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Schadensersatzanspruch gegen Umzugsunternehmer – Beschädigung Treppenhandlauf

AG Hannover – Az.: 410 C 7473/19 – Urteil vom 25.11.2019

Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung wegen eines Umzugsschadens in Anspruch.

Die Kläger waren Mieter des Hauses belegen im S. in Hannover. Eigentümer des Mietshauses sind die Eheleute R. und P. B.

Im Juni 2018 beauftragten die Kläger die Beklagte mit der Durchführung eines Umzuges, der am 28. Juli 2018 stattfand. Hierbei verursachten die Mitarbeiter der Beklagten einen Schaden an dem Mietshaus. Die diesbezüglichen Einzelheiten sind zwischen den Parteien im Streit. Im taggleich ausgefüllten und beiderseits unterschriebenen Arbeitsschein trug der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge W. sen., unter der Rubrik „Evtl. Reklamationen/Schäden“ ein: „Treppe!“.

Am 8. Oktober 2018 wandte sich der Kläger zu 1) wegen des Umzugsschadens an die Beklagte und bezifferte diesen mit € 1.951,60 für einen zu reparierenden Treppenhandlauf. Es folgte weitere Korrespondenz zwischen dem ehemaligen Vermieter der Kläger, dem Zeugen B., und dem Versicherer der Beklagten, der gegenteilig von einer fingernagelgroßen Kerbe im Parkett vor der Treppe im Obergeschoss als Schaden ausging.

Mit Anwaltsschreiben vom 23. April 2019 forderten die Kläger die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz auf, was die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 26. April 2019 zurückwies.

Die Kläger behaupten, ein Mitarbeiter der Beklagten habe beim Heruntertragen von Mobiliar das ungeschützte Treppengeländer des Mietshauses in Gestalt eines – an sich unstreitigen – länglichen Kratzers an der oberen Kante des Handlaufs beschädigt. Dieser Schaden sei noch am Umzugstag mit dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen W. sen., besprochen und von diesem im Arbeitsschein mit „Treppe!“ vermerkt worden. Den Hauseigentümern sei ein Schaden in Höhe von € 1.951,60 entstanden, den sie gegenüber den Klägern geltend gemacht und weswegen sie die – unstreitig geleistete – Mietkaution der Kläger in entsprechender Höhe einbehalten hätten.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Kläger – € 1.951,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. hilfsweise zu 1. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von der Schadensersatzforderung der Eheleute R. und P. B. in Höhe von € 1.951,60 freizustellen;

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von € 309,40 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei dem Umzug sei durch den Mitarbeiter W. jun. nur eine – an sich unstreitige – geringfügige Einkerbung im Parkett vor dem Treppenabsatz verursacht worden. Der Zeuge W. sen. habe allein diesen Schaden mit dem Vermerk „Treppe!“ im Arbeitsschein vermerkt, nicht aber einen – bestrittenen – umzugsbedingten Schaden am Treppengeländer.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 17. Juni 2019 zugestellt worden. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B. und W. sen. Zudem hat das Gericht den Kläger zu 1) persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober 2019 verwiesen. Wegen des Vortrages im Übrigen und Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist dem Grunde nach begründet.

I. Die Kläger haben als Gesamtgläubiger gegen die Beklagte einen umzugsvertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung aus den §§ 280 Abs. 1, 278, 241 Abs. 2, 249, 428 BGB, 451, 428 HGB wegen zu vertretender Beschädigung des Treppenhandlaufs in dem Mietshaus S., Hannover.

Schadensersatzanspruch gegen Umzugsunternehmer - Beschädigung Treppenhandlauf
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 kann der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB (nur dann) nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Diese Anspruchsgrundvoraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

1. Das allgemeine bürgerlich-rechtliche Leistungsstörungsrecht ist vorliegend anwendbar. Insbesondere werden die §§ 280 ff. BGB nicht durch die besonderen Bestimmungen zur Haftung des Umzugsunternehmers nach den §§ 451, 425 ff. HGB verdrängt (vgl. nur Koller, Transportrecht, 9. Aufl. 2016, § 407 HGB Rn. 106). Diese Vorschriften betreffen die (Obhuts-)Haftung für Güterschäden, um die es hier nicht geht. Die Kläger machen Schadensersatz wegen eines Schadens am Umzugsgut nicht geltend.

