nur teilweise Erfolg.

I.

1. Der Rechtstreit konnte aufgrund der Säumnis der Beklagten im Termin vom 24.02.2017 durch Versäumnisurteil entschieden werden, soweit die Klage zulässig und begründet war. Die Beklagte wurde zwar zum Termin nicht geladen. Das ist jedoch wegen der Säumnis der Beklagten aufgrund der nicht erfolgten Anzeige der Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren analog § 336 Abs. 1 S. 2 ZPO zulässig.

Erscheint der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, ist auf Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden, § 331 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte war im Termin nicht erschienen. § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zurückzuweisen ist, wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war. Die Beklagte wurde vom Gericht überhaupt nicht geladen. Die Zulässigkeit dieser Nichtladung folgt aus § 336 Abs. 1 S. 2 ZPO analog. Direkt ist die Vorschrift nicht anwendbar, da es an einer Aufhebung des Beschlusses, durch den der Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils zurückgewiesen wurde, fehlt.

Die Vorschrift ist jedoch analog anzuwenden auf Fälle, in denen der Beklagte im schriftlichen Vorverfahren keine Verteidigungsbereitschaft anzeigt, § 331 Abs. 3 ZPO.

Die Voraussetzungen der Analogie – das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke und die vergleichbare Interessenlage – sind hier gegeben.

Aus § 331 Abs. 3 S. 3 ZPO folgt, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nur ergehen kann, wenn das Vorbringen des Klägers den Klageantrag lediglich in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt. In allen anderen Fällen, in denen also das Klagevorbringen den Klageantrag auch in der Hauptforderung nicht rechtfertigt, hat das Gericht Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen (BeckOK ZPO/Toussaint ZPO § 331 Rn. 21). Würde man den Beklagten in solchen Fällen zum Termin laden, würde das Gericht dem Kläger die Säumnissituation nehmen. Für diesen Fall enthält das Gesetz keine unmittelbare Regelung. § 230 ZPO enthält seinem Wortlaut nach nur den Ausschluss von möglichen Prozesshandlungen.

Diese Regelungslücke ist auch planwidrig. Der Gesetzgeber hat zwar gesehen, dass es eines Termins zur mündlichen Verhandlung bedarf, § 331 Abs. 3 S. 3 ZPO. Er hat jedoch keine Regelung getroffen, die bestimmt, ob den Beklagten auch in diesem Fall Säumnisfolgen treffen sollen, obwohl er mit zahlreichen Vorschriften, wie etwa §§ 230, 296, 296a, 331 ZPO gezeigt hat, dass die säumige Partei Nachteile aus der Säumnis hat.

Die Interessenlage ist auch vergleichbar zu § 336 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Diese Norm bestimmt, dass demjenigen die Säumnissituation erhalten bleiben soll, die ihm fehlerhaft durch das Erstgericht entzogen wurde. Hier wurde der Klägerin die Säumnissituation zwar nicht durch eine fehlerhafte Ablehnung des Erlasses eines Versäumnisurteils genommen, sondern durch einen gerichtlichen Hinweis. Es ist jedoch nicht zu rechtfertigen, dass dem Kläger durch die Gewährung rechtlichen Gehörs die Vorteile der Säumnis des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren genommen werden. Es kann schließlich nicht ausgeschlossen werden, dass die mündliche Erörterung das Gericht von der Rechtsauffassung des Klägers überzeugt. In diesem Fall läge aber ein fehlerhafter Nichterlass des Versäumnisurteils durch das Gericht vor. Hätte man zu dieser mündlichen Verhandlung den Beklagten geladen und erscheint dieser aufgrund der Ladung, entgeht, mangels Anwendbarkeit des § 336 Abs. 1 S. 2 ZPO auf diesen Fall, dem Kläger der Erlass des Versäumnisurteils. Der Beklagte ist daher vorsorglich nicht zu laden. Dieser Verfahrensweise kann man auch nicht entgegenhalten, dass der gerichtliche Hinweis auch richtig sein kann, die mündliche Verhandlung daher notwendig ist und der Erlass des Versäumnisurteils daher nicht im schriftlichen Vorverfahren erfolgen darf. Denn auch in diesem Fall ist der Beklagte nicht am weiteren Verfahren zu beteiligen. Es gilt der Grundsatz, wonach der im vorangegangenen Termin säumige Beteiligte vor Erlass des Versäumnisurteils gar nicht mehr gehört wird (BeckOK ZPO/Toussaint ZPO § 336 Rn. 13.1, RGZ 37, 396 (398)).

