Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Schadensersatzansprüche von Anwohnern: Infraschall durch Windkraftanlagen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Was bedeutet das Urteil für Sie?
- Benötigen Sie Hilfe?
- Ab welcher Entfernung zu Windkraftanlagen können Anwohner rechtliche Ansprüche wegen Infraschall geltend machen?
- Welche Beweise benötigen Betroffene vor Gericht für den Nachweis gesundheitlicher Schäden durch Infraschall?
- Wie können Immobilienbesitzer eine Wertminderung ihrer Grundstücke durch Windkraftanlagen rechtlich geltend machen?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Anwohner vor der Errichtung von Windkraftanlagen?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Anwohner vor der Errichtung von Windkraftanlagen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Paderborn
- Datum: 11.11.2019
- Aktenzeichen: 3 O 172/19
- Verfahrensart: Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Immissionsschutzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümer eines Grundstücks auf dem er einen Wohnsitz und Pensionsbetrieb betreibt. Der Kläger argumentiert, dass die von den Windenergieanlagen der Beklagten ausgehenden Emissionen eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks darstellen und gesundheitliche Probleme verursachen, weswegen er eine Entschädigung verlangt.
- Beklagte: Betreiberin von sieben Windenergieanlagen. Die Beklagte lehnt die Ansprüche des Klägers ab und argumentiert, dass die Anlagen ordnungsgemäß genehmigt wurden und keine wissenschaftlich fundierten Beweise für gesundheitsschädliche Infraschallimmissionen durch die Anlagen existieren.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger forderte eine Entschädigung für die Beeinträchtigung seines Grundstücks durch Infraschall von Windenergieanlagen der Beklagten. Er behauptete, die Emissionen führten zu Gesundheitsproblemen und minderten den Wert seines Grundstücks und Pensionsbetriebs.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob Infraschall von Windenergieanlagen ausreichend schädlich ist, um eine Entschädigung zu rechtfertigen, trotz vorhandener Genehmigungen der Anlagen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen.
- Begründung: Der Kläger konnte nicht beweisen, dass die Infraschallimmissionen durch die Windenergieanlagen eine wesentliche Beeinträchtigung oder gesundheitliche Gefahr darstellen. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse unterstützen die Annahme nicht, dass Infraschall von Windenergieanlagen bei der gegebenen Entfernung relevante Gesundheitsrisiken hervorruft.
- Folgen: Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil verdeutlicht, dass ohne wissenschaftlich anerkannte Beweise für eine schädliche Wirkung von Infraschall kein Anspruch auf Schadensersatz besteht, selbst wenn Immissionen vorhanden sind.
Schadensersatzansprüche von Anwohnern: Infraschall durch Windkraftanlagen im Fokus
Die Nutzung von Windkraftanlagen zur Energiegewinnung hat in den letzten Jahren zugenommen. Trotz ihrer umweltfreundlichen Vorteile gibt es jedoch Bedenken hinsichtlich der möglichen Gesundheitsauswirkungen von Infraschall. Dieser niederfrequente Schall, der von Windkraftanlagen ausgeht, kann bei Anwohnern zur Lärmbelastung führen und in einigen Fällen sogar starre Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Im Kontext des Immissionsschutzes und des Lärmschutzes stellt sich die Frage, inwieweit Betroffene einen Rechtsanspruch auf Entschädigung haben.
Angesichts der wachsenden Zahl an Klagen gegen Windkraftanlagen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Nachweispflicht in Bezug auf Infraschall von besonderem Interesse. In der folgenden Analyse wird ein aktuelles Gerichtsurteil vorgestellt, das sich mit den Schadensersatzansprüchen von Anwohnern im Zusammenhang mit Windkraftanlagen befasst und die rechtlichen Herausforderungen verdeutlicht.
