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Schadensersatz- und Schmerzensgeld bei schwersten Körperverletzungen –  Rentenansprüche

LG Hamburg – Az.: 302 O 192/08 – Urteil vom 26.07.2011

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 295.931,22 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 131.857,14 vom 26. Januar 2008 bis zum 12. Mai 2011 und auf € 295.931,22 seit 13. Mai 2011 sowie weitere € 8.049,16 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. Dezember 2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin jeweils quartalsweise im Voraus eine Rente

in Höhe von € 24.037,71 ab dem 1. Juli 2011,

in Höhe von € 27.700,84 ab dem 1. Oktober 2012,

in Höhe von € 27.749,68 ab dem 1. April 2013,

in Höhe von € 27.774,10 ab dem 1. Juli 2013,

in Höhe von € 27.823,92 ab dem 1. April 2014,

in Höhe von € 27.848,83 ab dem 1. Juli 2014,

in Höhe von € 27.899,64 ab dem 1. April 2015,

in Höhe von € 27.925,05 ab dem 1. Juli 2015,

in Höhe von € 27.976,88 ab dem 1. April 2016,

in Höhe von € 28.002,80 ab dem 1. Juli 2016,

in Höhe von € 28.055,67 ab dem 1. April 2017,

in Höhe von € 28.082,10 ab dem 1. Juli 2017,

in Höhe von € 28.136,03 ab dem 1. April 2018,

in Höhe von € 28.162,99 ab dem 1. Juli 2018,

in Höhe von € 28.217,99 ab dem 1. April 2019,

in Höhe von € 28.245,49 ab dem 1. Juli 2019,

in Höhe von € 28.301,60 ab dem 1. April 2020,

in Höhe von € 28.329,65 ab dem 1. Juli 2020,

in Höhe von € 28.386,88 ab dem 1. April 2021,

in Höhe von € 28.415,49 ab dem 1. Juli 2021,

in Höhe von € 27.067,58 ab dem 1. April 2022,

in Höhe von € 27.096,76 ab dem 1. Juli 2022,

in Höhe von € 27.156,30 ab dem 1. April 2023,

in Höhe von € 27.186,07 ab dem 1. Juli 2023,

in Höhe von € 27.246,80 ab dem 1. April 2024,

in Höhe von € 27.277,16 ab dem 1. Juli 2024,

in Höhe von € 27.339,11 ab dem 1. April 2025,

in Höhe von € 27.370,08 ab dem 1. Juli 2025,

in Höhe von € 27.433,26 ab dem 1. April 2026,

in Höhe von € 27.464,85 ab dem 1. Juli 2026,

in Höhe von € 27.529,30 ab dem 1. April 2027,

in Höhe von € 27.561,52 ab dem 1. Juli 2027,

in Höhe von € 27.627,25 ab dem 1. April 2028,

in Höhe von € 27.660,12 ab dem 1. Juli 2028,

in Höhe von € 27.727,17 ab dem 1. April 2029,

in Höhe von € 27.760,69 ab dem 1. Juli 2029,

in Höhe von € 27.829,08 ab dem 1. April 2030,

in Höhe von € 27.863,28 ab dem 1. Juli 2030,

in Höhe von € 27.933,04 ab dem 1. April 2031,

in Höhe von € 27.967,92 ab dem 1. Juli 2031,

in Höhe von € 28.039,07 ab dem 1. April 2032,

in Höhe von € 28.074,65 ab dem 1. Juli 2032,

in Höhe von € 28.147,22 ab dem 1. April 2033,

in Höhe von € 28.183,51 ab dem 1. Juli 2033,

in Höhe von € 28.257,54 ab dem 1. April 2034,

in Höhe von € 28.294,55 ab dem 1. Juli 2034,

in Höhe von € 28.370,06 ab dem 1. April 2035,

in Höhe von € 28.407,82 ab dem 1. Juli 2035,

in Höhe von € 28.484,83 ab dem 1. April 2036,

in Höhe von € 28.523,34 ab dem 1. Juli 2036,

in Höhe von € 28.601,90 ab dem 1. April 2037,

in Höhe von € 28.641,18 ab dem 1. Juli 2037,

in Höhe von € 28.721,31 ab dem 1. April 2038,

in Höhe von € 28.761,38 ab dem 1. Juli 2038,

in Höhe von € 28.843,11 ab dem 1. April 2039,

in Höhe von € 28.883,98 ab dem 1. Juli 2039,

in Höhe von € 28.967,34 ab dem 1. April 2040,

in Höhe von € 29.009,03 ab dem 1. Juli 2040,

in Höhe von € 29.094,06 ab dem 1. April 2041,

in Höhe von € 29.136,58 ab dem 1. Juli 2041,

in Höhe von € 29.223,31 ab dem 1. April 2042,

in Höhe von € 29.266,68 ab dem 1. Juli 2042,

in Höhe von € 29.355,15 ab dem 1. April 2043,

in Höhe von € 29.399,39 ab dem 1. Juli 2043,

in Höhe von € 29.489,63 ab dem 1. April 2044,

in Höhe von € 29.534,74 ab dem 1. Juli 2044,

in Höhe von € 29.626,79 ab dem 1. April 2045,

in Höhe von € 29.672,81 ab dem 1. Juli 2045,

in Höhe von € 29.766,70 ab dem 1. April 2046,

in Höhe von € 29.813,64 ab dem 1. Juli 2046,

in Höhe von € 29.909,40 ab dem 1. April 2047,

in Höhe von € 29.957,28 ab dem 1. Juli 2047,

in Höhe von € 30.054,96 ab dem 1. April 2048,

in Höhe von € 30.103,80 ab dem 1. Juli 2048,

in Höhe von € 30.203,43 ab dem 1. April 2049,

in Höhe von € 30.253,25 ab dem 1. Juli 2049,

in Höhe von € 30.354,87 ab dem 1. April 2050,

in Höhe von € 30.405,68 ab dem 1. Juli 2050,

in Höhe von € 30.509,34 ab dem 1. April 2051,

in Höhe von € 30.561,17 ab dem 1. Juli 2051,

in Höhe von € 26.061,00 ab dem 1. April 2052,

in Höhe von € 23.810,91 ab dem 1. Juli 2052,

in Höhe von € 21.141,97 ab dem 1. April 2063 und

in Höhe von € 19.807,50 ab dem 1. Juli 2063

zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a) der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus ihrem Unfall vom 15. Dezember 2004 auf der Autobahn A 22 in N. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden, und

b) die Klägerin von allen Ansprüchen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit den Zahlungen zu den Ziffern 1 und 2 freizuhalten.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 79 % und die Beklagte 21 % zu tragen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin, geboren am … 1985, begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 15. Dezember 2004 auf der Autobahn A 22 in N. ereignete.

Herr P. P., der im Unfallzeitpunkt und weiter bis zur Scheidung im 2008 Ehemann der Klägerin war, lenkte den von ihm gehaltenen VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen, von T. kommend, auf der italienischen Autobahn A 22 in Richtung Süden. Das Fahrzeug war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die Deckungssumme des Haftpflichtversicherungsvertrages betrug € 50.000.000,00 mit einer Begrenzung auf € 8.000.000,00 pro Personenschaden. Die Klägerin saß auf der Rückbank hinter dem Beifahrersitz; ebenfalls im Fahrzeug befand sich der im März 2004 geborene Sohn der Klägerin. Als der Ehemann der Klägerin versuchte, ein Auffahren auf ein vor ihm fahrendes, plötzlich bremsendes großes Nutzfahrzeug zu verhindern, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug. Es prallte gegen die rechte Leitplanke, überquerte die Fahrstreifen der Autobahn diagonal und stieß gegen die Leitplanke des Mittelstreifens. Infolge der Kollision wurden die Klägerin und ihr Sohn aus dem Fahrzeug geschleudert.

Die Klägerin verletzte sich bei dem Unfall schwer. Sie erlitt ein Schädelhirntrauma dritten Grades mit intraventrikulärer Blutung, kleineren rechts frontalen Kontusionen und einem Hirnödem, ein Thoraxtrauma mit rechtsseitiger Lungenkontusion sowie eine Unterschenkelfraktur rechts. Die Verletzungen wurden im Krankenhaus R. erstversorgt und noch am Unfalltag in der Universitätsklinik B. intensivmedizinisch behandelt; die Unterschenkelfraktur wurde operativ versorgt. Am 31. Dezember 2004 erfolgte eine Verlegung in das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus H… Die Ärzte dort diagnostizierten zusätzlich u.a. Myoklonien am rechten Arm, eine Thrombophlebitis im linken Unterarm, eine Unterlappenatelektase rechts, eine spastische Hemiparese links und eine wahrscheinlich medikamententoxisch ausgelöste Thrombozytopenie.

Am 14. Februar 2005 wurde die Klägerin in das Therapiezentrum Waldklinik J. zur stationären Rehabilitationsbehandlung verlegt. Dort wurde sie am 18. November 2005 entlassen. Am 11. Mai 2006 wurde das in den rechten Unterschenkel eingebrachte Material entfernt.

Als Verletzungsfolgen stellte Prof. Dr. H. H. in einem von der Klägerin beauftragten und von der Beklagten nicht angegriffenen Gutachten vom 7. Februar 2008, erweitert durch Ergänzungsgutachten vom 25. April 2008 (Anlagen K1) folgendes fest:

– Spastische linksseitig und beinbetonte Tetraparese, die in Bezug auf die linksseitigen Gliedmaßen eine Einschränkung der motorischen und koordinativen Funktionen beinhaltet und in Bezug auf die rechtsseitigen Gliedmaßen eine schwerste Funktionsbehinderung des rechten Arms mit Gebrauchsunfähigkeit und des rechten Beins mit hochgradiger Behinderung des Steh- und Gehvermögens zur Folge hat.

– Aufgrund der schweren rechtsseitigen spastischen Lähmung liegt eine Körperhaltung von Wernicke-Mannschen Prädilektionstyp vor, wobei der rechte Arm im Schultergelenk ständig adduziert, im Ellenbogengelenk gebeugt und proniert sowie die Hand und Finger gekrümmt gehalten werden. Das rechte Bein befindet sich in Streckstellung, besonders im Knie- und Fußgelenk (Spitzfußstellung), wobei das Bein beim Versuch zu gehen, nur in einem seitlich ausholenden Bogen nach vorn geschwungen werden kann. Das Gehen ist nur für wenige Schritte mit Unterstützung von zwei Hilfspersonen, die den Oberkörper und das rechte Bein stabilisieren, möglich.

– Leichte Lähmung der Gesichts- und Zungenmuskulatur rechts.

– Schwere Dysarthrie mit hochgradiger Behinderung der Sprechfähigkeit. Dysphonie mit stark heiserer monotoner und wenig modulierter Stimme.

– Motorische Dysphasie (Broca-Aphasie) mit Beeinträchtigung der Spontansprache, des Nachsprechens und lauten Lesens.

– Mittelschweres, in Teilfunktionen auch schweres hirnorganisches Psychosyndrom mit ausgeprägter Antriebsminderung, mittelschwerer Störung der Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Orientierung, schwere Störung der Merkfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses sowie erheblicher Störung des Denkvermögens mit entsprechender Beeinträchtigung der Urteils- und Kritikfähigkeit.

Den Pflegebedarf gab Prof. Dr. H. im Gutachten vom 7. Februar 2008 mit zehn Stunden pro Tag für die persönliche Pflege (Grundpflege), sechs Stunden pro Tag für die hauswirtschaftliche Versorgung (einkaufen, kochen, Wohnung reinigen, Wohnung beheizen, Wäsche/Kleidung waschen, Wäsche/Kleidung trocknen, bügeln und wechseln, Geschirr spülen, Müll entsorgen etc.) und acht Stunden für die Beaufsichtigung in der Nacht an.

Die Klägerin nahm verschiedene stationäre, ambulante und häusliche Therapieangebote wahr, unter anderem Physiotherapie/Krankengymnastik, Ergotherapie, Musiktherapie, Heileurythmie, Logotherapie und Hippotherapie. Wegen der Einzelheiten der Rehabilitationsmaßnahmen und ihrer Auswirkungen auf das Gesundheitsbild der Klägerin wird auf Blatt 2 bis 26 des Gutachtens Prof. Dr. H. H.s vom 7. Februar 2008 sowie Blatt 5 bis 7 des Gutachtens Prof. Dr. H. H.s vom 25. April 2008 verwiesen. Die Krankenkasse der Klägerin übernahm nur die Kosten für Logopädie, Ergotherapie und Krankengymnastik. Für die von der Klägerin seit dem 1. Januar 2009 wahrgenommenen weiteren Therapien, nämlich Heileurythmie, Musiktherapie, Hippotherapie, Biofeedbacktherapie, Prana-Heilung und Hypnosetherapie, fielen neben dem sonstigen Mehrbedarf monatlich € 2.030,00 an.

Bis Dezember 2009 wohnte die Klägerin mit ihrer Mutter und ihrem Sohn in einer Zweieinhalb-Zimmer-Mietwohnung im ersten Obergeschoss in der B. Straße … in B… Die Einrichtung der Wohnung war nicht behindertengerecht, was nicht nur die Durchführung von häuslichen Therapiemaßnahmen erschwerte, sondern die Klägerin auch psychisch belastete. Bezüglich der Einzelheiten der Wohn- und damit verbundenen Belastungssituation wird auf Blatt 7 bis 11 des Gutachtens Prof. Dr. H. H.s vom 25. April 2008 verwiesen. Im Dezember 2009 zog die Klägerin in das Haus ihrer Eltern im V. weg … in B. . Auch dieses Haus ist nicht behindertengerecht, die Räume befinden sich jedoch zu ebener Erde. Die Klägerin setzte die Ergotherapie, Musiktherapie, Heileurythmie, Logotherapie, Physiotherapie und Hippotherapie fort. Bezüglich der Einzelheiten der Wohnsituation und Fortführung der Therapien wird auf Blatt 3 bis 6 des weiteren Gutachtens Prof. Dr. H. H.s vom 15. Dezember 2010 (Anlage K38) verwiesen.

Die Klägerin wird aufgrund der unfallbedingten Beeinträchtigungen dauerhaft auf Pflege und Betreuung angewiesen sein. Wegen der Einzelheiten des Verletzungsbildes, des Behandlungsverlaufs und des zwischenzeitlichen Gesundheitszustandes der Klägerin wird auf das als Anlage K1 vorliegende Gutachten Prof. Dr. H. H.s vom 7. Februar 2008 einschließlich der Ergänzung vom 25. April 2008 (Anlagen K1) Bezug genommen.

Bis 10. Januar 2008 fielen für Heil- und Pflegemittel, Fahrtkosten, Betreuungskosten für den Sohn, behindertengerechte Möbel und Mehrbedarf an Kleidung, Wasser und Heizkosten € 19.887,76 an. Auf die Aufstellung in Anlage K2, dort S. 9 f., wird verwiesen. Dies entspricht einem Kostenaufwand in Höhe von ca. € 215,00 monatlich. Diesen monatlichen Mehrbedarf akzeptiert die Beklagte, bezogen auf eine Haftungsquote von 100%, für die Zukunft.

Hinsichtlich des Haushaltführungsschadens setzen die Parteien übereinstimmend einen Stundensatz von € 8,70 und für die Zeit bis 31. Januar 2008 53,9 Wochenstunden an.

Die Pflege der Klägerin erfolgt durch ihre am 31. Januar 1952 geborene Mutter. Für die Zeit bis 31. März 2008 gehen die Parteien übereinstimmend von Pflegekosten in Höhe von € 115.320,00, bezogen auf eine Haftungsquote von 100%, aus. Aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bezieht die Klägerin Leistungen in Höhe von € 675,00 monatlich. Leistungen aus der Rentenversicherung erhält sie nicht; sie war nie rentenversichert und hat daher keine entsprechenden Beiträge entrichtet.

