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Schadensersatz Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnlicher Personen – Haftungsbegrenzung

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az: 13 Sa 857/12

Urteil vom 02.04.2013


Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 30. April 2012 – 3 Ca 136/11 – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 17.000,00 EUR (in Worten: Siebzehntausend und 00/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. November 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 88 %, der Beklagte 12 % zu tragen. Ausgenommen davon sind die Kosten der Anrufung des unzuständigen Landgerichts Gießen. Diese hat die Klägerin in vollem Umfang zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadenersatz aus übergegangenem Recht gem. § 67 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) a.F. bzw. § 86 VVG n.F.

Der Regressforderung liegt ein Feuerschaden vom 13. August 2008 in B zugrunde. Dort befindet sich einer von acht Produktionsstandorten der A. Kernstück der Produktion in B sind zwei Trocknungsanlagen, welche durch die Trockenwerk Hessen GmbH als Tochterunternehmen betrieben werden. In diesen beiden Trocknern werden verschiedene Milch- und Sahnepulver sowie vergleichbare Produkte für die Lebensmittelindustrie hergestellt.

Der Beklagte war bis Mai 2006 als Schlosser in einem Handwerksunternehmen angestellt, welches in Insolvenz fiel und seinen Betrieb einstellen musste. Seit diesem Zeitpunkt war der Beklagte als Schlosser selbständig tätig und führte überwiegend oder sogar ausschließlich auf eigene Rechnung verschiedenste Schlosserarbeiten in dem Trockenwerk in B aus.

Der Beklagte war im Zeitraum von 2005 bis 2009 ausschließlich und dauerhaft für die C tätig, zunächst im Milchwerk, sodann nach einer Unterbrechung von ca. 4 Monaten ab 2006 ca. 3 ½ Jahre durchgehend und praktisch ausschließlich im Trocknungswerk, wobei er durchschnittlich an 4 Tagen pro Woche im Zeitraum zwischen 7 und 18 Uhr arbeitete, auch wenn er in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Freiheit besaß. Es bestand faktisch eine stillschweigende Übereinkunft zwischen ihm und der C, dass er sich während der Kernarbeitszeiten von etwa 7 Uhr morgens bis 18 Uhr abends im Trockenwerk für zu erledigende Aufgaben bereit hielt. In der Regel kam der Beklagte morgens unabhängig von bereits erteilten Aufträgen um 7 Uhr in das Trockenwerk und meldete sich bei dem Betriebsleiter D, der ihm die zu erledigenden Arbeiten aufgab. Weisungen erhielt er auch von weiteren Vorarbeiter und Werkstattmeistern. Dem Beklagten wurden alle Werkzeuge und Materialien von der C zur Verfügung gestellt. Ihm war eine Werkstatt im Keller des Gebäudes zugewiesen. Ein eigenes Büro hatte der Beklagte nicht, weder auf dem Gelände der Hochwaldgruppe noch anderswo. Seine Arbeiten wurden von den Mitarbeitern der C kontrolliert. Ihm wurde die Reihenfolge der Arbeiten vorgegeben. Urlaub hatte er sich von dem Betriebsleiter D genehmigen zu lassen. Seine Arbeiten dokumentierte der Beklagte auf Rapport-Zetteln, in denen die Arbeitstage, die geleisteten Stunden pro Tag und die ausgeführten Arbeiten in Stichworten aufgezählt waren. Die beispielhaft vorliegenden Rapport-Zettel aus dem Zeitraum Dezember 2005 bis August 2008 (Bl. 52, 54, 55, 57, 58, 243, 244, 245 d. A.) weisen eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 36,5 und 45,5 Stunden aus an in der Regel 4 Tagen pro Woche. Lediglich in der Woche vom 15. April 2008 bis 17. April 2008 waren nur 29,25 Arbeitstunden angefallen. Die von dem Beklagten geschriebenen Rechnungen (vgl. z. B. Bl. 51, 53 und 56 d. A.) zeigen, dass der Beklagte auf Stundenbasis abrechnete und zunächst 30 €, später 32,50 € in Rechnung stellte. Der Beklagte erzielte auf dieser Weise einen monatlichen „Netto“ – Verdienst zwischen 5.200,00 und 6.200,00 €.