Dem Beklagten entstehen durch diese Verfahrensweise auch keine Nachteile. Hätte der Kläger gleich die richtigen Anträge gestellt oder das Gericht aufgrund zutreffenden Vorbringens des Klägers keinen Hinweis gegeben, wäre der Beklagte sogleich durch Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren verurteilt worden. So erhält er ein Versäumnisurteil nach einer mündlichen Verhandlung an der er aufgrund seiner nicht erfolgten Verteidigungsanzeige nicht beteiligt war. In beiden Fällen steht ihm der Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu.

Das Gericht hat mit Verfügung vom 12.01.2017 das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Die Klageschrift wurde der Beklagten ausweislich der Postzustellurkunde am 17.01.2017 zugestellt. Eine Reaktion der Beklagten erfolge nicht. Die Klägerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2017 den Erlass eines Versäumnisurteils.

2. Die Teilklagerücknahme ist auch ohne Zustimmung der Beklagten wirksam, weil § 269 Abs.1 ZPO die Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache verlangt, an der es bislang fehlt.

II.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Sondershausen sachlich gemäß §§ 23, 71 GVG und örtlich gemäß §§ 12,13 ZPO zuständig weil der Streitwert unter 5.000 € liegt und die Beklagte im hiesigen Gerichtsbezirk, in W…, wohnt.

III.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 425,08 € aus §§ 611, 612 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Dienstvertrag über den Zugang zum Mobilfunknetz der Klägerin zustande gekommen. Dieser verpflichtete die Beklagte zur Zahlung monatlicher Grundgebühren. Bis zur Kündigung durch die Klägerin am 21.09.2015 sind Gebühren in Höhe von 425,08 € angefallen, die die Beklagte nicht bezahlt hat.

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2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 22 € gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB, weil sie sich mit der Zahlung der Rechnungsbeträge im Verzug befand. Die angefallenen Mahnkosten und Rücklastschriftkosten der Klägerin sind daher ebenfalls von der Beklagten zu tragen.

3. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 60,02 € gegen die Beklagte aus §§ 628 Abs. 2 BGB.

Die Voraussetzungen liegen vor.

a) Zunächst wurde die Kündigung der Klägerin durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten veranlasst. Die Nichtzahlung der Beklagten über einen Zeitraum von mehr als 5 Monaten berechtigten die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB.

b) Die Klägerin hat durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses auch einen Schaden in Höhe von 60,02 € erlitten, §§ 628 Abs. 2, 249, 252 BGB

aa) Grundlage des Schadensersatzanspruches aus § 628 Abs. 2 BGB ist der sogenannte Auflösungsschaden, der durch die verfrühte Auflösung des Vertragsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung entstehen kann. Nach § 249 BGB ist der Schuldner verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre. Hätte die Klägerin hier nicht gekündigt, hätte sie bis zum Ende der Vertragslaufzeit weiter die monatliche Grundgebühr vereinnahmt.

bb) Der Ersatzanspruch ist so zu berechnen, dass die Summe der noch ausstehenden Entgelte um einen Abzinsungsfaktor, ersparte Aufwendungen und die Erträge aus einer anderen Verwertung der Vertragsgegenstände vermindert wird (L. Böttcher in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 314 BGB, Rn. 19).

Die Klägerin erspart, mangels konkreten Vortrags, 90 % des Paketpreises an Aufwendungen.