2. Die Parteien sind durch ein Schuldverhältnis verbunden. Sie haben unstreitig im Juni 2018 einen Umzugsvertrag im Sinne von § 451 HGB geschlossen.

3. Die Beklagte hat eine ihr aus dem Umzugsvertrag obliegende Nebenpflicht verletzt.

a) Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Hieraus ist auch für den Bereich der Umzugsverträge die Schutzpflicht des Umzugsunternehmers abzuleiten, nicht nur keine Schäden am Umzugsgut (§§ 451, 425 HGB), sondern auch nicht an sonstigen Gütern des Absenders/Empfängers zu verursachen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1991, I ZR 299/89, Rn. 22 f. – juris; Koller, Transportrecht, 9. Aufl. 2016, § 407 HGB Rn. 106).

b) Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, indem am Umzugstag des 28. Juli 2018 der Handlauf der Treppe im Auszugsobjekt in Form eines länglichen Kratzers mit Abschabung der Farb-/Lackschicht durch einen ihrer eingesetzten Mitarbeiter beschädigt wurde. Dies ist nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und insbesondere dem Ergebnis der Beweisaufnahme zugunsten der Kläger festzustellen.

aa) Allerdings haben die Kläger auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass die Mitarbeiter der Beklagten den Treppenhandlauf wie behauptet beschädigt haben. Die Beweislast für die Feststellung der Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB trifft nach allgemeinen Grundsätzen den Anspruchssteller (vgl. nur Ernst in: Münchener Kommentar z. BGB, 8. Aufl. 2019, § 280 Rn. 151), hier also die Kläger.

aaa) Eine entsprechende Überzeugung vermag sich das Gericht nicht allein auf Grundlage des schriftsätzlichen Vortrages der Kläger und der Anhörung des Klägers zu 1) bilden, was zivilprozessual entgegen der Ansicht der Beklagten aber möglich wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 27.09.2017, XII ZR 48/17, Rn. 12 – juris; ausführlich hierzu aus neuerer Zeit Kockentiedt/Windau, NJW 2019, 3348 f.).

Zwar ist der Klagevortrag in sich plausibel. Die vermeintlichen Ungereimtheiten, die die Beklagte in ihrem Stellungnahmeschriftsatz vom 4. November 2019 anführt, sieht das Gericht nicht. Insbesondere hat der Kläger zu 1) in seiner Anhörung nicht angegeben, erst abends durch das Auszugsobjekt gegangen und den (hinsichtlich der Verursachung streitigen) Schaden am Handlauf gesehen zu haben. Dies ergibt sich schon aus dem angegebenen Zeitpunkt der entsprechenden Fotoaufnahme des beschädigten Handlaufs mit dem Smartphone des Klägers zu 1) um 10:34 Uhr. Auch stößt es nicht auf Verwunderung, dass der Kläger zu 1) den entdeckten Schaden nicht sofort, sondern erst bei der Endabrechnung gemeldet haben will, da er im Zeitpunkt der Entdeckung nach seiner Schilderung allein im Auszugsobjekt war. Die Umzugskolonne soll bereits in Richtung Bezugsobjekt abgezogen gewesen sein.

Die Darlegung des Sachverhalts durch den Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung war auch durchaus glaubhaft, weil flüssig, plastisch und detailliert. Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine Lüge handeln könnte. Schließlich hat der Kläger zu 1) in persönlicher Hinsicht einen aufrichtigen, d.h. glaubwürdigen Eindruck auf das Gericht gemacht.

Durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Darstellung weckt allerdings die Aussage des von der Beklagten benannten Zeugen W. sen. Dieser hat im offenen Widerspruch zu den Angaben des Klägers zu 1) bekundet, dass über den Handlauf der Treppe niemals gesprochen und diesbezüglich ihm auch kein gefertigtes Foto vorgezeigt worden sei. Vielmehr habe er dem Kläger zu 1) ein von ihm selbst gefertigtes Foto einer Einkerbung im Parkett im direkten Bereich vor der Treppe im Obergeschoss gezeigt. Zu diesem Schaden sei es gekommen, weil sein Sohn W. jun., als Mitglied der Umzugskolonne, auf einem nicht richtig befestigten Abdeckkarton auf einer der Treppenstufen ausgerutscht und ihm deswegen Bretter aus der Hand auf den Boden gefallen seien. Allein über diese Einkerbung sei daher mit dem Kläger zu 1) gesprochen und nur dieser Schaden sei mit der Bezeichnung „Treppe!“ im Arbeitsschein aufgenommen worden. Die Bezeichnung „Treppe“ habe er gewählt, weil für ihn der Parkettbereich vor der Treppe noch zur Treppe selbst gehört habe. Weil der Kläger zu 1) ihn auf seinen pedantisch genauen Vermieter hingewiesen gehabt habe, habe er auch noch ein Ausrufezeichen hinzugefügt.