Der Fall vor Gericht
Klage wegen Infraschall von Windenergieanlagen scheitert vor dem Landgericht Paderborn
Ein Grundstückseigentümer aus C ist mit seiner Klage auf Entschädigung wegen Infraschallimmissionen durch Windenergieanlagen vor dem Landgericht Paderborn gescheitert. Der Kläger, der auf seinem Grundstück ein Wohnhaus und einen Pensionsbetrieb betreibt, hatte von der Betreiberin von sieben Windenergieanlagen eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro gefordert.
Vorwurf gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Infraschall
Die nächstgelegene Anlage des Windparks befindet sich in einer Entfernung von 2.321 Metern zum Wohngrundstück des Klägers. Nach seinen Angaben kam es bei entsprechenden Windrichtungen und Umgebungsbedingungen zu erheblichen gesundheitlichen Beschwerden. Er und seine Familie litten unter Störungen der Nachtruhe, Herzrasen, Druck auf den Ohren, Kopfschmerzen sowie innerer Unruhe. Diese Symptome seien erst nach Errichtung der Windenergieanlagen aufgetreten. Auch sein Pensionsbetrieb sei durch die Beeinträchtigungen geschädigt worden.
Wissenschaftliche Erkenntnislage zu Infraschall
Das Gericht setzte sich intensiv mit der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnislage zu Infraschallimmissionen auseinander. Zwar sei unstreitig, dass Windenergieanlagen Infraschall emittieren und dieser auch messbar sei. Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft liegen die Infraschallpegel jedoch bereits im Nahbereich von 150 bis 300 Metern deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle. Das Gericht verwies auf Auswertungen verschiedener Landesbehörden, wonach in größerer Entfernung auftretende Infraschallgeräusche maßgeblich durch den Wind selbst verursacht werden.
Begründung der Klageabweisung
Das Landgericht wies die Klage vollumfänglich ab. Nach Auffassung der Richter hatte der Kläger nicht ausreichend dargelegt und bewiesen, dass von den Windkraftanlagen in nennenswerter Weise beeinträchtigende Immissionen ausgehen. Der Vortrag des Klägers basiere im Wesentlichen auf Hypothesen und Forschungsansätzen, die noch nicht zu gesicherten Erkenntnissen geführt hätten. Die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen von Anliegern anderer Windkraftanlagen könnten keinen Nachweis erbringen, dass die geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerade auf Infraschallimmissionen zurückzuführen seien.
Keine Grundlage für Beweisaufnahme
Ein Sachverständigengutachten hielt das Gericht nicht für erforderlich. Bei dem gegebenen wissenschaftlichen Erkenntnisstand könne ein Sachverständiger nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen, ob und inwieweit Infraschallimmissionen die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auslösen können. Ein Sachverständigengutachten in einem Zivilrechtsstreit sei nicht mit einem Forschungsauftrag gleichzusetzen, der das Spektrum der wissenschaftlichen Kenntnis erweitern solle.
Die Schlüsselerkenntnisse
Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand sind keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Infraschall von Windenergieanlagen nachweisbar. Das Gericht sieht keine ausreichende Grundlage für Schadensersatzansprüche wegen Infraschallimmissionen, da selbst im Nahbereich von 150-300 Metern die Werte deutlich unter der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegen. Subjektiv empfundene gesundheitliche Beschwerden reichen für einen Schadensersatzanspruch nicht aus, solange kein wissenschaftlich gesicherter Zusammenhang mit dem Infraschall der Windenergieanlagen besteht.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie in der Nähe von Windenergieanlagen wohnen und gesundheitliche Beschwerden auf den Infraschall zurückführen, werden Sie vor Gericht mit einer Schadensersatzklage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Auch wenn Sie subjektiv Symptome wie Schlafstörungen oder Kopfschmerzen wahrnehmen, müssen Sie für einen erfolgreichen Prozess wissenschaftlich nachweisen können, dass diese konkret durch den Infraschall der Windenergieanlagen verursacht werden. Diese Beweisführung ist nach aktuellem Forschungsstand praktisch unmöglich. Eidesstattliche Versicherungen von anderen Anwohnern oder der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bau der Anlagen und dem Auftreten der Beschwerden reichen als Beweise nicht aus.
