Skip to content

Schadensersatzansprüche wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit

Bei der Absage einer Flusskreuzfahrt durch einen Reiseveranstalter kann dieser haftbar für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit gemacht werden. Ein Gericht kann in solch einem Fall Schadensersatz zahlen, wenn die Absagegründe nicht höhere Gewalt oder Notstandslagen darstellen und der Reiseveranstalter schuldhaft handelte.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 101 C 30/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht sprach der Klägerin wegen der vereitelten Reise einen Anspruch auf Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit i.H.v. 450 EUR sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zu.
  • Die Beklagte konnte sich nicht auf höhere Gewalt oder Nothilfe berufen, da sie die Vereitelung der Reise durch Bereitstellung des Schiffes für Flüchtlingsunterbringung selbst verursacht hatte.
  • Bei vollständiger Vereitelung einer Reise ist regelmäßig nicht der volle Reisepreis als Entschädigung anzusetzen, sondern eine unter Berücksichtigung aller Umstände angemessene Entschädigung.
  • Der Anspruch auf Entschädigung setzt ein Verschulden des Reiseveranstalters nicht voraus.
  • Die Höhe der Entschädigung richtet sich insbesondere nach Ausmaß der Beeinträchtigung, Schwere des Verschuldens und Reisepreis.
  • Eine pauschale Entschädigung in Höhe des halben Reisepreises ist nicht generell angemessen.
  • Die Annahme einer Notsituation scheiterte, da kein Gefahrenzustand substantiiert vorgetragen wurde.

Schadensersatz für nutzlose Urlaubszeit: Reiserecht schützt Verbraucher

Nutzlos aufgewendete Urlaubszeit
(Symbolfoto: goffkein.pro /Shutterstock.com)

Urlaubszeit ist kostbar und sollte bestmöglich genutzt werden. Leider kommt es nicht selten vor, dass Reisende durch unvorhersehbare Umstände ihre Urlaubspläne kurzfristig ändern oder sogar ganz absagen müssen. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob Ansprüche auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit bestehen.

Das Reiserecht sieht hier einen Ausgleich für die verlorene Erholungszeit vor. Allerdings hängt die Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche von den genauen Umständen des Einzelfalls ab. So müssen etwa Kriterien wie das Ausmaß der Beeinträchtigung, das Verschulden des Reiseveranstalters und der gezahlte Reisepreis berücksichtigt werden.

Im Folgenden soll anhand eines konkreten Gerichtsurteils erörtert werden, unter welchen Voraussetzungen Urlaubsgäste Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen können und wie die Höhe der Entschädigung zu bemessen ist.

Der Fall vor dem Amtsgericht Bonn im Detail

Flusskreuzfahrt abgesagt: Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit

Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin bei einem Reiseveranstalter (Beklagter) eine Flusskreuzfahrt von C nach B und zurück. Der Reisepreis betrug 1.299 EUR und beinhaltete Unterbringung in einer Einzelkabine sowie Vollverpflegung. Nachdem die Klägerin bereits eine Anzahlung geleistet hatte, sagte der Reiseveranstalter die Reise kurzfristig ab. Begründet wurde die Absage mit der Bitte der niederländischen Regierung, das Schiff für die Unterbringung von Geflüchteten mit Behinderung zur Verfügung zu stellen. Da die Klägerin keine der angebotenen Alternativreisen annehmen wollte, forderte sie die Erstattung der Anzahlung sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Die rechtliche Herausforderung des Falls liegt in der Bewertung der Absagegründe und der Frage, ob diese einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz rechtfertigen. Hierbei gilt es zu klären, ob die Absage der Reise durch den Reiseveranstalter eine Vereitelung der Reise im Sinne des Reiserechts darstellt und ob Haftungsausschlüsse, etwa aufgrund höherer Gewalt oder Nothilfe, greifen. Zudem ist die Angemessenheit der geforderten Entschädigung unter Berücksichtigung des Reisepreises, des Verschuldensgrades und der konkreten Beeinträchtigtigung zu prüfen.

Gericht erkennt Anspruch auf Entschädigung an

Das Amtsgericht Bonn entschied zugunsten der Klägerin und sprach ihr einen Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 450 EUR zu. Zudem wurden der Klägerin die Kosten für das vorgerichtliche Mahnschreiben ihres Anwalts zugesprochen.

In seiner Urteilsbegründung stellte das Gericht fest, dass die Absage der Reise durch den Reiseveranstalter eine Vereitelung der Reise im Sinne des § 651i Abs. 2 Satz 3 BGB darstellt, da die Klägerin die Reiseleistung nicht wie vereinbart in Anspruch nehmen konnte.

