Oberlandesgericht Nürnberg
Az.: 3 U 2609/01
Verkündet am 20.08.2002
Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth – Az.: 10 O 7950/00
In Sachen hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.7.2002 für Recht erkannt:
I. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth von 19. Juni 2001 (Az.: 10 O 7950/00) abgeändert.
II. Die Beklagte- wird verurteilt, an die Klägerin 10.659,06 EURO (= DM 20.847,31) nebst 8,42 % Zinsen hieraus seit 22.07.2000 zu zahlen.
III. Im übrigen werden die Anschlußberufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19..6.2001 zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 19 % und die Beklagte zu 81 % zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.172,23 EURO (= DM 25.762,64) festgesetzt.
Gründe
I. Gemäß § 543 Abs. l a.F. ZPO wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen. Es wird daher insoweit auf die Gründe des angefochtenen Ersturteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin sind jeweils zulässig. In der Sache erweist sie jedoch nur die Anschlußberufung als teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 823 Abs. l BGB ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Beschädigung ihres Gemeinschaftseigentums am Anwesen in i.H.v. 10.659,06 EURO (= DM 20.847, 31) zu.
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung im 3. Obergeschoß dieses Anwesens. Unstreitig bohrte sie im Frühjahr oder Sommer 1998 auf ihrem Balkon die rechte Hauswand an, die an das Nachbaranwesen grenzt, setzte zwei Dübellöcher und drehte zwei 13 cm lange Schrauben ein, um ein Hängeregal zu befestigen. Eines dieser Löcher wurde dabei in das hinter der Thermohaut der Außenwand liegende. Regenfallrohr gebohrt. Seit Mitte 1999 traten in den darunter liegenden Wohnungen Nässeschäden auf. Die Beklagte bestreitet zu Unrecht die Kausalität zwischen der von ihr veranlassten Beschädigung des Regenfallrohres und diesen Nässenschäden. Wie in der Beweisaufnahme im ersten Rechtszug geklärt wurde und von der Beklagten nicht, mehr bestritten wird, ragte der von ihr gesetzte Dübel mit einem Durchmesser von 8 mm in das Regenfallrohr hinein. Die benutzte Schraube war 13 cm lang. Nach der Lebenserfahrung kann durch ein 8 mm breites und nur mit einem Dübel verschlossenes Loch in einem Regenfallrohr bei Regen aus diesem Wasser ausfließen. Dies lässt nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheines auf eine Durchfeuchtung der unterhalb des Loches liegenden Wand- und Putzschichten schließen. Nachdrücklich unterstrichen wird dieser Folgerung durch die von der Firma X-Umwelttechnik am 27.4.2000 durchgeführte Bewässerungsprobe“. Beim Einleiten von Wasser mittels eines Wasserschlauches direkt in das fragliche Fallrohr trat bereits nach ca. l Stunde Wasserlaufzeit Wasser hinter der Thermohaut auf dem Balkon der Wohnung im 1. Obergeschoss, aber auch auf dem der Beklagten aus. Diese Feststellungen führten dazu, daß erstmals das Regenfallrohr mit einer Endoskopiekamera innen untersucht wurde, wodurch das von der Beklagten gesetzte Bohrloch entdeckt wurde und verschlossen werden konnte. Seither sind ersichtlich keine Nässeschäden mehr im Mauerwerk und in der Wärmedämmung des Anwesens aufgetreten.