Benötigen Sie Hilfe?
Wenn Sie von gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Nähe von Windenergieanlagen betroffen sind, stehen Sie vor komplexen rechtlichen Herausforderungen. Die Durchsetzung Ihrer Interessen erfordert eine fundierte Analyse der individuellen Situation und das Aufzeigen möglicher Handlungsoptionen. Unsere spezialisierten Anwälte verfügen über langjährige Erfahrung im Umgang mit Immissionsschutzrecht und begleiten Sie mit rechtlicher Expertise. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Ab welcher Entfernung zu Windkraftanlagen können Anwohner rechtliche Ansprüche wegen Infraschall geltend machen?
Rechtliche Ansprüche wegen Infraschall von Windkraftanlagen sind in der Praxis äußerst schwer durchsetzbar. Das Oberlandesgericht Hamm hat in zwei wegweisenden Urteilen Schadensersatzansprüche von Anwohnern abgewiesen, deren Grundstücke etwa zwei Kilometer von Windenergieanlagen entfernt lagen.
Wissenschaftliche Grundlagen für Ansprüche
Die theoretisch bestimmbaren Schalldruckpegel des Infraschalls liegen bereits bei Abständen zwischen 150 und 300 Metern deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle. Ab einer Entfernung von etwa 300 Metern beeinflussen Windenergieanlagen den Geräuschpegel im Infraschall-Bereich nicht mehr nachweisbar.
Rechtliche Bewertung
Die Gerichte stützen ihre Entscheidungen auf folgende Erkenntnisse:
Der von Windenergieanlagen ausgehende Infraschall liegt bei üblichen Abständen um mehrere Größenordnungen unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle. Selbst bei Entfernungen von etwa zwei Kilometern konnten Gerichte keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch Infraschall feststellen.
Gesetzliche Mindestabstände
Die bundesweiten Mindestabstände variieren je nach Bundesland:
Grundsätzlich gilt ein Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebieten. In Bayern wird die 10H-Regel angewendet, wonach der Abstand mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen muss. In Baden-Württemberg beträgt der gesetzliche Mindestabstand 700 Meter für Wohngebiete.
Wenn Sie ein Grundstück in der Nähe einer Windkraftanlage besitzen, müssen Sie für einen erfolgreichen Anspruch konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen nachweisen können, die eindeutig auf den Infraschall der Windkraftanlage zurückzuführen sind. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt jedoch, dass solche Nachweise bei den üblichen Abständen kaum zu erbringen sind.
Welche Beweise benötigen Betroffene vor Gericht für den Nachweis gesundheitlicher Schäden durch Infraschall?
Wenn Sie vor Gericht gesundheitliche Schäden durch Infraschall von Windkraftanlagen geltend machen möchten, müssen Sie zwei zentrale Aspekte nachweisen: Die tatsächliche Existenz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren kausale Verbindung zum Infraschall der Windkraftanlage.
Medizinische Nachweise
Die bloße Behauptung gesundheitlicher Probleme reicht nicht aus. Sie müssen Ihre gesundheitlichen Beschwerden durch ärztliche Dokumentation objektiv belegen. Typische Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Schlafstörungen oder Tinnitus sollten medizinisch diagnostiziert und dokumentiert sein.
Kausalitätsnachweis
Der schwierigste Teil der Beweisführung ist der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Ihren Beschwerden und dem Infraschall. Eidesstattliche Versicherungen von anderen Anwohnern oder der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Symptome und der Errichtung der Windkraftanlage werden von Gerichten nicht als ausreichender Beweis anerkannt.
Wissenschaftliche Anforderungen
Die Gerichte verlangen wissenschaftlich fundierte Nachweise. Dabei gilt:
- Messungen der Infraschallbelastung auf Ihrem Grundstück müssen durch qualifizierte Sachverständige durchgeführt werden.