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Nach Zahlungsaufforderung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dem als Anlage K2 vorliegenden Schreiben vom 10. Januar 2008 rechnete die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 2008, das als Anlage K5 vorliegt, wie folgt ab: Sie erklärte sich bereit, einen Schmerzensgeldkapitalbetrag in Höhe von € 180.000,00 und ab dem 1. Januar 2008 eine Schmerzensgeldrente in Höhe von € 350,00 monatlich zu zahlen. Außerdem akzeptierte die Beklagte den Haushaltsführungsschaden für die Zeit vom 18. November 2005 bis zum 31. März 2008 in Höhe von € 40.241,85 und die unfallbedingten Mehrkosten für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. März 2008 in Höhe von € 14.821,43. Für die Pflegekosten legte sie einen Stundensatz von € 10,00 und einen Pflegeaufwand vom Unfalltag bis zum 17. Mai 2005 von zwei mal 12 Stunden am Wochenende und für die Zeit vom 18. Mai 2005 bis 31. März 2008 von 12 Stunden täglich zu Grunde. Sie errechnete für diese Pflegezeit eine Zahlungssumme von € 80.724,00. Bei der Abrechnung ging sie wegen behaupteten Mitverschuldens der Klägerin von einer Haftungsquote von 70% aus. Aufgrund dieser Abrechnung zahlte die Beklagte im Februar 2008 über bereits zuvor geleistete € 286.707,78 hinaus, von denen € 200.000,00 auf das Schmerzensgeld verrechnet worden waren, weitere € 30.129,50 und kündigte eine künftige Quartalszahlung in Höhe von € 12.803,10 an.

Zusätzlich erkannte die Beklagte ihre Haftung aus dem Unfallgeschehen in Höhe von 70% an. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben unter anderem: „Außerdem erklären wir für uns und unseren Versicherungsnehmer, dass wir im Rahmen des bei unserer Gesellschaft unter der Versicherungsscheinnummer abgeschlossenen Versicherungsvertrages den Anspruch Ihrer Mandantin S. T. auf Ersatz des immateriellen sowie des ab dem 01.04.2008 entstehenden materiellen Zukunftsschadens aus dem Verkehrsunfall vom 15.12.2004 so regulieren werden, als ob Ihre Mandantin ein Feststellungsurteil mit einer Quote von 70% gegen uns erwirkt hätte. Ausgenommen hiervon sind diejenigen Ansprüche, die auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden“ (Anlage K5).

In der Zeit vom 1. April 2008 bis 31. März 2011 zahlte die Beklagte vierteljährlich € 12.803,10 an die Klägerin, und zwar € 1.050,00 Schmerzensgeldrente, € 3.743,10 auf den Haushaltsführungsschaden, € 450,00 auf die unfallbedingten Mehrkosten und € 7.560,00 auf die Pflegekosten.

Unter dem 13. April 2011 entschloss sich die Beklagte nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts (vgl. dazu den Beschluss vom 3. Februar 2011, Bl. 653 d.A.) zu einer Nachregulierung unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100%. Sie zahlte für den Zeitraum bis 30. Juni 2011 weitere € 237.041,54 einschließlich eines Zinsbetrages in Höhe von € 29.729,52 an die Klägerin und kündigte an, ab 1. Juli 2011 quartalsweise € 18.290,14 zu zahlen. Wegen der Aufteilung des Zahlungsbetrags auf die verschiedenen Schadenspositionen wird auf die mit Schriftsatz vom 13. April 2011 vorgelegte Abrechnung (Bl. 704 d.A.) verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2011 (Bl. 723 d.A.) kündigte die Beklagte eine Regulierung auf den Haushaltsführungsschaden für die Zeit bis zum sechsten Lebensjahr des Sohnes der Klägerin in Höhe von weiteren € 5.912,40 an. Diesen Betrag überwies die Beklagte anschließend.

Die Klägerin trägt unter Hinweis auf das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten des Herrn Prof. Dr. H. vom 15. Dezember 2010 (Anlage K38) sowie das Rechtsgutachten des Herrn Prof. Dr. S. vom 10. August 2009 (Anlage K33) vor:

Ihre Schadensersatzforderungen seien insgesamt zu kapitalisieren. Die Voraussetzungen dafür nach § 843 Abs. 3 BGB seien schon deshalb gegeben, weil eine unfallbedingte Schwerstschädigung vorliege. Eine einmalige Kapitalabfindung sei ein würdiger Ausgleich für das behinderte Leben der Klägerin.

Im Rahmen der Frage nach dem wichtigen Grund für eine Kapitalisierung sei allein darauf abzustellen, ob sich diese auf den Zustand des Verletzten günstiger auswirke als eine Geldrente. Dabei sei eine subjektive Sicht anzulegen, die sich im Willen des Verletzten bündele. Die Entscheidung, ob eine Kapitalabfindung zu gewähren sei, treffe daher der Verletzte, hier also sie selbst. Ihre Entscheidung sei vom Gericht nicht überprüfbar, da dieses ihr seelisches Gleichgewicht nicht beurteilen könne. Sie habe zudem ein besonderes Interesse an einer Kapitalabfindung. Durch eine solche wäre sie in der Lage, sich eine neue Existenz aufzubauen und sich damit den Wunsch nach mehr Selbständigkeit und Selbstbestimmung zu erfüllen.

Die Kapitalabfindung wäre ihrer Gesundheit zuträglich. Sie sei Balsam für ihre Seele und könnte ihre Zukunftsängste beseitigen. Sie sei durch die sechs Jahre andauernden Regulierungsverhandlungen nervlich so zerrüttet, dass ihr ein weiteres Abwarten auf eine endgültige Regulierung oder spätere Untersuchungen aus psychiatrischer Sicht nicht mehr zuzumuten seien. Die Beendigung der Regulierungsverhandlungen durch eine Kapitalabfindung würde ihre psychische Gesundheitsstörung außerordentlich positiv beeinflussen. Sie erhoffe sich durch eine Kapitalabfindung finanzielle und wirtschaftliche Sicherheit für sich und die Zukunftsplanung ihres Kindes. Die Gewährung einer Geldrente hingegen würde einen ungünstigen Einfluss auf ihre Existenzängste und Depressionen nehmen.

Ihrem Sohn könne im Falle einer Kapitalzahlung über das Erbe geholfen werden. Sie wüsste ihn versorgt.

Weiterhin sei der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme, erhoben von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17. September 2009 (Bl. 356 d.A.), ein wichtiger Grund, da zu befürchten sei, dass die Beklagte irgendwann die Zahlungen einstellen werde.

Versicherer zahlten bei außergerichtlicher Streitbeilegung regelmäßig Kapitalabfindungen, so dass die entsprechende Weigerung der Beklagten ein Verstoß gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium darstelle.

Schließlich sei ihr eine Kapitalabfindung zu gewähren, weil es ihr nicht zumutbar sei, sich bis zu ihrem Lebensende mit der Beklagten auseinanderzusetzen. Die Beklagte lege ein unzumutbares, unredliches, entwürdigendes und verzögerndes Regulierungsverhalten an den Tag. Die Beklagte halte sich auch nicht an Absprachen. Während des Prozesses habe sie einen Vergleichsvorschlag mit einer indexierten Rentenlösung zugesagt, den sie in der Folge nie unterbreitet habe. Stattdessen habe sie erst nach langer Verzögerung einen Vergleichstorso angeboten. Die Zusage der Indexierung habe die Beklagte dann auch noch bestritten.

Da es sich um einen einheitlichen Schadensersatzanspruch handele, sei ein einheitlicher Abfindungsbetrag zuzuerkennen. Eine Kapitalisierung einzelner Schadensersatzpositionen sei nicht zulässig. Ein Anspruch auf Kapitalisierung der Gesamtforderung sei deshalb bereits gegeben, sobald ein wichtiger Grund vorliege, auch wenn dieser nur für einen Teil der Gesamtforderung zutreffe.

Der Abzinsungsfaktor für die Kapitalisierung betrage 3,25%.

Sie habe die Fachhochschulreife erreicht. Es könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sie im Wege des Fernstudiums das Abitur angestrebt und voraussichtlich im Juni 2007 erreicht hätte, um sodann ein Studium im Bereich Medien, Marketing oder Sprachwissenschaften aufzunehmen und in das Erwerbsleben einzutreten. Bei einer gewöhnlichen Studienzeit von fünf Jahren sei davon auszugehen, dass sie im Oktober 2012 in das Erwerbsleben eingetreten wäre und einen Verdienst von € 2.600,00 netto monatlich erzielt hätte. Der Barwert ihres Verdienstausfallschadens von Oktober 2012 bis zur Berentung im April 2052, abgezinst mit 3,25% p.a., belaufe sich auf € 705.041,50.

Sie werde die seit 1. Januar 2009 wahrgenommenen und im Schriftsatz vom 13. Mai 2009 auf den S. 13 f. näher erläuterten Therapien bis 31. Dezember 2013 fortsetzen. Diese seien medizinisch indiziert und erforderlich. Sie seien nicht im Leistungskatalog der Krankenkasse der Klägerin aufgeführt. Der Mehrbedarf sei für diesen Zeitraum einschließlich der bis dahin beanspruchten € 215,00 monatlich auf insgesamt € 2.200,00 monatlich festzusetzen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Jahr 2063, ihrem 78. Lebensjahr, also der durchschnittlichen Lebenserwartung einer Frau, sei der monatliche Mehraufwand sodann insgesamt auf € 800,00 festzulegen. Aufsummiert und mit 3,25% abgezinst ergebe sich für den Zeitraum von 2008 bis 2009 ein Betrag in Höhe von € 2.542,56, für den Zeitraum von 2009 bis 2014 ein solcher von € 122.194,04 und für den Zeitraum von 2014 bis 2063 ein solcher von € 237.832,05.

Die häusliche Gemeinschaft mit Herrn P. habe auch nach der Ehescheidung im 2008 jedenfalls zu großem Teil weiterbestanden. Er sei bis zu ihrem Umzug unter ihrer Anschrift gemeldet gewesen. Er habe zwar für gewisse geringe Zeitabschnitte die häusliche Gemeinschaft verlassen, sei aber immer wieder zurückgekehrt und habe sich dann um sie und das gemeinsame Kind gekümmert. Ohne den Unfall hätte die eheliche Lebensgemeinschaft fortbestanden, so dass für den Haushaltsführungsschaden von einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und einem Kind auszugehen sei. Die Berechnung habe nach den Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann zu erfolgen. Danach ergäben sich für sie selbst 53,9 Wochenstunden Haushaltstätigkeit für den Haushalt mit einem Kind unter sechs Jahren, 47,8 Wochenstunden für den Haushalt mit einem Kind zwischen sechs und 18 Jahren und 31,4 Wochenstunden für den Haushalt mit einem Kind zwischen sechs und 18 Jahren nach der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Bei einem Stundensatz von € 8,70 ergäben sich für die Zeit von Juni 2008 bis März 2010 (sechster Geburtstag des Sohns der Klägerin) monatlich € 2.009,70, für April 2010 bis September 2012 (fiktiver Abschluss ihres Studiums) monatlich € 1.782,30 und für Oktober 2012 bis April 2060 monatlich € 1.170,90 als Schadensersatz. Aufsummiert und abgezinst zu 3,25% ergebe sich ein Gesamtbetrag in Höhe von € 374.475,64.

Ihr Pflegebedarf betrage 24 Stunden am Tag. Für die Pflegeleistungen ihrer Mutter sei ein Stundensatz von € 13,00 anzusetzen. Ihre Mutter werde voraussichtlich bis zu deren 70. Lebensjahr, also bis Ende 2021, pflegen. Ab dem Jahr 2022 bis zu ihrem voraussichtlichen Lebensende mit 78 Jahren im Jahr 2063 sei die Pflege durch professionelles Personal sicherzustellen. Hierfür sei für den Zeitraum der zehnstündigen Grundpflege ein Stundensatz in Höhe von € 32,80 und für die übrigen 14 Stunden ein Stundensatz in Höhe von € 13,00 zugrunde zu legen. Für die Zeit der voraussichtlichen Pflege durch ihre Mutter ergebe sich ein monatlicher Pflegeaufwand in Höhe von € 9.360,00, für die Zeit danach ein solcher in Höhe von € 15.300,00. Hieraus errechneten sich kapitalisierte Beträge in Höhe von € 1.269273,76 für die Pflegezeit der Mutter und € 4.199.239,10 für die Zeit danach.

Die Art und Weise der von der Beklagten vorgenommenen Regulierung, insbesondere deren Verzögerung, gebiete eine Erhöhung des Schmerzensgeldes.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie über das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von EUR 200.000 hinaus ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag in Höhe von EUR 300.000 jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Januar 2008 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 6.937.618,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf EUR 1.831.575,45 seit dem 26. Januar 2008, auf EUR 2.252.802,18 seit Rechtshängigkeit der Klage und auf EUR 2.853.240,97 seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 16.793,28 Anwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a) ihr auch sämtliche weiteren zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 15.12.2004 zu ersetzen, sofern diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar waren und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind;

b) sie bezüglich aller Ansprüche der Finanzbehörden freizustellen;

hilfsweise,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie über das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von EUR 263.442,86 hinaus ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das einen Betrag in Höhe von EUR 236.557,14 jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2008 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 295.223,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie als Nebenforderung EUR 16.793,28 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine jeweils bis zum dritten Werktag eines jeden Monats fällige Rente zu zahlen, und zwar

a) für die Zeit vom 01.07.2011 bis 30.09.2012 in Höhe von EUR 13.342,30 je Monat;

b) für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.12.2013 in Höhe von EUR 15.330,90 je Monat;

c) für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2021 in Höhe von EUR 13.930,90 je Monat;

d) für die Zeit vom 01.01.2022 bis 30.04.2052 in Höhe von EUR 19.870,90 je Monat;

e) für die Zeit vom 01.05.2052 bis 30.04.2060 in Höhe von EUR 17.270,90 je Monat;

f) für die Zeit vom 01.05.2060 bis 30.04.2063 in Höhe von EUR 16.100,00 je Monat;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a) ihr sämtliche weiteren zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom … 2004 zu ersetzen, sofern diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar waren und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen werden bzw. übergegangen sind;

b) sie bezüglich aller Ansprüche der Finanzbehörden freizustellen.

Im Übrigen erklärt die Klägerin, den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe des unter dem 13. April 2011 nachregulierten Teilbetrages von € 207.312,04 nebst Zinsen in Höhe eines Betrages von € 29.729,52 sowie in Höhe des weiteren nachregulierten Teilbetrages von € 5.912,40 in der Hauptsache für erledigt.

Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung an und erkennt die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche, begrenzt auf € 8 Millionen einschließlich bereits geleisteter Zahlungen, in Höhe von € 500,00 monatlich bezüglich einer Schmerzensgeldrente, € 3.600,00 monatlich bezüglich der Pflege- und Betreuungskosten und € 215,00 monatlich bezüglich unfallbedingten Mehrbedarfs sowie den hilfsweisen Feststellungsantrag an.

Im Übrigen beantragt die Beklagte, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bis zur Nachregulierung mit Schriftsatz vom 13. April 2011 behauptet:

Die Klägerin treffe ein Mitverschulden, das mit 30% zu bewerten sei. Sie sei nicht angeschnallt gewesen. Hierfür spreche, dass ihr Ehemann nicht angeschnallt gewesen sei, dass ihr Sohn aus dem Auto geschleudert worden sei, vermutlich, weil sie ihn im Unfallzeitpunkt gestillt gehabt habe, der Kindersitz dagegen im Auto verblieben sei, der Ehemann in einem Gespräch mit dem Arzt Prof. Dr. V. geäußert habe, die Klägerin sei nicht angeschnallt gewesen, die Sicherheitsgurte nach dem Unfall aufgerollt vorgefunden worden seien und nicht ersichtlich sei, wer sie gelöst haben sollte. Zudem müsse das Fahrzeug vor dem Schleudervorgang durch den Erstanstoß erheblich Energie abgebaut haben.

Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts gemäß Beschluss vom 3. Februar 2011 (Bl. 653 d.A.) geht seit dem 13. April 2011 auch die Beklagte von einer Haftungsquote in Höhe von 100% aus.