Das Gericht schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Hamburg an:

„Allerdings setzt die Klägerin den entgangenen Gewinn mit nahezu 100% des vereinbarten monatlichen Netto-Basispreises völlig überhöht an. Sie will 1,00 € monatlich als ersparte Aufwendungen in Abzug bringen, weil sie keine Rechnungen mehr versandt hat, und den daraus resultieren Betrag in Höhe von 99,7983 € monatlich lediglich abzinsen. Das würde jedoch bedeuten, dass die Klägerin nahezu 100% Gewinn aus einem Mobilfunkvertrag wie dem hier geschlossenen erzielt. Dem kann unter keinem Gesichtspunkt gefolgt werden. Vielmehr ist der entgangene Gewinn gemäß § 287 ZPO auf 10% des vereinbarten monatlichen Entgelts zu schätzen und beträgt daher monatlich 10,08 €, somit hier in Summe 141,12 € (10,08 € x 14).

Das ergibt sich aus Folgendem: Auch für das erkennende Gericht drängt es sich ohne weitere Begründung auf, sich sich der entgangene Gewinn der Klägerin nicht auf nahezu 100% des vertraglich vereinbarten Entgelts belaufen kann (so auch Urteil des AG Hamburg-Barmbek, 15.07.2011, Aktenzeichen 822 C 182/10, zitiert nach juris) und auch nicht auf 50% oder 43%. Solche Gewinnmargen wäre allenfalls mit hochspekulativen Anlageobjekten oder durch illegales Handeln zu erzielen.“ (AG Hamburg, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 36a C 459/13 –, Rn. 48, juris)

Das Gericht schließt sich ebenfalls den Ausführungen des AG Hamburg-Barmbek (5.07.2011, Aktenzeichen 822 C 182/10, zitiert nach juris., Rn. 6 f.) an:

„Die Klägerin hat zwar eine Schadensberechnung vorgelegt. Diese ist aber gänzlich unplausibel. Die Klägerin legt zugrunde, dass sie dadurch, dass die Beklagte nach der Kündigung Telekommunikationsdienstleistungen nicht mehr in Anspruch genommen hat, keinerlei Vorteile hatte und nur dadurch Einsparungen von 1,00 € monatlich hatte, dass sie der Beklagten keine Rechnungen mehr schicken musste. Tatsächlich drängt sich aber auf, dass die Klägerin erhebliche Aufwendungen erspart hat, die sie sich anrechnen lassen muss. Der vereinbarte Tarif ist nämlich hinsichtlich bestimmter Dienstleistungen ein Pauschaltarif; er erlaubt der Beklagten für ein vergleichsweise hohes festes Entgelt die unbegrenzte Inanspruchnahme bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen. Das kann nicht außer Betracht bleiben.

Zwar muss sich nach der Rechtsprechung des BGH bei der Berechnung des entgangenen Gewinns der Anbieter auf den Vertragspreis im Grundsatz nur die besonderen Aufwendungen, die sogenannten Spezialunkosten, anrechnen lassen, welche die Inanspruchnahme der Leistungen durch den konkreten Vertragspartner erfordern; die Generalunkosten hingegen scheiden als Element der Schadensberechnung regelmäßig aus, weil sie unabhängig davon anfallen, ob es zur Vertragserfüllung kommt (BGH, Urteil vom 01.03.2001, III ZR 361/99). Die Aufwendungen, welche die Klägerin erspart hat, sind hier im Wesentlichen nicht dem einzelnen Vertragsverhältnis zuzuordnen. Dennoch können sie nicht unberücksichtigt bleiben. Insbesondere bei Telekommunikationsverträgen mit Pauschaltarifen mit längeren Laufzeiten ist zu berücksichtigen, dass der Anbieter seine Kapazitäten entsprechend der zu erwartenden Nutzung ausbauen muss. Es kann als allgemeinkundig gelten, dass Pauschaltarife insbesondere im Bereich der mobilen Telekommunikation für die Anbieter nur deshalb profitabel sein sollen, weil viele Kunden sie nur in eher geringem Ausmaß nutzen. Die Nutzung durch den einzelnen Kunden ist für den Anbieter aber deutlich spürbar. Wenn der Anbieter dem Kunden keine Leistung mehr bereitstellen muss, steht er deutlich besser, als wenn er das nicht müsste.