- Die gemessenen Werte müssen nachweislich über den normalen Umgebungswerten liegen.
- Der wissenschaftliche Nachweis der gesundheitsschädigenden Wirkung muss durch aktuelle Studien belegt sein.
Die Rechtsprechung geht derzeit davon aus, dass Infraschall von Windkraftanlagen bei einem Abstand von mehr als 500 Metern grundsätzlich keine gesundheitlichen Schäden verursacht. Wenn Sie in größerer Entfernung wohnen, müssen Sie besonders stichhaltige wissenschaftliche Beweise für eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorlegen.
Wie können Immobilienbesitzer eine Wertminderung ihrer Grundstücke durch Windkraftanlagen rechtlich geltend machen?
Nachweisbare Wertminderung
Die Höhe der Wertminderung einer Immobilie hängt maßgeblich von der Entfernung zur Windkraftanlage ab. Bei einem Abstand von 300 Metern beträgt die durchschnittliche Wertminderung etwa 25 Prozent, bei 1.000 Metern circa 8 Prozent und bei 2.000 Metern noch etwa 5 Prozent.
Rechtliche Durchsetzung
Die zivilrechtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Wertminderung gestaltet sich in Deutschland äußerst schwierig. Wenn Sie bereits im Verwaltungsgerichtsprozess gegen die Genehmigung der Windkraftanlage unterlegen sind, können Sie später keine zivilrechtlichen Ansprüche mehr geltend machen.
Voraussetzungen für Ansprüche
Für die erfolgreiche Geltendmachung einer Wertminderung müssen Sie objektiv nachweisbare Beeinträchtigungen belegen. Eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung des Grundstücks muss nach objektiven Gesichtspunkten vorliegen – persönliche Empfindungen spielen dabei keine Rolle.
Beweisführung
Die Beweislast für eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung liegt bei Ihnen als Grundstückseigentümer. Dabei müssen Sie:
- Die Wertminderung durch ein qualifiziertes Gutachten nachweisen
- Konkrete Beeinträchtigungen wie Lärmbelastung oder Schattenwurf dokumentieren
- Grenzwertüberschreitungen von mehr als 10 dB(A) über den zulässigen Richtwerten belegen
Die Gerichte erkennen dabei nur messbare und nachweisbare Beeinträchtigungen an. Theoretische Befürchtungen oder subjektive Einschätzungen reichen für einen Schadensersatzanspruch nicht aus.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Anwohner vor der Errichtung von Windkraftanlagen?
Als Anwohner können Sie bereits im Planverfahren und später im Genehmigungsverfahren aktiv werden, um Ihre Interessen zu wahren.
Vorgehen im Planverfahren
Das Planverfahren ist der erste wichtige Ansatzpunkt. Hier werden durch Landes- und Regionalplaner die grundlegenden Entscheidungen über Windeignungsgebiete getroffen. In dieser Phase können Sie entgegenstehende Belange wie Naturschutz, Artenschutz, Schallschutz oder private Belange einbringen.
Einwendungen im Genehmigungsverfahren
Im nachfolgenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren können Sie als betroffener Nachbar Ihre Einwendungen vorbringen. Relevant sind dabei insbesondere:
- Unzulässige Schallimmissionen
- Schattenwurf
- Optisch bedrängende Wirkung
- Abstände zur Wohnbebauung
- Gefährdung durch Eiswurf
Rechtliche Stellung als Nachbar
Der Begriff des betroffenen Nachbarn ist bei Windkraftanlagen weit gefasst. Sie gelten als betroffener Nachbar, wenn Sie von den Immissionen der Windkraftanlage betroffen sein können – auch wenn Ihr Grundstück nicht direkt angrenzt.