Am 13. August 2008 war der Beklagte beauftragt worden, an einem der Trocknertürme (Dec 1) einige weitere sogenannte Klopfer zu montieren, nachdem er diese Arbeit am Tag zuvor bereits an dem – abgeschalteten – Trockenturm Dec 2″ durchgeführt hatte. Diese Klopfer sind eine Art Abklopf-Hammer, mit denen auf die Behälterwandungen geschlagen werden kann, um die dort anhaftenden Milchpulverrückstände mechanisch abzuschlagen. Für die Montage dieser Klopfer mussten außen an den Trocknungsbehältern Stahlplatten aufgeschweißt werden. Anschließend wird dann von innen durch die Wandung des Behälters hindurch der jeweilige Klopfer auf diese Stahlplatte aufgeschraubt.

Am 13. August 2008 war der Trockner Dec 1 in Betrieb, d. h. es wurde Kaffeeweißer hergestellt. Während des laufenden Betriebs begann der Beklagten gegen 17 Uhr mit seinen Arbeiten und schweißte außen an dem Trocknungsbehälter an verschiedenen Stellen Stahlplatten an zur Befestigung der Klopfer. Außerdem setzte er an einigen Stellen mit einem Trennschleifer Schnitte in die Außenwand des Trockners. Danach unterbrach der Beklagte die Arbeiten, um für die Befestigung der Klopfer notwendige Schrauben aus der Werkstatt zu holen. Während seiner Abwesenheit, etwa gegen 17:37 Uhr, löste die automatische Temperaturüberwachungsanlage und die automatische Löscheinrichtung im Trockner Dec 1 aus, da es in seinem Inneren zu eine Explosion bzw. Verpuffung mit einer In-Brand-Setzung des Kaffeeweißers gekommen war. Dank der automatischen Löscheinrichtung sowie einer nochmaligen manuell durch einen Mitarbeiter des Trocknungswerks ausgelösten Löschung wurden sämtliche Glutnester im Inneren des Trockners abgelöscht. Zur Kontrolle und Nachsorge wurde dennoch die Feuerwehr noch hinzugezogen.

Durch den Feuerschaden im Inneren des Trockners Dec 1 wurden etwa 17 Tonnen Kaffeeweißer und 2,5 Tonnen pflanzliches Fett unbrauchbar und mussten entsorgt werden. Außerdem nahm das Transportband, diverse Messeinrichtungen und Siebe Schaden. Ferner mussten umfangreiche Reinigungsarbeiten nach dem Brand durchgeführt werden.

Die Klägerin übernahm als führender Versicherer einer Zeichnungsgemeinschaft von 6 Versicherungsgesellschaften die gesamte Schadensregulierung im Außenverhältnis. Über die Zahlungen von insgesamt 223.781,00 € für den entsprechenden Schaden (Aufstellung Bl. 24 d. A.) an die A und eine Sanierungs- GmbH liegen Zahlungsanweisungen und Belegabschriften vor, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl.101 – 171, 373 – 381 d. A.). Von diesem Betrag verlangt die Klägerin aus eigenem Recht 30 %, aus abgetretenem Recht weitere 35 % von dem Beklagten, mithin 142.359,71 €.

Die Klägerin hat behauptet, die entsprechenden Zahlungen tatsächlich erbracht zu haben. Der Beklagte sei für den Schaden in vollem Umfang verantwortlich. Er hätte sich vor Beginn der Arbeiten am 18. August 2008 über den Betriebszustand der Trocknungsanlage Kenntnis verschaffen müssen und sich bei dem Personal des Trocknungswerks erkundigen müssen. Notfalls hätte er die Durchführung der Arbeiten ablehnen müssen.

Der Beklagte sei weder Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person gewesen. Er habe im Durchschnitt nur an 4 Tagen pro Woche bei der C gearbeitet und regelmäßig – unstreitig – Rechnungen geschrieben. An manchen Tagen habe der Beklagte nur kurze Zeit für die C gearbeitet. In den Schichtbetrieb sei er nicht eingegliedert gewesen.

Der Mahnbescheidsantrag der Klägerin ist beim Amtsgericht Hünfeld am 19. Oktober 2010 eingegangen. Nachdem erst noch eine zustellfähige Anschrift des Beklagten ermittelt werden musste, ist die Zustellung des am 20. Oktober 2010 erlassenen Mahnbescheids am 11. November 2010 erfolgt.

Zuvor gab es noch Verhandlungen mit der Versicherung des Beklagten, die noch am 12. August 2010, zugegangen am 13. August 2010, angekündigt hatte, eigene Ermittlungen anzustellen.

