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Schadensersatzansprüche gegen delikts- und geschäftsunfähige Person

Nachbarschaftsstreit eskaliert: Schadensersatzforderungen gegen Pferdepensionsbetreiber zurückgewiesen

In einem jüngsten Fall, der vor dem Landgericht Wuppertal (LG Wuppertal) ausgetragen wurde, stritten die Parteien über Unterlassungsansprüche aufgrund von Äußerungen der Beklagten in Bezug auf die Pferdepension der Kläger. Der Hauptstreitpunkt betraf die angebliche Missachtung der Tierhaltungsvorschriften durch die Kläger, welche von der Beklagten behauptet wurden.

Die Kläger, die eine Pferdepension betreiben, und die Beklagte, die Eigentümerin eines benachbarten Hofgeländes ist und Milchkühe hält, sind Nachbarn. Die Kontroverse begann, als die Beklagte verschiedene Bemerkungen über den Hof der Kläger sowohl gegenüber den Klägern als auch gegenüber anderen Nachbarn und dem Veterinäramt äußerte. Sie warf den Klägern vor, ihre Tiere nicht ausreichend zu versorgen, keine ausreichenden Kenntnisse über die Tierhaltung zu haben und keinerlei Interesse an ihren eigenen Tieren zu zeigen. Außerdem beschuldigte sie die Kläger, ihre Pferdepension sei verschmutzt und von einer Rattenplage befallen.

Direkt zum Urteil Az: 1 O 91/18 springen.

Beschuldigungen eskalieren zu Anschuldigungen und Anzeigen

Die Vorwürfe der Beklagten eskalierten, als sie den Klägern vorwarf, die Einsteller dazu zu ermutigen, über ihr Grundstück zu reiten, und sie bei den Behörden anzeigte. Sie behauptete gegenüber dem Veterinäramt, dass die Kläger die Pferde durch mangelnde Fütterung quälen würden, und meldete dies am 27.10.2017 an das Veterinäramt T. Daraufhin fand eine Betriebskontrolle statt, die jedoch keine Beanstandungen ergab.

Offizielle Untersuchung findet keine Beweise für die Vorwürfe

Entgegen der Behauptungen der Beklagten stellte das Veterinäramt fest, dass der Pflege- und Ernährungszustand der Tiere nicht zu beanstanden war und alle Räumlichkeiten und Unterstände einen ordentlichen Eindruck machten. Trotz dieser Ergebnisse beharrte die Beklagte auf ihren Behauptungen und kündigte an, der Landwirtschaftskammer Bericht zu erstatten.

Gerichtliche Entscheidung: Kein Schadensersatz für Kläger

Die gerichtliche Entscheidung fiel zugunsten der Beklagten aus. Das Landgericht Wuppertal wies die Klage der Kläger ab und ordnete an, dass sie die Kosten des Verfahrens tragen müssen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei die Kläger die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden können.

Dieser Fall verdeutlicht die Komplexität von Streitigkeiten, die sich aus Nachbarschaftsbeziehungen ergeben können, insbesondere wenn es um die Behandlung und das Wohlbefinden von Tieren geht. Es unterstreicht auch die Wichtigkeit eines ausgewogenen und nachweisbaren Ansatzes bei der Erhebung von Beschuldigungen und die entscheidende Rolle, die Behörden wie das Veterinäramt bei der Untersuchung und Lösung solcher Streitigkeiten spielen können.

Klare Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein als Schlüssel zur Konfliktlösung

Dieser Fall dient auch als Erinnerung daran, dass klare und verantwortungsbewusste Kommunikation eine Schlüsselrolle bei der Vermeidung von Missverständnissen und Streitigkeiten spielen kann. In diesem Fall hätten vielleicht eine frühzeitige klare Kommunikation und das Einbeziehen geeigneter Behörden dazu beitragen können, den Konflikt zu entschärfen oder gar zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

LG Wuppertal – Az.: 1 O 91/18 – Urteil vom 28.09.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Schadensersatzansprüche gegen delikts- und geschäftsunfähige Person
(Symbolfoto: Ground Picture/Shutterstock.com)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Unterlassungsansprüche wegen getätigter Äußerungen der Beklagten in Bezug auf die Pferdepension der Kläger.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Kläger betreiben eine Pferdepension und bieten dort unter anderem Einstellerdienste an. Die Beklagte ist Eigentümerin des benachbarten Hofgeländes, auf dem sie unter anderem Milchkühe hält und allein bewirtschaftet.