Des Weiteren trägt die Beklagte vor: Ein Grund für eine Kapitalisierung sei allenfalls im Bereich räumlichen und behindertengerechten Wohnraums gegeben, der allerdings nicht substantiiert vorgetragen worden sei. Im Übrigen könnten grundsätzlich aus einem Gesamtschaden zwar einzelne Forderungsgruppen kapitalisiert werden, Gründe hierfür lägen aber nicht vor. Die Rechtsprechung habe bisher allein auf eine Änderung des Wohnbedarfs, die Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Existenz oder den Umstand abgestellt, dass der Schädiger keine Gewähr dafür biete, den Rentenanspruch über längere Zeit zu befriedigen. Diese Fallgruppen seien nicht einschlägig. Ihr Regulierungsverhalten sei für die Klägerin auch nicht psychisch oder physisch beeinträchtigend, so dass eine Kapitalisierung auch nicht unter gesundheitlichen Aspekten verlangt werden könne. Zeitweilige depressive Phasen der Klägerin seien ausweislich des klägerischen Gutachtens aus der Anlage K1 vorwiegend auf die häusliche Situation zurückzuführen. Die Beklagte habe angemeldete Ansprüche jeweils umgehend zu 70% – eine Quote die der unterschiedlichen Auffassung über das Mitverschulden geschuldet gewesen sei – später zu 100% reguliert. Für den Bereich der Pflegekosten sei in der Rechtsprechung niemals eine Kapitalisierung erfolgt. Dies sei auch mit erheblichen Risiken behaftet, wenn sich der Pflegebedarf zukünftig ändern sollte und durch die Kapitalisierung der Weg zu einer Rentenerhöhung verstellt wäre. Ihre wirtschaftliche Situation gewähre, dass jederzeit ausreichend Kapital zur Verfügung stehe. Legte die Klägerin einen Kapitalbetrag selbst an, bestünde dagegen immer die Gefahr, dass der Kapitalbetrag insgesamt verloren gehen könnte. Jedenfalls sei der Kapitalisierungszinssatz mit mindestens 5% p.a. zu bemessen.

Sie sei grundsätzlich bereit ein verletzungsbedingtes Schmerzensgeld in Höhe von € 400.000,00 zu akzeptieren. Allerdings komme eine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen zögerlicher Regulierung nicht in Betracht. Schmerzensgeld und Schadensrenten seien von ihr zu jeder Zeit pünktlich und anstandslos gezahlt worden. Angesichts der Anhaltspunkte, die dafür sprächen, dass die Klägerin bei dem Unfall nicht angeschnallt gewesen sei, sei es nicht zu beanstanden, wenn sie, die Beklagte, zunächst einen Abzug in Höhe von 30% vorgenommen habe.

Für die Berechnung des Erwerbsausfallschadens könne nicht angenommen werden, die Klägerin hätte ohne den Unfall eine akademische Laufbahn durchlaufen. Sie könne noch nicht einmal ihre Studien- oder Berufsvorstellungen klar äußern. Ihre schulischen Qualifikationen (vgl. Anlage K18) sprächen gegen die Aufnahme eines Studiums.

Für den Haushaltsführungsschaden sei kein Dreipersonenhaushalt zu Grunde zu legen, nachdem der Ehemann sich von der Klägerin getrennt habe.

Einen über € 215,00 hinausgehenden Mehrbedarf könne die Klägerin nicht beanspruchen. Die durchgeführten und beabsichtigten Therapien seien nicht erstattungsfähig. Der Mehrbedarfsforderung ab dem Jahre 2014 fehle darüber hinaus jede Substanz; es würden nicht einmal Anknüpfungspunkte für eine Schätzung dargelegt.

Der Pflegebedarf der Klägerin betrage zwölf Stunden am Tag; dies sei die Anzahl an Stunden, die die Klägerin vorgerichtlich mit dem Anspruchsschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10. Januar 2008 (Anlage K2) gefordert habe. Für die Pflegeleistungen der Mutter der Klägerin sei ein Stundensatz vom € 8,00 anzusetzen. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass die Familienangehörigen der Klägerin keinerlei pflegerische Ausbildung hätten und die Klägerin Leistungen der Pflegekasse erhalte, auch wenn diese wegen des Familienprivilegs nicht anzurechnen seien. Soweit die Klägerin für professionelle Pflege € 32,80 zu Grunde lege, sei ihr Vortrag unsubstantiiert. Es müsse dargelegt werden, welche Betreuungsmaßnahmen einen so hohen Stundensatz rechtfertigten.

Die Beklagte erhebt den Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien einschließlich der eingereichten Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 13. März 2009 auf die Kammer übertragen (Bl. 197 d.A.). Es hat mit Beschlüssen vom 8. Oktober 2010 (Bl. 358 d.A.) und 7. Dezember 2009 (Bl. 431 d.A.) ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Behauptung der Beklagten eingeholt, die Klägerin sei beim Unfall nicht angeschnallt gewesen, und die Sachverständige, Frau Dipl.-Ing. Ulrike G., angehört. Auf deren Gutachten vom 30. April 2010 (Bl. 480 ff. d.A.) sowie ihre Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2010 (Bl. 586 ff. d.A.) wird verwiesen.

Das Gericht hat des Weiteren den Zeugen Prof. Dr. V. vernommen und die Mutter der Klägerin, die deren Betreuerin ist, angehört. Bezüglich des Inhalts der Vernehmung und Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2010 verwiesen (Bl. 588 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Hauptantrag nicht, im Hilfsantrag größtenteils begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus den §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, 3 Nr. 1 PflVersG a.F. auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgelds in Höhe von € 131.857,14, von weiteren € 164.074,08 als Ersatz für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung angefallenen materiellen Schadenspositionen sowie einer monatlichen Rente in variabler, tenorierter Höhe. Sie hat zudem Anspruch auf die begehrte Feststellung materieller und immaterieller Haftung sowie des Freistellungsanspruchs gegenüber den Finanzbehörden. Die Beklagte haftet der Klägerin dem Grunde nach auf vollen Schadensersatz, aus dem letztere die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung angefallenen Schadenspositionen einschließlich des Schmerzensgelds als Abfindungsbetrag und die zukünftigen Schadenspositionen als Rentenzahlung quartalsweise im Voraus (§ 843 Abs. 2 S. 1, 760 BGB) bis zu ihrem Tod verlangen kann.

1. Nach Art. 40 Abs. 2 EGBGB ist auf den vorliegenden Rechtsstreit deutsches Schadensersatzrecht anzuwenden, denn die Klägerin sowie der ihr ersatzpflichtige Ehemann hatten im Unfallzeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts erstreckt sich auch auf den Direktanspruch der Klägerin aus § 3 Nr. 1 PflVersG a.F. gegen die Beklagte als Kfz- Haftpflichtversicherer des Ehemanns, vgl. Art. 40 Abs. 4 EGBGB. Im Rahmen des deutschen materiellen Rechts bleiben allerdings die Verkehrsregeln des Unfallortes, also des Landes Italien anzuwenden.

2. Die Beklagte haftet der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 15. Dezember 2004 zu einer Quote von 100%. Der Ehemann der Klägerin verletzte sie durch eine schuldhafte Pflichtverletzung an Körper und Gesundheit; ein Mitverschulden ist der Klägerin nicht zuzurechnen. Den gegen den Ehemann gerichteten Anspruch kann die Klägerin als Direktanspruch (§ 3 Nr. 1 PflVersG a.F.) gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallfahrzeugs richten.

Der Ehemann der Klägerin verschuldete den Unfall durch Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands oder Unaufmerksamkeit. Er versuchte, ein Auffahren auf ein vor ihm fahrendes, plötzlich bremsendes, großes Nutzfahrzeug zu verhindern und verlor dabei die Kontrolle über das Fahrzeug. Dieser Unfallhergang lässt im Wege des Anscheins vermuten, dass der Ehemann der Klägerin unaufmerksam oder zu dicht an das Fahrzeug vor ihm herangefahren war. Typischerweise sind Auffahrunfälle oder wie hier Ausweichmanöver zur Verhinderung von Auffahrunfällen auf einen nicht ausreichenden Abstand oder Unaufmerksamkeit zurückführen. Der Ehemann der Klägerin hätte seinen Abstand so einrichten müssen, dass er auch auf ein plötzliches Bremsereignis ausreichend gefahrverhütend hätte reagieren können. Die entsprechende Abstandsregel findet sich in l’articolo 149 Abs. 1 nuovo codice della strada des im Rahmen des deutschen materiellen Rechts anzuwendenden italienischen Straßenverkehrsrechts. Danach ist ein solcher Sicherheitsabstand einzuhalten, der Kollisionen mit dem vorausfahrenden Fahrzeug in jedem Fall vermeiden lässt.

Ein Mitverschulden ist der Klägerin nicht zuzurechnen. Auch wenn es gewichtige Indizien dafür gibt, dass die Klägerin bei dem Unfall nicht angegurtet gewesen ist, verbleiben nach den Ausführungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. G. doch nicht unerhebliche Zweifel. Diese gehen zu Lasten der für ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin beweispflichtigen Beklagten. Das hat diese auch nach der Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens und der weiteren Beweiserhebung erkannt und die Einwendung eines Mitverschuldens wegen Verletzung der Anschnallpflicht daraufhin fallen gelassen.

3. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin setzt sich zusammen aus einer Kapitalabfindung für die Vergangenheit und einer Rentenzahlung für die Zukunft.

a) Die Klägerin hat Anspruch auf eine Kapitalabfindung als Ausgleich für die ihr bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung entstandenen materiellen Schadenspositionen. Sie ist grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, für die Schadenspositionen der Vergangenheit Kapitalabfindung oder Rente zu verlangen (BGHZ 59, 187, 188). Auf einen wichtigen Grund nach § 843 Abs. 3 BGB kommt es nicht an, da dieser sich mit Zukunftsschäden befasst.

b) Dagegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Kapitalisierung ihres Rentenanspruchs für die Zukunft. Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass grundsätzlich eine Kapitalisierung von Einzelpositionen der Gesamtschadensersatzforderung möglich ist (1). Es liegt aber für keine der geltend gemachten Positionen ein wichtiger Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB vor (2).

(1) Die Kammer folgt zunächst nicht der Auffassung, dass die einzelnen Schadenspositionen nur einheitlich zu kapitalisieren oder zu verrenten seien. Entgegen der Ansicht der Klägerin zwingt der Wortlaut des § 843 Abs. 3 BGB nicht zur Einheitlichkeit. Die Norm ordnet an, dass eine Kapitalisierung nach Verlangen des Verletzten zu erfolgen habe, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Zwanglos kann das „wenn“ der Norm im Sinne von „soweit“ verstanden werden. Nur ein solches Verständnis berücksichtigt, dass sich die Gesamtschadensersatzforderung eines Geschädigten aus einzelnen, unterschiedlichen Schadensersatzansprüchen zusammensetzt, die jeder für sich unabhängig von dem anderen ein unterschiedliches Schicksal erleiden können. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, einzelne Schadenspositionen aus den vermehrten Bedürfnissen zu kapitalisieren und andere nach der Grundregel des ersten Absatzes als Rente zu gewähren, vgl. z.B. BGH, VersR 1968, 664, 666 f; RG, RGZ 156, 392, 393. Dass die genannten Entscheidungen zu § 13 StVG bzw. § 13 KFG ergangen sind, ändert nichts an ihrer Vergleichbarkeit für die vorliegende Anwendung des § 843 Abs. 3 BGB. § 13 Abs. 2 StVG verweist schon ausdrücklich auf § 843 Abs. 3 BGB. Auch in Bezug auf § 13 KFG ist nicht ersichtlich, warum die Frage der Einheitlichkeit des (für die Zukunft als Rente) angeordneten Schadensersatzanspruchs anders zu beurteilen sein sollte als in § 843 Abs. 3 BGB. Die Klägerin bringt mit dem als Anlage K33 eingereichten Rechtsgutachten des Herrn Prof. Dr. S. auch kein zwingendes Argument für ihre Ansicht, sondern beschränkt sich auf mehrfachen Vortrag einer entsprechenden Behauptung, die durch Fettdruck am Wortlaut der Norm, es sei „ein“ wichtiger Grund erforderlich, festgemacht wird (Anlage K33, S. 16 ff.). Tatsächlich verbietet der Wortlaut aber, wie dargelegt, eine Aufteilung in Rente und Kapital gerade nicht. Die Anordnung der Kapitalisierung, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, lässt sich zwanglos auf einzelne Schadenspositionen beziehen. Ebenso ist es zulässig, eine Kombination aus Rente und Kapitalabfindung für verschiedene Zeitabschnitte zu zahlen (vgl. RGZ 77, 213, 216; Palandt-Sprau, BGB, 70. Auflage, § 843, Rn. 18; Beck-OK-Spindler, Stand 1. Okt. 2007, § 843, Rn. 33).

§ 843 Abs. 3 BGB ist als Ausnahmevorschrift zu der grundsätzlichen Rentenanordnung im ersten Absatz eng auszulegen. Hieraus folgt, dass eine Kombination aus Rente und – soweit wichtige Gründe vorliegen – Kapitalabfindung der Regelungssystematik des Gesetzes am ehesten Rechnung trägt. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift bleibt damit weitestgehend erhalten. Es ist auch nicht ersichtlich und unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Naturalrestitution nicht zu rechtfertigen, Schadenspositionen zu kapitalisieren, für deren Kapitalisierung ein Bedürfnis im Sinne des gesetzlich geforderten wichtigen Grundes nicht vorliegt. Der Klägerin ist es daher verwehrt, eine Gesamtkapitalisierung schon dann zu verlangen, wenn nur für einen einzelnen Schadensposten ein Kapitalisierungsbedürfnis vorliegt.

(2) Es liegen keine wichtigen Gründe vor, die eine Kapitalisierung einzelner, mehrerer oder aller Schadenspositionen gebieten.

(a) Die Klägerin hat nach ihrer Auffassung schon deshalb einen Anspruch auf eine Abfindung in Kapital, weil dies nach ihrer Auffassung einen günstigen Einfluss auf ihren Zustand und ihre Entwicklung habe. Ihr Verlangen nach einer Kapitalzahlung habe die Rechtsordnung grundsätzlich zu respektieren, wenn nicht nach objektiver Betrachtungsweise eine selbstschädigende Fehleinschätzung mit Händen zu greifen sei oder zu irreparablen Schäden für die Allgemeinheit führte.

Die Kammer teilt diese Interpretation des § 843 BGB nicht. § 843 BGB enthält einen Schadensersatzanspruch, der zusammen mit den allgemeinen Regeln in §§ 249 ff. BGB einen Ausgleich für erlittene Verletzungen ermöglicht. Der schadensersatzrechtlichen Grundregel der Naturalrestitution folgend, sieht Absatz 1 grundsätzlich ein Rentensystem vor. Danach wird durch die zu gewährende Rente der Schaden des Verletzten immer erst dann ausgeglichen, wenn er eintritt. Nach Auffassung der Verfasser des BGB erleichtere das Rentensystem gerechte und billige Entscheidungen, weil es anders als Kapitalabfindungen in weit geringerem Maße mit unbekannten Faktoren belastet sei (Motive, Mugdan II, S. 438). Die Verfasser erkannten aber auch, dass ein gänzlicher Ausschluss der Kapitalabfindung in besonderen Umständen unzulänglich sein kann, z.B. wenn der Ersatzpflichtige für die Zahlung der Rente keine ausreichende Sicherheit bieten könne oder eine große Zahl an Erben hinterlasse (Motive, Mugdan II, S. 438). Sie schafften daher die Möglichkeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Rentenzahlung zur Kapitalabfindung überzugehen.

Wichtige Gründe lassen sich sowohl in der Sphäre des Ersatzpflichtigen als auch in der Sphäre des Geschädigten finden. Zwei Aspekte aus der Sphäre des Ersatzpflichtigen finden sich bereits, wie genannt, in den Motiven. Andere können drohende Insolvenz, Zahlungsschwierigkeiten, die Notwendigkeit der Vollstreckung im Ausland oder ein häufiger Wechsel des Wohnsitzes durch den Ersatzpflichtigen sein (vgl. RGZ 93, 209, 210; OLG Nürnberg, FamRZ 1968, 478; MüKo-BGB/Wagner, 5. Aufl., §§ 842, 843, Rn 76). Dagegen kann die Existenz einer Versicherungsgesellschaft dazu führen, einen wichtigen Grund trotz Zahlungsschwierigkeiten des Schädigers nicht anzunehmen (vgl. RGZ 93, 209, 210 f.; Palandt-Sprau, BGB, 70. Auflage, § 843, Rn. 19; Beck-OK-Spindler, Stand 1. Okt. 2007, § 843, Rn. 32). Neben den bei Abfassung des Gesetzes im Vordergrund stehenden Gründen aus der Sphäre des Ersatzpflichtigen sind in der Rechtsprechung auch Gründe aus der Sphäre des Geschädigten berücksichtigt worden. Sie können z.B. darin liegen, dass eine Kapitalabfindung einen günstigen bzw. eine Rente einen ungünstigen Einfluss auf den Gesundheitszustand des Geschädigten haben würde (vgl. RGZ 73, 418, 419; OLG Koblenz, OLGR 1997, 332) oder dass die Kapitalabfindung dem Verletzten dazu dienen kann, sich selbstständig zu machen (Palandt-Sprau, BGB, 70. Auflage, § 843, Rn. 19).