Auf den am 17. November 2010 erhobenen Widerspruch des Beklagten ist die Sache auf Antrag der Klägerin am 10. Mai 2011 an das Landgericht Gießen abgegeben worden, das sich durch Beschluss vom 02. September 2011 (AZ.: 3 O 175/11) für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Gießen verwiesen hat, da der Beklagte nach Ansicht des Landgerichts arbeitnehmerähnliche Person, wenn nicht sogar Arbeitnehmer im Rechtssinn sei. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auch auf den landgerichtlichen Beschluss (Bl. 251 ff d. A.) verwiesen. Die erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (AZ.: 9 W 96/11) hat sie am 28. November 2011 zurückgewiesen (Bl. 296 ff d. A.).

In einem Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Gießen mit Zustimmung des Gerichts durch Beschluss vom 17. September 2008 von einer Verfolgung abgesehen (Az.: 401 Js 25346/08; § 153 b Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 60 StGB).

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 142.349,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. November 2010 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, soweit die Klägerin Ansprüche aus den §§ 634, 280 BGB geltend machen will.

Ein Zahlungsanspruch stehe der Klägerin auch im Übrigen nicht zu, da er sich als arbeitnehmerähnliche Person auf dieselben Haftungserleichterungen wie ein Arbeitnehmer berufen könne. Ein Nachweis über die behaupteten Schadensersatzleistungen liege nicht vor.

Unabhängig davon habe er, der Beklagte, das Schadensereignis ohnehin nicht zu vertreten. Wegen der Aufforderungen des Betriebsleiters D, die Arbeiten sofort zu erledigen, habe er davon ausgehen dürfen, dass eine sofortige Ausführung der Arbeiten auch möglich gewesen sei.

Mit Urteil vom 30. April 2012 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, der Anspruch der Klägerin sei zwar nicht verjährt. Die Klägerin sei aber nicht aktivlegitimiert, weil sie als Versicherung den Schaden nur geltend machen könne, wenn sie ihn tatsächlich ersetzt hat. Dies habe die Klägerin nach entsprechendem Streiten des Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 288 bis 295 d. A.)

Gegen dieses der Klägerin am 14. Juni 2012 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 29. Juni 2012 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem erst am 16. August 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet. Wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist der Klägerin durch Zwischenurteil vom 05. März 2013 Wiedereinsetzung in vorigen Stand gewährt worden.

Die Klägerin wiederholt und vertieft im Berufungsverfahren ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die mit den entsprechenden Belegen dokumentierten Schadensersatzzahlungen seien tatsächlich erbracht worden. Das Bestreiten des Beklagten sei ein Bestreiten „ins Blaue“.

Der Beklagte habe den Brand vom 13. August 2008 durch unsachgemäße Schweißarbeiten verursacht. Die während der laufenden Produktion von Kaffeeweißer durchgeführten Schweißarbeiten und die mit dem Trennschleifer angebrachten Schnitte in der Außenhaut des Trockners Dec 1 hätten zwingend zu Funkenflug geführt und zum Entstehen glühender Metalltropfen, die in das Innere des Behälters gefallen seien. Dadurch hätten sich die an den Innenwandungen des Trockners anhaftende Stoffe und/oder der in der Luft vorhandene Staub explosionsartig entzündet. Dies hätte dem Beklagten klar sein müssen. Er hätte sicherstellen müssen, dass Schweiß- und Trennschleifarbeiten nur bei abgeschalteter und ausgekühlter Anlage durchgeführt werden, wie einen Tag zuvor bereits bei dem Trockenturm Dec 2.

Die Klägerin meint weiter, der Beklagte hafte in vollem Umfang. Auf irgendwelche Haftungsbeschränkungen könne er sich nicht berufen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 30. April 2012 – 3 Ca 136/11 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 142.359,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. November 2010 zu zahlen, hilfsweise, das genannte Urteil aufzuheben und die Sache an das Arbeitsgericht Gießen zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Nach wie vor sei zu bezweifeln, dass die Klägerin überhaupt Zahlungen an die Geschädigten geleistet habe. Ihm sei außerdem von einer Explosionsgefahr nichts bekannt gewesen. Im Übrigen sei seine Haftung wie die eines Arbeitnehmers beschränkt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 05. März 2013 verwiesen (Bl. 437 f d. A.).

