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Schadensersatz: Ersatz der Umsatzsteuer fällig mit der Leistung, ohne Rechnung

Nach einem Verkehrsunfall auf der A6 forderte das Reinigungsunternehmen den vollen Schadensersatz: Ersatz der Umsatzsteuer für die geleisteten Aufräumarbeiten. Das Gericht musste klären, ob der Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer auch ohne Vorlage einer finalen Rechnung und Abführung an das Finanzamt besteht.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 S 1/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Heidelberg
  • Datum: 06.06.2025
  • Aktenzeichen: 2 S 1/25
  • Verfahren: Beschluss über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung
  • Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Umsatzsteuerrecht

  • Das Problem: Ein Unfallverursacher (Beklagter) zahlte dem Dienstleister für die Fahrbahnsicherung nur den Nettoschaden. Der Dienstleister forderte die Umsatzsteuer nach. Der Verursacher weigerte sich, da der Dienstleister keine Rechnung mit ausgewiesener Steuer vorlegte und die Steuer noch nicht an das Finanzamt abgeführt hatte.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Unfallverursacher die Mehrwertsteuer zahlen, obwohl der Dienstleister sie weder in einer Rechnung aufgeführt noch nachweislich an die Steuerbehörde abgeführt hat?
  • Die Antwort: Ja, der Verursacher muss die Steuer zahlen. Die Ersatzpflicht entsteht bereits, wenn die Leistung erbracht wird und dadurch steuerpflichtig ist.
  • Die Bedeutung: Die Verpflichtung des Schädigers zur Übernahme der Umsatzsteuer ist unabhängig von der formalen Rechnungsstellung und der tatsächlichen Überweisung der Steuer an das Finanzamt durch den Dienstleister.

Schadensersatz: Muss der Verursacher die Umsatzsteuer auch ohne Rechnung zahlen?

Ein Verkehrsunfall ist schnell passiert, die Regulierung des Schadens zieht sich oft hin. In einem Fall vor dem Landgericht Heidelberg entzündete sich der Streit an einer auf den ersten Blick kleinen Summe: 150,47 Euro. Dahinter verbarg sich jedoch eine grundlegende Frage des Schadensersatzrechts, die viele Autofahrer und Dienstleister betrifft. In seinem Beschluss vom 6. Juni 2025 (Az. 2 S 1/25) klärte das Gericht, unter welchen Umständen ein Schädiger die Umsatzsteuer ersetzen muss – selbst wenn der Geschädigte noch gar keine Rechnung ausgestellt und die Steuer noch nicht an das Finanzamt abgeführt hat.

Was genau war passiert?

Im September 2020 kam es auf der Autobahn A6 bei Sinsheim zu einem Verkehrsunfall. Die Haftung des Unfallverursachers stand dabei außer Frage. Komplizierter war die Kette der Zuständigkeiten: Die geschädigte Bundesrepublik Deutschland hatte ihre Schadensersatzansprüche, die aus der Sicherung und Reinigung der Unfallstelle resultierten, an eine Betreibergesellschaft abgetreten. Diese wiederum trat die Ansprüche an das Unternehmen ab, das die Arbeiten tatsächlich ausführte – die Klägerin im späteren Prozess.

Ein Spezial-Reinigungsfahrzeug säubert zusammen mit Mitarbeitern in gelber Warnkleidung dringend die Unfallreste der Autobahn.
Gericht klärt: Ersatz der Umsatzsteuer bei Schadensregulierung auch ohne Rechnung möglich. | Symbolbild: KI

Dieses Unternehmen berechnete für seinen Aufwand einen Nettobetrag von 940,46 Euro. Der Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung beglich diese Summe im November 2020 anstandslos. Der Fall schien erledigt.

Doch fast eineinhalb Jahre später, im März 2022, änderte eine Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen die Spielregeln. Das Ministerium stellte klar, dass Zahlungen von Schädigern für solche Aufräumarbeiten als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt zu behandeln sind. Bisher war man von einer reinen Nettoregulierung ausgegangen. Gestärkt durch diese neue Einordnung forderte das Reinigungsunternehmen vom Unfallverursacher nun nachträglich die auf den Nettobetrag entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 150,47 Euro. Als dieser die Zahlung verweigerte, zog das Unternehmen vor Gericht. Das Amtsgericht Sinsheim gab der Klage statt, doch der Schädiger legte Berufung ein.

Welches Gesetz entscheidet über den Ersatz der Umsatzsteuer?