Bei der Interpretation der Vorschrift des § 843 BGB darf nicht aus den Augen verloren werden, dass Absatz 3 eine Ausnahme zu der Grundregel der Rentenzahlung in Absatz 1 formuliert. Die Rentenzahlung ist zunächst logische Konsequenz der Naturalrestitution. Der Ausnahmecharakter der Kapitalabfindung verlangt, den wichtigen Grund eng auszulegen. Es können nur Gründe von erheblichem Gewicht in Betracht kommen (so auch OLG Koblenz, OLGR 1997, 332). Erforderlich sind besondere Gegebenheiten, die objektiv oder in der Person des Geschädigten die Rentenzahlung als erheblich ungeeignet oder unsicher erscheinen lassen. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Erforderlichkeit einer Kapitalabfindung nicht zur unüberprüfbaren Disposition des Geschädigten steht. Der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes ist vielmehr durch die Gerichte voll überprüfbar. Jede andere Auslegung ließe den Ausnahmecharakter der Kapitalabfindung entfallen, bis hin zu einem von der Klägerin postulierten Wahlrecht des Geschädigten.

Erheblichkeit und Überprüfbarkeit sind Merkmale, die auch sonst im BGB an das Vorliegen wichtiger Gründe geknüpft werden, z.B. in den Bestimmungen der §§ 314, 490, 543, 569, 626, 671, 712, 723 BGB. Es handelt sich in jedem Fall um Ausnahmeregelungen, die ein Abweichen von der Norm unter engen Voraussetzungen rechtfertigen. Dabei unterliegt der wichtige Grund als unbestimmter Rechtsbegriff der Überprüfung durch die Gerichte (z.B. BGH, NJW 1993, 463, 464, für § 626 BGB). Daran ändert auch nichts, dass § 843 BGB eine von den genannten Vorschriften verschiedene, dem Geschädigten dienende Schutzfunktion zukommt. Auch den in anderen Normen enthaltenen wichtigen Gründen liegt der Gedanke zu Grunde, in Ausnahmefällen besondere Nachteile von einem der Normadressaten abzuwenden, ihn also zu schützen. So erlauben die Dauerschuldverhältnisse ein Auflösen der Bindung, wenn die Fortsetzung des Vertrages für einen Teil unzumutbar ist. Auch durch die in § 843 Abs. 1 BGB angeordnete Rentenzahlungspflicht gelangen Schädiger und Geschädigter in ein Dauerrechtsverhältnis, das dem Geschädigten das Recht gibt, regelmäßige Zahlungen zu verlangen. Wenn Absatz 3 der Norm hiervon eine Ausnahme statuiert, zeigt sich darin nichts anderes als die schadensersatzrechtliche Ausprägung des dem außerordentlichen Lösungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen zu Grunde liegenden Rechtsgedankens, (nur) in erheblichen und/oder unbilligen Fällen die Dauerhaftigkeit der Bindung aufzuheben.

Wenn die Klägerin unter Bezugnahme auf das als Anlage K33 vorliegende Rechtsgutachten Prof. Dr. S.s ausführt, sie als Geschädigte trage das Risiko der Kapitalisierung, also der Richtigkeit der Prognose künftiger Entwicklungen, weshalb sie keines Schutzes über die Einschränkung des Begriffs des wichtigen Grundes bedürfe, übersieht sie, dass das Schadensersatzrecht nicht nur den Geschädigten, sondern auch den Schädiger schützt. Das Schadensersatzrecht ist vom Ausgleichsgedanken beherrscht (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage, Vor § 249, Rn. 2); es soll die entstandenen Schäden ausgleichen, dem Geschädigten aber darüber hinaus keinen Mehrwert zu Lasten des Schädigers verschaffen. Es ist daher nicht richtig, dass der Geschädigte allein das Prognoserisiko einer Kapitalabfindung trage. Der Abfindungsbetrag ist auch zu Lasten des Schädigers mit Unsicherheiten behaftet, die es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt. Nichts anderes ergibt sich aus dem von Prof. Dr. S. zitierten Urteil des BGH vom 8. Januar 1981 (BGHZ 79, 187), in dem das Gericht ausführt, auch zu Lasten des Schädigers seien Unsicherheiten in die Berechnung einer Kapitalabfindung eingeflossen (BGHZ 79, 187, 193). Folgerichtig steht die Anpassung der Rente über § 323 ZPO nicht nur dem Geschädigten, sondern auch dem Schädiger offen.

Unterliegt die Frage der Abfindung in Kapital danach nicht der der Überprüfung durch die Gerichte entzogenen Disposition des Geschädigten, ist im Einzelnen zu prüfen, ob Gründe für eine (Teil-) Kapitalisierung vorliegen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht der Fall.

(b) Die Klägerin hat sich durch den Unfall schwere Verletzungen mit bleibenden Schäden zugezogen. Der Umfang und Schweregrad der Schädigung rechtfertigen allein aber nicht, den Ersatzbetrag zu kapitalisieren. Durch die Verletzungen der Klägerin tritt ein erhöhter Bedarf ein, der nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts auszugleichen ist. Für wiederkehrende Bedürfnisse ist nach § 843 Abs. 1 BGB grundsätzlich eine Rente zu zahlen. Dieser Ausgleich ist nicht allein deshalb anders vorzunehmen, weil die Verletzungen der Klägerin besonders schwer sind. Es kann aber sein, dass besondere, aus der Schwere der Verletzungen resultierende Umstände einen Bedarf nach einer einmaligen Kapitalzahlung auslösen. Diese kann sodann wegen der besonderen Umstände, nicht aber schon wegen der Verletzungen als solcher, gezahlt werden.

(c) Die Kammer hat bereits im Verlaufe des Prozesses erkennen lassen, dass es die Zahlung eines Abfindungsbetrages auf das Argument der Schaffung behindertengerechten Wohnraums zu stützen bereit ist. Dem erhöhten Wohnbedarf der Klägerin kann durch eine Rente zur Anmietung geeigneter Räumlichkeiten oder durch den Erwerb einer adäquaten Wohnung Rechnung getragen werden. Berücksichtigt man die erhöhten, durch ihre Behinderung individuell geprägten Bedürfnisse der Klägerin, könnte sich ein erheblicher Bedarf zur Anschaffung individuell zugeschnittenen und eingerichteten Wohnraums ergeben, wofür die einmalige Gewährung eines Kapitalbetrags statt einer Rente in Betracht kommt. Gleichzeitig könnte durch den Erwerb einer Wohnung das erhöhte Bedürfnis der Klägerin für die Zukunft in ausreichendem Maße befriedigt werden. Prognoseunsicherheiten bei der Kapitalisierung spielen bei der Befriedigung erhöhten Wohnbedarfs nur eine untergeordnete Rolle, da die Klägerin aus ihrer mittlerweile mehrjährigen Behinderungssituation heraus in der Lage sein dürfte, ihre Wohnbedürfnisse vollständig und auch zukunftssicher zu prognostizieren.

Indessen macht die Klägerin seit ihrem Umzug aus der ursprünglich von ihr bewohnten Zweieinhalb-Zimmer-Mietwohnung im ersten Obergeschoss in der B. Straße XX in B. im Dezember 2009 in das zu ebener Erde gelegene Haus der Eltern im V.weg 5 in B. keine vermehrten Bedürfnisse bezüglich des Wohnens geltend. So werden denn auch im Gutachten des Prof. Dr. H. vom 15. Dezember 2010 (Anlage K38) anders als im Vorgutachten vom 25. April 2008 (Anlage K1) keine durch die Wohnsituation hervorgerufenen Beanstandungen mehr aufgeführt.

(d) Ebenfalls nicht ausreichend dargelegt ist der von der Klägerin geäußerte Wunsch, sich eine neue Existenz aufzubauen. Es ist trotz entsprechenden Hinweises der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin konkrete Pläne für die Zukunft hätte, die im Hinblick auf den Aufbau einer neuen Existenz einen erhöhten, mit einer Zahlung zu befriedigenden Kapitalbedarf auslösten. Die Formulierung des Wunsches nach dem Aufbau einer neuen Existenz ist dem Anschein nach aus der reichsgerichtlichen Entscheidung in JW 1933, 840 entlehnt. Dort lag allerdings ein nicht vergleichbarer Fall vor, in dem eine Geschädigte sich nach ihrer Verletzung eine neue erwerbswirtschaftliche Existenz als Selbständige aufbauen wollte. Hierfür war in nachvollziehbarer Weise ein Anfangskapital notwendig; eine Rentenzahlung hätte dort nur einen ungenügenden Ausgleich verschafft.

(e) Das weitere Argument der Klägerin, eine Kapitalisierung sei notwendig, weil sie durch eine Kapitalzahlung ihren Sohn anders als bei einer Rentenzahlung über das Erbe abgesichert sähe, trägt ebenfalls nicht. Eine nach § 843 Abs. 3 BGB gewährte Abfindung soll durch die Kapitalzahlung und Zinserträge hieraus die Versorgung eines Geschädigten ebenso sicher stellen wie eine laufende Rentenzahlung. Die Kapitalzahlung ist nichts anderes als die Summe der zu erwartenden Rentenzahlungen vermindert um den über die Jahre zu erwartenden Zinsertrag. Am Ende ihres Lebens wird die Klägerin bei einer Rentenzahlung vermögensmäßig ebenso dastehen, wie im Falle einer Kapitalzahlung. Alles andere widerspräche dem Ausgleichsgedanken des Schadensersatzrechts. Es ist daher ein Irrtum, dass nur die Kapitalzahlung den Sohn der Klägerin absicherte. Vielmehr ist das Schutzniveau bei Renten- und Kapitalzahlung gleich. Dass eine Kapitalzahlung im Falle eines verfrühten Versterbens der Klägerin zu einer verbesserten Versorgung des Sohnes führte, ist ein Umstand, der wegen des Ausgleichsgedankens des Schadensersatzrechts nicht in zulässiger Weise zu berücksichtigen ist.

(f) Der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme kann ebenso wenig als wichtiger Grund herangezogen werden. Die Kapitalisierung führt – anders als die Klägerin meint – nicht dazu, den Gefahren vorzubeugen, die aus einer Nichtauskömmlichkeit der Deckungssumme resultieren.

Zunächst ist nicht richtig, dass die Beklagte die Zahlung einer Rente bei Erreichen der Deckungssumme einstellen darf. Vielmehr ist der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme bereits, wie geschehen, im Erkenntnisverfahren zu erheben und hat zur Folge, dass die Rentenzahlungen durch gleichmäßige Kürzungen so aufgeteilt werden, dass deren Kapitalwert einschließlich bereits zuvor erbrachter Leistungen die Deckungssumme der Versicherung am Ende der prognostizierten Rentenzahlungsverpflichtung erreicht, aber nicht überschreitet (vgl. zum Kürzungs- bzw. Verteilungsverfahren nach §§ 155, 156 VVG a.F.: BGH, NZV 2007, 127, 128 = NJW 2007, 370, 371; BGH, VersR 1980, 817). Zugleich ist die beklagte Versicherung verpflichtet, die auf diese Weise gekürzte Rente fortzuzahlen, auch wenn dadurch die Deckungssumme aufgrund nicht vorhergesehener Umstände letztlich überschritten würde. Hieraus folgt zugleich, dass bei einer Kapitalisierung die wegen der zu erwartenden Erschöpfung der Versicherungssumme anteilig gekürzten Rentenzahlungen zu Grunde zu legen sind mit der Folge, dass die Kapitalabfindung der Klägerin allenfalls das gleiche Schutzniveau bietet wie eine Rentenzahlung. Tatsächlich liegt das Schutzniveau sogar niedriger, weil die Rentenzahlung bei (unvorhergesehenem) Erreichen der Deckungssumme nicht eingestellt werden darf, während ein Aufstocken der Kapitalabfindung nicht in Betracht kommt.

(g) Es ist nicht unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte der Klägerin eine Kapitalzahlung in der gewünschten Höhe verweigert. Richtig ist, dass Abfindungen bei der Abwicklung von Personenschäden im Versicherungsrecht häufig anzutreffen sind. Es handelt sich aber in allen Fällen um freiwillige Abfindungsvereinbarungen, auf die sich die Parteien in gegenseitigem Nachgeben einigen. Vorliegend verweigert die Beklagte der Klägerin auch nicht kategorisch eine Kapitalzahlung, sondern hat ein Angebot der Kapitalisierung unterbreitet, das der Klägerin nicht ausreicht. Dass sich die Parteien bei der Verhandlung eines Vergleichs über die Abfindungssumme nicht einig werden, stellt noch keinen Rechtsmissbrauch dar, sondern ist ein nicht selten anzutreffender Teil einer Auseinandersetzung, der seinen Grund in den unterschiedlichen Auffassungen über die zutreffende Schadenshöhe findet.

(h) Die Klägerin kann auch nicht eine Kapitalisierung unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer weiteren Auseinandersetzung mit der Beklagten fordern. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Beklagte eine unzumutbare Weigerungshaltung eingenommen hätte. Die Beklagte hat vielmehr erhebliche Zahlungen geleistet. Neben solchen in Höhe von € 286.707,78 (vgl. Anlage K5, S. 2), € 30.129,50 (vgl. Anlage K5, S. 2), € 237.041,54 (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 13. April 2011, S. 2, Bl. 705 d.A.) und € 5.912,40 (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 25. Mai 2011, S. 2, Bl. 724 d.A.) leistete die Beklagte seit 1. April 2008 quartalsweise € 12.803,10 (vgl. Anlage K5, S. 3) und seit 1. Juli 2011 quartalsweise € 18.290,14 (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 13. April 2011, S. 2). Insgesamt zahlte sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung € 695.105,47.

Allerdings nahm die Beklagte bei den Zahlungen zunächst an, nur zu 70% zu haften, weil die Klägerin nicht angegurtet gewesen sei – eine Einwendung, die sie im Prozess nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und weiterer Beweiserhebung fallen ließ. Dieses Verhalten kann der Beklagten aber nicht im Sinne einer unzumutbaren Weigerungshaltung vorgehalten werden. Es gibt vorliegend gewichtige Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die Klägerin beim Unfallgeschehen tatsächlich nicht angeschnallt war. Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat unter umfassender Würdigung der Indizien ausgeführt, dass der sichere Nachweis, die Klägerin sei nicht angeschnallt gewesen, nicht geführt werden könne. In dieser Situation kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens in die Regulierung eingetreten zu sein.

Zu beachten ist auch, dass die Beklagte nach gerichtlichem Hinweis zur Würdigung der Frage des Anschnallens eine Nachregulierung auf Basis einer vollen Haftung vorgenommen hat. Soweit die Zahlungen der Beklagten hinter dem Ergebnis dieses Prozesses zurückgeblieben sind, führt auch dies nicht zu einer Unzumutbarkeit weiterer Auseinandersetzungen. Den einzelnen Schadenspositionen lagen zum einen zum Teil schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen, zum anderen Beträge zu Grunde, die der Schätzung des Gerichts unterliegen. Dass die Beklagte angesichts dieser Unsicherheiten mit vorsichtig kalkulierten Beträgen arbeitete, ist ihr angesichts der erheblichen geleisteten Zahlungen jedenfalls nicht in dem Maße vorzuwerfen, dass von einer Unzumutbarkeit weiterer Auseinandersetzungen auszugehen wäre.

Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass die Beklagte in entwürdigender Weise Zusagen nicht einhält. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe während des Prozesses einen Vergleichsvorschlag zugesagt, der eine indexierte Rentenzahlung vorsehen sollte. Hierdurch habe die Auseinandersetzung einem endgültigen Ende zugeführt werden sollen. An diese Absprache habe die Beklagte sich nicht nur nicht gehalten, sondern sie auch noch geleugnet, woraus die Unzumutbarkeit weiterer Auseinandersetzungen zu folgern sei. Die Kammer folgt dieser Beurteilung nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich eine indexierte Rente zugesagt hatte oder ob es an der Klägerin war, sich dazu zu äußern, ob sie eine indexierte Rente akzeptieren würde. Es gehört zum Wesen einer Auseinandersetzung, dass zwischen den Parteien unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe und/oder die Modalitäten einer Zahlung bestehen. Die Unzumutbarkeit einer Auseinandersetzung kann weder aus der Nichtannahme noch aus dem Inhalt eines Angebots gefolgert werden. Die Beklagte hat hier tatsächlich ein Vergleichsangebot unterbreitet und war der Auffassung, dass damit die Ansprüche der Klägerin vollständig erfasst werden. Die Klägerin hat andere Vorstellungen über die Höhe der zu zahlenden Abfindung und ist auf den Vorschlag nicht eingegangen. Diese Uneinigkeit ist einer Auseinandersetzung wesensimmanent; sie begründet keinen wichtigen Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Vorstellungen der Klägerin über den ihr zustehenden Schadensersatzbetrag weit übersetzt waren. Im Übrigen muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass auch sie einen Vergleichsvorschlag hätte erarbeiten und unterbreiten können, der ihren Vorstellungen entsprochen hätte.