Die Akte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Gießen 401 Js 25346/08 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie nach erfolgter Wiedereinsetzung rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517; 519; 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist jedenfalls nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2011 (9 W 96/11) zuständig (§ 17 a Abs. 1 und 5 GVG).

In der Sache ist die Berufung nur teilweise begründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung von 17.000,00 € nebst Zinsen als Schadensersatz verlangen (§ 280 BGB). Ein höherer Schadensersatzanspruch steht ihr nicht zu.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist die Klägerin zur Geltendmachung des Schadens berechtigt, auch wenn sie nicht selbst die Geschädigte ist.

Die Klägerin ist die führende Versicherung einer Zeichnungsgemeinschaft aus 6 Versicherungsgesellschaften, bei denen die geschädigte A gegen Feuer und Betriebsunterbrechung versichert war. Aufgrund ihrer funktionalen Zuständigkeit als führender Versicherer hat die Klägerin die gesamte Schadensregulierung im Außenverhältnis allein vorgenommen, d. h. die anderen beteiligten Versicherer haben sich lediglich im Innenverhältnis an den Aufwendungen der Klägerin beteiligt.

Die Klägerin hat die Auszahlung der Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 223.781,00 € tatsächlich vorgenommen. Deshalb steht ihr aus übergegangenem Recht ein entsprechender Ersatzanspruch gegen den Beklagten zu (§ 86 VVG bzw. § 67 VVG a. F.).ll

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Klägerin die Zahlungen, die ihre Aktivlegitimation begründen, hinreichend dargelegt. Die umfänglichen, detaillierten Rechnungen, Zahlungsanweisungen und Belegabschriften liegen vor. Das entsprechende Bestreiten des Beklagten ist im Hinblick darauf unsubstantiiert und damit unerheblich. Ohne weitere Hinweise kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die diversen Zahlungsanweisungen und Belege erstellt und zur Akte reicht, wenn sie die dort aufgeführten Beträge nicht tatsächlich gezahlt hat. Es gibt zwar keine ausdrückliche Empfangsbestätigung der A. Der Beklagte konnte aber auch keinen auch nur schwach indiziellen Gesichtspunkt vortragen, wonach die Klägerin die fraglichen Summen entgegen den vorgelegten Abrechnungsunterlagen nicht gezahlt haben soll. Die vom Arbeitsgericht dazu verlangte Darlegung der Klägerin, wann wo welche Schecks übergeben und welche Gutschriften auf welchem Konto der A eingegangen sind, ist angesichts des nur pauschalen Bezweifelns des Beklagten ein rechtlich nicht gebotene Überspannung der Darlegungs- und Beweispflichten der Klägerin.

Der Beklagte hat den im Tatbestand geschilderten Schadensfall vom 13. August 2008 grobfahrlässig verursacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, fällt grobe Fahrlässigkeit dem zur Last, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlichen hohen Grad verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BAG vom 23. März 1993, AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Dafür genügt nicht der bloß objektiv bes. schwerwiegende Pflichtverstoß; den Betreffenden muss auch subjektiv der Vorwurf treffen, in nicht entschuldbarer Weise gegen die an ihn im gegebenen Fall zu stellenden Anforderungen verstoßen zu haben (BAG vom 15. November 2012 – 8 AZR 705/11 -, zitiert nach juris; BAG vom 04. Mai 2006 – 8 AZR 311/05 -, NZA 2006, 1428; BAG vom 12. November 1998 – 8 AZR 221/97 -, NZA 1999, 263; ErfK/Preis, 13. Auflage 2013, § 619 a BGB Randziffer 15).