Die Argumentation des Reiseveranstalters, die Absage sei durch höhere Gewalt oder eine Notstandssituation gerechtfertigt, wies das Gericht zurück. Die Bereitstellung des Schiffes für Flüchtlingsunterbringung sei eine freiwillige Entscheidung des Reiseveranstalters gewesen und stelle kein unvorhersehbares, externes Ereignis dar. Auch eine Notstandslage im Sinne des § 34 StGB, die ein Eingreifen des Reiseveranstalters erfordert hätte, lag nach Ansicht des Gerichts nicht vor.

Bemessung der Entschädigungshöhe

Das Gericht erkannte zwar den grundsätzlichen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung an, reduzierte die Forderung jedoch von 649,50 EUR auf 450 EUR. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe berücksichtigte das Gericht sämtliche Umstände des Einzelfalls, insbesondere:

  • Ausmaß der Beeinträchtigung: Die Klägerin konnte die gebuchte Reise nicht antreten und verlor somit die gesamte Urlaubszeit.
  • Schwere des Verschuldens: Das Gericht sah ein vorsätzliches Handeln des Reiseveranstalters, da dieser die Reise aus freien Stücken absagte.
  • Reisepreis: Der vereinbarte Reisepreis von 1.299 EUR diente als Orientierungspunkt für die Bemessung der Entschädigung.
  • Zeitpunkt der Absage: Die Absage erfolgte über einen Monat vor Reisebeginn, was der Klägerin die Möglichkeit gab, alternative Urlaubspläne zu schmieden.
  • Humanitäre Gründe: Das Gericht würdigte die Motivation des Reiseveranstalters, das Schiff für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung zu stellen.
  • Alternativangebote: Der Reiseveranstalter bot der Klägerin alternative Reisen an, welche diese jedoch ablehnte.

Einwand der unzulässigen Rechtsausübung scheitert

Der Reiseveranstalter argumentierte zudem, der Klägerin stehe der Anspruch auf Schadensersatz aufgrund unzulässiger Rechtsausübung nicht zu, da sie die angebotenen Alternativreisen abgelehnt habe. Das Gericht wies diesen Einwand jedoch zurück. Da die Alternativreisen zu anderen Terminen stattgefunden hätten und zudem nicht den gleichen Leistungsumfang wie die gebuchte Reise aufwiesen, sei die Ablehnung der Klägerin gerechtfertigt.

✔ FAQ zum Thema: Schadensersatz für nutzlose Urlaubszeit


Was versteht man unter Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit?

Nach § 651n Abs. 2 BGB hat der Reisende Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird. Es handelt sich um einen immateriellen Schadensersatzanspruch, der unabhängig von Einkommen oder Erwerbstätigkeit des Reisenden geleistet wird.

Voraussetzung für den Anspruch ist entweder die Vereitelung der Reise, wenn diese gar nicht erst stattfindet oder sofort abgebrochen werden muss, oder eine erhebliche Beeinträchtigung durch gravierende Reisemängel. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls an, ob der Urlaub ganz oder teilweise als vertan anzusehen ist. Eine starre Gesamtminderungsquote von 50% muss nicht erreicht werden.

Der Anspruch setzt weiterhin voraus, dass der Reisemangel für den Veranstalter vorhersehbar und vermeidbar war und nicht durch den Reisenden selbst oder höhere Gewalt verursacht wurde. Er besteht neben anderen Gewährleistungsrechten wie Minderung oder Kündigung.

Die Entschädigung soll die ausgebliebene urlaubstypische Erholung ausgleichen. Ihre Höhe richtet sich nach Reisepreis, Reisedauer und Grad der Beeinträchtigung. Bei Vereitelung der Reise kann sie bis zu 100% des Reisepreises betragen.


Welche Rolle spielt der Grund der Reiseabsage für den Anspruch auf Schadensersatz?

Der Grund für die Reiseabsage spielt eine wichtige Rolle für den Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. Grundsätzlich besteht der Anspruch, wenn die Reise durch den Veranstalter vereitelt wird und der Grund dafür in dessen Einflussbereich liegt.

Entscheidend ist, ob der Veranstalter die Absage zu vertreten hat oder ob unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen. Liegt der Absagegrund im Verantwortungsbereich des Veranstalters, muss er dafür einstehen und sich entlasten. Gelingt ihm das nicht, ist er schadensersatzpflichtig.

Beispiele für Gründe in der Risikosphäre des Veranstalters sind Überbuchen, Streiks von Mitarbeitern der Fluggesellschaft oder am Flughafen. Hier besteht in der Regel ein Anspruch auf Entschädigung.

Anders ist es bei höherer Gewalt wie Naturkatastrophen, Epidemien oder plötzlichen politischen Unruhen. Für unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände haftet der Veranstalter nicht. Er muss diese aber darlegen und beweisen.