[…] Hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, diese Leistungen unbegrenzt in Anspruch zu nehmen, wäre das für die Klägerin deutlich spürbar gewesen. Dafür spricht auch die Vertragsklausel, nach welcher die Klägerin berechtigt sein sollte, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn in einem Abrechnungszeitraum mehr als 15.000 Minuten für nationale Standardgespräche ins Netz der Klägerin und Festnetz genutzt werden. Wenn die Klägerin so hohe Netzkapazitäten hätte, dass für sie egal wäre, ob ihre Kunden die Pauschaltarife ausnutzen, wäre eine derartige Klausel unnötig.“

Nicht überzeugen können die Ausführungen des Landgerichts Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 21. Mai 2015 – 413 HKO 47/14 –, Rn. 52 – 58, juris) sowie des Amtsgerichts Recklinghausen (AG Recklinghausen, Urteil vom 06. August 2014 – 51 C 159/14 –, juris).

Es mag zutreffen, dass die Klägerin konkrete Aufwendungen nicht erspart, wenn einer von vielen Kunden aus dem Netz ausscheidet. Das kann indes nicht der Maßstab sein, da es in der Endkonsequenz zu absurden Ergebnissen führt. Nimmt man an, der Mobilfunkanbieter würde nur noch durch einen Kunden von der Schließung seines Unternehmens geschieden und dieser Kunde würde sodann mit Zahlungen ausfallen, dann würden plötzlich ersparte Aufwendungen in Höhe der Kosten für das Betreiben des Netzes bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sein. Diese Fallkonstellation mag unrealistisch sein, sie zeigt jedoch, dass der Mobilfunkbetreiber tatsächliche Aufwendungen hat, die auch in Relation zu den Kunden stehen. Diese tatsächlichen Aufwendungen zum Erhalt des Mobilfunknetzes nicht anzurechnen erscheint sachwidrig. Es ist nämlich keine Begründung erkennbar, warum diese Aufwendungen zum Erhalt des Mobilfunknetzes ausschließlich wegen der vermeintlich fehlenden unmittelbaren Verknüpfung zu dem einzelnen Kunden nicht in Abzug gebracht werden sollen. Tatsächlich besteht nämlich ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Kunden und den Paketpreisen. Der Mobilfunkanbieter betreibt das Mobilfunknetz nicht ohne die Absicht, Kunden Zugänge zu diesem zu verkaufen. Jeder einzelne Kunde trägt dann mit seiner Grundgebühr zum Erhalt des Mobilfunknetzes bei. Die Anzahl der Kunden entscheidet lediglich über den Anteil, mit dem jeder einzelne Kunde zum Erhalt beiträgt. Je mehr Kunden der Mobilfunkbetreiber gewinnen kann, desto geringer ist der Anteil jedes Einzelnen an den Aufwendungen zum Ausbau und Erhalt des Netzes. Würde man nicht auf diese innere Verknüpfung abstellen, wie es das Landgericht Hamburg und das Amtsgericht Recklinghausen tun und würde man deshalb den Mobilfunkbetreibern 100 % Schadensersatz zusprechen, würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass der Mobilfunkanbieter eine wertlose Leistung anbietet. Da er Aufwendungen für den einzelnen Kunden nicht hätte, könnte er den Mobilfunkzugang einzelnen Kunden auch für 1 € statt 10 € anbieten. Es wäre dann der Willkür des Anbieters überlassen, welche Kunden die tatsächlichen Aufwendungen für den Erhalt des Netzes bezahlen und welche Kunden ausschließlich Gewinn abwerfen.

