Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch die Bauherrin
LG Erfurt 10. Zivilkammer; Entscheidungsdatum: 15.11.2013; Aktenzeichen: 10 O 1127/12
Orientierungssatz
Sinn und Zweck des Bauforderungssicherungsgesetzes ist eine Verbesserung der Situation der Auftragnehmer. Auf § 1 BauFordSiG kann sich nur berufen, wer das Bauwerk selbst hergestellt bzw. an der Herstellung beteiligt war. Der Bauherr gehört nicht zum Kreis der durch das Bauforderungssicherungsgesetz geschützten Personen.(Rn.12)(Rn.13)
Abkürzung Fundstelle NZBau 2014, 296-297 (red. Leitsatz und Gründe)
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Literaturnachweise
Abkürzung Fundstelle Michael Floeth, NZBau 2014, 297-298 (Anmerkung)
Sonstiges
Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht
- § 13 Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz – BauFordSiG); II. Der Straftatbestand des § 2 BauFordSiG
Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht
- Richter, § 83 Masseschmälerung; IV. Verschiebung von Baugeld
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird festgesetzt
auf 99.674,11 EUR für den Antrag Ziffer 1.
auf 10.000,00 EUR für den Antrag Ziffer 2.
also auf 109.674,11 EUR insgesamt.
Tatbestand
Randnummer 1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen angeblich nicht ordnungsgemäß verwendeten Baugeldes nach den Vorschriften des Bauforderungssicherungsgesetzes.
Randnummer 2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks XXX. Das Grundstück ist mit einer Produktions- und Lagerhalle bebaut. Im Jahre 2007 beauftragte die Klägerin die Firma XXX mit dem Neubau einer Halle mit Büroanbau und Außenanlagen auf diesem Grundstück. Nach dem Bauvertrag vom 02.08.2007 (Anlage K 3) war eine Fertigstellung in der 13. Kalenderwoche 2008 vorgesehen. Nachdem die Arbeiten im Frühjahr 2008 im Wesentlichen fertig gestellt waren, kam es wegen noch ausstehender Fertigstellungsarbeiten, verschiedener Mangelbeseitigungsarbeiten und wegen eines Sicherheitsverlangens zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und der XXX. Auf Grund verschiedener Abschlagsrechnungen hatte die Klägerin im Sommer 2009 an die XXX bereits 577.000,00 EUR bezahlt. Durch Schreiben vom 22.10.2009 kündigte die Klägerin den Bauvertrag. Im Auftrag der Klägerin wurde der Sachverständige XXX tätig, um den Bautenstand festzustellen. Durch Beschluss vom 09.07.2010 wurde über das Vermögen XXX das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte war Geschäftsführer der XXX.
Randnummer 3
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der XXX das erhaltene Baugeld falsch verwendet. Die XXX sei im Hinblick auf die bereits erbrachten Bauleistungen deutlich überzahlt gewesen. Der Beklagte habe daher nach den Vorschriften des Bauforderungssicherungsgesetzes den der Klägerin entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen der geltend gemachten Schadenspositionen im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Auflistung in der Klageschrift (dort auf den Seiten 7 bis 13).
Randnummer 4
Die Klägerin beantragt,
Randnummer 5
1. den Beklagten zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 99.674,11 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 97.120,11 EUR seit dem 12.01.2010 und
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.728,00 EUR seit Rechtshängigkeit
an die Klägerin zu bezahlen.
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr durch das nicht fertiggebrachte Bauvorhaben Neubau einer Halle mit Büroanbau und Außenanlagen schlüsselfertige Leistung XXX in XXX entstanden ist.
3. den Beklagten weiter zu verurteilen, 1.035,50 EUR vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu bezahlen.
Randnummer 6
Der Beklagte beantragt,
Randnummer 7
die Klage abzuweisen.
Randnummer 8
Der Beklagte behauptet, das empfangene Baugeld ausschließlich für den streitgegenständlichen Bauvertrag verwendet zu haben. Gegenstand dieses Vertrages sei nicht nur die Halle in XXX gewesen, sondern auch die Fertigstellung eines weiteren Bauvorhabens in XXX, XXX (Zusatzvereinbarung vom 02.08.2007, Anlage B 2). Die XXX sei nicht überzahlt gewesen. Schließlich habe der Beklagte nicht vorsätzlich im Sinne der anzuwendenden Regeln des Bauforderungssicherungsgesetzes gehandelt.
Randnummer 9
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Parteien bzw. ihren Rechtsanwälten in zwei mündlichen Verhandlungen erörtert. Auf die Sitzungsprotokolle vom 25.02.2013 (Blatt 80 bis 82 der Akte) und vom 14.10.2013 (Blatt 95/ 96 der Akte) wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Randnummer 10
Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit § 1 BauFordSiG (Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen) wegen falscher Verwendung des empfangenen Baugeldes steht der Klägerin nicht zu.