Auch der Zeitpunkt und die Art und Weise der Absage können relevant sein. Erfährt der Reisende erst sehr kurzfristig von der Absage, nachdem er bereits angereist ist, spricht das eher für einen Entschädigungsanspruch als bei einer frühzeitigen Information.

Fazit: Je mehr die Absage vom Veranstalter zu vertreten ist und je schlechter er darüber informiert, desto eher besteht ein Anspruch auf Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude. Bei höherer Gewalt ist der Veranstalter von der Haftung befreit.


Wie wird die Höhe des Schadensersatzes für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit bestimmt?

Die Höhe des Schadensersatzes für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit richtet sich nach verschiedenen Faktoren und wird im Einzelfall bestimmt. Folgende Kriterien spielen dabei eine wichtige Rolle:

  • Ausmaß der Beeinträchtigung: Je stärker die Reise beeinträchtigt oder gar vereitelt wurde, desto höher fällt die Entschädigung aus. Bei einer völligen Vereitelung kann der Schadensersatz bis zu 100% des Reisepreises betragen.
  • Reisepreis: Der gezahlte Reisepreis dient als Orientierungsgröße. Bei erheblichen Mängeln wird oft für jeden betroffenen Urlaubstag die anteilige Tagesquote des Reisepreises als Entschädigung angesetzt.
  • Reisedauer: Auch die Dauer der Reise fließt in die Berechnung ein. Je länger die Reise, desto mehr Gewicht haben einzelne beeinträchtigte Tage.
  • Verschulden des Veranstalters: Das Ausmaß des Verschuldens auf Seiten des Reiseveranstalters kann sich auf die Höhe des Schadensersatzes auswirken. Grobe Fehler führen tendenziell zu einer höheren Entschädigung als leichte Versehen.
  • Zeitpunkt und Art der Reiseabsage: Sagt der Veranstalter die Reise sehr kurzfristig ab oder informiert er den Reisenden nur unzureichend, kann auch das zu einem höheren Schadensersatz führen.

Das Einkommen und die Vermögensverhältnisse des Reisenden spielen dagegen keine Rolle, da es sich um einen immateriellen Schadensersatz für die entgangene Urlaubsfreude handelt. Auch eine starre Grenze von 50% Reisepreisminderung ist nicht erforderlich. Es kommt auf die Gesamtumstände des Einzelfalls an.


Was sind die rechtlichen Konsequenzen, wenn Alternativangebote vom Reiseveranstalter gemacht und abgelehnt werden?

Wenn der Reiseveranstalter dem Reisenden nach einer Reiseabsage ein gleichwertiges Alternativangebot unterbreitet, dieses aber vom Reisenden abgelehnt wird, kann sich das auf dessen Ansprüche auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit auswirken.

Grundsätzlich ist der Reiseveranstalter im Falle einer Reiseabsage verpflichtet, dem Reisenden eine zumutbare, gleichwertige Ersatzreise anzubieten, sofern dies möglich ist. Kommt er dieser Pflicht nach, der Reisende lehnt das Angebot aber ab, obwohl es gleichwertig war, kann er nicht mehr den vollen Schadensersatz für die entgangene Urlaubsfreude verlangen.

Der Reisende muss sich in diesem Fall anrechnen lassen, dass er die Möglichkeit hatte, die Reise mit einem anderen, vergleichbaren Angebot durchzuführen und so zumindest einen Teil der geplanten Urlaubszeit in Anspruch zu nehmen. Die Ablehnung eines zumutbaren, gleichwertigen Alternativangebots kann daher zu einer Kürzung des Schadensersatzanspruchs führen.

Allerdings trägt der Reiseveranstalter die Beweislast dafür, dass das unterbreitete Angebot tatsächlich gleichwertig war. Nur wenn die Ersatzreise der ursprünglich gebuchten in Bezug auf Reiseziel, -zeit, -dauer und -qualität im Wesentlichen entsprach, ist die Ablehnung durch den Reisenden für den Schadensersatzanspruch relevant. Wäre die Alternativreise mit erheblichen Änderungen verbunden gewesen, bleibt der Anspruch trotz Ablehnung in voller Höhe bestehen.

Zudem muss der Reisende auf das alternative Angebot unverzüglich reagieren. Erfolgt die Ablehnung nicht rechtzeitig, kann der Veranstalter sich darauf berufen, dass der Reisende durch sein Zögern die Möglichkeit einer anderweitigen Urlaubsgestaltung vereitelt hat.