Das Ergebnis stimmt auch mit Grundgedanken des Schadensersatzrechts überein. § 281 Abs. 4 BGB bestimmt, dass der Anspruch auf die Hauptleistung erlischt. Es erscheint bedenkenswert, den Anspruch auf die Hauptleistung (Geldzahlung) untergehen zu lassen und in derselben juristischen Sekunde wieder in voller Höhe aufleben zu lassen, ohne das die Gegenleistung zu erbringen wäre. Der Mobilfunkbetreiber steht durch die Kündigung besser, als er ohne sie stünde. Er muss den Zugang nicht mehr anbieten, erhält aber gleichwohl die volle Vergütung. Diese Art der Überkompensation ist dem Schadensersatzrecht fremd. Der Geschädigte soll sich schließlich nicht zu Lasten des Geschädigten bereichern. Diesen Gesichtspunkt als „Bauchschmerzen“ abzutun (AG Recklinghausen, Urteil vom 06. August 2014 – 51 C 159/14 –, Rn. 16, juris) bedarf keiner näheren Erörterung.

Das Gericht übersieht nicht, dass durch diese Betrachtung der Anreiz geschaffen wird, sich vorzeitig aus dem Vertrag, dessen Laufzeit bei Mobilfunkverträgen regelmäßig 2 Jahre beträgt, durch schlichte Nichtzahlung herauszulösen. Hierauf weist das Amtsgericht Recklinghausen zu recht hin (AG Recklinghausen, Urteil vom 06. August 2014 – 51 C 159/14 –, Rn. 18, juris). Dass es sich dabei um ein nicht wünschenswertes rechtspolitisches Ergebnis handelt, obliegt in seiner Bewertung jedoch allein dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten. Das erkennende Gericht schließt sich in diesem Punkt der Auffassung des Amtsgerichts Münster an:

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf eine Entscheidung des Amtsgericht Recklinghausen (Urteil vom 06.08.2014, – 51 C 159/14 -) die Auffassung vertritt, die hier vertreten Auffassung sei auch „aus rechtspolitischen Gründen“ abzulehnen, da der vertragstreue Kunde schlechter behandelt würde, als der vertragsuntreue, vermag dies nicht zu überzeugen. Zunächst ist nicht ersichtlich, dass „rechtspolitische Gründe“ eine Abkehr vom Grundsatz der Anrechnung von ersparten Aufwendungen zwingend erforderten. Es ist nämlich, soweit die Klägerin sich keine ersparten Aufwendungen entgegenhalten lasse will, vielmehr so, dass es der Klägerin unbenommen ist, ohne Kündigung des Vertrages den monatlich entstehenden Vergütungsanspruch geltend zu machen. Dies würde nämlich dem Kunden die Möglichkeit belassen, durch Zahlung des von ihm geschuldeten Betrages wieder die angebotene Leistung in Anspruch zu nehmen. (AG Münster, Urteil vom 30. Oktober 2015 – 48 C 2904/15 –, Rn. 23, juris)

Hinzuzufügen ist, dass die Rechtsordnung mit der Vertragsstrafe ein Institut kennt, das den Vertragspartner an der vorzeitigen Auflösung des Vertrages hindern soll. Es ist nicht erforderlich dies mit einem (Straf-)Schadensersatz aus § 628 Abs. 2 BGB zu umgehen. Der Gesetzgeber hat sich in § 309 Nr. 6 BGB ausdrücklich dagegen ausgesprochen, Unternehmern die Möglichkeit zu geben Verbraucher mittels einer Vertragsstrafe an der vorzeitigen Auflösung des Vertrages zu hindern. Die (rechtspolitischen und gerechtigkeitsorientierten) Überlegungen des Amtsgerichts Recklinghausen, der Anspruch auf die volle Grundgebühr über die gesamte Restvertragslaufzeit soll den Kunden zu vertragstreuem Verhalten anhalten, können daher in diesem Punkt nicht verfangen.

cc) Mangels Vortrag der Klägerin zum konkreten entgangenen Gewinn, worauf das Gericht hingewiesen hat, war der Mindestbetrag des entgangenen Gewinns vom Gericht zu schätzen, §§ 287 ZPO, 252 BGB.

