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Schadensersatzanspruch bei arglistigem Verschweigen eines Werkmangels durch Unternehmer

Thüringer Oberlandesgericht –  Az.: 7 U 458/13 – Urteil vom 12.02.2014

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 06.05.2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten – rund 12 Jahre nach Abnahme – vertraglichen Schadensersatz aus Baumängeln. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, da der Anspruch infolge Organisationsverschuldens und arglistigen Verschweigens der Beklagten nicht verjährt sei. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Die Klägerin läßt sich von den gerichtsgutachterlich festgestellten Sanierungskosten von netto 70.799,00 EUR Sowiesokosten in Höhe von 33.280,13 EUR anrechnen, so dass sich die Klageforderung iHv 37.519,00 EUR ergibt.

Die Klägerin hat beantragt,

Schadensersatzanspruch bei arglistigem Verschweigen eines Werkmangels durch Unternehmer
Symbolfoto: Von M. Schuppich/Shutterstock.com

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 37.519,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.07.2011 (Rechtshängigkeit) zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten zu ersetzen, die zur Beseitigung der durch den Sachverständigen Dr. P. mit Gutachten vom 15.05.2010 einschließlich Ergänzungsgutachten vom 30.12.2010 zu den dort unter Ziffern I/1 und I/2 festgestellten Mängel erforderlich sind, soweit sie die im Gutachten festgestellten Sanierungskosten in Höhe von 70.799,00 EUR netto übersteigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Begründung des angefochtenen Klage stattgebenden Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verjährung der Gewährleistungsansprüche verneint und insoweit die Grundsätze des Organisationsverschuldens und der Arglist fehlerhaft angewandt. Hierzu reiche das Vorliegen eines auch schwer wiegenden Sachmangels nicht aus. Sie habe keine Organisationspflichten verletzt, um einen Sachmangel ihrer Bauleistungen zu erkennen. Bei der Abrechnung der unzutreffenden Zahl vom Brandschutzklappen handele es sich um einen schlichten Abrechnungsfehler. Die Klägerin sei auch in der Lage gewesen, die Mängel während laufender Verjährungsfrist selber zu erkennen. Diese Versäumnisse könnten nicht zu ihren – der Beklagten – Lasten über ein Organisationsverschulden ausgeglichen werden. Das Brandschutzkonzept sei während der Ausführung der Baumaßnahmen auch geändert worden.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511Abs. 1, 2 Nr. 1,517,519,520 ZPO). Sie ist aber in der Sache unbegründet. Denn das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB a.F.

Der Anspruch ist nicht verjährt. Das Landgericht hat eine Verjährung zu Recht wegen arglistigen Verschweigens von Mängeln verneint.

Bei einem arglistigen Verschweigen eines Mangels galt nach altem Recht eine 30-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. (Palandt/Sprau, BGB, 60. Aufl. 2001, § 638 Rn. 5).

Nach den Feststellungen des Landgericht fand die Abnahme am 14.12.1998 statt. Das wird von der Berufung nicht angegriffen, sondern bestätigt.

Das arglistige Verschweigen der Beklagten liegt darin, dass diese nach den Feststellungen des Gerichtssachverständigen Dr.-Ing. P. in dem streitgegenständlichen Bauvorhaben „J.- B“ laut Planung 30 Brandschutzklappen einzubauen hatte, tatsächlich aber nur 18 eingebaut, gleichwohl 25 abgerechnet hat. Darin liegt nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Brandschutzmangel, der zwar durch andere Baumaßnahmen hätte kompensiert werden können, tatsächlich aber nicht kompensiert worden ist.

Soweit die Beklagte die Schlussrechnung pauschal mit einem „schlichten Abrechnungsfehler“ erklärt, ohne näher zu erläutern, wie es dazu kommen konnte, reicht dies zur Verneinung von Arglist nicht aus.