Fazit: Die Ablehnung eines gleichwertigen Alternativangebots kann den Schadensersatzanspruch des Reisenden schmälern. Der Veranstalter muss aber beweisen, dass das Angebot tatsächlich gleichwertig war. Nur bei einer zumutbaren Alternative und unverzüglicher Reaktion wirkt sich die Ablehnung negativ für den Reisenden aus.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 651i Abs. 2 BGB: Diese Vorschrift regelt Ansprüche des Reisenden bei Mängeln der Reise. Sie ist relevant, da das Gericht die Reiseabsage als Reisemangel bewertet hat, weil die Reiseleistung nicht wie vereinbart verschafft wurde. Dies führt direkt zum Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, da die Reise vereitelt wurde.
  • § 651n BGB: Dieser Paragraph betrachtet Haftungsausschlüsse bei Pauschalreisen. Er ist hier von Bedeutung, da die Beklagte argumentiert, dass ein Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt vorliege. Das Gericht wies dies jedoch zurück, da die Umstände vermeidbar waren und die Beklagte selbst entschieden hat, das Schiff anderweitig zu nutzen.
  • § 651a BGB: Definiert den Pauschalreisevertrag und dessen Anforderungen. Das Gericht stellte fest, dass ein solcher Vertrag zwischen den Parteien existierte und die Nichterfüllung dessen zu einem Anspruch auf Schadensersatz führt.
  • § 651h BGB: Beschreibt unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände, die zu einem Haftungsausschluss führen könnten. Das Gericht nutzte diese Bestimmungen, um zu erklären, warum die von der Beklagten vorgebrachten Gründe keinen Haftungsausschluss rechtfertigen.
  • § 34 StGB und § 35 StGB: Betreffen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe in Notstandssituationen. Das Gericht erwähnt diese, um zu beurteilen, ob die Beklagte durch das Bereitstellen des Schiffs für Flüchtlinge aus humanitären Gründen gerechtfertigt oder entschuldigt sein könnte. Es wurde jedoch festgestellt, dass keine entsprechende Notlage vorlag, die das Handeln der Beklagten rechtfertigen würde.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Bonn

AG Bonn – Az.: 101 C 30/23 – Urteil vom 31.10.2023

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Bonn auf die mündliche Verhandlung vom 31.10.2023 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 450,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.05.2023 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 90,96 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2023 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 31% und die Beklagte zu 69%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn ich die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Am 16.01.2023 buchte die Klägerin bei der Beklagten eine Flusskreuzfahrt mit der MS V. auf der Route „Historisches Holland & Belgien“ für die Zeit vom 22.04.2023 bis 30.04.2023 von C nach B und zurück zu einem Reisepreis von 1.299,00 EUR. Bestandteil der Reise waren die Unterbringung in einer Einzelkabine auf dem unteren Deck des Schiffes und die volle Verpflegung „all inclusive“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Buchungsbestätigung der Beklagten vom gleichen Tage (Blatt 5f. GA) Bezug genommen.

In der Folgezeit leistete die Klägerin die geforderte Anzahlung i.H.v. 260,00 EUR.

Mit E-Mail-Mitteilung vom 10.03.2023 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die gebuchte Reise absagen zu müssen, und begründete dies damit, dass die niederländische Regierung bei der Reederei der MS V. darum gebeten habe, das Schiff für die Unterbringung von geflüchteten Menschen mit Behinderung zur Verfügung zu stellen. Dies habe die Beklagte akzeptiert, so dass das Schiff nicht mehr für die Reisenden zur Verfügung stehe. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Mitteilung der Beklagten (Bl. 7 ff. GA) verwiesen.

Mit Schreiben vom 21.03.2023 teilte die Klägerin mit, keine Alternativreise in Anspruch nehmen zu wollen, und forderte die Erstattung der geleisteten Anzahlung sowie Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung bzw. Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden i.H.v. 50% des Reisepreises bis zum 14.04.2023.

Daraufhin zahlte die Beklagte der Klägerin ihre vorgenannte Anzahlung zurück, leistete jedoch kein Schadensersatz.

Hierauf nahm die Klägerin anwaltliche Hilfe in Anspruch und forderte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2023 auf, Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 649,50 EUR bis zum 04.05.2023 zu leisten und ihr ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 159,94 EUR zu erstatten. Hierbei wies die Klägerin auch darauf hin, dass der Ausfall der Flusskreuzfahrt für sie besonders ins Gewicht fällt, weil sie die Reise gemeinsam mit einigen Freundinnen gebucht hatte.

Hierauf teilte die Beklagte mit, dass sie bei ihrer Haltung verbleibe und keine weiteren Erstattungen anbieten könne.

Die Klägerin meint, gegen die Beklagte einen Ersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651 in Abs. 2 BGB in geltend gemachter Höhe zu haben.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 649,50 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 05.05.2023 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 159,94 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, durch die Absage der Reise keinen wirtschaftlichen Vorteil, sondern noch wirtschaftlichen Schaden in Kauf genommen zu haben. Die niederländische Regierung habe den Wunsch geäußert, die MS V. für die Unterbringung von behinderten Flüchtlingen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Sie habe sich allein aus humanitären Gründen dazu entschlossen, diesem Wunsch entsprechend das Schiff für die Unterbringung von behinderten Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Weder hätte der holländische Staat an sie noch Dritte Entschädigungen gezahlt.