Grundlage der Schätzung ist der monatlich zu zahlende Paketpreis, der als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Mobilfunknetzzuganges vereinbart war. Dieser betrug hier für den Tarif „Vodafone Zuhause FestnetzFlat“ 8,36 € (netto) und für den Tarif „Vodafone Smart L inkl. Smartphone“, 37,81 € (netto) insgesamt 46,17 €.

Hierin dürfte jedenfalls ein Gewinnanteil von 10 % enthalten sein, was eine großzügige Schätzung darstellt. Damit bestimmt sich der monatlich entgangene Gewinn durch die vorzeitige Auflösung nach den 13 verbleibenden Monaten multipliziert mit 4,617 €, was 60,02 € ergibt.

dd) Das Gericht schätzt den Anteil nach § 287 ZPO, den die Beklagte mit ihrem Paketpreis in Höhe von 46,17 € am Erhalt und Ausbau des Netzes, sowie den Kosten für die Erstellung der Rechnungen und sonstigen Verwaltungsaufwand trägt auf 90 %, mithin 41,55 € pro Monat. In dieser Höhe erspart die Klägerin Aufwendungen, da das Netz um diesen Anteil nicht mehr belastet wird oder eines Ausbaus bedarf.

Die Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 01.03.2017 sind zu unsubstantiiert, um als Grundlage der Schätzung zu dienen.

4. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 93,42 € gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

Die Voraussetzungen liegen vor, die Beklagte befand sich mit der Zahlung der Hauptforderung von insgesamt 485,10 € im Verzug.

Sie verlangte ursprünglich sowohl die Kosten für ein Inkassounternehmen in Höhe von 124 € als auch 67,20 € für die Beauftragung eines Rechtsanwalts.

Zwar sind grundsätzlich Inkassokosten neben den Kosten für einen Rechtsanwalt erstattungsfähig. Der Auftraggeber hat sich aber im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB auf die Höhe der entsprechenden Rechtsanwaltskosten zu beschränken (OLG Dresden, Urteil vom 04. April 1995 – 13 U 1515/93 –, juris)

Die Klägerin konnte hier außergerichtlich bei einem Gegenstandswert von bis 500 € allenfalls 93,42 € (58,50 € 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG, 20 € Auslagen Nr. 7001 u. 7002 VV RVG, sowie Umsatzsteuer i.H.v. 14,92 €) geltend machen, wenn sie sich gleich eines Rechtsanwaltes bedient hätte. Dies stellt mithin die Obergrenze des erstattungsfähigen Schadens der Rechtsverfolgung dar. Es ist nicht einzusehen, warum der Schuldner die außergerichtlichen Kosten sämtlicher, am Forderungseinzug beteiligter Unternehmen tragen soll. Der Gläubiger kann die außergerichtlichen Kosten eines Rechtsanwaltes neben den Kosten eines Inkassounternehmens nur bis zur Höhe der üblichen Kosten für die außergerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes verlangen, da er nicht davon ausgehen darf, dass der Schuldner auf den Druck des Rechtsanwaltes zahlen wird, nachdem das Inkassounternehmen bereits erfolglos gemahnt hat. Es findet sich im Gesetz keine Stütze dafür, dass der Forderungseinzug durch einen Rechtsanwalt gegenüber dem Inkassodienstleister privilegiert wäre. Beide stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander.

5. Darüber hinausgehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 ZPO, wobei die Klägerin mit insgesamt 600,52 € obsiegt (einschließlich Nebenforderungen, BeckOK ZPO/Jaspersen/Wache ZPO § 92 Rn. 2) und insgesamt 1.204,84 € beantragt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für die Klägerin aus § 708 Nr. 2 ZPO, für die Beklagte aus §§ 708 Nr 11, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus, § 511 Abs. 4 ZPO, weil es die Rechtssache aufgrund der zahlreichen verschiedenen Ansichten in der Rechtsprechung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

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