Im Zentrum des gesamten Rechtsstreits steht ein einziger Satz im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB regelt den Ersatz der Umsatzsteuer im Schadensfall. Er besagt, dass der Schädiger die Umsatzsteuer ersetzen muss, „wenn und soweit sie Tatsächlich angefallen ist“.

Genau an diesen Worten schieden sich die Geister. Der Schädiger interpretierte die Formulierung so: „Tatsächlich angefallen“ bedeutet, dass er einen handfesten Beleg sehen will. Das sei in der Regel eine Rechnung, in der die Umsatzsteuer klar ausgewiesen ist. Außerdem müsse nachweisbar sein, dass der Geschädigte durch die Steuer auch wirklich finanziell belastet ist, also das Geld an das Finanzamt abgeführt hat oder dies unmittelbar tun wird.

Das Reinigungsunternehmen vertrat eine andere Lesart: Die Umsatzsteuer sei „tatsächlich angefallen“, sobald die umsatzsteuerpflichtige Dienstleistung – hier die Reinigung der Unfallstelle – erbracht wurde. Ob und wann eine Rechnung geschrieben oder die Steuer abgeführt wird, sei eine rein formale Frage, die nichts an der Entstehung der Steuerschuld selbst ändere. Das Gericht musste also klären, was das Gesetz mit „tatsächlich angefallen“ meint: den Moment der Leistungserbringung oder den Moment der Rechnungsstellung und Zahlung.

Warum entschied das Gericht, dass die Steuer auch ohne Rechnung zu zahlen ist?

Das Landgericht Heidelberg schloss sich der Argumentation des Amtsgerichts und des Reinigungsunternehmens an. Es beabsichtigte, die Berufung des Schädigers zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Richter zerlegten die Argumente des Schädigers Punkt für Punkt und begründeten ihre Entscheidung mit einer klaren Differenzierung zwischen dem eigentlichen Schadensereignis und der späteren formalen Abwicklung.

Die Steuer entsteht mit der Leistung, nicht mit dem Papierkram

Das Kernargument des Gerichts lautete: Besteuerungsobjekt ist immer der reale Lebensvorgang, nicht ein Stück Papier. Im Umsatzsteuerrecht entsteht die Steuerschuld in dem Moment, in dem ein Unternehmer eine steuerbare Leistung erbringt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Sicherung der Unfallstelle und die Fahrbahnsperrung durch die Klägerin war unstrittig eine solche gewerbliche Dienstleistung.

Mit der Erbringung dieser Leistung war die Umsatzsteuer aus Sicht des Gesetzes „angefallen“. Sie wurde zu einer realen Verbindlichkeit des Unternehmens gegenüber dem Finanzamt. Die Ausstellung einer Rechnung ist nach Ansicht des Gerichts zwar ein wichtiges Dokument für den Nachweis und den Vorsteuerabzug, sie ist aber nicht die Voraussetzung für die Entstehung der Steuerschuld selbst. Die Pflicht zur Zahlung der Umsatzsteuer existiert also bereits, bevor die erste Zeile einer Rechnung getippt wird.

Die Pflicht zur Zahlung an das Finanzamt ist nicht das Problem des Schädigers

Der Schädiger argumentierte weiter, er müsse erst zahlen, wenn das Reinigungsunternehmen nachweise, die Umsatzsteuer auch tatsächlich an das Finanzamt abgeführt zu haben. Auch diesem Einwand erteilte das Gericht eine klare Absage.

Die Richter stellten klar, dass man zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse trennen muss:

  1. Das Schadensersatzverhältnis: Zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten. Hier geht es darum, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Zum Schaden gehört auch die Belastung mit einer unausweichlichen Steuerschuld.
  2. Das Steuerrechtsverhältnis: Zwischen dem leistenden Unternehmen und dem Finanzamt. Hier geht es um die korrekte Abführung der entstandenen Steuer.

Die Pflicht des Schädigers ist es, den Geschädigten von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt freizustellen. Ob das Unternehmen dieser Pflicht später nachkommt, ist für den Schadensersatzanspruch unerheblich. Selbst wenn das Unternehmen die eingenommene Umsatzsteuer widerrechtlich für sich behalten und nicht abführen würde, ändert das nichts daran, dass die Steuerschuld für das Unternehmen „tatsächlich angefallen“ ist. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass sein Gläubiger möglicherweise ein Steuerdelikt begeht.

Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass die Frist für die Steuerfestsetzung noch gar nicht abgelaufen war. Das Unternehmen hatte nachweislich Rückstellungen für die Steuerschuld gebildet und konnte diese also noch fristgerecht abführen.