Die Beklagte meint, vorliegend greife der Entlastungsgrund des § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB, da die vorliegende Konstellation als ein besonderer Fall der höheren Gewalt ähnlich der Art eines übergesetzlichen Notstandes zu bewerten sei, bei welcher der Begriff der Nothilfe überragende Bedeutung gewinne. Jedenfalls sei dem Anspruch aus übergeordneten Gründen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I und H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2023 (Bl. 144 ff. GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 651 in Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 450,00 EUR.

Nach dieser Vorschrift kann der Reisende wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn die Pauschalreise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

a.

Die Parteien haben einen Pauschalreisevertrag gemäß § 651a BGB geschlossen, weil sich die Beklagte spätestens durch ihre Buchungsbestätigung vom 16.01.2023 dazu verpflichtet hatte, gegen Zahlung eines Reisepreises von 1299,00 EUR der Klägerin eine Flusskreuzfahrt mit der MS V. in einer Einzelkabine und mit voller Verpflegung „all inclusive“ von C nach B und zurück zwischen dem 22. und 30.04.2023 zu ermöglichen.

b.

Diese Pauschalreise wurde auf vereitelt. Will der Reiseveranstalter den Reisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen und führt dies dazu, dass der Kunde die Reise nicht antritt, so wird die Reise vereitelt (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 – X ZR 94/17 -, BGHZ 219, 26-35, juris Rn 9 m.w.N.: Steinrötter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 651n BGB (Stand: 01.02.2023) Rn 46 m.w.N.). So liegt hier der Fall. Aufgrund der Absage der Beklagten vom 10.03.2023 konnte die Klägerin die von ihr gebuchte Flusskreuzfahrt überhaupt nicht antreten.

c.

Die Haftung der Beklagten ist vorliegend auch nicht ausgeschlossen.

aa.

Die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 651n Abs. 1 BGB liegen nicht vor.

aaa.

Insbesondere ist kein Fall des § 651 in Abs. 1 Nr. 3 BGB gegeben.

In der Vereitelung der Pauschalreise liegt zugleich auch ein Reisemangel gemäß § 651i Abs. 2 S. 3 BGB, weil die Beklagte als Reiseveranstalterin die Reiseleistung nicht wie mit der Klägerin vereinbart verschafft hat. Dieser Mangel wurde aber nicht durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände verursacht. Wie bei § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB ist dies nur dann der Fall, wenn die Umstände nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (vgl. nur Steinrötter, a.a.O. Rn 31 m.w.N.).

Hieran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil es die Beklagte selbst in der Hand gehabt hatte, die Absage und damit die Vereitelung der Reise dadurch zu vermeiden, dass sie die MS V. nicht zur Unterbringung von Flüchtlingen bereitgestellt, sondern – wie vertraglich vereinbart – zur Durchführung der gebuchten Flusskreuzfahrt genutzt hätte.

Unabhängig davon hätte die Beklagte die Vereitelung der Reise auch deshalb vermeiden können, weil selbst bei Annahme eines Wunsches der niederländischen Regierung, das vorgenannte Schiff für die Unterbringung behinderter Flüchtlinge zur Verfügung gestellt zu bekommen, die Beklagte diesem Wunsch nicht hätte entsprechen müssen. Eine Gefahr, dass das Schiff in diesem Fall beschlagnahmt worden wäre, bestand in diesem Fall nicht. Sowohl der Zeuge I als auch der Zeuge H haben insoweit übereinstimmend glaubhaft bekundet, dass keine Beschlagnahme des Schiffes im Raum gestanden hätte, wenn die Beklagte dem Wunsch nicht entsprochen hätte, das Schiff zur Unterbringung insbesondere behinderter Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

bbb.

Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen der übrigen Ausnahmetatbestände des § 651 in Abs. 1 BGB vor. Insbesondere ist der Tatbestand des § 651 in Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erfüllt, weil der in der vertragswidrigen Absage liegende Reisemangel für die Beklagte keineswegs nicht vorhersehbar, sondern vielmehr notwendige Folge ihrer Entscheidung war, die MS V. anderweitig zu nutzen und nicht für die von der Klägerin gebuchte Flusskreuzfahrt zur Verfügung zu stellen.

bb.

Soweit die Beklagte meint, die vorliegende Konstellation sei als ein besonderer Fall der höheren Gewalt ähnlich der Art eines übergesetzlichen Notstandes zu bewerten, bei welcher der Begriff der Nothilfe überragende Bedeutung gewinne, ist dies schon deshalb unbehelflich, weil die in § 651n Abs. 1 BGB normierten Tatbestände für einen Ausschluss der Haftung des Reiseveranstalters abschließend sind (vgl. nur BT-Drs. 18/10822, S. 84; Steinrötter, a.a.O. Rn 20 m.w.N.).

