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Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Mobbings

LG Cottbus – Az.: 3 O 183/19 – Urteil vom 09.04.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen eines behaupteten „Mobbings“ geltend.

Die Klägerin war in der „………………“ in ……………… Erzieherin, die Kinder der Beklagten besuchten diese. Zwischen den beklagten Eltern auf der einen und der Klägerin und der Kita-Leitung auf der anderen Seite kam es zu Differenzen im Hinblick auf die Art und Weise Betreuung der Kinder, die neben anderen Eltern auch die Beklagten nicht als ausreichend erfüllt ansahen. Die Beklagten sowie weitere Eltern verfassten in diesem Zusammenhang am 18.1.2017 unter Auflistung der aus deren Sicht vorliegenden Verfehlungen der Klägerin bei der Kinderbetreuung einen Elternbrief an die Stadt ……………… (Anl. K1, Anlagenkonvolut, Bl. 9 ff.) und die Kita-Leitung der „………………“. Mit einer Unterschriftenliste vom 18.1.2017 forderten die Beklagten und weitere Eltern, insgesamt 67 Personen, die sofortige Versetzung der Kita Leitung (Anl. K1, Anlagenkonvolut, Bl. 11 f.). Darüber hinaus richteten die Beklagten und weitere Eltern sich mit einer E-Mail an das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, welches mit Schreiben vom 9.2.2017 im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe antwortete (Anl. K1, Anlagenkonvolut, Bl. 9 ff.). Aufgrund der Beschwerden der Beklagten u.a. hospitierte das Jugendamt in der „………………“ und führte mit der Klägerin unter dem 15.2.2017 ein Gespräch, welches protokolliert wurde (Anl. 1, Anlagenkonvolut, Bl. 16 ff.). Wegen der erhobenen Vorwürfe wurde zudem von den Beklagten u.a. eine Elternversammlung einberufen. Gegen die Klägerin wurden unter Darlegung der Vorkommnisse im Rahmen der Kinderbetreuung Strafanzeigen von der Beklagten zu 2., von der Beklagten zu 4. und der Beklagten zu 5. wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht gemäß § 171 StGB erstattet (Anl. K2, Anlagenkonvolut, Bl. 18 ff.).

Die Klägerin war arbeitsunfähig, befand sich in einer Rehabilitationseinrichtung und ist nicht mehr in der „………………“ in ……………… beschäftigt.

Die Klägerin meint, den hiesigen Beklagten falle, ausgelöst durch ihre beiden vormaligen Arbeitskolleginnen, die „den gesamten Hergang erst in Gang gebracht“ hätten, ein zum Schadensersatz verpflichtendes gemeinschaftliches Mobbing zur Last (klägerischer Schriftsatz vom 18.6.2019, Bl. 121 d. A.).

Die Klägerin hat mit ihrem Schadensersatz- und Schmerzensgeldbegehren gegen die hiesigen Beklagten sowie gegen zwei Arbeitskolleginnen zunächst Klage vor dem Arbeitsgericht Cottbus erhoben, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 12.8.2019 die Unzuständigkeit des Arbeitsrechtswegs für die hiesigen Beklagten zu 1. bis 4. festgestellt und die Sache an das Landgericht Cottbus verwiesen. Mit klägerischem Schriftsatz vom 30.3.2020 (Bl. 179 d. A.) hat die Klägerin die Klage um die Beklagte zu 5. erweitert. Die Klägerin beantragt hiernach,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 20.000,00 € betragen sollte, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 9.963,00 € (= Verdienstausfall), nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Rechtsschutzversicherung der Klägerin, die ………………………. (Schadennummer: ……………………..), 1.174,89 € und an die Klägerin selbst 300,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren materiellen Schaden und immateriellen, bisher noch nicht bekannten, Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der streitgegenständlichen Vorfälle im Jahr 2017 noch entstehen werden, solange sie nicht auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden, insbesondere auf Sozialversicherungsträger, gemäß § 116 SGB X.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen unter keiner denkbaren Anspruchsgrundlage die geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagten zu.

1.

Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Mobbings
(Symbolfoto: Photographee.eu/Shutterstock.com)

Die Klägerin stützt die geltend gemachten Ansprüche auf ein „Mobbing“. Beim „Mobbing“ handelt es sich nicht um einen eigenen Rechtsbegriff oder eine eigene Anspruchsgrundlage, sondern beschreibt lediglich eine Handlungsform, die zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 1 und 2 GG oder der Gesundheit oder aber der Verletzung eines Schutzgesetzes gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit den Vorschriften des StGB führen kann (BAG, Urt. v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1154).

„Mobbing“ hat viele Varianten, wird aber gemeinhin als systematische Anfeindung, Schikanierung und Diskriminierung einer Person verstanden (BAG, a.a.O.; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 213). Nach dem weiterentwickelten arbeitsrechtlichen Verständnis des Mobbing-Begriffs, welches hier übertragen werden kann, handelt es sich um aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (LAG Bremen, Urt. v. 17.10.2002 – 3 Sa 78/02, NZA-RR 2003, 234; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.7.2003 – 4 U 51/03, NVwZ-RR 2003, 715; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 213). Es ist hiernach eine systematische Verhaltensweise erforderlich, die einer Einzelfallbetrachtung bedarf (OLG Stuttgart, a.a.O.). Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen hier nicht vor.