Warum die Argumente des Schädigers nicht überzeugten

Das Gericht setzte sich explizit mit der Logik des Schädigers auseinander und erklärte, warum sie im Schadensrecht nicht greift.

  • Das Argument der fehlenden Rechnung: Das Gericht verwarf die Idee, dass eine Rechnung eine zwingende Voraussetzung für den Ersatz der Umsatzsteuer sei. Die Formulierung „tatsächlich angefallen“ in § 249 BGB knüpft an die materiell-rechtliche Entstehung der Steuerschuld an, wie sie im Umsatzsteuergesetz definiert ist – und diese entsteht mit der Leistungserbringung.
  • Das Argument der fehlenden Abführung: Die Richter betonten, dass der Schaden bereits in der Begründung der Verbindlichkeit liegt. Der Vermögensnachteil für das Reinigungsunternehmen entstand in dem Moment, als es die Leistung erbrachte und damit dem Finanzamt die Umsatzsteuer schuldete. Ob diese Schuld bereits beglichen wurde, ist für die Existenz des Schadens irrelevant.

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die herrschende Meinung in der juristischen Literatur und auf eine Reihe ähnlicher Urteile anderer Landgerichte. Diese einheitliche Rechtsprechung zeigt, dass die Auslegung des § 249 BGB in diesem Punkt gefestigt ist.

Was bedeutet dieses Urteil jetzt für Sie?

Die Entscheidung des Landgerichts Heidelberg hat direkte praktische Auswirkungen auf die Abwicklung von Schäden, insbesondere nach Verkehrsunfällen, bei denen gewerbliche Dienstleister (z.B. Abschleppdienste, Reinigungsfirmen, Werkstätten) zum Einsatz kommen.

Checkliste für Geschädigte und Dienstleister

  • Brutto statt Netto denken: Wenn Sie als Unternehmer eine Dienstleistung zur Schadensbeseitigung erbringen, ist diese in der Regel umsatzsteuerpflichtig. Ihr Anspruch gegen den Schädiger umfasst den Netto-Betrag plus die gesetzliche Umsatzsteuer.
  • Anspruch sofort geltend machen: Fordern Sie von Anfang an den vollen Bruttobetrag. Die spätere Nachforderung, wie im Heidelberger Fall, ist zwar möglich, aber aufwendiger.
  • Keine Angst vor fehlender Rechnung: Ihr Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer besteht unabhängig davon, ob Sie bereits eine formale Rechnung ausgestellt haben. Entscheidend ist die Erbringung der steuerpflichtigen Leistung.
  • Rückstellungen bilden: Wenn Sie den Steuerbetrag erhalten, bevor Sie Ihre Umsatzsteuervoranmeldung abgeben, bilden Sie eine entsprechende Rückstellung, um die spätere Zahlung an das Finanzamt sicherzustellen.

Checkliste für Schädiger und Versicherungen

  • Prüfen Sie die Leistung, nicht nur die Rechnung: Wenn Sie einen Schaden regulieren, prüfen Sie, ob die erbrachte Dienstleistung (z.B. Reparatur, Reinigung) von einem Unternehmen ausgeführt wurde und damit umsatzsteuerpflichtig ist.
  • Eine reine Nettozahlung ist oft unzureichend: Die Begleichung des reinen Nettobetrags reicht in den meisten Fällen nicht aus, um den Schaden vollständig zu regulieren. Sie schulden in der Regel auch die darauf anfallende Umsatzsteuer.
  • Das Fehlen einer Rechnung ist kein gültiger Einwand: Sie können die Zahlung der Umsatzsteuer nicht mit dem Argument verweigern, es liege noch keine Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer vor.
  • Die Abführung an das Finanzamt ist nicht Ihr Kontrollbereich: Es ist nicht Ihre Aufgabe zu überwachen, ob der Dienstleister die erhaltene Umsatzsteuer korrekt an das Finanzamt weiterleitet. Ihr schadensrechtlicher Teil ist mit der Zahlung des Bruttobetrags erfüllt.

Die Urteilslogik

Die Entschädigungspflicht des Schädigers erfasst die Umsatzsteuer als integralen Bestandteil des Schadens, sobald die steuerpflichtige Leistung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erbracht wurde.