(i) Schließlich trägt die Klägerin unter Vorlage des Gutachtens Prof. Dr. H.s vom 15. Dezember 2010 (Anlage K38) vor, eine hohe Kapitalabfindung sei geeignet, das sich im Jahr zuvor ausgeprägte psychische Krankheitsbild einer mittelschweren reaktiven Depression entscheidend zu bessern. Eine solche Maßnahme hätte eine ausnahmslos günstige Auswirkung auf ihren Gesundheitszustand, da hierdurch die im Vordergrund stehenden Existenz- und Zukunftsängste behoben werden könnten.

Die Kammer folgt auch dieser Argumentation der Klägerin nicht. Es kann offenbleiben, ob psychische Befindlichkeiten erheblicher Schwere im Einzelfall einen wichtigen Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB darstellen können, wenn gerade die Kapitalabfindung sich günstig auf die seelische Gesundung des Geschädigten auswirkt und die Umstände eine Kapitalisierung gebieten (vgl. RGZ 73, 418, 419 f.; OLG Koblenz, OLGR 1997, 332). Diese Voraussetzungen vermag die Kammer vorliegend nicht zu erkennen.

Die Darlegungen im Gutachten Prof. Dr. H.s vom 15. Dezember 2010, auf welche die Klägerin verweist, sind schon nicht ausreichend substantiiert. Zwar ist nach dessen Ausführungen eine hohe Kapitalabfindung geeignet, sich positiv auf den Gesundheitszustand der Klägerin auszuwirken. Im Gutachten wird aber an keiner Stelle erörtert oder dargelegt, welche genauen Vorstellungen sich die Klägerin diesbezüglich tatsächlich macht. Die der Klägerin zustehenden Ansprüche, die die Kammer mit diesem Urteil feststellt, bleiben hinter den sich im Klagantrag niederschlagenden Vorstellungen der Klägerin zur Schadenshöhe zurück. Ob denn die Kapitalisierung eines deutlich hinter dem Klagantrag zurückbleibenden Betrages nicht auch negative Auswirkungen auf den psychischen Zustand der Klägerin hätte, bleibt schon nach deren eigenem Vortrag unklar. Sie legt nicht dar, in welcher Höhe eine Kapitalzahlung erfolgen müsse, um positive Wirkung auf ihr Seelenleben zu entfalten. Die Kammer ist daher schon auf Basis des Vortrags der Klägerin nicht in der Lage zu entscheiden, ob eine Kapitalisierung erforderlich ist oder mangels ausreichender Höhe und damit subjektiv fehlender Absicherungsfunktion keine Wirkung hätte.

Ferner stellt das Gutachten vom 15. Dezember 2010 auch deshalb keinen ausreichenden Vortrag dar, weil der Gutachter die Klägerin selbst nicht umfassend untersucht oder befragt hat. Er stützt sich zur Beurteilung der Frage einer etwaigen psychischen Belastung der Klägerin durch Rentenzahlungen letztlich ersichtlich allein auf die Angaben der Mutter der Klägerin. Es ist nicht auszuschließen, dass es dabei zu Vermischungen zwischen den Sorgen und Zukunftsängsten der Klägerin mit denen ihrer Mutter gekommen ist.

Darüber hinaus kann die Höhe der Entschädigungsleistung aus rechtlichen Gründen keinen wichtigen Grund darstellen. Diese hängt allein von der Notwendigkeit des Schadensausgleichs, nicht von der psychischen Befindlichkeit ab – letztere spielt lediglich im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgelds eine Rolle. Durch die Kapitalisierung der Entschädigung ändert sich an ihrer Höhe nichts. Vorstellungen beziehungsweise Fehlvorstellungen des Geschädigten über die Höhe der zu gewährenden Entschädigung können daher auch bei Rückwirkungen auf dessen seelische Befindlichkeit im Rahmen der Bemessung und Kapitalisierung keine Rolle spielen. Eine nach § 843 Abs. 3 BGB gewährte Abfindung soll durch Kapitalzahlung und Zinserträge hieraus die Versorgung eines Geschädigten ebenso sicher stellen wie die laufende Rentenzahlung. Die Kapitalzahlung ist nichts anderes als die Summe der zu erwartenden Rentenzahlungen vermindert um den über die Jahre zu erwartenden Zinsertrag. Beide Entschädigungsvarianten führen dazu, dass die Klägerin hinsichtlich des unfallbedingten Mehrbedarfs Zeit ihres Lebens in gleicher Weise versorgt ist.

Weiterhin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich die Zahlung einer Rente als solches für die Klägerin psychisch nachteilig auswirkte. Wiederholt hat sie über ihren Prozessbevollmächtigten gefordert, die Beklagte möge einen Vergleichsschluss mit einer indexierten Rente erarbeiten. Dass die Beklagte dies nicht tat, wertete sie sogar als Wortbruch. Dieses Verhalten zeigt, dass es nicht die Rente also solche ist, die sich nachteilig auf die Klägerin auswirken könnte.

Soweit die Klägerin meint, ihre Existenzängste würden durch eine Kapitalzahlung bekämpft und sie erhalte eine finanzielle Sicherheit für sich und ihren Sohn, ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung der entsprechenden Argumente dem Ausgleichsgedanken des Schadensersatzrechts widerspräche. Die Klägerin soll durch den Schadensausgleich nicht besser gestellt werden. Ihre Schäden sollen ausgeglichen werden, damit – soweit das möglich ist – der Zustand vor der Verletzung wiederhergestellt wird. Soweit Schäden erst zeitlich verzögert anfallen, werden sie, dem Grundsatz der Naturalrestitution entsprechend, in Rentenform ausgeglichen. Hierdurch tritt eine ebensolche Absicherung ein wie es durch eine Kapitalzahlung der Fall wäre. Auch die Klägerin behauptet nicht, dass es in der Person der Beklagten finanzielle Schwierigkeiten gebe oder sie nicht in der Lage sei, Sicherheit nach § 843 Abs. 2 BGB zu leisten. Beides wären wichtige Gründe im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB, liegen aber nicht vor.

Zur Begründung ihrer Ansicht, eine Kapitalzahlung werde sich psychisch günstig für sie auswirken, führt die Klägerin schließlich aus, die endgültige Beendigung der Regulierungsangelegenheit würde ihren psychischen Gesundheitszustand positiv beeinflussen. Sie sei durch die sich mittlerweile über sechs Jahre hinschleppenden Regulierungsverhandlungen nervlich so zerrüttet, dass ihr ein weiteres Abwarten auf die endgültige Regulierung oder gar auf spätere Untersuchungen mit der Begründung einer möglichen Besserung ihres Gesundheitszustands nicht mehr zuzumuten seien. Soweit ersichtlich, ist in der Rechtsprechung nur ein Fall bekannt, in dem das Argument der endgültigen Regulierung durch eine Kapitalabfindung, die spätere Anpassungsklagen nach § 323 ZPO unmöglich macht, anerkannt worden ist. Es handelt sich um die Entscheidung des Reichsgerichts vom 23. Mai 1910 (RGZ 73, 418). Der damalige Fall ist mit dem vorliegenden allerdings nicht vergleichbar. Damaliger Kläger war ein Lehrer, der ausschließlich an einer psychischen Erkrankung litt und aufgrund seiner Nervenschwäche pensioniert worden war. Auf ihn hätte eine Rentenzahlung nach den Ausführungen des Reichsgerichts heilungshemmende Wirkung gehabt, weil die Furcht vor einer Aufhebung oder Herabsetzung der Rente nach § 323 ZPO wegen einer möglichen Besserung seines gesundheitlichen Zustands dazu geführt hätte, dass der Kläger weiterhin krankhaft gestört geblieben wäre. Nach den unangegriffenen Ausführungen Prof. Dr. H.s, an denen zu zweifeln das Gericht in diesem Bereich keinen Anlass hat, ist mit einer wesentlichen Änderung der körperlichen Unfallfolgen der Klägerin hingegen nicht zu rechnen. Bei realistischer Betrachtung ist nicht damit zu rechnen, dass es zukünftig zu Klagen der Beklagten aus § 323 ZPO kommen wird, weil sich der Zustand der Klägerin wesentlich gebessert habe. Anders als in dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall erkennt die Kammer daher nicht, dass es die besonderen gesundheitlichen Umstände des vorliegenden Falles gebieten, die der Klägerin zustehenden Renten zu kapitalisieren. Es ist nachvollziehbar, dass sich die andauernden Regulierungsverhandlungen negativ auf die psychische Befindlichkeit der Klägerin auswirken. Tatsächlich wird die Regulierung mit dem Urteil der Kammer aber einer weitgehend endgültigen Regelung zugeführt. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach den Darstellungen Prof. Dr. H.s die mittelschwere Depression erst im Laufe des letzten Jahres wegen der weiter andauernden Regulierungsverhandlungen entwickelte. Es ist danach davon auszugehen, dass das Andauern des Prozesses zur nervlichen Verstimmung der Klägerin führte, nicht aber die Frage, ob Kapital oder Rente zu zahlen ist.

Schließlich beruht die subjektive Vorstellung der Klägerin – die im Gutachten vom 15. Dezember 2010 vorgebrachte einmal als ihre eigene unterstellt – auf einer unzureichenden Grundlage. Wenn sie tatsächlich die bestmögliche Absicherung sucht, erscheint es mindestens zweifelhaft, ob die Kapitalisierung der Forderung der richtige Weg ist. Sie kann zwangsläufig kein Interesse an einer Abfindung haben, in der nicht alle schon jetzt vorhersehbaren Schadenspositionen eingerechnet sind. Ihr Klagantrag umfasst aber nicht alle Risiken. Er umfasst zum Beispiel keine Kosten für die behindertengerechte Umgestaltung des Hauses und enthält auch keine Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Wagens. Diese Position ist erst im Laufe des Prozesses parallel zu selbigem geltend gemacht und von der Beklagten bezahlt worden. Es werden im Laufe des weiteren Lebens der Klägerin Reparaturen anfallen und weitere Fahrzeuge angeschafft werden müssen. Es fehlen auch Absicherungen im Hinblick auf eine nicht auszuschließende stationäre Pflegebedürftigkeit der Klägerin, die ganz erhebliche Kosten verursachen könnte.

In diesem Zusammenhang sei schließlich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Gutachten Prof. Dr. H.s vom 15. Dezember 2010 um ein Parteigutachten handelt, das sich im Bereich der psychischen Erkrankung und ihrer Bekämpfung in auffälliger Weise an Zitaten aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung orientiert. Dies schwächt die Überzeugungskraft des Gutachtens wesentlich; es erweckt den Eindruck, als solle die psychische Situation der Klägerin als für eine Kapitalisierung passend dargestellt werden. Die Ausführungen, die Klägerin sei „nervlich so zerrüttet, dass ihr ein weiteres Abwarten auf die endgültige Regulierung oder gar auf spätere Untersuchungen mit der Begründung einer möglichen Besserung ihres Gesundheitszustands aus psychiatrischer Sicht nicht mehr zuzumuten“ sei (Anlage K38, S. 27), findet sich fast wortgleich in Beck-OK-Spindler, Stand 1. Okt. 2007, § 843, Rn. 32. Die Erklärung, eine Kapitalabfindung sei „Balsam für die Seele“ der Klägerin (Anlage K38, S. 27), findet sich im Gutachten Prof. Dr. S.s (Anlage K33, S. 21) und in mehreren Schriftsätzen des Klägervertreters. Die Ausführung, eine Einmalzahlung habe eine ausnahmslos günstige Auswirkung auf den Gesundheitszustand der Verletzten, wohingegen mit der Gewährung einer Geldrente nicht nur keine Änderung, sondern sogar eine weitere Verschlechterung des psychiatrischen Krankheitsbildes zu erwarten sei (Anlage K38, S. 27), erscheint angelehnt an die Formulierung in Palandt-Sprau, BGB, 70. Auflage, § 843, Rn. 19 und Beck-OK-Spindler, Stand 1. Okt. 2007, § 843, Rn. 32.

4. Konnte die Klägerin nach Vorstehendem mit ihrem Hauptantrag, gerichtet auf Kapitalzahlung, nicht durchdringen, ist über den Hilfsantrag zu entscheiden. Der Klägerin steht für die Vergangenheit eine Kapitalzahlung in Höhe von € 295.931,22 und für die Zukunft eine quartalsweise im Voraus zu entrichtende Rente in variabler, tenorierter Höhe zu.

a) Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres Verdienstausfalls und Mehrbedarfs für die Vergangenheit, das heißt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, setzt sich wie folgt zusammen:

(1) Für ihren vermehrten Bedarf kann die Klägerin noch € 60.034,08 zur Zahlung beanspruchen. Davon entfallen € 484,08 auf diversen Mehrbedarf, der zwischen den Parteien zwar nicht gegenständlich benannt, aber der Höhe nach unstreitig ist, und € 59.550,00 auf Therapieaufwendungen.

Unstreitig fielen bis 30. Juni 2007 € 19.887,76 an vermehrtem Bedarf an, die die Beklagte mit der als Anlage K5 vorliegenden Abrechnung über € 13.921,43 und mit der Abrechnung vom 13. April 2011 (Bl. 705 d.A.) über € 5.966,33 ausglich.

Darüber hinaus gehen die Parteien übereinstimmend von einem Mindestmehrbedarf in Höhe von monatlich € 215,00 aus. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung fiel dieser Betrag für 48 Monate an, mithin insgesamt € 10.320,00. Hierauf zahlte die Beklagte € 9.835,92, so dass € 484,08 verbleiben. Die Zahlung der Beklagten ergibt sich aus den mit der als Anlage K5 vorliegenden Abrechnung gezahlten € 900,00, den monatlichen Zahlungen in Höhe von € 150,00 von 1. April 2008 bis einschließlich Juni 2011, der weiteren Zahlung in Höhe von € 2.893,05 mit Abrechnung vom 13. April 2011 sowie der gleichzeitig erfolgten Nachzahlung für das zweite Quartal 2011 in Höhe von € 192,87.

Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf Ersatz der wahrgenommenen Therapien. Zur Behandlung ihres Gesundheitsschadens kann sie den gesamten Aufwand ersetzt verlangen, der dazu dient, das verletzungsbedingte Leiden zu behandeln oder zu lindern. Das dabei ersatzfähige Maß des Erforderlichen bestimmt sich primär nach dem medizinisch Gebotenen. Die Behandlung muss dabei nicht schulmedizinisch wissenschaftlich allgemein als erfolgversprechend anerkannt sein. Zu ersetzen sind auch Mittel, deren generelle Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist, wenn sie nicht ohne jede Erfolgsaussicht sind (Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl. Kap. 4, Rn. 25, 27; OLG Karlsruhe, NZV 1999, 210). Die Maßnahmen müssen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Heilung oder Linderung führen können, wobei bei einer Behinderung der Gesichtspunkt der Linderung im Vordergrund steht. Es reicht dazu aus, dass der Zustand des Geschädigten vor einer weiteren Verschlechterung bewahrt wird (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: Nov. 2010, § 27, Rn. 10).

Die Klägerin nimmt eine Vielzahl von Therapien wahr, die nach den Ausführungen in den Gutachten Prof. Dr. H.s im Rahmen der schweren Verletzungen Erfolge zeigen. Der konsequenten Anwendung der Rehabilitationsmaßnahmen sei es zu verdanken, dass in den körperlichen Funktionen Sprache, Stimmbildung und physische Gesamtverfassung Verschlechterungen nicht eingetreten seien. Angesichts des gutachterlich belegten und ausführlichen Vortrags der Klägerin sowie des unstreitig eingetretenen Erfolgs, kann die Beklagte die Ersatzfähigkeit nicht allein mit bloßem Bestreiten medizinischer Notwendigkeit beantworten. Die Beklagte hätte mit Substanz entgegnen, insbesondere abgrenzen müssen, welche der Therapien keinen Anteil am Behandlungserfolg haben oder aus welchen sonstigen Gründen sie nicht ersatzfähig sein sollen. Tatsächlich konnte der Gesundheitszustand der Klägerin durch die Rehabilitationsmaßnahmen stabilisiert werden.