In der Vergangenheit hat die Beklagte diverse Äußerungen über den Hof der Kläger sowohl gegenüber den Klägern, anderen Nachbarn, Einstellern/Reitgästen sowie dem Veterinäramt getätigt.

So äußerte die Beklagte, die Kläger würden die Tiere auf ihrem Hof nicht ausreichend mit Futter versorgen. Sie hätten zudem keine ausreichenden Kenntnisse über die Tierhaltung und keinerlei Interesse an ihren eigenen Tieren. Der Hof der Kläger sei verschmutzt und von einer Rattenplage befallen.

Darüber hinaus forderte die Beklagte die Kläger mehrfach auf, dafür zu sorgen, dass die Einsteller nicht mehr über das Grundstück der Beklagten reiten. Sie beschuldigte die Kläger im Zuge dessen, diese würden die Einsteller dazu animieren, über das Grundstück der Beklagten zu reiten.

Gegenüber dem Veterinäramt äußerte die Beklagte, die Kläger hätten keine Ahnung von der Tierhaltung und würden die Pferde durch zu wenig Futter quälen. Sie erstattete aufgrund dessen am 27.10.2017 eine Anzeige beim Veterinäramt T . Daraufhin fand eine Betriebskontrolle am selben Tage statt, bei der jedoch keinerlei Beanstandungen erfolgten. Das Veterinäramt führte vielmehr aus:

Der Pflege und Ernährungszustand der Tiere waren nicht zu bemängeln. Sämtliche Räumlichkeiten und Unterstände machten einen aufgeräumten Eindruck.

Die Beklagte gab in einem Schreiben vom 02.11.2017 an, die Pferde würden „in Dreck fressen“ und kündigte an, der Landwirtschaftskammer Bericht zu erstatten. Dazu führte sie aus:

Die sind böse. Wir behalten alle im Hinterkopf … Da nimmt man auch keine Rücksicht BHV. usw. Dann geht’s rund.

Die Kläger wandten sich daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2017 an die Beklagte und forderten sie zur Unterlassung auf. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 13.02.2017 erörterten die Kläger die Ergebnisse des Amtstierarztes auf ihrem Hof und forderten die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Eine solche gab die Beklagte nicht ab.

Zwischen den Parteien ist ein weiteres Verfahren am Amtsgericht Wuppertal (Az. 35 C 24/17) anhängig. In diesem Verfahren wurde ein Sachverständigengutachten bezüglich der Frage der Prozessfähigkeit der Beklagten eingeholt.

Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte würde nachhaltig ihren Ruf schädigen. Die Äußerungen der Beklagten erfolgten ausschließlich zu deren Persönlichkeitsdiskreditierung. Die Äußerungen der Beklagten seien daher nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Kläger behaupten, dadurch sei ein signifikanter Schaden des Hofbetriebs erwartbar. Sie sind zudem der Ansicht, dass die Feststellungen der Sachverständigen Dr. med. XXX aus dem amtsgerichtlichen Verfahren (Az. 35 C 24/17) dazu führen würden, dass ihre ursprünglich zulässige und begründete Klage nachträglich unbegründet geworden sei, da die Geschäftsunfähigkeit der Beklagten erst für die Zukunft festgestellt worden sei.