Unabhängig davon liegt auch keineswegs höhere Gewalt vor. Diese setzt ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis voraus (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. März 1987 – VII ZR 180/86 -, juris Rn 13 m.w.N.). Hieran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil die Absage der streitgegenständlichen Reise durch die Beklagte kein von außen kommendes Ereignis darstellte, sondern von ihrer Entscheidung abhing und aus den vorgenannten Gründen zudem für sie auch abwendbar war.

cc.

Im Übrigen vermag das Vorbringen der Beklagten ihre vertragswidrige Absage der streitgegenständlichen Reise zivilrechtlich weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen.

aaa.

Eine rechtfertigende Nothilfe liegt nicht vor.

Ein allgemeines Gebot, andere vor Gefährdung zu bewahren, besteht gerade nicht (vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 1987 – VI ZR 257/86 -, BGHZ 101, 215-224, juris Rn 14 m.w.N.). Das gesellschaftliche Zusammenleben mit seinen zahlreichen Kontakten der Menschen führt zu vielfältigen Einflüssen des einen auf die Entschließungen des anderen, ohne dass sie schon deshalb von dem Einflussnehmenden haftungsrechtlich mitzuverantworten wären (BGH, a.a.O.). Erst wenn eine Person verantwortlich einen Gefahrenzustand geschaffen hat, der von einem solchen Gewicht und von einem solchen Aufforderungscharakter an den Nothelfer ist, dass das von diesem auf sich genommene Risiko ebenso wie die für den zu Helfenden gesetzte Gefahr bei einer wertenden Betrachtung der Person zuzuordnen ist, weil sie den zu Helfenden in eine Lage gebracht hat, die das Eingreifen des Nothelfers wenn nicht gebietet, so doch mindestens verständlich und billigenswert macht, muss diese Person für die Selbstschädigung des Nothelfers einstehen (BGH, a.a.O.).

Hieran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil weder vorgetragen noch aus den sonstigen Umständen ersichtlich ist, dass die Klägerin in irgendeiner Weise auf die Entscheidung der Beklagten Einfluss genommen hat, die streitgegenständliche Reise abzusagen, geschweige denn insbesondere für die behinderten Flüchtlinge und deren Unterbringung in den Niederlanden verantwortlich einen Gefahrenzustand geschaffen hat.

Unabhängig davon ist diesbezüglich auch keine Notstandslage im Sinne von § 34 StGB konkret vorgetragen oder aus den sonstigen Umständen ersichtlich. Insbesondere folgt aus etwaigen Schwierigkeiten der Unterbringung gerade behinderter Flüchtlinge in den Niederlanden keineswegs schon eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für deren Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder andere Rechtsgüter.

bbb.

Aus den gleichen Gründen ist auch kein entschuldigender Notstand im Sinne von § 35 StGB gegeben, auch nicht übergesetzlich. Unabhängig vom hierfür notwendigen rechtlichen Näheverhältnis fehlt es aus den vorgenannten Gründen jedenfalls an der erforderlichen Notstandslage.

d.

Die Klägerin kann nach § 651 in Abs. 2 BGB jedoch nur die Zahlung von 450,00 EUR von der Beklagten beanspruchen, weil lediglich dieser Betrag erforderlich, aber auch angemessen ist, um sie für ihre nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zwischen dem 22. und 30.04.2023 zu entschädigen.

Bei der Bestimmung der Höhe des Anspruchs des Reisenden gegen den Reiseveranstalter auf eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit sind sämtliche Umstände zu würdigen, wobei insbesondere das Ausmaß der Beeinträchtigung der Reise, die Schwere des dem Reiseveranstalter zur Last fallenden Verschuldens sowie der Reisepreis zu berücksichtigen sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 – X ZR 94/17 -, BGHZ 219, 26-35m, juris Rn 14 m.w.N.; BT-Drs 8/786, 30). Der Fall der vollständigen Vereitelung einer Reise ist aber regelmäßig nicht einem Fall gleichzustellen, in dem die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise (nahezu) vollständig verfehlt worden ist und deshalb eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises angemessen ist. Daher kann auch einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht, nach der bei einem vollständig ausbleibenden Urlaub stets der volle Reisepreis als Entschädigung zuzuerkennen sein soll (Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 11 Rn. 66; Staudinger/Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, § 651f, Rn. 84; MünchKomm.BGB/Tonner, 7. Aufl. 2017, § 651f Rn. 62; vgl. aber auch Fischer, RRa 2005, 98, 103 f.), nicht beigetreten werden (BGH, a.a.O. Rn 15). Dies schließt aber nicht aus, dass in Einzelfällen – bei erschwerend hinzutretenden Umständen, wie etwa einer vereinbarten einzigartigen und aus sachlichen oder persönlichen Gründen nicht nachholbaren Reiseleistung – das Maß der Beeinträchtigung durch eine Vereitelung der Reise dem Maß der Beeinträchtigung durch grob mangelhafte, den Erholungs-, Erlebnis- oder Bildungswert der Reise nahezu vollständig entwertende Mängel gleich- oder nahekommen kann (BGH, a.a.O. Rn 19). Auf die Art, wie der Reisende die für die Reise vorgesehene Zeitspanne verbracht hat, kommt es für die Bemessung der Entschädigung ebenso wenig an wie auf sein Einkommen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – X ZR 118/03 -, BGHZ 161, 389-400, juris Rn 23ff.).