Die Beklagte muss danach die angefallenen Therapien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ersetzen. Für die Therapien fallen € 2.030,00 monatlich an; die Klägerin fordert, beginnend ab dem 1. Januar 2009, für ihren gesamten Mehrbedarf allerdings insgesamt € 2.200,00 pro Monat. Hierin eingeschlossen ist der oben ausgesprochene Mindestmehrbedarf in Höhe von € 215,00 monatlich. Damit verbleiben für die Therapien noch € 1.985,00. Auf diesen Betrag ist die Schadensposition Therapiekosten zu beschränken, § 308 ZPO. Es ergeben sich vom 1. Januar 2009 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 30 Monate zu je € 1.985,00, insgesamt € 59.550,00. Zusammen mit dem noch geschuldeten Betrag aus dem Mindestmehrbedarf ergeben sich € 60.034,08.

(2) Die Klägerin kann weiterhin € 104.040,00 für die bis zum Ende der mündlichen Verhandlung durch ihre Mutter erfolgte Pflege verlangen. Bis zum 31. März 2008 fielen für diese Pflege nach übereinstimmender Ansicht der Parteien € 115.320,00 an. Dieser Betrag ergibt sich aus der als Anlage K5 vorliegenden Abrechnung der Beklagten, die die Klägerin in der Klage insoweit akzeptierte. Dass sie von € 115.391,43 ausgeht, beruht auf einem Rechenfehler; die Klägerin legte ihrer Umrechnung des von der Beklagten auf Basis einer Haftung in Höhe von 70% gezahlten Betrages auf 100% als Ausgangswert € 80.774,00 zu Grunde, während die Beklagte tatsächlich € 80.724,00 (Anlage K5) zahlte, was bei voller Haftung € 115.320,00 entspricht. Mit Abrechnung vom 13. April 2011 nahm die Beklagte eine weitere Zahlung in Höhe von € 34.596,00 vor. Mit dieser Zahlung glich die Beklagte die Forderung der Klägerin bis 31. März 2008 aus.

Für die weitere Pflege durch die Mutter der Klägerin ergibt sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von € 210,00 pro Tag. Dabei legt die Kammer die von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. aus dem Gutachten vom 7. Februar 2008 (Anlage K1) zu Grunde, nach denen zehn Stunden Grundpflege und acht Stunden beobachtender Pflege erforderlich sind. Einen darüber hinausgehenden Pflegebedarf hat die Klägerin nicht dargelegt. Soweit sie unter Berufung auf das genannte Gutachten von einem 24-stündigen Pflegebedarf ausgeht, berücksichtigt sie weitere sechs Stunden hauswirtschaftliche Versorgung, die aber nicht in den Bereich der Pflege, sondern der Haushaltsführung fällt; nach den Ausführungen des Gutachters geht es insoweit um Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen, Waschen, Bügeln. Die Notwendigkeit, der Klägerin in diesem Bereich Hilfe zukommen zu lassen und einen Schadensersatz zu gewähren, wird im Bereich des Haushaltsführungsschadens aufgegriffen und vergütet.

Den Stundensatz für die Tätigkeiten der Mutter der Klägerin schätzt die Kammer auf € 10,00 für den Bereich der beobachtenden Pflege. Für die Grundpflege geht die Kammer von einem Stundensatz in Höhe von € 13,00 aus. Dabei wird berücksichtigt, dass die Grundpflege qualitativ fordernder und belastender als die beobachtende Pflege und beide Pflegearten anspruchsvoller und verantwortungsvoller als beispielsweise Haushaltsführung sind, für die die Parteien einen Stundensatz von € 8,70 zu Grunde legen. Aus diesen Parametern errechnet sich ein täglicher Pflegeaufwand in Höhe von € 210,00.

Für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2011 ergibt sich damit ein Anspruch auf Pflegeleistungen in Höhe von 244.440,00 € (1.164 Tage x € 210,00). Die Beklagte zahlte hierauf für die Zeit vom 1. April 2008 bis 31. März 2011 € 98.280,00 (13 Quartale zu je € 7.560,00 gemäß Abrechnung aus Anlage K5) sowie weitere € 38.880,00 mit der Nachregulierung vom 13. April 2011. Für das zweite Quartal 2011 regulierte sie weitere € 3.240,00 (Abrechnung vom 13. April 2011). Es ergeben sich Zahlungen in Höhe von € 140.400,00, die einer Forderung in Höhe von € 244.440,00 gegenüberstehen; es verbleiben € 104.040,00 zur Zahlung.

Die Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von € 675,00 monatlich sind bei der Berechnung des Schadensersatzes für die Pflegekosten nicht mindernd zu berücksichtigen. Ein Übergang der entsprechenden Ansprüche der Klägerin auf die Pflegeversicherung nach § 116 Abs. 1 SGB X scheitert am Angehörigenprivileg aus § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X. Dieses setzt zum einen voraus, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann vor dem Schadensereignis in häuslicher Gemeinschaft lebte, was der Fall war. Zum anderen setzt das Angehörigenprivileg einen nicht vorsätzlichen Schadensersatzanspruch gegen den (angehörigen) Schädiger voraus. Es ist eingangs bereits festgestellt worden, dass die Klägerin gegen ihren damaligen Ehemann einen Schadensersatzanspruch wegen fahrlässiger Unfallverursachung hat.

(3) Im Bereich des Haushaltsführungsschadens kann die Klägerin für den Zeitraum vom Unfall bis zur mündlichen Verhandlung keine weiteren Zahlungen verlangen. Der Zeitraum vom Unfall bis zum 31. Januar 2008 ist nach der Regulierung mit der als Anlage K5 vorliegenden Abrechnung und der auf diesen Zeitraum entfallenden Nachzahlung mit Abrechnung vom 13. April 2011 unstreitig ausglichen. Auch für die Zeit danach ist eine ausreichende Regulierung erfolgt.

Die Klägerin machte mit der Klage bis zum 31. Januar 2008 bezüglich des Haushaltsführungsschadens € 53.926,50 geltend. Die Beklagte glich diesen Betrag mit der als Anlage K5 vorliegenden Abrechnung über € 37.746,45 und mit Abrechnung vom 13. April 2011 über weitere € 16.177,05 aus. Dabei gingen beide Parteien von der Ersatzfähigkeit von 53,9 Wochenstunden zu je € 8,70 für 805 Tage aus. Die verbleibende Differenz in Höhe von € 3,00 beruht offenbar auf einer Zuvielforderung durch Rechenungenauigkeit bei der von der Klägerin vorgenommenen Umrechnung der zunächst in Höhe von 70% erfolgten Regulierung auf 100%.

Die Ermittlung des weitergehenden Haushaltsführungsschadens erfolgt durch Schätzung nach § 287 ZPO. Maßstab für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist die konkrete haushaltsspezifische Behinderung der Klägerin, das heißt maßgebend ist, in welchem Umfang sie bei der Ausübung der von ihr übernommenen Haushaltstätigkeiten durch die Verletzung gehindert ist. Die Klägerin hat nicht konkret dargelegt, bei welchen Tätigkeiten sie auf Grund ihrer unfallbedingten Beeinträchtigungen behindert ist. Allerdings ist offensichtlich, dass der Unfall Verletzungen hervorgerufen hat, die der Klägerin Tätigkeiten der Haushaltsführung vollständig unmöglich machen. Sie hat auch den Umfang ihrer Haushaltsführung nicht dargelegt, also geschildert, wie häufig einzelne Tätigkeiten vorgekommen sind und weiter vorkommen. Allerdings ist es gerechtfertigt und allgemein anerkannt, dass Schätzungen im Hinblick auf Einschränkungen im Haushalt auch anhand von Tabellen, insbesondere anhand des Tabellenwerks von Schulz-Borck/Pardey, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 7. Aufl., erfolgen können. Der Bundesgerichtshof hat das genannte Tabellenwerk als geeignete Schätzgrundlage anerkannt (BGH vom 03.02.2009 – VI ZR 183/08; BGHZ 104, 113, 117 f.; BGH vom 8. Juni 1982 – VI ZR 314/80 – VersR 1982, 951, 952; BGH vom 11. Oktober 1983 – VI ZR 251/81 – VersR 1984, 79, 80 f.). Die Kammer legt zur Ermittlung der Aufwandskomponente des Haushaltsführungsschadens das genannte Tabellenwerk zu Grunde. Den Stundensatz der Tätigkeit haben die Parteien übereinstimmend mit € 8,70 bestimmt.

Nach Auffassung der Kammer sind bei der Bewertung des Haushaltsführungsschadens folgende, zeitliche Abstufungen vorzunehmen:

– 1. Februar 2008 bis 31. März 2010

Bis 31. März 2010 fallen nach der Tabelle Nr. 12.1 für eine erwerbstätige, allein erziehende Frau mit einem Kind unter sechs Jahren 34,3 Wochenstunden an. Wie im Rahmen des Verdienstausfallschadens noch näher dargelegt werden wird, geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin ohne den Unfall im März 2006 eine Lehre begonnen hätte. Sie wäre dann durch den Lehrberuf und die begleitende Schule ähnlich belastet gewesen wie eine Erwerbstätige, so dass es gerechtfertigt ist, auf die Tabelle für Erwerbstätige zurückzugreifen. Die Kammer hat einen Zwei-Personen-Haushalt zu Grunde gelegt. Die Klägerin ist seit 2008 von ihrem Ehemann geschieden, inzwischen ist sie bei ihren Eltern eingezogen. Auch in der Zeit vor der Scheidung ist ein Zwei-Personen-Haushalt zu Grunde zu legen. Der Ehemann der Klägerin hat sich nicht mehr dauernd bei der Klägerin aufgehalten. Welchen tatsächlichen Umfang sein Aufenthalt hatte und welche Tätigkeiten in dieser Zeit zusätzlich angefallen sind, hat die Klägerin trotz Hinweises des Gerichts nicht ausreichend substantiiert darzulegen vermocht. Es gilt auch zu berücksichtigen, dass bei Anwesenheit des Ehemanns zwar zusätzliche Aufgaben angefallen sind, sich aber zugleich der Umfang der Tätigkeiten, die auf die Klägerin entfielen, verringert hat, weil der Ehemann im Haushalt mithalf. Insoweit sei darauf verwiesen, dass der Ehemann in seiner Klage vom 5. November 2007 durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin selbst 21,6 Wochenstunden Haushaltstätigkeit für sich reklamierte (Landgericht Hamburg, Az.: 302 O 485/06).

Bei 34,3 Wochenstunden zu je € 8,70 ergibt sich ein Tagessatz in Höhe von € 42,63.

– 1. April 2010 bis 31. März 2022

Die nächste Stufe des Haushaltsführungsschadens legt die Kammer bis 31. März 2022 fest. Im März 2022 wird der Sohn M. der Klägerin 18 Jahre alt. Mit dem Älter- und Erwachsenwerden verändern sich zunehmend der Umfang und die Verteilung der Aufgaben im Haushalt. Nach der Tabelle 12.1 fallen für eine erwerbstätige, allein erziehende Frau mit einem Kind zwischen sechs und 18 Jahren 37,3 Wochenstunden an.

Bei 37,3 Wochenstunden zu je € 8,70 ergibt sich ein Tagessatz in Höhe von € 46,36 und ein Monatsaufwand in Höhe von € 1.410,07.

– 1. April 2022 bis 30. April 2052

Der sich anschließende einheitliche Zeitraum des Haushaltführungsschadens läuft bis zum 30. April 2052. Die Klägerin wird in jenem Monat das gesetzliche Rentenalter erreichen. Bis dahin ist davon auszugehen, dass sie, weil ihr inzwischen erwachsener Sohn das Haus verlassen wird, als Arbeitstätige einen Ein-Personen-Haushalt führen wird. Nach der Tabelle 8 fallen 24,9 Wochenstunden an.

Bei 24,9 Wochenstunden zu je € 8,70 ergibt sich ein Monatsaufwand in Höhe von € 941,31.

– 1. Mai 2052 bis 30. April 2063

Als Rentnerin im Ein-Personen-Haushalt ergeben sich gemäß Tabelle 8 35,3 Wochenstunden. Am 30. April 2063 wird die Klägerin 78 Jahre alt sei. Einen weitergehenden Ausgleich für den Haushaltsführungsschaden fordert sie nicht, so dass die Zahlungen nach § 308 ZPO bis 30. Mai 2063 zu begrenzen waren.

Bei 35,3 Wochenstunden zu je € 8,70 ergibt sich ein Monatsaufwand in Höhe von € 1.334,47.

Dass Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 7. Februar 2008 sechs Stunden Pflege täglich für hauswirtschaftliche Versorgung ausweist, führt nicht zu einer Anhebung der Wochenstundenzahl. Es ist zunächst von Bedeutung, dass Prof. Dr. H. als hauswirtschaftliche Versorgung Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen, Wohnung Reinigen, Heizen, Wäsche Waschen, Trocknen, Bügeln, Geschirrspülen und Müll Entsorgen bezeichnet. Hieraus wird deutlich, dass diese Tätigkeiten mit den im Haushaltsführungsschaden auszugleichenden Tätigkeiten identisch sind. Es handelt sich um dieselbe Schadensposition. Die Kammer hat sich für eine Schätzung nach Schulz-Borck/Pardey entschieden, die auch die Klägerin ihrer Klage zu Grunde legt. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, warum die hauswirtschaftliche Versorgung, die sie neben dem Haushaltsführungsschaden ohnehin nicht gesondert geltend machen kann, mit 42 Stunden über den aus dem Tabellenwerk zu entnehmenden Umfang hinausgehen soll. Denkbar wäre, dass die Einschätzung von Prof. Dr. H. darauf beruht, dass im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung pflegerische Anteile enthalten sind; dem Gutachten zu entnehmen ist das jedoch nicht.

Für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. März 2010 ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf 790 Tage zu je € 42,63, mithin € 33.677,70, für die Folgezeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2011 ergeben sich weitere 434 Tage zu je € 46,36, mithin € 20.119,62. Insgesamt kann die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung daher € 53.797,32 beanspruchen.

Hierauf hat die Klägerin mit der Abrechnung aus Anlage K5 eine Zahlung über € 2.495,40 und weitere laufende Zahlungen in Höhe von insgesamt € 48.660,30 (13 Quartale zu je € 3.743,30) erbracht. Zusätzlich leistete sie mit der Abrechnung vom 13. April 2011 € 20.319,69 als Nachzahlung für die Zeit bis 31. März 2011 sowie weitere € 1.604,19 als Nachzahlung für das zweite Quartal 2011. Entsprechend der Ankündigung im Schriftsatz vom 25. Mai 2011 (Bl. 724 d.A.) regulierte die Beklagte auf den Haushaltsführungsschaden der Klägerin im Zeitraum bis zum sechsten Lebensjahr ihres Sohnes weitere € 5.912,40 nach. Es ergeben sich Gesamtzahlungen in Höhe von € 78.991,78. Die Klägerin ist damit überzahlt; weitere Ansprüche für die Vergangenheit bestehen nicht.

b) Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres Verdienstausfalls und Mehrbedarfs für die Zukunft, das heißt ab Schluss der mündlichen Verhandlung, setzt sich wie folgt zusammen:

(1) Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz ihres Verdienstausfallschadens. Bei der Bemessung des Schadens lässt sich die Kammer durch folgende Überlegungen leiten:

Die Klägerin hat im Sommer 2003 die R.- S.-Schule N. nach Abschluss der Klasse 12 verlassen. Ihr Zeugnis, auf das Bezug genommen wird, liegt als Anlage K18 vor. Mit diesem Zeugnis erwarb die Klägerin einen durchschnittlichen Realschulabschluss. Der Erwerb der Fachhochschul- oder Hochschulreife war der Klägerin verschlossen. Das Zeugnis weist durchschnittliche Ergebnisse aus und erging nach der Rahmenrichtlinie für die Realschule. Der Übergang in die Qualifikationsphase einer niedersächsischen Waldorfschule, die zum Erwerb der Fachhochschul- oder Hochschulreife dient, war nach dem Zeugnis nicht möglich.

Die Kammer geht davon aus, dass es der Klägerin nicht gelungen wäre, im Wege des Fernstudiums das Abitur zu erwerben. Zum einen sprechen die durchschnittlichen Ergebnisse der Klägerin in ihrem Zeugnis hiergegen, zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ca. acht Monate nach Verlassen der Schule ihren Sohn M. bekam. Ein Fernstudium begleitend zur Kindererziehung zu absolvieren, erscheint angesichts der bisherigen schulischen Ergebnisse der Klägerin unwahrscheinlich. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass die Klägerin eine Lehre aufgenommen und anschließend einen entsprechenden Beruf ergriffen hätte. Den Beginn der Lehre schätzt die Kammer auf den März 2006. In diesen Monat fiel der zweite Geburtstag des Sohnes M. der Klägerin. Ab zwei Jahren ist die Kinderbetreuung in einer Krippe zumeist möglich, ab drei Jahren hätte M. in den Kindergarten wechseln können.