Ursprünglich haben die Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu unterlassen

  • die Kläger zu Unrecht der Tierquälerei zu beschuldigen, indem sie falsche Behauptungen äußert, dass die Kläger

die Tiere auf dem Hof nicht füttern würden und sich um diese auch nicht kümmern würden,

sowie sich in Bezug auf die Kläger wörtlich oder sinngemäß zu äußern und/oder äußern zu lassen und/oder solche Äußerungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

  • die Kläger animieren Einsteller, über das Grundstück der Beklagten zu reiten bzw. tun dies selbst,
  • die Kläger haben weder Ahnung noch Kenntnisse von der Tierhaltung,
  • der Hof der Kläger ist verschmutzt,
  • der Hof der Kläger ist von einer Rattenplage befallen,
  • es gibt kein Futter für die Pferde der Einsteller,
  • die Kläger haben kein Interesse an ihren Tieren und sind unverantwortliche Menschen.

2.

die Beklagte zu verurteilen, die gegenüber dem Veterinäramt der Stadt T zum Az. 39-3-Na-W-H-61089-TSCH-V bislang über die Kläger getätigten Äußerungen zu widerrufen und dies schriftlich nachzuweisen.

3.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der Verbreitung der im Klageantrag zu 1) genannten Behauptungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

4.

die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 08.06.2021 haben die Kläger den Rechtsstreit unter Verwahrung der Kostenlast für erledigt erklärt und beantragen nunmehr, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte hat der Erledigung widersprochen und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihre Äußerungen entsprächen der Wahrheit. Sie ist der Ansicht, es stünde ihr deswegen auch frei, derartige Zustände den zuständigen Behörden zu melden.

Mit Beschluss vom 14.01.2019 hat die Kammer das im amtsgerichtlichen Verfahren (Az. 35 C 24/17) eingeholte psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Dr. med. XXX vom 30.05.2018 und 07.11.2018 betreffend die Beklagte verwertet. Auf den Inhalt der Gutachten (Bl. 82 ff., Bl. 173 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Es ist keine Erledigung eingetreten.

I.

Die Klage ist zulässig.

Die einseitige Erledigungserklärung stellt eine Klageänderung dar, die regelmäßig nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist. Das ursprüngliche Rechtsschutzziel wird nicht weiter verfolgt, sondern die Feststellung beantragt, dass die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen und erst durch dieses unzulässig oder unbegründet geworden ist. Es handelt sich in der Sache um einen Kostenfeststellungsantrag (Schulz/MüKoZPO, 6. Auflage 2020, § 91a Rn. 80). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt ohne weiteres in der günstigen Kostenfolge, die der Kläger (nur) mit dem geänderten Antrag erreichen kann (aaO Rn. 82).

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II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Erledigung setzt voraus, dass die Klage zum Zeitpunkt des (behaupteten) erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klage war vielmehr bereits bei Klageerhebung unbegründet.

Den Klägern stand zu keinem Zeitpunkt aus irgendeinem rechtlichen Grund ein Anspruch auf Unterlassung der im ursprünglichen Klageantrag genannten Äußerungen der Beklagten oder ein Widerrufsanspruch oder Schadensersatzanspruch wegen ebendieser zu.

1.

Ein Unterlassungsanspruch gerichtet auf die durch die Beklagte getätigten Aussagen für die Zukunft stand den Klägern bereits bei Klageerhebung nicht zu. Es kann dabei insgesamt dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich die Aussagen (genau) so getätigt hat, wie sie im ursprünglichen Klageantrag genannt sind. Denn der Anspruch scheitert bereits aus rechtlichen Gründen.

Die Kläger stützen den Antrag auf Unterlassung auf den durch die Rechtsprechung aus einer Gesamtanalogie der §§ 12, 823, 1004 BGB als ein „Gebot der Gerechtigkeit“ entwickelten quasinegatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch. Demnach obliegt der quasinegatorische Schutz gegen sämtliche drohenden Beeinträchtigungen allen deliktisch geschützten und absoluten Rechte und Interessen (Spohnheimer/BeckOGK, 01.08.2021, § 1004 BGB Rn. 13). Darunter fallen auch das hier geltend gemachte Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die Beklagte kann jedoch nicht in Anspruch genommen werden. Der geistige Zustand der Beklagten steht dem entgegen. Die Beklagte befindet sich in einem Zustand krankhafter seelischer Störung ihrer Geistestätigkeit, der nicht nur vorübergehender Natur ist. Die diesbezügliche Überzeugung der Kammer beruht auf dem psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen, Dr. med. XXX, welches im Rahmen des amtsgerichtlichen Verfahrens (Az. 35 C 24/17) vom 30.05.2018, ergänzt am 07.11.2018, gemäß § 411a ZPO im hiesigen Verfahren verwertet worden ist.