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Letzteres ist, wie die Kläger in ihrem Stellungnahmeschriftsatz vom 5. November 2019 zutreffend bemerken, wenig nachvollziehbar. Wenn klar war, dass der Schaden für den Vermieter möglichst genau zu beschreiben ist, so war mit dem Ausrufezeichen hinter dem Wort „Treppe“ nichts gewonnen. Dies zumal schon das Wort „Treppe“ in Bezug auf den Parkettschaden vor der Treppe objektiv betrachtet unzutreffend war und es gerade für einen Mitarbeiter eines Umzugsunternehmens wenig naheliegt, einen Parkettschaden als Treppenschaden aufzunehmen. Zu bemerken ist weiter, dass der Zeuge W. sen. hinsichtlich der Verursachung des Schadens am Treppenhandlauf keine konkreten Angaben hat machen können, sondern nur angegeben hat, dass regelhaft von seiner Umzugskolonne Handläufe mit Decken geschützt werden. Wahrnehmungen zum Zustand des Handlaufs habe er nicht, obgleich er auch ausgesagt hat, bei den Umzugsörtlichkeiten auf Vorschäden zu achten, um späteren leidigen Diskussionen vorzubeugen. In der Aussage des Zeugen W. sen. sind demnach beachtliche logische Brüche zu beachten, die seine Aussage wenig glaubhaft machen.

Damit ist aber nicht gesagt, dass seine Aussage völlig unglaubhaft ist. Der Zeuge hat die von ihm erwähnten selbst gefertigten Fotos des Parkettschadens auf seinem Smartphone im Rahmen seiner Vernehmung tatsächlich vorzeigen können. Es konnte festgestellt werden, dass die Fotos am Umzugstag um 09:22 Uhr aufgenommen wurden. Diesbezügliche Manipulationen sind aufgrund der Spontaneität des etwas längeren Heraussuchens der Fotos bei laufender Zeugenvernehmung nicht anzunehmen. Denkbar wäre allein, dass der Zeuge W. sen. den Parkettschaden vorab im Zuge seiner üblichen Arbeitsweise fotografiert hatte, nämlich zur Dokumentation von Vorschäden. In der Konfrontationssituation mit dem Kläger zu 1) bei der Endabrechnung könnte er als erfahrener Umzugsmitarbeiter „schnell geschaltet“ und einen schwammigen Begriff im Arbeitsschein eingetragen haben, um sich, zugunsten der Beklagten, später in Ungereimtheiten zu flüchten. Dagegen spricht allerdings, dass auf dem zweiten vorgezeigten Foto des Zeugen, welches nicht zur Gerichtsakte gereicht worden ist, tatsächlich nicht nur die Kerbe im Parkett zu sehen war, sondern auch eine nicht abgedeckte Treppenstufe (mit kleinen weißen Flecken/Punkten). Gerade dieses Detail stimmt aber mit der übrigen Aussage des Zeugen zu einem Ausrutschen auf einem losen Abdeckkarton seines Sohnes überein. Überhaupt wäre es nur begrenzt sinnhaft, den Schaden am Handlauf damit zu leugnen, dass ein Schaden am Parkett verursacht wurde. Auch wenn die Schadstellen von unterschiedlicher Größe sind, so ist der Unterschied doch nicht gravierend. Das Nachlackieren eines Handlaufes auf einer Länge von wenigen Zentimetern ist nicht evident kostspieliger als die Ausbesserung eines kleinen Parkettschadens.

bbb) Beweis für die klägerische Behauptung zur Schadensursache erbringt auch nicht der (in Kopie) eingereichte, beiderseits unterzeichnete Arbeitsschein.