Die Genehmigungsbehörde prüft dabei streng die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm. Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn diese Richtwerte eingehalten werden. Bei Infraschall haben aktuelle Gerichtsentscheidungen bestätigt, dass bei Einhaltung üblicher Abstände keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
Nach der Genehmigungserteilung haben Sie als betroffener Nachbar die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch oder Klage zu erheben. Da die Genehmigung sofort vollziehbar ist, können Sie zusätzlich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen, um den Baubeginn zu verhindern.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Anwohner vor der Errichtung von Windkraftanlagen?
Als Anwohner können Sie bereits im Planverfahren und später im Genehmigungsverfahren aktiv werden, um Ihre Interessen zu wahren.
Vorgehen im Planverfahren
Das Planverfahren ist der erste wichtige Ansatzpunkt. Hier werden durch Landes- und Regionalplaner die grundlegenden Entscheidungen über Windeignungsgebiete getroffen. In dieser Phase können Sie entgegenstehende Belange wie Naturschutz, Artenschutz, Schallschutz oder private Belange einbringen.
Einwendungen im Genehmigungsverfahren
Im nachfolgenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren können Sie als betroffener Nachbar Ihre Einwendungen vorbringen. Relevant sind dabei insbesondere:
- Unzulässige Schallimmissionen
- Schattenwurf
- Optisch bedrängende Wirkung
- Abstände zur Wohnbebauung
- Gefährdung durch Eiswurf
Rechtliche Stellung als Nachbar
Der Begriff des betroffenen Nachbarn ist bei Windkraftanlagen weit gefasst. Sie gelten als betroffener Nachbar, wenn Sie von den Immissionen der Windkraftanlage betroffen sein können – auch wenn Ihr Grundstück nicht direkt angrenzt.
Die Genehmigungsbehörde prüft dabei streng die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm. Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn diese Richtwerte eingehalten werden. Bei Infraschall haben aktuelle Gerichtsentscheidungen bestätigt, dass bei Einhaltung üblicher Abstände keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
Nach der Genehmigungserteilung haben Sie als betroffener Nachbar die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch oder Klage zu erheben. Da die Genehmigung sofort vollziehbar ist, können Sie zusätzlich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen, um den Baubeginn zu verhindern.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Immission
Eine Immission bezeichnet die Einwirkung von Störfaktoren (wie Lärm, Schall, Gerüche oder Schadstoffe) auf Menschen, Tiere, Pflanzen oder Sachgüter am Ort ihres Auftretens. Im Gegensatz zur Emission, die den Ausstoß am Ursprungsort beschreibt, bezieht sich die Immission auf die tatsächliche Belastung am Einwirkungsort. Geregelt wird dies im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Ein typisches Beispiel ist der Lärm einer Windkraftanlage, der auf ein Wohnhaus einwirkt.
Infraschall
Infraschall bezeichnet sehr tieffrequente Schallwellen unter 20 Hertz, die unterhalb der menschlichen Hörschwelle liegen. Diese Schallwellen können von technischen Anlagen wie Windkraftanlagen, aber auch natürlichen Quellen wie Wind oder Meeresbrandung erzeugt werden. Obwohl Menschen Infraschall nicht bewusst hören können, wird diskutiert, ob er gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Die Regelungen hierzu finden sich in der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm).
Schadensersatzanspruch
Ein rechtlicher Anspruch auf Ausgleich eines erlittenen Schadens in Form von Geld oder Wiederherstellung. Der Anspruch setzt voraus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden nachweisbar ist. Grundlage sind die §§ 249 ff. BGB. Im Kontext von Windkraftanlagen müsste beispielsweise nachgewiesen werden, dass gesundheitliche Beschwerden direkt auf deren Betrieb zurückzuführen sind.
Nachweispflicht
Die rechtliche Verpflichtung einer Partei, die für ihren Anspruch relevanten Tatsachen zu beweisen. Nach § 286 ZPO muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die dafür erforderlichen Tatsachen nachweisen. Im Fall von Windkraftanlagen bedeutet dies, dass der Kläger beweisen muss, dass seine gesundheitlichen Beschwerden tatsächlich durch den Infraschall verursacht wurden.