Die Sachverständige diagnostizierte bei der Beklagten eine anhaltende wahnhafte Störung mit sensitiv-paranoidem Erleben (ICD-10 F22.0). Sie sei demnach krankheitsbedingt nicht in der Lage, ihre Wahrnehmung mit der Realität abzugleichen. Dies beziehe sich grundsätzlich im Wesentlichen auf ihren Hof und die damit verbundenen Aspekte, wie die Grenzen zu Nachbarhöfen oder das Verhältnis zu im N lebenden Menschen. Dies stelle für die Beklagte einen sehr spezifischen Punkt dar, sodass sie insbesondere in diesem Bereich wahnhafte Vorstellungen entwickele. Dieser wahnhafte Zustand übertrage sich darüber hinaus ebenfalls auf die damit verbundenen Prozessrechtsverhältnisse.

Im Ergänzungsgutachten führt die Sachverständige aus, dass gerade der Umstand der wahnhaften Verbreitung von Tatsachen und diesbezüglichem Verschließen gegenüber rationalen Argumenten dem Wesen der Krankheit entspräche. Sie sei vielmehr der Meinung, dass ihre wahnhaft wahrgenommenen und verbreiteten Behauptungen Tatsachen darstellten, und wirklich so abgelaufen wären.

Die durch die Sachverständige dargelegten Umstände betrafen im amtsgerichtlichen Verfahren die Prozessunfähigkeit. Nach Ansicht der Kammer begründen sie darüber hinaus eine (jedenfalls partielle) Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB sowie ihre Deliktsunfähigkeit im Sinne des § 827 S. 1 BGB jedenfalls in Bezug auf Tatsachen, welche den eigenen Hof und damit im Zusammenhang stehende Umstände betreffen.

Streitentscheidend war damit die Frage, ob und inwieweit die fehlende Deliktsfähigkeit der Beklagten den Unterlassungsanspruch betreffen. Die Kammer ist dabei der Ansicht, dass der Entfall der Deliktsfähigkeit auch gleichzeitig die Störereigenschaft beseitigt.

Handlungsstörer im Sinne des § 1004 BGB ist nur derjenige, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten, das heißt durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen, adäquat verursacht (BGH, Urt. v. 17. 12. 2010 − V ZR 44/10 = NJW 2011, 753; BGHZ 49, 340 = NJW 1968, 1281). Grundsätzlich kann auch eine delikts- oder geschäftsunfähige Person Handlungsstörer sein. Denn da es sich bei dem Anspruch aus § 1004 BGB um keinen Schadensersatzanspruch handelt, ist dementsprechend auch kein Verschulden des Störers erforderlich (Spohnheimer/BeckOGK, 1.8.2021, BGB § 1004 Rn. 139). Daher wird in der Literatur überwiegend dafür plädiert, einen Anspruch auf Unterlassen auch gegen delikts- und geschäftsunfähige Personen zuzusprechen. Dies würde jedoch dazu führen, dass etwa auch geistig schwerbehinderte Menschen oder Kleinkinder, welche ihre Lautstärke nicht kontrollieren können, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnten. In der Literatur wird dieser Umstand gelöst, indem darauf gerichteten Klagen das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen wird, da der Titel an einem Vollstreckungshindernis leidet (§ 890 ZPO). Denn eine Durchsetzung bzw. Sanktionierung der Verletzung des Unterlassungsgebotes durch Vollstreckung von Ordnungsmitteln setzt voraus, dass es zu einer Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot durch ein zusätzliches schuldhaftes Handeln oder Unterlassen kommt. Diese Verletzung ermöglicht erst eine strafrechtsähnliche Sanktion (Spohnheimer/BeckOGK, 1.8.2021, BGB § 1004 Rn. 139f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11-10-1995 – 9 U 51/95 = NJW-RR 1996, 211).