Urkundsbeweislich besitzt die Unterschrift des Zeugen W. sen. zwar formelle Beweiskraft. Sie erbringt gemäß §§ 416, 440 Abs. 2 ZPO vollen Beweis für die Abgabe der im Arbeitsschein über der Unterschrift enthaltenen Erklärungen, insbesondere in Bezug auf die vor dem Unterschriftenfeld stehenden Sätze „Der Empfang des Transportgutes wird hiermit bescheinigt. Vom Empfängerhinweis habe ich Kenntnis genommen.“. Die Eintragung zum Schadensort („Treppe!“) liegt freilich unterhalb des Unterschriftenfeldes. Darauf kommt es im Streitfall indes nicht an, weil die Tatsache der Eintragung des Vermerks „Treppe!“ durch den Zeugen W. sen. zwischen den Parteien nicht im Streit steht.

Ob die in dem Arbeitsschein enthaltene Erklärung auch inhaltlich richtig ist, was zwischen den Parteien tatsächlich streitig ist, richtet sich nicht nach § 416 ZPO (vgl. nur Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 416 Rn. 4). Insofern kann für den Arbeitsschein, der in Bezug auf das Reklamationsfeld und den hiesigen sonstigen Schaden keine (unnötige) Schadensanzeige der Kläger nach § 451f HGB darstellt, sondern eine von der Beklagten als Umzugsunternehmerin gefertigte Ergänzung zur Ablieferungsquittung der Kläger ist, nichts anderes als für die materielle Beweiskraft einer Empfangsbestätigung als Übernahmequittung des Frachtführers gelten. Diese hängt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ebenso wie die materielle Beweiskraft einer Quittung im Sinne von § 368 BGB von den Umständen des Einzelfalls ab, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung und ist nicht nur dem Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO), sondern schon dem Gegenbeweis, durch den die Überzeugung des Gerichts von ihrer inhaltlichen Richtigkeit erschüttert wird, zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.2014, I ZR 109/13, Rn. 21; Urt. v. 14.04.1978, V ZR 10/77, Rn. 7 – juris).

Nach diesem Rechtsmaßstab ist der Vermerk am Ende des Arbeitsscheins einerseits objektiv dahin zu würdigen, dass ein Schaden an der Treppe und nicht am Parkett bescheinigt wird. Andererseits hat die Beklagte nach den obigen Ausführungen zur durchgeführten Beweisaufnahme, auf die verwiesen wird, den Gegenbeweis geführt, dass die Eintragung „Treppe!“ missglückt sein und tatsächlich den Parkettschaden bezeichnen könnte.

ccc) Ob unter den Umständen dieses Streitfalls in Abweichung von dem dargestellten Rechtsmaßstab die Führung des Gegenbeweises ungenügend ist, braucht nicht entschieden zu werden. Daran zu denken ist deswegen, weil es vorliegend allein um die Auslegung der Eintragung im Arbeitsschein (der Ablieferungsquittung) geht. Für den Bereich der Urkunden über Rechtsgeschäfte ist anerkannt, dass die Partei, die sich zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten oder zur Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände beruft, die Beweislast für deren Vorliegen trifft (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1999, V ZR 353/97, Rn. 8 – juris). Dies geht auf den Erfahrungssatz zurück, dass vertragliche Urkunden wohl überlegt aufgesetzt werden, was die tatsächliche Vermutung ihrer inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit begründet (vgl. nur BGH, Urt. v. 05.07.2002, V ZR 143/01, Rn. 7 – juris; Schreiber in: Münchener Kommentar z. ZPO, 5. Aufl. 2016, § 416 Rn. 10). Die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Auslegung von Quittungen kann aus nachfolgendem Grund dahinstehen.

bb) Die trotz Beweisaufnahme verbliebene Sachverhaltsunklarheit zur Verursachung des Schadens am Handlauf der Treppe (non liquet) geht entgegen der Ansicht der Beklagten unter den zu beachtenden besonderen Umständen des Streitfalles nicht zulasten der Kläger. Vielmehr muss sich die Beklagte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der eigenen Eintragung im Arbeitsschein und dem sich daraus ergebenden objektiven Erklärungsgehalt festhalten lassen.