  • [Entstehung der Steuerschuld]: Die Umsatzsteuerschuld entsteht für den Geschädigten im Schadensersatzrecht bereits in dem Moment, in dem der Dienstleister die steuerbare Leistung zur Schadensbeseitigung vollzieht, unabhängig von der administrativen Abwicklung.
  • [Unabhängigkeit vom Beleg]: Der Ersatzanspruch für die Umsatzsteuer setzt weder eine formelle Rechnung voraus, in der die Steuer ausgewiesen ist, noch hängt er von einem Nachweis der tatsächlichen Zahlung durch den Geschädigten ab.
  • [Trennung der Rechtsverhältnisse]: Die Zahlungspflicht des Schädigers besteht unabhängig davon, ob der Geschädigte die entstandene Steuerschuld bereits an das Finanzamt abgeführt hat; das zivilrechtliche Schadensersatzverhältnis ist vom öffentlich-rechtlichen Steuerrechtsverhältnis strikt zu trennen.

Ein Schädiger befreit sich von seiner Haftung erst, wenn er den Geschädigten von der gesamten, durch das Schadensereignis begründeten steuerlichen Verbindlichkeit freistellt.


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Experten Kommentar

Man hört in der Schadensregulierung immer wieder das Argument, ohne formelle Rechnung oder Nachweis der Steuerabführung müsse der Schädiger die Mehrwertsteuer nicht ersetzen. Das Landgericht Heidelberg stellt nun klar: Die Ersatzpflicht knüpft nicht an den Papierkram, sondern an die materielle Entstehung der Steuerschuld im Moment der Leistungserbringung. Für alle Geschädigten – ob Werkstatt oder Reinigungsfirma – bedeutet dies eine enorme Stärkung der Position. Man kann den vollen Bruttobetrag konsequent einfordern, ohne dass die Versicherung die Zahlung mit dem Verweis auf bürokratische Mängel verzögern kann.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss der Schädiger die Umsatzsteuer zahlen, obwohl keine Reparaturrechnung vorliegt?

Ja, der Schädiger muss die Umsatzsteuer zahlen, selbst wenn Sie noch keine formelle Reparaturrechnung erstellt oder erhalten haben. Der Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer hängt nicht vom formalen Papierkram ab, sondern von der tatsächlichen Erbringung der Dienstleistung. Die Umsatzsteuerpflicht entsteht in dem Moment, in dem die gewerbliche Leistung zur Schadensbehebung abgeschlossen wird. Die fehlende Rechnung ist daher kein gültiger Einwand, um die Zahlung der vollen Summe zu verweigern.

Der Grund für diese Rechtslage liegt in der strikten Unterscheidung zwischen Schadensersatzrecht und Steuerrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt, dass die Umsatzsteuer ersetzt werden muss, „wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist“ (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Diese Formulierung knüpft an die materielle Entstehung der Steuerschuld an, wie sie im Umsatzsteuergesetz definiert ist. Mit der Fertigstellung der Reparatur oder Aufräumarbeiten entsteht somit automatisch die Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt.

Die Rechnung dient lediglich als wichtiges Dokument für den Nachweis und den möglichen Vorsteuerabzug, ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch. Gerichte stellen klar, dass der Schaden bereits in der Begründung dieser Steuerschuld liegt. Nehmen wir an, Sie beauftragen ein Unternehmen mit der Reinigung der Unfallstelle: Sobald die Leistung erbracht ist, entsteht die Steuerschuld. Der Schädiger muss Sie von dieser entstandenen Verbindlichkeit freistellen, indem er den Bruttobetrag zahlt.

Fordern Sie den vollen Bruttobetrag (Netto plus Umsatzsteuer) sofort in Ihrer Erstforderung an den Schädiger oder die Versicherung an, um spätere langwierige Nachforderungen zu vermeiden.


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Darf die Versicherung die Umsatzsteuer verweigern, solange die Steuer nicht abgeführt wurde?

Nein, die Versicherung kann die Zahlung der Umsatzsteuer nicht verweigern, nur weil Sie diese noch nicht an das Finanzamt überwiesen haben. Diese Forderung ist unzulässig und stellt einen Versuch dar, interne steuerrechtliche Prozesse zu kontrollieren. Die Pflicht des Schädigers endet mit der vollständigen Zahlung des Schadensersatzes, wozu der Bruttobetrag gehört.

Die juristische Begründung dafür liegt in der strikten Trennung zweier unterschiedlicher Rechtsverhältnisse. Zum einen besteht das Verhältnis zwischen Ihnen und dem Schädiger, das Schadensersatzverhältnis. Zum anderen existiert das Verhältnis zwischen Ihnen als leistendem Unternehmen und der Finanzbehörde. Ihr Vermögensschaden entsteht bereits in dem Moment, in dem die schadensmindernde Leistung erbracht wird und die Umsatzsteuerschuld damit unentrinnbar entsteht.