Die reguläre Lehrzeit beträgt drei Jahre, so dass die Klägerin voraussichtlich ab März 2009 eine Arbeit aufgenommen hätte. Aufgrund der Regelung des § 308 ZPO und des von der Klägerin gestellten Hilfsantrages ist die Kammer allerdings gehindert, einen fiktiven Verdienst vor Oktober 2012 zuzusprechen. Die Klägerin beansprucht ausweislich des Schriftsatzes ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2011, dort S. 7 (Bl. 714 d.A.), Verdienstausfall erst ab Oktober 2012, obwohl die Kammer auf die Möglichkeit eines früheren Erwerbseintritts hingewiesen hatte (vgl. dazu das Sitzungsprotokoll vom 11. Juni 2009, S. 2, Bl. 266 f. d.A.).

Zur Ermittlung der Höhe des fiktiven Verdienstes der Klägerin bedient sich die Kammer der Erhebungen des Statistischen Bundesamts zu den Arbeitnehmerverdiensten, Fachserie 16, Reihe 2.3, Jahr 2010. Die Erhebung ist unterteilt in fünf Leistungsgruppen und verschiedene Gewerbe. Die Klägerin ist nach Auffassung der Kammer nach dem Abschluss ihrer zu unterstellenden Ausbildung in die Leistungsgruppe 3 einzuordnen. Dabei handelt es sich um die Leistungsgruppe für Fachkräfte. Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes handelt es sich um Arbeitnehmer mit schwierigen Fachtätigkeiten, für deren Ausübung in der Regel eine abgeschlossene Berufsausbildung, zum Teil verbunden mit Berufserfahrung, erforderlich ist. Dies entspricht nach den obigen Darlegungen dem von der Kammer angenommenen Fortkommensprofil der Klägerin. Die Leistungsgruppen 2 und 1 gelten für herausgehobene Fachkräfte und leitende Arbeitnehmer und repräsentieren damit für die zukünftige Entwicklung der Klägerin als nicht wahrscheinlich einzustufende Leistungsprofile.

Weiterhin ist die Erhebung des Statistischen Bundesamts in eine Vielzahl von Gewerbegruppen unterteilt. Entsprechend dem Wunsch der Klägerin, in einem Bereich tätig zu sein, der mit Medien zu tun hat, ordnet die Kammer die Klägerin in den Dienstleistungsbereich, Kennungszeichen G-S, ein. Für vollbeschäftigte Frauen ergibt sich ein Bruttoeinkommen in Höhe von € 2.683,00 monatlich. Dieses Einkommen umfasst auch Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Leistungsprämien, Gewinnbeteiligungen, Vergütungen für Erfindungen und Verbesserungsvorschläge und geldwerte Vorteile. Die Einkommen im Einzelhandel, G47, liegen unter denen im Dienstleistungsbereich, die im produzierenden Gewerbe, B-F, leicht darüber. Insgesamt ergibt sich damit ein angemessener Mittelwert.

Die Klägerin beansprucht einen Nettolohn. Neben dem Nettolohn eventuell weiter anfallende Schadenspositionen im Rahmen einer Bruttovergütung sind nach der (Hilfs-) Antragstellung der Klägerin Gegenstand eines Feststellungsantrages. Dies gilt insbesondere für die zu erwartenden Steuerschulden, denn die Leistung auf den Erwerbsschaden unterliegt nach § 24 Nr. 1 a EStG dem Steuerabzug. Es besteht auch ein Feststellungsinteresse, denn die tatsächliche Höhe der Steuerschulden lässt sich für die Zukunft ebenso wenig sicher prognostizieren wie die Höhe sonstiger Abzüge vom Bruttolohn (z.B. Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung), so dass ein entsprechender Leistungsausspruch nicht möglich ist.

Die Kammer schätzt die Abzüge vom Brutto- zur Ermittlung des Nettolohns auf 35%. Sie berücksichtigt dabei die Steuerklasse II, einen Kinderfreibetrag, die Wohnregion Hamburg und die Kirchensteuerpflicht. Hieraus ergibt sich, bezogen auf das durchschnittliche Bruttoeinkommen von € 2.683,00, ein Nettolohn von € 1.743,95.

Zur Ermittlung des Verdienstausfalls ist weiter zu beachten, dass die Erhebung des Statistischen Bundesamts innerhalb der Leistungsgruppe einen Mittelwert ausweist, der sowohl Berufseinsteiger als auch erfahrene Arbeitnehmer berücksichtigt. Die Kammer legt das ausgewiesene Gehalt daher für das 45. Lebensjahr der Klägerin, ungefähr die Mitte ihres Arbeitslebens, zu Grunde. Es ist anzunehmen, dass sie diesen Betrag, ausgehend von einem niedrigeren Einstiegsgehalt, durch Gehaltserhöhungen erreicht hätte und er sodann bis zum Eintritt ins Rentenalter weiter angestiegen wäre. Die Kammer schätzt die jährlichen Gehaltserhöhungen auf 2% und legt der Schadensberechnung Erhöhungen im Mai eines jeweiligen Jahres, dem auf den Geburtstag der Klägerin folgenden Monat zu Grunde. Das Ende der Lebensarbeitszeit der Klägerin schätzt die Kammer auf das 67. Lebensjahr; dies ist das gesetzliche Renteneintrittsalter nach § 35 SGB VI. Es bestehen keine Anhaltspunkte, die für oder gegen ein früheres bzw. späteres Ausscheiden der Klägerin aus dem fiktiven Berufsleben sprechen. Danach ergibt sich für die hypothetische Verdienstentwicklung der Klägerin ein Einstiegsgehalt in Höhe von € 1.878,53 brutto / € 1.221,04 netto und ein Endgehalt in Höhe von € 4.147,86 brutto / € 2.696,11 netto. Im Einzelnen:

…………

(2) Wie bereits dargelegt, gehen die Parteien übereinstimmend von einem Mindestmehrbedarf von monatlich € 215,00 aus. Einen diesen Betrag übersteigenden Mehrbedarf hat die Klägerin nicht dargelegt. Es ergibt sich ein monatlicher Rentenanspruch im Mehrbedarfsbereich in Höhe von € 215,00.

(3) Die Klägerin kann weder eine Rente noch einen Vorschuss für die Durchführung zukünftiger Therapien beanspruchen. Es ist zwischen Therapien zu unterscheiden, die zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation führen sollen, und Therapien, die eine krankheitsbegleitende lindernde Funktion haben. Erstere unterfallen dem Ausgleich des Gesundheitsschadens; in diesem Bereich kann eine Kapitalzahlung und ggf. ein Vorschuss verlangt werden. Letztere unterfallen dem Mehrbedarfsschaden; sie werden grundsätzlich verrentet. Beiden Schadensformen ist gemeinsam, dass ein Ausgleich nur erfolgt, wenn Heilbehandlungskosten tatsächlich anfallen. Es muss daher die konkrete, erkennbare Absicht bestehen, bestimmte Therapien durchzuführen. Die Klägerin hat ihre Therapiepläne für die Zukunft nur unzureichend substantiiert. Es ist nicht ausreichend sicher, welche Therapien die Klägerin zu welchem Zeitpunkt antreten will oder wird. Zu keiner Therapie werden der genaue Umfang, die geplanten Behandlungszeiten oder die prognostizierten Kosten angegeben. Vielmehr behauptet die Klägerin einen Gesamtmehrbedarf in Höhe von € 2.200,00 einschließlich der Therapien, die bisher € 2.030,00 monatlich ausgemacht haben. Da sich aber schon der sonstige Mindestmehrbedarf auf € 215,00 beläuft, zeigt sich, dass die Therapien jedenfalls nicht im bisherigen Umfang fortgesetzt werden sollen. Ab 1. Januar 2014 verlangt die Klägerin dann einen Mehrbedarf von € 800,00. Hier fehlt jede Aufschlüsselung, welche Therapien enthalten sein sollen, welche fortgesetzt und welche abgebrochen werden sollen. Es fehlen auch Darlegungen zur prognostizierten gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin, so dass auch schon deshalb nicht sicher gesagt werden kann, welche Therapien zu welchem Zeitpunkt notwendig sein werden.

(4) Wie zum Vergangenheitsschaden dargestellt, ergibt sich für die Pflege durch die Mutter der Klägerin ein täglicher Anspruch auf Ersatz in Höhe von € 210,00. Monatlich ergibt sich damit ein Betrag in Höhe von € 6.387,50 (€ 210,00 x 365 Tage / 12 Monate). Dieser steht der Klägerin als Rente zu.

Ein höherer Betrag mit Rücksicht auf die noch nicht sicher zu prognostizierende Notwendigkeit einer professionellen Pflege war bei der Bemessung der gegenwärtig zu zahlenden Rente nicht zu berücksichtigen. Gegebenenfalls ist in diesem Bereich eine Rentenanpassung vorzunehmen.

(5) Für den Haushaltsführungsschaden ergeben sich entsprechend der im Bereich des Vergangenheitsschadens dargelegten Abstufungen monatlich zu zahlende Renten in Höhe von € 1.410.07 ab 1. Juli 2011 bis 31. März 2022, in Höhe von € 941,31 ab 1. April 2022 bis 30. April 2052 und in Höhe von € 1.334,47 ab 1. Mai 2052 bis 30. April 2063.

c) Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld in Höhe von € 430.000,00 zu.

Die Klägerin macht mit der Klage neben einem Schmerzensgeldkapital eine Schmerzensgeldrente geltend, die sie sodann kapitalisiert und dem Grundbetrag hinzurechnet. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin, die diesbezüglich im Ergebnis einen einheitlichen Zahlungsbetrag begehrt, die Schmerzensgeldrente nur zu rechnerischen Zwecken für die Bemessung ihrer Schmerzensgeldkapitalforderung heranzieht. Schmerzensgeld ist regelmäßig als Kapitalbetrag zu zahlen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Gesamtschmerzensgeldleistung aufgespalten werden in einen Kapitalbetrag und eine Schmerzensgeldrente. Eine Schmerzensgeldrente kann bei lebenslangen, schweren Dauerschäden zugesprochen werden, die der Geschädigte immer wieder schmerzlich empfindet. Diese Voraussetzungen dürften hier ohne weiteres zu bejahen sein. Voraussetzung ist aber auch ein entsprechender Antrag des Verletzten (vgl. BGH, NJW 1998, 3411). Ein solcher liegt bei verständiger Auslegung des klägerischen Vortrags indessen nicht vor.

Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgelds sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschulden des Schädigers. Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin erlittenen Verletzungen, Beschädigungen und dauerhaften Behinderungen sowie des Behandlungs- und Versorgungsverlaufs nimmt das Gericht auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. in seinen medizinischen Sachverständigengutachten Bezug. Die Verletzungen der Klägerin sind sehr schwerwiegend, und sie wird ihr ganzes Leben daran zu tragen haben. Dies fällt bei einer jungen Frau gesteigert ins Gewicht. Die Klägerin ist nicht nur in ihrer Bewegungsfähigkeit, sondern auch in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt. Sie hat darüber hinaus in den ersten Monaten umfangreiche Behandlungen und Operationen über sich ergehen lassen müssen. Hinzu kommen psychische Folgeleiden und auch der Umstand, dass die Mutter-Kind-Beziehung wesentlich erschwert wird. Die Klägerin hat einen als vollständig zu bewertenden Verlust zuvor gekannter und gelebter Lebensqualität erfahren. Sie kann übliche alltägliche Verrichtungen teils nicht mehr, großteils nur mit Hilfe Dritter und in weiten Teilen nur eingeschränkt ausführen und ist vollständig von Anderen abhängig. Aufgrund dieser Umstände ist ein angemessenes Schmerzensgeld, das der Geschädigten einen einigermaßen angemessenen Ausgleich für die Schäden und Lebenshemmnisse nichtvermögensrechtlicher Art bietet, am oberen Rand des bekannten Spektrums anzusiedeln. Heftigkeit und Dauer der von der Klägerin erlittenen Schmerzen, Leiden und Behinderungen liegen ebenfalls am oberen Rande dessen, was einem Mensch widerfährt, der einen Verkehrsunfall wie den streitgegenständlichen noch überlebt.

Bei der Bemessung des Schmerzensgelds orientiert sich die Kammer unter anderem an der Entscheidung des OLG Düsseldorf zum Az.: 1 U 128/07, das für eine Querschnittslähmung und den Verlust beider Beine bei einem 15 Monate alten Kind ein Schmerzensgeld von € 325.000,00 gewährte. Die Klägerin hat verglichen damit leichtere körperliche Beschwerden, aber ganz erhebliche intellektuelle Beeinträchtigungen erlitten. Das OLG Hamm gewährte zum Az.: 6 U 169/01 DM 720.000,00 Schmerzensgeld für ein erlittenes Schädelhirntrauma 3. Grades mit der Folge einer deutlichen Lernbehinderung, Sprachstörung und ausgeprägten Tetraparese mit Rollstuhlabhängigkeit bei einem Mitverschuldensanteil von 1/3. Dasselbe Gericht urteilte zum Az. 3 U 10/96 DM 500.000,00 Schmerzensgeld für einen durch einen Geburtsschaden Geschädigten aus, der sich nicht mehr aktiv fortbewegen oder auch nur aufrichten kann, zu einer verständlichen Artikulation nicht in der Lage ist und dem ein zielgerichtetes Handel versagt bleiben wird. Fälle der Querschnittslähmung werden nach der Tabelle von Hacks, Ring, Böhm, 29. Aufl., Nr. 2887, 2890, 2894, 2898 mit Schmerzensgeldern von € 250.000,00 bis € 300.000,00 bewertet. Diese Beträge sind wegen der bei der Klägerin zusätzlich vorliegenden intellektuellen Einschränkungen deutlich zu erhöhen.

Neben dem Ausmaß der erlittenen Beeinträchtigungen, die bei der Bemessung des Schmerzensgelds im Vordergrund stehen, ist auch das Regulierungsverhalten des Schädigers bzw. des hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherers zu berücksichtigen. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, dass die Notwendigkeit, einen Prozess zu führen, gerade bei Schwerstverletzungen eine weitere seelische Beeinträchtigung des Geschädigten mit sich bringen kann. Das Regulierungsverhalten eines Versicherers kann aber nur dann schmerzensgelderhöhend wirken, wenn erkennbar begründete Ansprüche zögerlich reguliert werden, nicht aber wenn Anspruchsvoraussetzungen streitig sind, auch wenn die Beweisaufnahme letztlich zu Gunsten des Geschädigten ausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 12.7.2005, Az. VI ZR 83/04, juris-Rn. 41; Saarländische OLG, Urteil vom 27.7.2010, Az. 4 U 585/09, juris-Rn. 52; OLG Nürnberg, Urteil vom 22.12.2006, Az. 5 U 1921/06, juris-Rn. 41 ff.).

Unter Berücksichtigung dessen muss sich schmerzensgelderhöhend auswirken, dass im Bereich der Pflegeleistung auch nach der Nachregulierung der Beklagten vom April 2011 auf Basis einer vollen Haftung eine offene Forderung in Höhe von € 104.040,00 verblieb. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Beklagte ihrer Regulierung lediglich 12 Stunden täglicher Pflege zu einem Stundensatz von € 10,00 zu Grunde gelegt hat. Angesichts des Gutachtens Prof. Dr. H.s vom 7. Februar 2008, das unmissverständlich jedenfalls 18 Stunden täglicher Pflege ausweist, ist dieses Verhalten nicht nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass die Beklagte das Gutachten nicht angegriffen und das Gericht schriftlich darauf hingewiesen hat, dass für die Pflege 18 Stunden zu Grunde zu legen seien. Ebenso wirkt sich schmerzensgelderhöhend aus, dass die Beklagte die neben dem gezahlten Schmerzensgeldkapitalbetrag von € 200.000,00 seit dem 1. April 2008 fortlaufend geleisteten Schmerzensgeldrentenzahlungen von € 1.050,00 pro Quartal (vgl. Anlage K5) nicht eingestellt und der Klägerin stattdessen einen weiteren Kapitalbetrag überwiesen hat, obwohl diese – anders als noch im Schreiben ihre Prozessbevollmächtigten vom 10. Januar 2008 (Anlage K2) – mit der Klage ersichtlich eine einmalige Schmerzensgeldzahlung ohne eine weitere rentierliche Zahlung verlangt hatte.