Gemessen hieran und nach Durchführung der Beweisaufnahme erachtet das Gericht unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung in vorgenannter Höhe als angemessen.

Hierbei war insbesondere zu berücksichtigen, dass für die streitgegenständliche Flusskreuzfahrt ein Reisepreis von 1299,00 EUR vereinbart war, die Reise durch die Absage der Beklagten vereitelt wurde und dies für die Klägerin deshalb besonders ins Gewicht fiel, weil sie die konkret zwischen dem 22. und 30.04.2023 mit der Beklagten vereinbarte Flusskreuzfahrt gemeinsam mit einigen Freundinnen gebucht hatte. Hinzu kommt, dass die Beklagte den Reisemangel jedenfalls vorsätzlich verursacht hat, da sie die mit der Klägerin vereinbarte Reise aus den vorgenannten Gründen aus freiem Entschluss absagte, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein. Ebenso wenig hat die Beklagte die Klägerin an ihrer Entscheidungsfindung beteiligt oder auch nur zuvor angehört.

Umgekehrt war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Absage der Reise bereits am 10.03.2023 und damit über einen Monat vor vereinbartem Reisebeginn erfolgte. Zudem hat die Beklagte die Reise keineswegs aus allein wirtschaftlichen Gründen abgesagt, sondern sich insbesondere auch aus humanitären Gründen dazu entschlossen, dem Wunsch der niederländischen Regierung zu entsprechen und die MS V. für die Unterbringung von behinderten Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Sowohl der Zeuge I als auch der Zeuge H haben übereinstimmend glaubhaft bekundet, dass die Beklagte die streitgegenständliche Reise deshalb abgesagt habe, um das Schiff dem Wunsch der niederländischen Regierung entsprechend zur Unterbringung von Flüchtlingen insbesondere mit Behinderung zur Verfügung zu stellen.

Indes steht auch nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass der holländische Staat weder an sie noch Dritte Entschädigungen gezahlt habe. Zwar haben die Zeugen auch insoweit übereinstimmend bekundet, dass die Beklagte gegenüber der Reederei auf ihre Charterrate für das Schiff verzichtet und auch vom niederländischen Staat keinerlei finanzielle Entschädigung erhalten habe. Jedoch hat der Zeuge H der als Geschäftsführer der die MS V. betreibenden Reederei die entsprechenden Umstände wahrnehmen konnte, glaubhaft bekundet, dass die Reederei für die Bereitstellung des vorgenannten Schiffes vom niederländischen Staat Geld erhalten und unter anderem für den Betrieb des Schiffes, insbesondere für Löhne und Gehälter, aber auch für Treibstoff verwendet habe. Darüber hinaus hat er ebenfalls glaubhaft bekundet, dass die MS V. ein gemeinsames Projekt seiner Reederei und der Beklagten und nicht so gut ausgebucht gewesen sei. Das Schiff habe insgesamt nicht gewinnbringend betrieben werden können, sodass nach einem Verwendungszweck für das Schiff gesucht worden sei. Als ehemaliges Rotes Kreuz Schiff sei das Schiff speziell. So habe es eine besondere Gangway, die dazu führe, dass es anderes als gewöhnliche Kreuzfahrtschiffe nicht in jedem Hafen anlegen könne. Auch das Beladen des Schiffes mit Gütern funktioniere nicht in zweiter oder dritter Reihe. Im Übrigen stehe das Schiff insbesondere im Winter längere Zeit leer und werde nicht betrieben. Auch dies sei ein Unterschied zu anderen Kreuzfahrtschiffen, die bis zu neun Monate im Jahr betrieben werden könnten.