Arglist setzt kein betrügerisches oder moralisch verwerfliches Verhalten voraus (vgl. BGH Urt. v. 12.04.2002, V ZR 302/00, Tz. 9; BGH NJW 1995, 1549 ff., Tz. 16). Es reicht vielmehr aus, wenn der Auftragnehmer einen Sachmangel für möglich hält und sich der Erkenntnis verschließt (Palandt/ Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. 2014, § 444 Rn. 11 Palandt/Sprau, a.a.O., § 634a Rn. 20).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte vorgetragen, sie habe einen „schlichten Abrechnungsfehler“ begangen, weil sie die Anzahl der Brandschutzklappen aus dem Leistungsverzeichnis in die Schlussrechnung übernommen habe. Darin liegt nach Ansicht des Senats eine Abrechnung „ins Blaue hinein“, die als arglistig anzusehen ist. Denn nach dem Bauvertrag, einem Einheitspreisvertrag, hatte die Beklagte unstreitig nach Aufmaß abzurechnen. Sie bestätigt das abermals in ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 22.01.2014, in welchem sie sogar ausführt, das Aufmaß habe nur 15 Brandschutzklappen ergeben. Wenn aber zu Abrechnungszwecken ein Aufmaß erstellt wird, das die genaue Anzahl der Brandschutzklappen ergibt, gleichwohl dieses Aufmaßergebnis ignoriert wird und die Anzahl von Brandschutzklappen aus dem Leistungsverzeichnis übernommen wird, so kann dies nur als arglistig beurteilt werden. Gleichzeitig wird dadurch ein Brandschutzmangel arglistig verschwiegen.

Soweit beklagtenseits vorgetragen wird, das Planungskonzept sei geändert worden, schließt dies die Arglist nicht aus. Denn es fehlt jeder Vortrag dazu, dass die geplanten 30 Brandschutzklappen auf 18 (oder 15) reduziert worden seien. Auch der Sachverständige hat hierzu keine Feststellungen treffen können, da ihm entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt worden seien (Sitzungsprotokoll vom 21.02.2013, Seite 3).

Die 30-jährige Verjährungsfrist wandelte sich ab Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 01.01.2002 nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB in eine 5-jährige Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 3 S. 2 BGB n.F. um (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 634a Rn. 21). Deren Lauf ist aber nicht in Gang gesetzt worden, weil die Beklagte den Sachmangel arglistig verschwiegen hat und die Klägerin den Sachmangel auch nicht erkennen konnte (§ 199 BGB). Die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nach § 199 BGB müssen im Falle der Umwandelung der Verjährungsfrist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB ab dem 01.01.2002 gegeben sein (Palandt/ Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, EGBGB Art. 229 § 6 Rn. 6 m.w.N.). Es war der Klägerin im Nachhinein nicht möglich zu erkennen, dass 30 Brandschutzklappen geschuldet, aber nur 18 (oder 15) eingebaut worden waren. Denn dazu hätte es eines Rückgriffs auf die Abrechnungs- und Planungsunterlagen aus dem Jahre 1998 bedurft. Es war nicht grob fahrlässig, diese Unterlagen in dem für § 199 BGB maßgeblichen Zeitpunkt nicht heranzuziehen. Die Klägerin hat dadurch nicht eine Erkenntnismöglichkeit unterlassen, die jedem einleuchten musste. Denn die Frage, dass zu wenige Brandschutzklappen eingebaut waren, stellte sich der Klägerin nicht. Erst der Sachverständige Dr.P. konnte diese Tatsache in seinem Gutachten vom 15.05.2010 ermitteln. Die Klägerin selbst vermochte aufgrund des Privatgutachtens vom 01.09.2008 (sog. „Erläuterungsbericht“ des „X“ Anlage K5, Anlagenband Blatt 67 ff.) lediglich festzustellen, dass die Brandschutzklappen fehlerhaft eingebaut waren. Dagegen konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen, dass zu wenige Brandschutzklappen eingebaut worden waren. Denn auch das Privatgutachten vermittelte den Eindruck, dass 25 Brandschutzklappen eingebaut waren (Privatgutachten, Seite 8, Anlagenband Blatt 74). Die Klägerin war nicht verpflichtet, die Brandschutzklappen zu zählen, die Abrechnungs- und Planungsunterlagen aus dem Jahre 1998 heranzuziehen und diese mit dem Zählergebnis zu vergleichen. Eine solche Frage stellte bis zur Vorlage des Gutachtens Dr. P. nicht. Auch für ihn waren die Brandschutzklappen wegen des Verbaus mit Lüftungskanälen nur schwer zu finden (Gutachten vom 15.05.2010, Seite 3 unten) und teilweise erst nach einer Bauteilöffnung zu erkennen (Gutachten Seite 21 unten, 23; Ergänzungsgutachten vom 30.12.2010, Seite 5).