Dagegen bleibt der Vorwurf der Klägerin, die Beklagte habe sie durch ihr Regulierungsverhalten herabgewürdigt und geradezu gekränkt, ohne Erfolg. Die Beklagte hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Zahlungen in Höhe von € 695.105,47 erbracht. Dieser Betrag umfasst eine nur außergerichtlich geltend gemachte und beglichene Forderung für die Anschaffung eine Fahrzeugs mit behindertengerechter Ausstattung in Höhe von € 38.439,35 (Anlagen B7, B8 sowie B6, dort S. 2, die letzten beiden Positionen). Man kann nicht sagen, dass dieser Betrag lächerlich geringfügig ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte eine Regulierung zunächst nur auf Basis einer Haftungsquote von 70% vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte bis zur Einholung des Gutachtens der Sachverständigen G. gewichtige Argumente auf ihrer Seite hatte, die darauf hindeuteten, dass die Klägerin bei dem Unfall nicht angegurtet war. Diese Indizien haben nach wie vor bestand; allein sie reichen nach Vorliegen des technischen Gutachtens nicht aus, der Beweislast der Beklagten zu genügen. Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts regulierte die Beklagte mit geringer Verzögerung auf die volle Haftungsquote nach.

Eine der Klägerin unzumutbares Regulierungsverhalten der Beklagten liegt schließlich auch nicht darin begründet, dass diese jener angeblich entgegen einer entsprechenden Ankündigung im Verhandlungstermin vom 11. Juni 2009 kein Vergleichsangebot unterbreitet hat. Zum einen hat die Beklagte jedenfalls mit Schriftsatz vom 30. März 2010 eine gütliche Einigung mit konkret benannten Zahlungen vorgeschlagen (Bl. 469 ff. d.A.). Zum anderen muss sich die Klägerin sagen lassen, dass die selbst die Initiative hätte ergreifen und einen eigenen Vergleichsvorschlag von ihrem Prozessbevollmächtigten hätte ausarbeiten lassen können. Schließlich ist anzumerken, dass es zur prozessualen Realität und zum normalen Vorgehen zwischen Streitparteien gehört, dass unterschiedliche Vorstellungen über die zu zahlenden Beträge bestehen. Vergleichsangebote einer Seite entsprechen häufig nicht den Vorstellungen der Gegenpartei und werden nicht angenommen. So auch im vorliegenden Fall.

Auf den Gesamtschmerzensgeldbetrag in Höhe von € 430.000,00 hat die Beklagte zunächst € 200.000,00 gezahlt. Zwar geht die Abrechnung aus Anlage K5 von einer Zahlung in Höhe von nur € 180.000,00 aus. Die Klägerin hat aber übereinstimmend mit der Beklagten eine Zahlung in Höhe von € 200.000,00 vorgetragen und auch auf entsprechenden Hinweis des Gerichts (vgl. Beschluss vom 6. November 2008, S. 6, Bl. 106 d.A.) nicht widersprochen. Weiterhin hat die Beklagte insgesamt € 14.700,00 in quartalsweisen Raten nach der als Anlage K5 vorliegenden Abrechnung (42 Monate zu je € 350,00) sowie nach der Abrechnung vom 13. April 2011 € 82.992,86 als Nachzahlung bis 31. März 2011 und weitere € 450,00 als Nachzahlung auf das zweite Quartal 2011 gezahlt. Insgesamt erfolgten damit Zahlungen in Höhe von € 298.142,86. Es verbleiben mithin € 131.857,14 zur Zahlung.

d) In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2011 hat die Beklagte Anerkenntnisse im Bereich der Rentenzahlungen abgegeben. Sie hat die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche in Höhe von € 500,00 monatlich bezüglich einer Schmerzensgeldrente, €3.600,00 monatlich bezüglich der Pflege- und Betreuungskosten und € 215,00 monatlich bezüglich unfallbedingten Mehrbedarfs anerkannt. Das Anerkenntnis einer Schmerzensgeldrente geht ins Leere, da die Klägerin eine solche nicht fordert. Sie nutzte die Schmerzensgeldrente, worauf das Gericht hingewiesen hat, lediglich zur Ermittlung des geforderten Schmerzensgeldkapitals. Die Anerkenntnisse im Pflege- und Mehrbedarfsbereich wirken sich der Höhe nach nicht aus, da sie hinter den der Klägerin zustehenden Ansprüchen zurückbleiben. Sie haben aber Einfluss auf die Kostenentscheidung.

e) Die Zusammenstellung der der Klägerin zustehenden Rentenpositionen unter Berücksichtigung ihrer Veränderungen führt zu der im Folgenden tabellarisch dargestellten Rente. In die Tabelle wurden nur die Monate aufgenommen, in denen sich entweder eine der Rentenpositionen oder die Quartalssumme der Höhe nach verändern wird. Aufgrund quartalsweiser Zusammenfassung sind in der letzten Spalte Änderungen nur dann aufgeführt, wenn sie sich zum Beginn eines Quartals ergeben.

…………

5. Die durch die Beklagte erhobene Einwendung der Erschöpfung der Versicherungssumme greift nicht durch. Nach derzeit anzustellender Prognose wird die Versicherungssumme auch unter Zugrundelegung für die Beklagte günstiger Parameter nicht erreicht werden.

Für den Umfang der vertraglichen Leistungspflicht der Beklagten ist nicht die Summe ihrer Aufwendungen entscheidend. In den Fällen, in denen die geschuldete Versicherungsleistung in der Erfüllung von Rentenverpflichtungen besteht, kommt es für die Frage, ob die vereinbarte Versicherungssumme überschritten wird, vielmehr auf den Kapitalwert der Rente an, § 155 VVG a.F. Dabei ist, soweit die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben, ein realistischer Zinsfuß zugrunde zu legen, das heißt ein Zinsfuß, der der Effektivverzinsung entspricht, die auf dem Kapitalmarkt für Rentenwerte von vergleichbarer Laufzeit erzielt wird. Soweit die Dauer der Rentenverpflichtung nicht von vornherein feststeht, ist sie aufgrund einer im Zeitpunkt ihres Beginns aufzustellenden Prognose unter Berücksichtigung des konkreten Falls und unter Beachtung der sich aus anerkannten statistischen Unterlagen ergebenden Durchschnittswerte zu bemessen. Der so errechnete Kapitalwert bleibt auch dann maßgeblich, wenn sich später herausstellen sollte, dass die tatsächliche Laufzeit von den statistischen Durchschnittswerten abweicht. Übersteigt der Kapitalwert der Rente die Versicherungssumme, so hat der Versicherer von jeder Rate nur einen Teil zu decken, der zur vollen Rate im gleichen Verhältnis steht wie die Versicherungssumme zum Kapitalwert der Rente, so genanntes Kürzungsverfahren (BGH, Urteil vom 12.6.1980, Az. IVa ZR 9/80).

Die Einwendung der Erschöpfung der Versicherungssumme würde erst dann durchgreifen, wenn die Summe der Kapitalleistungen (hier das Schmerzensgeld) und der kapitalisierten Rentenpositionen die Deckungssumme überschreiten würde. Für die Prognose legt die Kammer folgende Parameter zu Grunde:

– Ein zu erreichendes Lebensalter der Klägerin von 83 Jahren. Dieser Wert ergibt sich zu Gunsten der Beklagten gerundet aus der Sterbetafel Deutschland 2005/2007 des Statistischen Bundesamts, die für Frauen eine Lebenserwartung von 82,71 Jahren ausweist.

– Pflege der Klägerin durch die Mutter bis Ende 2021; anschließend professionelle Pflege zu einem Stundensatz in Höhe von € 32,80 für die Grundpflege und € 13,00 für die beobachtende Pflege. Diese Werte sind dem Klagantrag der Klägerin entnommen.

– Ebenfalls dem Vortrag der Klägerin entsprechend berücksichtigt die Kammer Therapien im Umfang von € 2.030,00 bis 31. Dezember 2013 und sodann Therapien im Umfang von € 800,00 bis an das voraussichtliche Lebensende der Klägerin.

– Für die Prognose rechnet die Kammer entsprechend dem Vortrag der Klägerin mit einem Zinsfuß von 3,25%,. Die Beklagte ist zwar der Meinung, der Zinsfuß müsse 5% betragen. Die Frage, welcher Zinsfuß tatsächlich anzuwenden ist, kann aber offenbleiben, da bereits der klägerisch geltend gemachte Zins, der zu höheren Kapitalbeträgen führt, nicht zu einer Erschöpfung der Versicherungssumme führt. Ein noch geringerer Zinssatz ergibt sich auch nicht aus den Regelungen in § 3 Abs. 3 Nr. 2 AHB, wonach 4% zu Grunde zu legen wären, oder § 10 Abs. 7 AKB, wonach es auf die mittlere Umlaufrendite der öffentlichen Hand der letzten zehn Jahre vor dem Unfall ankommt; sie lag bei 4,81%.

Die kapitalisierten Werte der Renten ermittelt die Kammer nach der Rentenbarwertformel wie sie bei Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, 2010, Rn. 1355 ff., abgedruckt ist. Es ergibt sich Folgendes:

……………….

Haushaltsführungsschaden bis Lebensende 884.836,04 €

Verdienstausfall NICHT abgezinst 14.294,28 €

Rechtsanwaltskosten 1.000.000,00 €

 

Feststellungsantrag 6.295.782,25 €

Summe

In vorstehender Tabelle sind neben der Schmerzensgeld-Kapitalzahlung jeweils die kapitalisierten Rentenbeträge (Kapitalwerte) der einzelnen Schadenspositionen aufgeführt und addiert worden. Die Kapitalisierung erfolgte dabei vom Unfalltage an, denn an diesem Tag entstand die Leistungspflicht der Beklagten. Die Positionen professionelle Pflege, Haushaltsführungsschaden bis 31. April 2052 und Haushaltsführungsschaden bis Lebensende sind vom Zeitpunkt ihres in der Zukunft liegenden Beginns an abgezinst und der gefundene Wert ist sodann auf den Unfalltag – ebenfalls mit dem Zinssatz von 3,25% – diskontiert worden. Den Verdienstausfall hat die Kammer aufgrund der jährlich veränderlichen Höhe nicht abgezinst, sondern einfach aufsummiert hinzugerechnet; auf das Ergebnis hat dies keinen Einfluss. Die letzte, mit „Feststellungsantrag“ bezeichnete Zeile beinhaltet die von der Klägerin mit dem Feststellungsantrag verfolgten Interessen, nämlich zum einen die von der Beklagten zusätzlich zum Nettolohn zu zahlenden Steuerlasten von ca. knapp unter € 500.000,00 sowie einen Zuschlag in gleicher Höhe für unvorhergesehene (im-) materielle Weiterungen.

Weitere Zahlungsverpflichtungen der Beklagten waren nicht zu berücksichtigten. Aufgrund des Familienprivilegs in § 116 Abs. VI SGB X liegen keine Anspruchsübergänge auf Sozialversicherungsträger vor. Ein Anspruchsübergang nach § 119 Abs. 1 SGB X scheidet aus, weil die Beklagte weder vor noch nach dem Unfalls Pflichtbeitragszeiten vorzuweisen hat beziehungsweise haben wird. Die Beklagte hat auch keine weiteren Zahlungsverpflichtungen vorgetragen.

Ergebnis der Berechnung ist eine kapitalisierte Zahlungssumme, die unter der Deckungssumme des Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages von € 8.000.000,00 liegt. Die Einwendung der Erschöpfung der Versicherungssumme greift nicht.

6. Die Feststellungsanträge bezüglich der zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden und der Freihaltung der Klägerin von Ansprüchen der Finanzbehörden hat die Beklagte anerkannt.

7. Die Zinsforderungen ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges nach dem Mahnschreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10. Januar 2008 (Anlage K2) mit Fristsetzung auf den 25. Januar 2008 sowie ab Rechtshängigkeit.

Darüber hinaus schuldet die Beklagte Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren auf einen Gegenstandswert in Höhe von € 1.488.601,95. Die Klägerin beauftragte ihren Prozessbevollmächtigten nach eigener Darstellung mit den in seinem Schreiben vom 10. Januar 2008 enthaltenen Ansprüchen. Diese waren im Schmerzensgeldbereich und für die Vergangenheitsschäden gerechtfertigt. Für die Zukunftsschäden stand der Klägerin keine Kapitalisierung, sondern eine Rente zu. Daher ist für den vorgerichtlichen Gegenstandswert zusätzlich zum geltend gemachten Schmerzensgeld und den Vergangenheitsschäden der Gegenstandwert der Rente zu berücksichtigen. Es ergibt sich ein Gegenstandswert in Höhe von € 1.488.601,95 wie folgt:

210.000,00 €  Schmerzensgeld

101.500,00 €  Schmerzensgeldrente (kapitalisiert)

37.746,45 €  Haushaltsführungsschaden Vergangenheit

161.766,67 €  Verdienstausfall

84.604,39 €  Haushaltsführungsschaden Zukunft

13.921,43 €  Vermehrter Bedarf Vergangenheit

12.900,00 €  Vermehrter Bedarf Zukunft

77.763,00 €  Pflege Vergangenheit

788.400,00 €  Pflege Zukunft

1.488.601,95 €  Summe

Die Kammer legt der Berechnung die im Schreiben vom 10. Januar 2008 gelten gemachten Positionen, gedeckelt auf den tatsächlich bestehenden Anspruch zu Grunde, wobei sie die Renten nach § 42 Abs. 1 GKG mit dem 60fachen Monatswert bemisst.

Die hierauf anfallenden Rechtsanwaltsgebühren einschließlich Auslagenpausche und Umsatzsteuer entsprechen € 14.294,28. Dabei legt die Kammer einen Gebührensatz von 2,0 zu Grunde. Die Angelegenheit ist als umfangreich und schwierig zu bewerten, was eine Überschreitung des Schwellensatzes von 1,3 rechtfertigt. Die Kammer hält eine Erhöhung um 0,7 Gebühren für angemessen.

Auf diese Forderung zahlte die Beklagte vorgerichtlich bereits € 4.907,56 und € 1.337,56, so dass € 8.049,16 zur Zahlung verbleiben. Zwar hat die Klägerin die betreffenden Zahlungen mit Schriftsatz vom 1. Juni 2011 bestritten, ihr diesbezüglicher Vortrag ist aber als unsubstantiiert und verspätet zurückzuweisen (§ 296 Abs. 2 ZPO). Soweit die erste Zahlung auf die Gebührenforderung der von der Klägerin zunächst beauftragten Anwälte Rocke pp. erfolgte, war diese dennoch anzurechnen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass es vorgerichtlich notwendig gewesen wäre, den Prozessvertreter zu wechseln.

8. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 Abs. 1, 93 ZPO.

Soweit die Kostenentscheidung auf § 91a ZPO beruht, waren die Kosten nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien zu einem Streitwert von € 207.312,04 der Beklagten aufzuerlegen, denn sie wäre aller Voraussicht nach in Höhe dieser freiwillig gezahlten Beträge unterlegen; es handelte sich insoweit um die Nachregulierung von der zunächst beklagtenseits angenommenen Haftungsquote von 70% auf die volle Haftung mit Abrechnung vom 13. April 2011. Die weiter auf den Haushaltsführungsschaden nachregulierten € 5.912,40 waren hingegen nicht zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen. Wie dargelegt, war die Klägerin im Bereich des Haushaltsführungsschadens bereits überzahlt, so dass sie in Höhe der Nachregulierung unterlegen wäre. Das Gericht berücksichtigt weiterhin € 228.900,00, nämlich den Streitwert des Anerkenntnisses der Beklagten im Bereich der Pflege- und Mehrbedarfsrente (€ 3.815 / Monat) nach § 93 ZPO zu Lasten der Klägerin. Das Anerkenntnis der Beklagten war sofortig und erfolgte, ohne dass die Beklagte Anlass zur Klagerhebung gegeben hätte. Die Klägerin hat mit dem Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 9. Mai 2011 erstmalig Rentenzahlungen gefordert – vorgerichtlich wie auch im Prozess hatte sie noch eine Kapitalzahlung verlangt. Die Beklagte hat daraufhin die Anerkenntniserklärung vom 3. Juni 2011 abgegeben, nachdem sie ohnehin schon regelmäßige Rentenzahlungen in den anerkannten Betrag übersteigender Höhe geleistet hatte.

 

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