Sachverständigengutachten
Eine fachliche Beurteilung durch einen vom Gericht bestellten Experten zu speziellen Fachfragen im Prozess. Geregelt in §§ 402 ff. ZPO. Der Sachverständige untersucht dabei den Sachverhalt nach wissenschaftlichen Methoden und erstellt eine neutrale Expertise als Entscheidungsgrundlage für das Gericht. Bei Windkraftanlagen könnte ein Gutachten beispielsweise die tatsächlichen Immissionswerte und deren gesundheitliche Auswirkungen untersuchen.
Beweisaufnahme
Das gerichtliche Verfahren zur Feststellung von entscheidungserheblichen Tatsachen durch Beweismittel wie Zeugenaussagen, Urkunden oder Sachverständigengutachten (§§ 355 ff. ZPO). Sie dient der Überzeugungsbildung des Gerichts bezüglich streitiger Tatsachen. Im Fall von Windkraftanlagen könnte eine Beweisaufnahme etwa Messungen der Infraschallbelastung oder medizinische Untersuchungen umfassen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 906 BGB: Diese Vorschrift regelt die Eigentumsbeeinträchtigung durch Immissionen. Nach § 906 Abs. 1 BGB hat der Grundstückseigentümer grundsätzlich das Recht, sich gegen sämtliche durch das Grundstück eines Dritten verursachten Einwirkungen zu wehren, die sein Eigentum beeinträchtigen. Dies betrifft insbesondere Störungen, die über das Maß des zumutbaren hinausgehen. Im vorliegenden Fall sieht der Kläger die von den Windkraftanlagen ausgehenden Infraschallimmissionen als erhebliche Störung seines Wohn- und Pensionsbetriebs an, die nicht als ortsüblich angesehen werden kann.
- § 14 BImSchG: Diese Regelung befasst sich mit dem Abwehranspruch gegenüber Immissionen und befreit Betreiber genehmigter Anlagen von Schadensersatzansprüchen, sofern die Anlagen rechtskonform betrieben werden und die Genehmigung erteilt wurde. Im vorliegenden Fall ist der Kläger jedoch der Ansicht, dass trotz dieser Genehmigung die durch die Windkraftanlagen verursachten Immissionen als unzulässig gelten, da sie seine Gesundheit und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
- § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB: Diese Vorschrift regelt die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich, insbesondere bei Windkraftanlagen. Windenergieanlagen gelten demnach als privilegierte Vorhaben, wenn sie in einem Flächennutzungsplan als Windvorrangfläche ausgewiesen sind. Im vorliegenden Fall sind die Windkraftanlagen genehmigt und im Flächennutzungsplan der Gemeinde ausgewiesen, was die Rechtslage zugunsten der Beklagten stärkt, jedoch dennoch zur Eigentumsbeeinträchtigung des Klägers geführt hat.
- § 7 BImSchV: Diese Verordnung konkretisiert die Anforderungen an den Betrieb von bestimmten Anlagen unter Berücksichtigung ihrer Immissionen. Sie regelt unter anderem die zulässigen Grenzwerte und Schutzmaßnahmen gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Im konkreten Fall wird argumentiert, dass die durch die Windkraftanlagen ausgelösten Immissionen, insbesondere der Infraschall, nicht durch die geltenden Bestimmungen hinreichend geschützt sind, was die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers begünstigt.
- § 103 VwGO: Diese Vorschrift regelt die Kostenentscheidung in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Im vorliegenden Fall hat der Kläger administrative Klagewege beschritten, allerdings ohne Erfolg, was bedeutet, dass er die Kosten des Verfahrens tragen muss. Dies kann die finanzielle Belastung des Klägers zusätzlich erhöhen und seine Fähigkeit beeinträchtigen, rechtliche Schritte gegen die Beklagte einzuleiten, um Entschädigungen fordern zu können.
Das vorliegende Urteil
Landgericht Paderborn – Az.: 3 O 172/19 – Urteil vom 11.11.2019
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