Es ist nicht die Aufgabe der Versicherung, Ihre korrekte Steuerabführung zu überwachen oder gar Belege dafür einzufordern. Die schadensrechtliche Pflicht des Schädigers ist es, den Geschädigten von der entstandenen Verbindlichkeit freizustellen. Konkret stellte das Landgericht Heidelberg fest (Az. 2 S 1/25), dass die spätere Abführung der Steuer eine interne Angelegenheit des Unternehmers ist. Die Zahlungspflicht des Schädigers ist davon vollkommen unabhängig.

Senden Sie der Versicherung eine klare schriftliche Absage auf die Forderung nach Zahlungsnachweisen und bestehen Sie auf der sofortigen Regulierung des vollen Bruttobetrags.


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Wann genau entsteht mein Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer im Schadensfall?

Der entscheidende Stichtag für Ihren Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer ist nicht der Unfallzeitpunkt oder die Rechnungsstellung. Ihr Anspruch auf die Umsatzsteuer entsteht in dem Moment, in dem die steuerbare Dienstleistung zur Schadensbeseitigung fertiggestellt wird. Zu diesem Zeitpunkt gilt die Steuer schadensrechtlich als tatsächlich angefallen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Die Entstehung der Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt definiert den juristischen Schadensposten. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB muss der Schädiger die Umsatzsteuer ersetzen, wenn diese „tatsächlich angefallen“ ist. Dieser Begriff knüpft direkt an das Umsatzsteuergesetz an, wo die Steuerschuld entsteht, sobald der leistende Unternehmer die gewerbliche Dienstleistung erbracht hat. Ob oder wann eine Rechnung geschrieben wird, ist für die materielle Entstehung der Pflicht unerheblich.

Der Unfallverursacher schuldet Ihnen ab diesem Zeitpunkt die Freistellung von dieser neuen finanziellen Belastung. Konkret: Ein Dienstleister schließt die Aufräumarbeiten am 20. Oktober ab. An diesem 20. Oktober entsteht die Steuerschuld und damit der Anspruch gegen den Schädiger, auch wenn die offizielle Rechnungsstellung erst im Folgemonat erfolgt. Dies verhindert, dass Sie Ihre Schadensmeldung unnötig verzögern, weil Sie auf formelle Dokumente warten.

Dokumentieren Sie das genaue Datum der Fertigstellung der schadensmindernden Leistung, da dieser Tag als Stichtag für die Geltendmachung des Schadensersatzes gilt.


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Wie vermeide ich Verzögerungen: Soll ich Schadensersatzforderungen immer als Bruttobetrag geltend machen?

Ja, Sie sollten Schadensersatzforderungen, die auf unternehmerischen Dienstleistungen beruhen, stets als Bruttobetrag geltend machen. Diese Strategie verhindert langwierige Nachforderungen. Die Umsatzsteuer wird sofort Teil Ihres Schadensersatzanspruchs, sobald die Leistung zur Schadensbeseitigung erbracht wurde. Der Schädiger muss diesen Betrag unverzüglich ersetzen.

Eine reine Nettozahlung reguliert den Schaden niemals vollständig. Der entscheidende Punkt ist, dass die Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt bereits im Moment der Leistungserbringung entsteht. Ihr Vermögensnachteil liegt in dieser entstandenen, unentrinnbaren Verbindlichkeit des Geschädigten. Indem Sie sofort den Bruttobetrag fordern, stellen Sie sicher, dass der Schadensersatzanspruch in seiner vollen Höhe angemeldet wird. Dies entspricht der klaren juristischen Feststellung, dass der Schädiger die Steuer ersetzen muss, wenn sie angefallen ist.

Vermeiden Sie unbedingt den Fehler, zunächst nur Netto zu fordern und die Umsatzsteuer später nachzuschießen. Solch ein Vorgehen führt unweigerlich zu vermeidbaren Konflikten und zieht Prozesse unnötig in die Länge. Ein Beispiel: Musste ein Unternehmen nachträglich die Umsatzsteuer fordern, vergingen im Einzelfall fast zwei Jahre bis zur vollständigen Regulierung. Die sofortige Brutto-Forderung ist der effizienteste Weg, um diese Wartezeiten und den damit verbundenen juristischen Aufwand zu umgehen.