Im Rahmen der Bemessung der angemessenen Entschädigung war ferner auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte der Klägerin angeboten hatte, eine andere Reise aus ihrem Programm auszusuchen und ihr für eine begleitende Unterstützung während der alternativen Reise pro gebuchter Kabine zusätzlich eine weitere Kabine kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Zudem war von Bedeutung, dass die vereinbarten Reiseziele wie insbesondere C und B keineswegs nur auf einer Flusskreuzfahrt zu erreichen gewesen waren, so dass insbesondere der Erlebnis- und Bildungswert der gebuchten Reise nicht in vergleichbarem Maße einzigartig war wie dies bei Zielen der Fall gewesen wäre, die nur mit dem Schiff zu erreichen oder zu erleben gewesen wären, etwa bei einer Kreuzfahrt auf hoher See.

e.

Schließlich steht dem Anspruch auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen.

Grundsätzlich obliegt es nicht dem Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebotes vorzutragen, sondern ist es Sache des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – X ZR 118/03 -, BGHZ 161, 389-400, juris Rn 20). Diese Umstände müssen letztlich den Schluss rechtfertigen, dass nicht die Unterschiede zwischen den beiden Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine Ablehnung waren, sondern dass ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue (BGH, a.a.O.).

Gründe, die die Ablehnung des Ersatzangebots der Beklagten durch die Klägerin als treuwidrig erscheinen lassen, bestehen vor diesem Hintergrund schon deshalb nicht, weil sämtliche von der Beklagten alternativ angebotenen Reisen zu anderen Terminen als die streitgegenständlich gebuchte Reise stattgefunden hätten. Unabhängig davon konnte die Beklagte ausweislich insbesondere ihrer eigenen Nachricht vom 10.03.2023 keine Reise auf einem alternativen Schiff mit vergleichbarem Leistungsumfang wie der gebuchten MS V. anbieten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung ihres Angebots, bei Buchung einer anderen Reise aus ihrem Programm pro gebuchter Kabine kostenfrei eine weitere Kabine zur Verfügung zu stellen, da die Kabinen aller alternativ angebotenen Schiffe weder rollstuhlgerecht sind noch einen Zugang zum Sonnendeck mit dem Lift ermöglichen.

Unabhängig davon greift der Einwand unzulässiger Rechtsausübung vorliegend aber auch deshalb nicht durch, weil die Klägerin aus den vorgenannten Gründen gerade keine Rechtspflicht traf, die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die Absage der streitgegenständlichen Reise hinzunehmen. Vielmehr durfte sie berechtigterweise erwarten, dass die Beklagte keinen Vertragsbruch begeht, da eine Vertragspartei, die – wie die Beklagte – eine gebuchte Reise unter Missachtung des vertraglich Vereinbarten absagt, vielmehr ihrerseits jedenfalls ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – III ZR 446/15 -, BGHZ 211, 201-215, juris Rn 16). Im Übrigen berechtigt die Verletzung eigener Pflichten durch den Gläubiger grundsätzlich nur zu Gegenansprüchen des Schuldners, hindert den Gläubiger aber gerade nicht an der Geltendmachung des Anspruchs (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. August 2010 – XII ZR 14/09 -, BGHZ 186, 372-384, juris Rn 29 m.w.N.). Eine solche Hinderung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Anspruch auf einem erheblichen Verstoß des Gläubigers gegen Pflichten beruht, die in einem inneren Zusammenhang mit seinem Anspruch stehen (BGH, a.a.O.). Dies ist vorliegend aber schon deshalb nicht der Fall, weil der von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsanspruch aus den vorgenannten Gründen keineswegs auf einem erheblichen Verstoß ihrer Pflichten des streitgegenständlichen Reisevertrags beruht. Die Klägerin hat sich vertragstreu verhalten.

2.

Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen der Hauptforderung folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzugs, da die Beklagte trotz Mahnschreibens der Klägerin vom 21.03.2023 diese nicht binnen der dort bis zum 14.04.2023 gesetzten Frist erfüllt hat.

3.

Ebenfalls als Verzugsschaden kann die Klägerin aus §§ 280, 286 BGB die Kosten für das vorgerichtliche Mahnschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2023 ersetzt verlangen, jedoch nur in Höhe von 90,96 EUR. Deren Einschaltung war zwar nach Ablauf der im vorgenannten Mahnschreiben gesetzten Frist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, jedoch nur hinsichtlich der Geltendmachung einer Forderung in Höhe von 450,00 EUR, da aus den vorgenannten Gründen nur insoweit ein Entschädigungsanspruch besteht.

Der Zinsanspruch insoweit folgt schließlich aus §§ 288, 291 BGB.

4.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

5.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts, weil insbesondere keine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden.

6.

Der Streitwert wird auf 649,50 EUR festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelle Jobangebote


Stand: 25.06.2024

Rechtsanwaltsfachangestellte (n) / Notarfachangestellte(n) (m/w/d) in Vollzeit

 

jetzt bewerben

 


 

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)

als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

 

mehr Infos