Diese Ansicht erachtet die Kammer jedoch nicht für überzeugend. Zuzustimmen ist, dass die Störereigenschaft des § 1004 BGB ein Verschulden dem Grundsatz nach nicht voraussetzt. Allerdings lässt diese Betrachtung außer Acht, dass der delikts- oder geschäftsunfähige gar nicht in der Lage ist, sein Verhalten adäquat zu steuern. Ein Urteil, durch welches diese Person zu einem Unterlassen eines bestimmten Verhaltens verurteilt wird, kann damit gar nicht den erhofften verhaltenssteuernden Effekt entfalten, welcher der Verurteilung als Sinn und Zweck zugrunde liegt. Denn der Verurteilte ist aufgrund des Geisteszustands nicht in der Lage, dem Urteil entsprechend sein Verhalten für die Zukunft zu ändern. Der vorbeugende Rechtsschutz dient jedoch gerade der Motivation künftigen veränderten Verhaltens und beinhaltet insoweit eine Warnfunktion (Neuner, JuS 2005, 487 [489]). Wenn aber dieses Ziel durch das Urteil gar nicht erreicht werden kann, muss der allgemeine Grundsatz gelten, dass von niemandem etwas verlangt werden kann, was dieser unmöglich erfüllen kann. Es kann dementsprechend auch von niemandem eine Unterlassung verlangt werden, deren Einhaltung dieser nicht garantieren kann, da er sein Verhalten nicht entsprechend anpassen kann. Dieser Grundsatz findet sich ebenfalls in § 275 Abs. 1 BGB.

Dafür spricht außerdem die Behandlung des weisungsgebundenen Arbeitnehmers, welcher ohne eigenen Entschließungsspielraum mit entsprechendem Verantwortungsbereich und damit ohne jedwede eigene Entscheidung aufgrund einer Anweisung des Arbeitgebers handelt (BGH NZM 2019, 893). In diesen Fällen ist nicht der Arbeitnehmer als direkt Handelnder, sondern der dahinter stehende Betriebsinhaber der unmittelbare Handlungsstörer. Daraus folgt, dass ein eigenständiger Willensentschluss sowie eine eigene Entscheidungsmöglichkeit unverzichtbare Voraussetzung einer Verurteilung zur Unterlassung sind. Eine solche Möglichkeit der freien Willensbetätigung hat die Beklagte nach den Feststellungen der Sachverständigen aufgrund der wahnhaften Erkrankung jedoch nicht.

Aus den gleichen Gründen scheitert auch ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 164 StGB. Hier kann insbesondere der Grundsatz des „ultra posse nemo obligatur“ angeführt werden, welcher im strafrechtlichen Bereich umso mehr gegen eine Verurteilung von in der freien Willensbetätigung eingeschränkten Personen spricht.

Darüber hinaus wäre aber auch, wenn man der zuerst geschilderten Ansicht folgen würde, die Klage erfolglos. Denn dann würde es am Rechtsschutzbedürfnis fehlen (s.o.), wodurch die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen wäre. Die besseren Argumente sprechen jedoch für eine Klageabweisung als unbegründet.

2.

Auch ein Anspruch auf Widerruf der gegenüber dem Veterinäramt geäußerten Behauptungen besteht nicht. Auch der Widerrufsanspruch erfordert grundsätzlich kein Verschulden des Anspruchsgegners. Doch auch bezüglich dieser Äußerungen fehlt es an der Fähigkeit der Beklagten, entsprechend einer Verurteilung zur Unterlassung zukünftig zu handeln. Auch diesbezüglich kann die Beklagte zu nichts verurteilt werden, was von ihr nicht verlangt werden kann.

