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Schadensersatz nach Verkehrsunfall – 130-Prozent-Grenze und 6 Monatsfrist

Landgericht Bielefeld

Az: 20 S 112/07

Urteil vom 17.01.2008


Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Herford vom 11.10.2007 – 12 C 972/07 – verurteilt, an den Kläger 910,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.8.2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.
Die Beklagte war gemäß ihrem im Schriftsatz vom 15.1.2008 erklärten Anerkenntnis zu verurteilen.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1, 1. HS ZPO.

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die Kosten des Rechtsstreits nicht gem. § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, da sie vorprozessual die sofortige Zahlung des jetzt anerkannten Anspruchs abgelehnt hat.

Im Rahmen der Kostenentscheidung fällt es in den Risikobereich des Beklagten, wenn bestrittene, den Anspruch aus einer schlüssigen Klage begründende Tatsachen erst im Laufe des Rechtsstreits bewiesen werden (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 93 ZPO, Rz 6, „unschlüssige Klage“ a.E. m.w.N.). So liegt der Fall hier. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die geltend gemachte Forderung im Zeitpunkt der Klageerhebung fällig, die Klage damit von vornherein schlüssig. Mit Ablauf der genannten Frist von 6 Monaten hat der Kläger lediglich den erforderlichen Nachweis des Bestehens seines von vornherein vorliegenden Integritätsinteresse erbracht.

Der jetzt anerkannte Anspruch war bereits bei Erhebung der Klage fällig, da es sich um Reparaturkosten eines Fahrzeuges aufgrund eines Verkehrsunfalls, für dessen Folgen die Beklagten zu 100 % unstreitig haften, handelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten entsteht der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Reparatur eines Pkws, die dessen Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigen, mit Durchführung der ordnungsgemäßen Reparatur und Bezahlung der hierfür anfallenden Kosten und wird damit auch fällig. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil vom 27.11.2007 – VI ZR 56/07 – m.w.N.) kann der Geschädigte zwar nur unter der Voraussetzung, dass er sein Integritätsinteresse nachweist, den Ersatz des Reparaturaufwandes bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs verlangen. In dem zu dieser Frage zuletzt ergangenen, o.g. Urteil hat der BGH hierzu erläutert, dass der Geschädigte dieses Integritätsinteresse im Regelfall dadurch hinreichend zum Ausdruck bringt, dass er das Fahrzeug nach der Reparatur für einen längeren Zeitraum, der auf mindestens 6 Monate bemessen wird, nutzt. Der BGH hat jedoch auch weiter ausgeführt, dass es sich bei der Frage dieses Zeitablaufs lediglich um eine Frage des Nachweises des Integritätsinteresses handelt (vgl. Abs. 9 der o.g. Entscheidung, dort heißt es „Mithin ist ein Integritätsinteresse des Geschädigten, dass die Abrechnung von Reparaturkosten rechtfertigen würde, nicht nachgewiesen“ (Unterstreichung durch die Kammer). Der BGH hat sich damit der in Teilen der Rechtsprechung und Literatur (LG Hagen, VersR 2007, 1265; Mergner VersR 2007, 1266; Schacht, VersR 2006, 1236) vertretenen Auffassung, dass sich die 6-Monats-Frist nicht allein auf den Nachweis des Integritätsinteresses, sondern auf die Fälligkeit bezieht, nicht ausgeschlossen.
Dass es sich bei dem Ablauf der genannten 6-Monats-Frist um eine Fälligkeitsvoraussetzung handelt, ist auch unter dogmatischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Bereits Lemcke (R+S 2006, 345) hat darauf hingewiesen, dass die 6-Monats-Frist sich dogmatisch zutreffender Weise auf eine Beweisfrage bezieht. Dies hält die Kammer für überzeugend. Das Bestehen des Integritätsinteresses als Voraussetzung für den Ersatz der den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30 % übersteigenden Reparaturkosten, liegt bereits mit Durchführung der Reparatur vor. Es entsteht nicht erst mit der weiteren Nutzung über ein Zeitraum von 6 Monaten. Diese Dauer der Nutzung ist vielmehr lediglich ein starkes Beweiszeichen für deren Vorliegen bereits im Zeitpunkt der Reparatur.

Die Einordnung der Frist als Fälligkeitsvoraussetzung ist zudem nicht damit zu vereinbaren, dass die Beklagte den Schadensbetrag – wie sie selbst anerkannt hat – ab dem 4.8.2007 zu verzinsen hat. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit nur § 288 Abs. 1 BGB in Betracht. Dem erforderlichen Verzugseintritt würde die fehlende Fälligkeit aber entgegenstehen.

III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 708 Nr. 1 ZPO.

IV.
Die Kammer hat entgegen der Anregung der Beklagten die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, da deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Der BGH hat in der o.g. Entscheidung vom 27.11.2007 eindeutig klargestellt, dass sich die genannte 6-Monats-Frist auf eine Beweisfrage bezieht.

 

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