Das ist vorliegend der Fall. Der Beklagte war zu dem Zeitpunkt, an dem er den Schaden zweifelsfrei verursacht hat, schon mehr als zwei Jahre als ausgebildeter Handwerker ständig im Trockenwerk B der Geschädigten tätig und kannte die Betriebsabläufe. Er wäre vor der Durchführung von feuergefährlichen Arbeiten wie dem Arbeiten mit einem Flex- oder Schweißgerät verpflichtet gewesen, sich Gewissheit über die Gefahrlosigkeit der Arbeiten zu verschaffen. Der Beklagte kannte die Funktionsweise der Trocknungsanlage. Er wusste, dass dort mit entzündlichem organischem Material gearbeitet wurde und dass sich bei dem Trocknungsvorgang Staubablagerungen von Substanzen ergeben, die leicht entzündlich sind. Noch am Vortag hatte der Beklagte an einer anderen Trocknungsanlage, die allerdings abgeschaltet war, die gleichen Arbeiten ausgeführt. Schon an der auch von außen wahrnehmbaren Geräuschbildung durch die Förderbänder musste der Beklagte wissen, dass die fragliche Trocknungsanlage gerade nicht abgeschaltet war. Es liegt auf der Hand, dass bei Schweiß- und Flexarbeiten Funkenflug und heiße Metalltropfen entstehen, die durch die aufgeschnittene Außenwand nach innen gelangen konnten. Die Arbeiten waren also aus der Sicht des Beklagten ausgesprochen feuergefährlich. Er kann von Glück sagen, dass er sich zur Zeit der Explosion zufällig nicht an der Gefahrenstelle befunden hat und auch andere Personen nicht zu Schaden gekommen sind. Der Beklagte ist auch wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung verfolgt worden. Sein Einwand, der Betriebsleiter D hätte auf der schnellen Erledigung der Arbeiten bestanden, entlastet den Beklagten nicht. Damit war offenkundig nicht der Auftrag verbunden, elementare Sicherheitsmaßnahme zu unterlassen und eine Explosion der Anlage zu riskieren.

Für Schäden, die ein Arbeitnehmer grob fahrlässig verursacht, haftet er nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, grundsätzlich in vollem Umfang (BAG (GS) vom 27. September 1994 – GS 1/89 -, NZA 1994, 1086; BAG vom 15. November 2012, – 8 AZR 705/11 -, zitiert nach juris; Staudinger, BGB, 2011, § 619 a Randziffer 72 ff; Fandel/Hausch, juris PK-BGB, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Randziffer 321, jeweils m. w. N.). Der tatsächliche Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist, ohne dass am Grundsatz der grundsätzlich vollen Haftung gerüttelt wird, durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmten, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein (BAG vom 15. November 2012, a. a. O.; BAG vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09 –; BAG AP Nr. 136 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Damit können also grundsätzlich auch bei grober Fahrlässigkeit Haftungserleichterungen im Einzelfall in Betracht kommen. Ob eine Entlastung des Arbeitnehmers in Betracht zu ziehen ist und wie weit diese zu gehen hat, ist aufgrund eine Abwägung der maßgebenden Umstände zu entscheiden (§§ 286, 287 ZPO; BAG vom 15. November 2012, a. a. O.¸ BAG vom 18. Januar 2007 – 8 AZR 250/06 -, AP Nr. 15 zu § 254 BGB). Von Bedeutung kann dabei auch sein, ob der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit steht (BAG vom 12. November 1998 – 8 AZR 221/97 -, AP Nr. 117 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Die Äquivalenz von Arbeitsentgelt und Risiko kann auch bei grober Fahrlässigkeit dazu führen, dass eine Schadensteilung eintritt. Den Arbeitnehmer darf keine ruinöse Ersatzpflicht treffen (BVerfG vom 19. Oktober 1993, E 89, 214; BAG vom 12. Oktober 1989, – 8 AZR 276/88 -, BAGE 63, 127; BAG vom 28. Oktober 2010, a. a. O.; Staudinger, a. a. O. Rdz. 77).

Diese Grundsätze gelten nach Ansicht der erkennenden Kammer nicht nur für Arbeitnehmer sondern auch für arbeitnehmerähnliche Personen, jedenfalls dann, wenn sie über ihre wirtschaftliche Abhängigkeit hinaus vergleichbar einem Arbeitnehmer in einem organisierten Bereich tätig werden. Dann erscheint es geboten, dem „Arbeitgeber“ genauso wie bei seinen Arbeitnehmern das Risiko von Fehlleistungen in gewissem Umfang analog § 254 Abs. 1 BGB zuzurechnen (BGH vom 07. Oktober 1969, – VI ZR 223/97 -, AP Nr. 51 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; LAG Berlin vom 11. April 2003 – 6 Sa 2262/02 -, zitiert nach juris; Fandel/Hausch, a. a. O., Randziffer 314; MüKO ArbR/Blomeyer, 2. Auflage 2000, § 59 Rdz 68 m.w.N.).