3.

Es bestehen auch keine Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die Beklagten. Denn ein Schadensersatzanspruch bedarf in jedem Fall eines Verschuldens des Schädigers. Ein solches Verschulden kann der Beklagten allerdings aufgrund des Zustands krankhafter seelischer Störung ihrer Geistestätigkeit, der nicht nur vorübergehender Natur ist, nicht unterstellt werden. Sie ist vielmehr deliktsunfähig im Sinne des § 827 S. 1 BGB.

4.

Die Klage ist aus diesen Erwägungen heraus insgesamt unbegründet. Eine Erledigung ist dennoch nicht eingetreten, da die Klage bereits bei Klageerhebung unbegründet war. Entgegen der Ansicht der Kläger führt die Feststellung der Kammer hinsichtlich der Geschäfts- und Deliktsunfähigkeit nicht dazu, dass die Begründetheit der Klage erst mit Wirkung für die Zukunft entfällt. Die Sachverständige XXX hat vielmehr festgestellt, dass der Zustand der Beklagten nicht nur vorübergehender Natur ist. Damit muss davon ausgegangen werden, dass der Zustand auch schon bei Klageerhebung vorlag, was im Übrigen zwischen den Parteien auch unstreitig ist. Die Kläger stützen ihren Vortrag lediglich darauf, dass ihnen der geistige Zustand der Beklagten erst während des Prozesses bekannt geworden ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Klage auch erst zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens unbegründet wurde. Es ist vielmehr das Risiko der klägerischen Partei, dass während des Prozesses Umstände bekannt werden, welche den Anspruch entfallen lassen. Dabei kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob die Kläger sich zu Beginn des Prozesses in einem Rechtsirrtum oder einem Irrtum über Tatsachen befunden haben. Denn die Erledigung tritt unabhängig von der Vorstellung der Kläger nur dann ein, wenn nach Rechtshängigkeit Tatsachen eintreten, welche die Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage entfallen lassen. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die maßgeblichen Umstände erst nach Rechtshängigkeit bekannt werden, diese aber zuvor schon vorlagen.

Der Vergleich der Kläger mit dem Grundsatz, dass die Prozessfähigkeit als gegeben unterstellt wird, bis die Prozessunfähigkeit festgestellt wird, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei dem Zustand der Beklagten handelt es sich um einen Umstand, welcher die Begründetheit des Anspruchs entfallen lässt und bereits bei Klageerhebung vorlag.

5.

Nach alledem liegt keine Erledigung vor. Auch kann die Erledigungserklärung nicht in einer (analogen) Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO in eine Klagerücknahme wegen bereits vor Rechtshängigkeit weggefallenem Klageanlass umgedeutet werden. Zwar wird dies teilweise angenommen, allerdings in nicht vergleichbaren Fällen etwa verspätet abgegebener Drittschuldnererklärungen oder Stufenklagen, bei denen sich auf erster Stufe ergeben hat, dass ein Zahlungsanspruch nicht besteht. Diese Fälle sind deswegen nicht vergleichbar, weil es sich um fest zeitlich umgrenzte Ereignisse handelt, wobei es zufällig erscheinen würde, ob man die Rechtsfolge, welche daran anknüpft, abhängig davon erachtet, ob das Ereignis vor oder nach Klageerhebung eingetreten ist. Denn oftmals sind in derartigen Fällen wenige Tage bereits entscheidend. Dies lässt sich auf den vorliegenden Fall, bei dem ein geistiger Zustand, welcher eben gerade nicht vorübergehender Natur ist und damit über einen langen Zeitraum besteht, nicht übertragen.

