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Schadensersatzanspruch wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung bei Betriebswegeunfall

LG Erfurt – Az.: 10 O 1383/10 – Urteil vom 05.04.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Leiterin der Kindertagesstätte der Beklagten. Am 28.01.2010 um 17.00 Uhr fand im Bürgermeisteramt der Beklagten eine Dienstbesprechung der Klägerin mit dem damaligen Bürgermeister der Beklagten … statt. Nach Ende der Dienstbesprechung gegen 17.45 Uhr verließ die Klägerin das Bürgermeisteramt über die auf Bl. 11, 12, 13 und 39 d.A. abgebildete Treppe. Dabei stürzte sie.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Sturz beruhe darauf, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Dazu behauptet sie, mindestens die unteren beiden Stufen der Treppe seien beim Verlassen des Bürgermeisteramtes glatt gewesen. Dazu vertritt sie die Ansicht, dass die Treppe von der Beklagten zu streuen gewesen wäre. Außerdem sei an dieser Treppe nach § 53 Abs. 3 ThürBO ein Handlauf erforderlich.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an sie ein in das richterliche Ermessen gestelltes, angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 9.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an sie 430,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 837,52 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2010 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 28.01.2010 noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Haftung scheitere bereits daran, dass es sich bei dem Sturz der Klägerin um einen Betriebswegeunfall handele, für den die Haftung nach §§ 104,105 SGB VII ausgeschlossen sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Klägerin gegen die Beklagte sind nach § 46 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz i.V.m. § 1 des Gesetzes über die erweiterte Zulassung von Schadensersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 07.12.1943 (RGBl. I S. 674) ausgeschlossen. Danach kann der Verletzte gegen seinen öffentlichrechtlichen Dienstherrn weitergehende Ansprüche als nach dem Beamtenversorgungsgesetz nur geltend machen, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung oder bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Die Teilnahme am allgemeinen Verkehr liegt vor, wenn den Unfall nur ein loser äußerlicher Zusammenhang mit dem dienstlichen Organisationsbereich verbindet, der Bedienstete also „wie ein normaler Verkehrsteilnehmer“ verunglückt ist (BGH, VersR 2004, 473). Die Abgrenzung ist die gleiche wie zwischen Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII und versichertem Weg im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII. Als Betriebsweg, der zur Haftungsbeschränkung nach § 104 Abs. 1 SGB VII führt, ist dabei der Weg auf dem Werksgelände bis zum Werkstor angesehen worden (BGH, VersR 2006, 221; OLG München, Urteil vom 13.05.2004, Az.: 1 U 1566/04, zitiert nach juris). Die Treppe zum oder vom Betriebsgebäude zählt danach noch zum Betriebsweg, nicht hingegen zum versicherten Weg bzw. zur Teilnahme am allgemeinen Verkehr (BGH, VersR 2004, 473; OLG München aaO.). Dass auch andere Personen, die mit der Dienststelle keine Berührung haben, diese Treppe benutzen, ändert nichts daran, dass die Klägerin hier nicht als „normale Verkehrsteilnehmerin“, sondern als Bedienstete der Beklagten im Gefahrenbereich ihrer Dienststelle den Unfall erlitten hat (vgl. BGH, VersR 2004, 473; OLG München aaO.).

Von dieser rechtlichen Bewertung, auf die das Gericht im Hinweisbeschluss vom 24.02.2011 hingewiesen hat, ist auch nicht Abstand zu nehmen auf Grund des von der Klägerin zitierten Urteils des OLG Koblenz vom 24.04.2006, Az.: 12 U 134/05. Der in dem dortigen Leitsatz zitierte Rechtsgrundsatz stimmt mit dem zuvor Zitierten überein. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich allerdings von dem vorliegend zu entscheidenden Fall, da es in der Entscheidung des OLG Koblenz um einen Verkehrsunfall ging. Soweit das OLG Koblenz darauf abstellt, ob „sich der Unfall im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem als innerbetrieblicher oder innerdienstlicher Vorgang darstellt“ und „ob sich in dem Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten manifestiert hat“, so ist dies das nämliche Kriterium bei der Teilnahme am Straßenverkehr. Sollte es sich hierbei hingegen nach Auffassung des OLG Koblenz um einen allgemeinen Grundsatz handeln, so berücksichtigt es nicht die oben zitierte Rechtsprechung, insbesondere nicht das Urteil des BGH vom 27.11.2003 (abgedruckt in: VersR 2004, 473).

Da die Klägerin im Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten zu tragen.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

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