Der Beklagte war jedenfalls arbeitnehmerähnliche Person. Die erkennende Kammer macht sich die entsprechenden Ausführungen des LG Gießen und des OLG Frankfurt am Main in den o.a. Beschlüssen zu Eigen. Er war auch vergleichbar einem Arbeitnehmer in den Betrieb des Trockenwerks in B eingegliedert. Er war, wie im Tatbestand ausgeführt, schon mehrere Jahre lang 4 Tage pro Woche für die C tätig, und zwar in der Regel von morgens bis abends. Er hatte regelmäßig auch ohne konkreten Auftrag morgens zu erscheinen. Werkzeug und Material wurden ihm gestellt. Er hatte dort – und nur dort – eine ihm zugewiesene Werkstatt und hatte auszuführen, was ihm vom Betriebsleiter oder deren „Vorgesetzten“ aufgetragen wurde. Seine Arbeiten hatte er zu dokumentieren. Ein eigenes Büro besaß er auch woanders nicht. Diese Struktur der Tätigkeit des Beklagten für die C kommt dem Soziabild einer Arbeitnehmertätigkeit jedenfalls so nahe, dass von einer vergleichbaren Eingliederung in einen organisierten Bereich gesprochen werden kann. Der Beklagte kann damit Haftungsbegrenzungen wie ein Arbeitnehmer für sich in Anspruch nehmen. Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob der Beklagte tatsächlich „nur“ arbeitnehmerähnliche Person oder nicht doch schon Arbeitnehmer im Rechtsinne war.

Die dem Beklagten somit auch zukommenden Haftungserleichterungen der Höhe nach dürfen allerdings nicht schematisch angewendet werden, etwa mit einer maximalen Belastung von höchstens drei Monatsgehältern (BAG vom 15. November 2012, a. a. O.; BAG vom 28. Oktober 2010, a. a. O.). Eine starre Haftungsobergrenze wäre auch mit der dogmatischen Herleitung der Beschränkung der Haftung im Arbeitsverhältnis nicht zu vereinbaren. Der Rechtsgedanke des § 254 BGB, der eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles erfordert, schließt feste summenmäßige Haftungsbeschränkungen aus (BAG vom 15. November 2012, a. a. O.; BAG vom 12. Oktober 1989 – 8 AZR 276/88 -, BAGE 63, 127).

Im vorliegenden Fall erscheinen nach Abwägung aller o. a. Umstände unter besonderen Berücksichtigung der Lage des Beklagten eine Haftungsbegrenzung auf 17.000,00 € angemessen, aber auch ausreichend. Sie nimmt insbesondere in Bedacht, dass der Beklagte ein schwankendes „Netto“-Gehalt zwischen 5.200,00 und 6.200,00 € pro Monat hatte, der Schaden immens war und der Beklagte bei nur mäßiger Anspannung aller geistigen Kräfte den Schaden hätte vermeiden können.

Der Haftung insoweit kann der Beklagte auch nicht mit der erhobenen Einrede der Verjährung entgehen. Die Einrede greift nicht, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend festgestellt hat.

Die Ansprüche der Klägerin sind noch nicht verjährt. Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen wollte, dass die zweijährige Verjährungsfrist des § 634 a Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 BGB einschlägig sein sollte, war die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt. Gemäß § 203 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Gemäß § 203 Satz 2 BGB tritt die Verjährung frühestens 3 Monate nach Ende der Hemmung ein.

Hier hatte die Versicherung des Beklagten noch unter dem 12. August 2010, zugegangen am 13. August 2010, angekündigt, eigene Ermittlungen anstellen zu wollen und damit den letzten außergerichtlichen Verhandlungsschritt getan. Die Zustellung des gerichtlichen Mahnbescheides erfolgte schon verjährungsunterbrechend am 11. November 2010 und mithin innerhalb von 3 Monaten nach dem letzten Verhandlungsschritt.

Der Zinsanspruch ist begründet aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286, 288 BGB).

Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits, wie mit dem Hilfsantrag beantragt, sieht das ArbGG nicht vor (§ 68 ArbGG).

Die Kosten des Rechtsstreits sind den Parteien nach Maßgabe ihres jeweiligen Unterliegens auferlegt (§ 92 ZPO). Ausgenommen sind die Kosten der Anrufung des unzuständigen Landgerichts Gießen. Diese hat die Klägerin in vollem Umfang zu tragen (§ 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG).

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Frage der Haftungsbegrenzung auch für arbeitnehmerähnliche Personen hat grundsätzliche Bedeutung.

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