6.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird bis zum 07.06.2021 auf 6.000,00 EUR und ab dem 08.06.2021 auf 3.000,00 EUR festgesetzt.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Persönlichkeitsrecht und Ehrenschutz – Im Fokus steht hier vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verankert ist. In Verbindung mit dem Ehrenschutz gemäß den §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) wird die rechtliche Grundlage für die Anschuldigungen der Kläger geschaffen. In diesem Fall geht es um Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten, die die Kläger der Tierquälerei und mangelhafter Tierpflege beschuldigt hat. Die Beklagte hat diese Aussagen unter anderem gegenüber Dritten und dem Veterinäramt getätigt, was möglicherweise das Ansehen und den guten Ruf der Kläger in der Öffentlichkeit geschädigt hat.
  2. Prozess- und Vollstreckungsrecht – §§ 704 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) beschäftigen sich mit der Vollstreckung von Urteilen. In diesem Fall geht es um die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils, sowie um die Möglichkeiten der Kläger, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, und der Beklagten, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten.
  3. Geschäftsfähigkeit nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) – In diesem Fall spielt auch die Geschäftsfähigkeit der Beklagten nach §§ 104 ff. BGB eine Rolle. Diese wurde in einem gesonderten Verfahren festgestellt. Geschäftsunfähige Personen können keine wirksamen Rechtsgeschäfte vornehmen. Dies kann Auswirkungen auf die Klage und deren Zulässigkeit haben.
  4. Meinungsfreiheit nach Grundgesetz (GG) – Art. 5 GG garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Frage ist hier, ob die Äußerungen der Beklagten noch von diesem Recht gedeckt sind, oder ob sie eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kläger darstellen.
  5. Tierhaltung und Tierschutzgesetz (TierSchG) – Auch wenn es sich hierbei nicht direkt um einen Gegenstand des Streits handelt, wurde das Tierschutzgesetz dennoch im Kontext der Beschuldigungen der Beklagten gegen die Kläger tangiert. Die Behauptungen der Beklagten über mangelhafte Pflege und Fütterung der Tiere betreffen Aspekte, die im Tierschutzgesetz geregelt sind.

FAQ: Häufig gestellte Fragen

1. Was beinhaltet der Schadensersatzanspruch gegen eine delikts-/geschäftsunfähige Person? Schadensersatzansprüche gegen eine delikts- oder geschäftsunfähige Person beziehen sich auf den Ausgleich eines Schadens, der durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten dieser Person entstanden ist. Es kann jedoch rechtliche Einschränkungen geben, wenn die Person aufgrund von geistigen oder körperlichen Einschränkungen als delikts- oder geschäftsunfähig eingestuft wird.

2. Was bedeutet es, wenn ein Urteil „vorläufig vollstreckbar“ ist? Wenn ein Urteil als „vorläufig vollstreckbar“ bezeichnet wird, bedeutet das, dass die Partei, die das Urteil verloren hat, die Entscheidung des Gerichts unmittelbar umsetzen muss, auch wenn sie Berufung einlegt. Allerdings kann die Partei die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden.

3. Was sind die Konsequenzen falscher Äußerungen über eine Person oder ein Unternehmen? Falsche Äußerungen, insbesondere solche, die den Ruf einer Person oder eines Unternehmens schädigen können, können zu rechtlichen Konsequenzen führen, einschließlich Schadensersatzansprüchen. In dem gegebenen Fall behauptete die Beklagte falsche Tatsachen über die Kläger, was zu einem Schadensersatzanspruch führen könnte.

4. Was ist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung? Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist eine rechtliche Vereinbarung, in der sich eine Person dazu verpflichtet, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Wird dieses Verhalten trotz der Unterlassungserklärung fortgesetzt, kann eine Strafe fällig werden.

5. Was bedeutet es, wenn jemand als geschäftsunfähig eingestuft wird? Wenn jemand als geschäftsunfähig eingestuft wird, bedeutet das, dass die Person nicht in der Lage ist, rechtliche Vereinbarungen einzugehen oder zu verstehen. Diese Person kann nicht für ihr Handeln haftbar gemacht werden und kann auch keine rechtlichen Schritte einleiten oder darauf reagieren. In dem gegebenen Fall wurde die Geschäftsunfähigkeit der Beklagten erst für die Zukunft festgestellt, was bedeutet, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage nachträglich unbegründet geworden sein könnte.

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