Unter Zugrundelegung des vorgenannten Verständnisses sind die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen nicht geeignet, um vorliegend ein „Mobbing“ in dem o.g. Sinne annehmen zu können. Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtsgutverletzung und damit das Vorliegen der Voraussetzungen eines „Mobbings“.

Die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen sind bereits in quantitativer Hinsicht nicht geeignet, ein „Mobbing“ in dem oben genannten Sinne annehmen zu können. Die von der Klägerin geschilderten Handlungen beziehen sich nämlich auf einen sehr kurzen Zeitraum und stellen damit in einer Gesamtschau lediglich eine kurzfristige Konfliktsituation und nicht eine systematische Verhaltensweise im Sinne eines „Mobbings“ dar. Aber auch in qualitativer Hinsicht erfüllen die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen die Voraussetzung eines „Mobbings“ nicht. Unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Weiterentwicklung des Mobbing-Begriffs ist eine Abgrenzung zu dem (in einem Betrieb) im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich, um qualitativ nicht jede Konfliktsituation einem „Mobbing“ unterfallen zu lassen. Denn nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit (zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen) erfüllt den Begriff des „Mobbings”. Kurzfristigen Konfliktsituationen (mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen) fehlt in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise (LAG Bremen, Urt. v. 17.10.2002 – 3 Sa 78/02, NZA-RR 2003, 234ff.; LAG Hamm, Urt. v. 25.6.2002 – 18 (11) Sa 1295/01, NZA-RR 2003, 8), ebenso bei zeitlich weit auseinander liegenden Handlungen (LAG Bremen, a.a.O.).

Hinsichtlich der eingeleiteten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sowie der auch durch die Beklagten einberufenen Elternversammlung handelt es sich um ein Verhalten, welches ein aus Sicht der Beklagten vorhandenes Defizit und Mängel in der Kinderbetreuung aufzeigte. Dies ist, auch wenn es sich hierbei um eine aus Sicht der Klägerin in inhaltlicher Hinsicht unberechtigte Rüge handelte, ein von der Rechtsordnung gebilligtes Vorgehen, selbst wenn man das Vorgehen von der Reichweite der beteiligten Stellen als ausufernd erachten sollte und eine Klärung des Konflikts aus ihrer Sicht in einem kleineren Kreis wünschenswert gewesen wäre. Mit Blick auf die teils durch die Beklagten erstatteten Strafanzeigen bleibt festzuhalten, dass die Einleitung oder das Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege nach allgemein anerkannten Grundsätzen grundsätzlich kein rechtswidriges Verhalten darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2003 – VI ZR 371/02, NJW 2004, 446). Das gilt insbesondere auch für die Strafanzeige, die angebliche Missstände gegenüber denjenigen Stellen aufzeigt, die dazu berufen sind, einem entsprechenden Verdacht nachzugehen und gegebenenfalls Maßnahmen gegen solche Missstände zu ergreifen und die aufgezeigten Missstände nicht ersichtlich unzutreffend sind. Der gutgläubige Erstatter einer Strafanzeige darf nicht mit dem Risiko des Schadensersatzes für den Fall belastet werden, dass seine Anzeige nicht zum Nachweis des behaupteten Vorwurfs führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257). Die anzeigeerstattenden Beklagten schilderten hier ggü. der Polizei einen Sachverhalt, der aus ihrer Sicht ein Fehlverhalten der Klägerin in der Kinderbetreuung aufzeigte. Die die Strafanzeigen erstattenden Beklagten waren ausweislich des zur Anzeige aufgenommenen Sachverhalts der Ansicht, dass es sich um ein strafbares Verhalten der Klägerin handelte. Dass dies ggf. unzutreffend sein könnte, ist hier unbeachtlich, da eine Bösgläubigkeit allein in dem Umstand, dass ein Sachverhalt zur Anzeige gebracht wurde, nicht bejaht werden kann. Aus dem Inhalt der durch die Klägerin vorgelegten Anzeigeerstattungen ergibt sich keine andere Beurteilung der Sache, auch nicht unter Berücksichtigung und in Kombination u.a. mit dem zugleich aufsichtsrechtlich gerügten Verhalten und der einberufenen Elternversammlung.

Auch liegt keine Verletzung eines Schutzgesetztes nach den Vorschriften des StGB vor, so dass auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt.

2.

Nach alledem begründen die durch die Klägerin dargelegten Tatsachen weder im Hinblick auf die durch die Beklagten eingeleiteten aufsichtsrechtlichen Verfahren unter Beteiligung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport, des Jugendamts und der Stadt ……………… noch im Hinblick auf die eingeleiteten strafrechtliche Ermittlungsverfahren, die nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden, noch im Hinblick auf die eingeleitete Elternversammlung ein „Mobbing“ und damit eine schadensersatzauslösende Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 1 und 2 GG oder gem. § 823 Abs. 2 BGB.

Da eine Haftung dem Grunde nach ausscheidet, steht der Klägerin weder ein Anspruch auf Schmerzensgeld noch auf Ersatz eines Verdienstausfalls noch auf Feststellung künftiger Schäden und auch kein Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten gegen die Beklagten zu.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

 

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