Bezüglich Übernahmequittungen entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, diesen eine widerlegliche Vermutungswirkung zuzuschreiben, wenn der Frachtführer oder ein von ihm eingeschalteter Erfüllungsgehilfe eine Quittung ausstellt, ohne eine bestehende Kontrollmöglichkeit wahrzunehmen. In solchen Fällen kann er sich nicht später auf das blinde Abzeichnen der Quittung berufen, weil dies entgegen den Geboten von Treu und Glauben widersprüchliches Verhalten darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 22.05.2014, I ZR 109/13, Rn. 25 – juris).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist diese Wertung auf den hiesigen Fall zu übertragen. Nimmt der Umzugsunternehmer einen seinem Auftraggeber günstigen Vorbehalt im Arbeitsschein, der eine Ablieferungsquittung des Auftraggebers enthält, selbst oder durch seinen Erfüllungsgehilfen auf, verhält er sich entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprüchlich, wenn er sich trotz Möglichkeit zur anfänglichen präzisen Formulierung im Nachhinein auf einen dem objektiven Wortlaut entgegenstehenden Sinn des eingetragenen und selbst nach seiner Darlegung irreführenden Vorbehalts beruft.

Dafür spricht nicht nur, dass der Ablieferungsquittung ebenso wie der Übernahmequittung große Bedeutung im Transportwesen zukommt, sondern auch, dass der Auftraggeber durch ein solches Verhalten regelhaft abgehalten wird, Beweise zu sichern. Erteilt er keine reine Quittung, sondern wird für ihn durch den Umzugsunternehmer ein Vorbehalt eingetragen, darf er davon ausgehen, alles Nötige getan zu haben, um seine Rechtsposition einstweilen zu wahren. Dies zumal aus seiner Perspektive der Sachverhalt unstreitig erscheint. Ändert sich dies später, können entsprechende Beweisnöte nicht zu seinen Lasten gehen. Vielmehr muss es in einer derartigen Konstellation Sache des Umzugsunternehmens sein, zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen, dass die vom objektiven Wortlaut des Vorbehalts abweichende Bedeutung zutreffend ist. Diesen (Voll-)Beweis hat die Beklagte, wie oben dargetan, nicht geführt.

4. Das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung wird zulasten der Beklagten vermutet. Ein Verschulden ihrer Mitarbeiter ist ihr nach §§ 428 HGB, 278 BGB zuzurechnen. Entlastungsvortrag nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sie nicht gehalten.

5. Als Rechtsfolge schuldet die Beklagte gemäß § 249 Abs. 1 BGB Schadensersatz.

In Fällen der hier vorliegenden Art hat der Auftraggeber als Wohnungsmieter bereits dann einen Vermögensschaden, wenn er mit einem Schadensersatzanspruch seines Vermieters aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535, 538 BGB belastet ist, wie es auch für den Fall der dem Mieter im Verhältnis zu seinem Vermieter zuzurechnenden Schadensverursachung durch das vom Mieter beauftragte Umzugsunternehmen anerkannt ist (vgl. dazu RG, Urt. v. 02.01.1923, III 151/22 = RGZ 106, 133 ff.; Blank in: Blank/Börstinghaus, 5. Aufl. 2017, Miete, § 538 Rn. 19).

So liegt es auch hier. Zur Überzeugung des Gerichts steht nach § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass der ehemalige Vermieter der Kläger diese auf Schadensersatz wegen des Treppenschadens in Anspruch nimmt. Dies hat der vernommene Zeuge B., der ehemalige Vermieter, glaubhaft bestätigt. Belegt wird dies durch den unstreitigen Umstand, dass nicht die Kläger, sondern der Zeuge B. selbst die maßgebliche Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten geführt hat. Wie die Beweisaufnahme erbracht hat, dürfte dies auf den Umstand zurückzuführen sein, dass der Zeuge B. von Beruf Rechtsanwalt ist. Gründe, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen B. zu zweifeln, gibt es keine.

II. Nach alledem ist die Begründetheit der Klage dem Grunde nach durch Grundurteil festzustellen (§ 304 ZPO). Mit welchem Inhalt auf Rechtsfolgenseite (Zahlungs- oder Freistellungsanspruch) und in welcher Höhe (Umfang der erforderlichen Reparaturkosten) der Anspruch besteht, ist im Betragsverfahren zu klären. Selbiges gilt für die Frage, in welchem Umfang den Klägern Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zusteht und in welchem Umfang die Beklagte Zinsen schuldet.

III. Eine Kostenentscheidung ist im Grundurteil ebenso wenig veranlasst wie ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

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