Die Beklagte hat das in Gemeinschaftseigentum stehende Fallrohr durch Anbohren schuldhaft: beschädigt. Der Senat meint jedoch, daß der Beklagten nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, was jedoch an ihrer Haftung nach § 823 Abs. l EGB nichts ändert. Auch wenn sie nicht; unbedingt damit rechnen mußte, daß in dem durch die 6 cm dicke Wärmedämmung verdeckten Mauerwerk ein Regenfallrohr verläuft, hätte sie sich wenigstens sagen müssen,, daß beim Anbohren der Außenwand für eine 13 cm lange Schraube etwas passieren könnte. Dies hätte Veranlassung geben müssen, entweder sich vorher bei der Hausverwaltung zu erkundigen, ob sie dies gefahrlos tun könne, oder aber beim Bohren besondere Vorsicht walten zu lassen. Im letzteren Fall hätte sie bemerken müssen, daß nach dem Durchdringen der Thermohaut und nach Überwindung des Widerstandes durch Anbohren des PVC-Rohres der Bohrer ins Leere stieß. Dies war ein nicht zu übersehendes Anzeichen dafür, daß sie das Bohrloch nicht in das Mauerwerk gesetzt, sondern einen Hohlraum getroffen hatte. Wenigstens dies hätte sie der Hausverwaltung mitteilen können und müssen. Hätte sie dies getan, dann hätte sie die Hausverwaltung bei der Suche nach der Ursache der Feuchtigkeitsschäden in die Lage versetzt, eine etwaige Beschädigung des dort verlaufenden Regenfallrohrs als naheliegende Fehlerquelle ins Auge zu fassen. Die jetzt geltend gemachten aufwendigen Kosten zur Fehlersuche wären vermieden worden.
Die Haftung der Beklagten ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß in ihrem Mietvertrag mit ihrer Vermieterin, die Mietglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist, die Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. l der 2. Berechnungsverordnung, worin auch Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung enthalten waren, übernahm. In der Rechtsprechung wurde verbreitet aus der Verpflichtung des Wohnungsmieters zur Zahlung der (anteiligen) Kosten für eine Sachversicherung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einer stillschweigende Beschränkung der Haftung des Mieters für die Verursachung von Schäden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit abgeleitet (z.B. BGH NJW 1996, 715). Ob aber im vorliegenden Fall eine Sachversicherung abgeschlossen wurde, die den geltend gemachten Schaden abdeckt, und ob die Beklagte an den Kosten einer solchen Versicherung beteiligt wird, ist nicht bekannt und von ihr auch nicht vorgetragen worden. Die bestehende Leitungswasserversicherung hat ihre Eintrittspflicht im Schreiben vom 7.3.2001 ersichtlich zutreffend mit dem Hinweis verneint, daß das fragliche Regenfallrohr kein Bestandteil der Wasserversorgung des Hauses sei (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht 3. Auflage, E I, RdNr. 29, E I, RdNr. 97). In der neueren Rechtsprechung des 4. Zivilsenates des BGH (NJW 2001, 1553 ff. mit . weiteren Nachweisen) wird zudem in Fällen der hier vorliegenden Art nicht (-mehr) von einer stillschweigenden Haftungsbeschränkung im Mietvertrag, sondern von einem konkludenten Regressverzicht des Versicherers im Versicherungsvertrag für die Fälle ausgegangen, in denen der Wohnungsmieter einen Sachschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat. Der Senat schliesst sich dieser Ansicht an. Da aber nicht bekannt ist, ob eine den Schaden abdeckende Sachversicherung abgeschlossen wurde und die Beklagte an deren Kosten beteiligt ist, kommt somit ein etwaiger Regressverzicht nicht zum Tragen. Der Vermieterin der Beklagten und damit auch der Wohnungseigentümergemeinschaft ist folglich nicht verwert, wegen ihres Schadens direkt gegen die Beklagte vorzugehen (vgl. auch BGH, NJW 1986, 1814).
Dem Umfang nach umfasst der Schadensersatzanspruch der Klägerin ihre Aufwendungen zur Feststellung des Schadens und dessen Beseitigung. Der Höhe nach beträgt er DM 20.847,31 (= 10.659,06 EURO).
Ohne Zweifel berechtigt sind die Rechnungen der Fa. S vom 01.11.1999 über DM 1.160,– und der Fa. C vom 29.4. und 16.5.2000 über DM 1.044,– und DM 1.740,–. Hier wurden Maßnahmen verrechnet, die zur Aufdeckung der Fehlerursache angefallen sind und erforderlich waren. Dies gilt auch für die Dachterassenarbeiten der Fa X da man zunächst davon ausgehen musste, daß eine fehlerhafte Dachterassenabdichtung die Durchfeuchtung der Wand verursacht hatte. Deshalb musste das dort befindliche Hochbbeet abgetragen werden, um an die Dachterassenabdichtung heran zukommen.