Randnummer 11
Nach § 1 Abs.1 Satz 1 BauFordSiG ist der Empfänger von Baugeld verpflichtet, das Baugeld zur Befriedigung solcher Personen, die an der Herstellung oder dem Umbau des Baues auf Grund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt sind, zu verwenden. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist diese Regelung ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.2 BGB, so dass etwaige Verstöße gegen § 1 Abs.1 Satz 1 BauFordSiG grundsätzlich zu einer Schadensersatzpflicht der dafür verantwortlichen Geschäftsleitung führen können. Jedoch kann nur derjenige Schadensersatz beanspruchen, der in den Schutzbereich des BauFordSiG fällt.
Randnummer 12
Das BauFordSiG soll sicherstellen, „dass für ein bestimmtes Bauvorhaben zur Verfügung gestelltes Baugeld auch zur Bezahlung derjenigen verwendet wird, die das Bauwerk hergestellt und dadurch den Wert des Grundstücks erhöht haben“. Es soll ein „umfassender Schutz für die vorleistungspflichtigen Bauhandwerker gewährleistet werden“. Sinn und Zweck ist „eine Verbesserung der Situation der Auftragnehmer“ (Schmidt, „Zur aktuellen Diskussion über das Bauforderungssicherungsgesetz“, BauR 2011, Seiten 1231, 1233 und 1234). Es fallen „nur solche Gläubiger unter den Schutzbereich des Gesetzes, deren Leistungen einen unmittelbaren Beitrag zur Herstellung des Baues bilden, was sich in der Regel in der Schaffung von Mehrwert äußert“. Das BauFordSiG „schützt insoweit alle Baugläubiger ohne Rücksicht auf die Zuordnung ihrer Leistung zu einer bestimmten Zahlungsrate“ immer dann, wenn „die Werklohnforderung wegen der zweckwidrigen Verwendung von Baugeld nicht erfüllt wird bzw. nicht mehr erfüllt werden kann“ (Pastor in Werner/ Pastor, Der Bauprozess, 14.Auflage 2013, Rdnr.2378, Rdnr.2381 und Rdnr.2384).
Randnummer 13
Wendet man diese Vorgaben auf den vorliegenden Rechtsstreit an, dann wird klar, dass die Klägerin als Bauherrin nicht zu dem Personenkreis gehört, der durch die Regelungen des BauFordSiG geschützt werden sollte. Die Klägerin ist nicht Baugläubigerin, sondern Auftraggeberin der jeweiligen Bauleistungen. Die Klägerin hat auch nicht auf dem Grundstück irgendwelche Bauleistungen erbracht und sich so eine Werklohnforderung „erarbeitet“. Die Klägerin zählt auch nicht zu dem Kreis der vorleistungspflichtigen Bauhandwerker. Dies ist auch der Grund, warum die Klägerin weit weniger schutzbedürftig ist als die Subunternehmer der XXX. Nach dem Regelungskonzept der §§ 631 ff. BGB ist der Werkunternehmer (also auch der Subunternehmer) vorleistungspflichtig, da er zunächst die Werkleistung erbringen muss und erst danach (nach der Abnahme) die vereinbarte Vergütung erhält. Der Bauherr ist – jedenfalls nach der im BGB vorgegebenen gesetzlichen Regelung – in einer anderen Situation. Er muss erst nach Abnahme zahlen bzw. nach der Fertigstellung von einzelnen Teilabschnitten des betreffenden Bauwerks. Wegen dieser grundsätzlichen Unterschiede im Hinblick auf die Sicherheit der Rechtspositionen der am Bau Beteiligten ist es auch angemessen, dass § 1 BauFordSiG bewusst nur demjenigen eine Anspruchsgrundlage gibt, der das Bauwerk selbst hergestellt hat bzw. an der Herstellung beteiligt war.
Randnummer 14
Nichts anderes ergibt sich, wenn man die von den Parteien in ihren Schriftsätzen zitierten Entscheidungen der Zivilgerichte zu Rate zieht. Eine Entscheidung, mit der einem Auftraggeber/ einem Bauherrn Schadensersatz gemäß § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs.1 BauFordSiG zugesprochen wurde, ist – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen. Auch in seinem letzten Schriftsatz vom 13.11.2013 hat der Klägervertreter eine solche Gerichtsentscheidung nicht zitiert. Die Auffassung des Klägers, auch in der vorliegenden Fallkonstellation sei der Schutzbereich des BauFordSiG betroffen, überzeugt das Gericht nicht. Insoweit wird ergänzend auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 20.03.2013 Bezug genommen.
Randnummer 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 Satz 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 63 Abs.2 GKG durch Beschluss festzusetzen.