Erstellen Sie bei jeder Schadensmeldung eine detaillierte Aufstellung, die den Netto-Betrag und den exakten Steuersatz (19% oder 7%) separat ausweist, und fordern Sie explizit die Gesamtsumme als Brutto-Betrag.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abtretung

Eine Abtretung bezeichnet die Übertragung eines bestehenden Anspruchs (einer Forderung) von einem ursprünglichen Gläubiger (Zedent) auf einen neuen Gläubiger (Zessionar). Juristen nennen diesen Vorgang Zession; das Gesetz ermöglicht es Gläubigern so, Ansprüche schnell an Dritte weiterzugeben, ohne dass die Zustimmung des Schuldners erforderlich ist.
Beispiel: Die Bundesrepublik Deutschland trat ihre Schadensersatzansprüche, die aus der Sicherung der Unfallstelle resultierten, an die Betreibergesellschaft ab, welche die Forderung anschließend weitergab.

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Freistellung

Freistellung beschreibt das Ziel des Schadensersatzes, nämlich den Geschädigten von einer eingegangenen oder drohenden finanziellen Belastung oder Verbindlichkeit gegenüber Dritten zu befreien. Der Schädiger muss durch seine Zahlung dafür sorgen, dass der Gläubiger keine eigenen Mittel aufwenden muss, um die durch das Schadensereignis ausgelöste Schuld zu begleichen.
Beispiel: Das Landgericht stellte fest, dass die Pflicht des Unfallverursachers darin bestand, das Reinigungsunternehmen von der entstandenen Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt freizustellen.

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Schadensersatzverhältnis

Das Schadensersatzverhältnis meint die spezifische Rechtsbeziehung zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten, deren Inhalt die Wiederherstellung des Zustandes ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dieses Verhältnis ist strikt von den steuerrechtlichen Pflichten des Geschädigten zu trennen, da es sich ausschließlich um die zivilrechtliche Wiederherstellung des Vermögensstandes dreht.
Beispiel: Die Richter mussten im vorliegenden Fall das Schadensersatzverhältnis klar vom Steuerrechtsverhältnis unterscheiden, um zu beurteilen, ob die Umsatzsteuer zu ersetzen war.

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Steuerschuld

Als Steuerschuld wird die juristische Verpflichtung eines Steuerschuldners bezeichnet, einen genau definierten Steuerbetrag fristgerecht an die Finanzbehörde abzuführen. Im Gegensatz zur Zahlungspflicht, die auf die Rechnung folgt, entsteht diese Schuld materiell-rechtlich bereits in dem Moment, in dem die gewerbliche Leistung erbracht wird.
Beispiel: Da die Sicherung der Fahrbahn eine gewerbliche Leistung darstellte, entstand die Steuerschuld des Reinigungsunternehmens bereits mit der Beendigung der Aufräumarbeiten.

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Tatsächlich angefallen

Die Formulierung tatsächlich angefallen aus § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ist der juristische Dreh- und Angelpunkt, der den Ersatz der Umsatzsteuer an die materielle Entstehung der Steuerschuld knüpft. Sie bedeutet, dass die Steuer zu einer unvermeidbaren finanziellen Verbindlichkeit des Geschädigten geworden ist, unabhängig davon, ob bereits eine Rechnung geschrieben wurde oder die Zahlung an das Finanzamt erfolgt ist.
Beispiel: Das Gericht musste entscheiden, ob die Umsatzsteuer schon tatsächlich angefallen war, weil die Dienstleistung erbracht wurde, oder erst später, wenn die Steuer beim Finanzamt abgeführt worden wäre.

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Vorsteuerabzug

Der Vorsteuerabzug ist ein elementares Verfahren im Umsatzsteuerrecht, das es Unternehmern erlaubt, die Umsatzsteuer, die sie selbst für eingekaufte Waren oder Dienstleistungen bezahlt haben (Input-Steuer), von der eigenen Steuerschuld (Output-Steuer) abzuziehen. Dieses Recht setzt in der Regel eine formell korrekte Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer voraus, um doppelte Besteuerung zu vermeiden.
Beispiel: Das Gericht betonte, dass die Ausstellung einer Rechnung primär für den Vorsteuerabzug des Kunden von Bedeutung ist, aber nicht die Voraussetzung für die Entstehung der Umsatzsteuerschuld selbst darstellt.

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Das vorliegende Urteil


LG Heidelberg – Az.: 2 S 1/25 – Beschluss vom 06.06.2025


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