Der Senat hält auch die Rechnung der Fa. M vom 26.5.2000 über DM 10.431,78 für berechtigt. Die Klägerin hat eine Bestätigung dieser Fa. vom 26.11.2001 vorgelegt, in der ausgeführt wird, daß die in Rechnung gestellten Arbeiten ausschließlich zur Ursachenforschung ausgeführt wurden und keine weiteren Kosten für die Behebung des Schadens enthalten sind. Dies wird durch den Inhalt der Regieberichte, die der Rechnung dieser Firma zugrunde lagen, bestätigt. Daraus ergibt sich in der Tat, daß in dem Zeitraum vom 18.11.1999 bis 15.5.2000 vielfach Wasserproben und Kontrollfahrten durchgeführt wurden, die Dachterasse geöffnet und wieder provisorisch abgedichtet und auch Untersuchungen hinsichtlich der Abdeckung zum Nachbargebäude angestellt wurden. Dem Umfang nach erscheinen die abgerechneten Stundenzahlen als angemessen (§ 287 Abs. l ZPO).
Auch die Rechnung des Sachverständigen S vom 13.5.2000 ist grundsätzlich als Schadensposition der Klägerin zu zusprechen. Der Senat hält aber einen Abzug von 1/3 für erforderlich, so daß der Klägerin nur DM 6.471,53 zustehen. Aus der der Rechnung zugrundeliegenden Auflistung der erbrachten Tätigkeiten und der schriftlichen Ausarbeitung vom 13.4.2000 geht hervor, daß der Sachverständige überwiegend mit der Fehlersuche beschäftigt war und die jeweiligen Ergebnisse der Untersuchungen und Wasserproben gutachterlich bewertete. Insoweit sind seine Aufwendungen zu erstatten. Das Sachverständige hat aber auch Tätigkeiten entwickelt, um Mängel am Dachterassenaufbau festzustellen, diese zu bewerten und durch Teilnahme an einer Wohnungseigentümerversammlung die Eigentümer von der Notwendigkeit der Dachterassensanierung zu überzeugen. Diese Aufwendungen können nicht zu Lasten der Beklagten gehen, da die Dachterasse unabhängig von der schadensstiftenden Handlung der Beklagten saniert werden mußte. Im einzelnen lassen sich diese Aufwendungen nicht genau quantifizieren. Anhand der vom Sachverständigen erstellten Stundenliste schätzt sie der Senat gemäß § 237 Abs. l ZPO auf 1/3 der Gesamtrechnung des Sachverständigen.
Im Einklang mit dem Erstgericht erscheint dagegen die Rechnung der Fa. B vom 17.10.1999 nicht als berücksichtigungsfähig. Die Klägerin trägt zwar im Berufungsverfahren vor, es sei zunächst vermutet worden, daß die Fuge zwischen den beiden – Häusern -H und 68 nicht ordnungsgemäß abgedichtet seien, so daß durch sie Feuchtigkeit und Wasser eindringen könne. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 18.7.2000 hat aber der Sachverständige S ausgeführt, daß die Bewegungsfuge als Anschluß zwischen beiden Eigentumswohnanlagen unbedingt saniert werden müßte, um weitere Folgeschäden zu .beseitigen und zumindest auch die Kausalitäten sukzessiv einzuschränken. Daraus ergibt sich, daß auch diese Maßnahme unabhängig von der Beschädigung des Regenfallrohres durch die Beklagte durchzuführen war.
Insgesamt beträgt also die berechtigte Schadensersatzforderung der Klägerin DM 20.847,31 (= 10.659,06 EURO).
b) Aus diesem Betrag hat die Beklagte gemäß § 283 Abs. l S. l BGB Zinsen i.H.v. 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz ab 22.7.2000 zu zahlen. Die Beklagte befand sich mit Ablauf der in der Mahnung vom 7.7.2000 gesetzten Frist in Verzug. Der seither gültige Basiszinssatz betrug 3,42 %, 4,26 % und 3,62 %. Die mit der Anschlußberufung geforderten Verzugszinsen von 8,42 %.übersteigen deshalb den gesetzlichen Zinssatz des § 288 Abs. 1. S. l BGB nicht.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 97 Abs. l, 92, 91 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 n.F. ZPO nicht zu zulassen. Der Rechtsstreit hat keine über den Einzelfall hinaus gehende Bedeutung. Die zugrundegelegten Rechtsgrundsätze sind höchstrichterlich bereits geklärt. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.