Abgesehen davon hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie der Klägerin das Aufmaß zugänglich gemacht hat.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Klägerin habe im Mai 2003 eine andere Heizungs-, Klima-, Sanitär- und Rohrleitungsbaufirma gleichen Namens aus L. beauftragt, mit der Folge, dass dadurch die Baumängel für die Klägerin erkennbar gewesen seien. Denn unstreitig war die Firma nur mir der Wartung der Lüftungsanlage betraut, nicht mit der Überprüfung von Baumängeln.

Der Umstand, dass die vorhandenen Brandschutzklappen darüber hinaus fehlerhaft eingebaut waren, weil sie – wie der Sachverständige Dr. P. festgestellt hat – nicht bündig eingebaut waren, sondern zwischen Brandschutzklappe und Bauwerk ein Abstand von mehreren Zentimetern klaffte, stellt ebenfalls einen arglistig verschwiegenen Sachmangel dar. Solche Brandschutzklappen können eine Ausbreitung von Feuer und Rauch nicht verhindern (Gutachten Seite 16). Auf Seite 25 bis 32 hat der Sachverständige die Mängel im Einzelnen aufgelistet und die erforderlichen Beseitigungsmaßnahmen beschrieben. Er hat ausgeführt, dass diese Mängel in nachvollziehbarer Weise zur Sperrung des Anwesens geführt haben. In seinem Ergänzungsgutachten hat er die Mängel als gravierend und für die Beklagte überwiegend auch augenscheinlich bezeichnet (Seite 6).

Der Senat ist aufgrund des Gutachtenergebnisses der Ansicht, dass die Beklagte hier insgesamt ein Werk abgeliefert hat, dessen Mangelhaftigkeit sich ihr aufdrängte. Das reicht für die Annahme von Arglist aus (vgl. Palandt/ Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. 2014, § 444 Rn. 11 Palandt/Sprau, a.a.O., § 634a Rn. 20). Sie hätte die Kläger daher entsprechend aufklären müssen. Das Verschweigen stellt sich als arglistiges Verhalten dar. Insbesondere kannte die Beklagte das Fehlen der erforderlichen Anzahl von Brandschutzklappen, hat dies aber gegenüber der Klägerin verschwiegen und eine größere Anzahl abgerechnet.

Ein Verjährungsbeginn kann daher erst ab Vorliegen des Gutachtens Dr. P. vom 15.05.2010 angenommen werden. Die vorliegende Klage ist am 30.06.2011 eingegangen und am 20.07.2011 zugestellt worden, somit vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist. Dadurch ist der Ablauf der Verjährungsfrist rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Nimmt man einen Verjährungsbeginn – dem Landgericht folgend – für den 01.09.2008 (Vorlage des Privatgutachtens A.) an, so ergibt sich ebenfalls eine rechtzeitige Hemmung der Verjährungsfrist durch Klageerhebung.

In beiden Fällen wäre sogar die dreijährige Regelverjährungsfrist rechtzeitig gehemmt worden. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

Die Sowiesokosten sind in der Klageforderung bereits berücksichtigt.

Der nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 22.01.2014 rechtfertigt keine andere Beurteilung und gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO). Im Gegenteil: Darin führt die Beklagte aus, ihr Aufmaß habe nur 15 Brandschutzklappen ergeben, also 3 weniger als vom Sachverständigen festgestellt. Das bestärkt die Annahme von Arglist (s. oben).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 711 Satz 1,2,709 S. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht gegeben sind.

 

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