Landesarbeitsgericht Köln
Az.: 4 Sa 876/08
Urteil vom 28.08.2009
Vorinstanz: Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 8767/07
Das Versäumnisurteil der erkennenden Kammer vom 24.10.2008 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.05.2008 – 2 Ca 8767/07 – wird zurückgewiesen.
Die durch die Säumnis des Beklagten im Termin vom 24.10.2008 entstandenen Kosten hat der Beklagte zu tragen. Die übrigen Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
(Abgekürzt nach § 69 Abs. 2 ArbGG)
Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch des klagenden
Arbeitgebers gegen den von ihm als Fahrer in dem Unternehmen H Busreisen
GmbH eingesetzten Beklagten.
Während der Kläger erstinstanzlich einen Gesamtbetrag von 1.745,40 € verlangt
hat, in dem ein Verdienstausfallschaden von 464,10 € enthalten war, macht er
zweitinstanzlich nur noch einen Schaden von 1.281,30 € geltend, mit dem er
nach seinem Vortrag seitens der Firma Hebbel deswegen belastet worden sei,
weil der Kläger – was als solches unstreitig ist – den von ihm gefahrenen Bus
auf einem Rastplatz bei N verlassen und sich aus Gründen, die zwischen den
Parteien streitig sind, geweigert hat, diesen weiterzufahren.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens und der
erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils im Übrigen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat aufgrund der Säumnis des Klägers zunächst ein
klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen und dieses sodann nach
Einspruch des Klägers vom 30.05.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das am 22.06.2008 zugestellte Urteil am 17.07.2008
Berufung eingelegt und diese am 19.08.2008 begründet.
Aufgrund der Säumnis des Beklagten im Termin vom 24.10.2008 vor der
erkennenden Kammer erging wiederum über den zweitinstanzlich noch streitigen
Betrag von 1.281,30 € ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten.
In der auf seinen Einspruch hin anberaumten mündlichen Verhandlung vor der
Kammer beantragte der Beklagte,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Berufung als unbegründet
zurückzuweisen.
Der Kläger beantragte,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen
diesen zweitinstanzlich ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen. Weitere
erforderliche Feststellungen werden in den Entscheidungsgründen getroffen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des
Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg. Das Versäumnisurteil der erkennenden
Kammer vom 24.10.2008 war aufzuheben, da der Einspruch des Beklagten an
sich statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden ist (§ 341
ZPO) und die Entscheidung, die aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassen
war, mit dem Versäumnisurteil nicht übereinstimmt (§ 343 ZPO).
A. Der Einspruch war zulässig. Der Beklagte hat den Einspruch mit dem am
10.11.2008 und am 11.11.2008 eingegangenen Schriftsätzen rechtzeitig und
formgerecht eingelegt.
1. Die Notfrist von einer Woche wurde eingehalten. Das Versäumnisurteil wurde
dem Beklagten am 03.11.2008 zugestellt (Zustellungsurkunde Bl. 100 d. A.).
2. Der Beklagte konnte auch selbst und ohne anwaltliche Vertretung den
Einspruch einlegen. Da der Einspruch nämlich auch mündlich zu Protokoll der
Geschäftsstelle erklärt werden kann, besteht im Verfahren vor dem
Landesarbeitsgericht entgegen § 11 Abs. 2 ArbGG kein Vertreterzwang. Das
entspricht herrschender Meinung (BAG 10.07.1957 AP ArbGG 1953 § 64 Nr. 5;
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 59 Rn. 25; Schwab/Weth §
64 ArbGG Rn. 244; HWK-Kalb § 64 ArbGG Rn. 53; Wenzel AUR 1977, 267).
B. Auf den Einspruch hin war die Berufung zurückzuweisen, da sich das Urteil
des Arbeitsgerichts auch nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Parteien
als zutreffend erweist.
1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die vom Kläger vorgelegte
Rechnung der Firma H (Bl. 11 d. A.) keinen durch das Handeln des Klägers
verursachten Schaden belegen kann. Es fehlte erstinstanzlich und es fehlt
zweitinstanzlich jeglicher Sachvortrag zu den einzelnen Schadenspositionen. Es
ist insbesondere erst- wie zweitinstanzlich nicht vorgetragen, welcher
Ersatzbusfahrer von welchem Ort zu welchem Ort transportiert worden ist,
warum dieses erforderlich war und warum die dafür gelten gemachten Kosten
erforderlich waren.
Wenn es auch – wie in der Berufungsbegründung ausgeführt wird –
nachvollziehbar und einleuchtend sein mag, dass der Transport eines
zusätzlichen Busfahrers nach N schnellstmöglich durchgeführt werden musste,
so ist damit doch nichts dazu gesagt, wieso die in der Rechnung der Firma
Hebbel (Bl. 11 d. A.), auf die der Kläger sich beruft, aufgeführten Taxikosten in
Höhe von 480,00 € von L bis M durch den Ausfall des Klägers verursacht
worden sind. Montpellier liegt im Süden Frankreichs, Nancy im Nordwesten.
Ebenso unverständlich ist die Kausalität für die weiter in der Rechnung
aufgeführten Kosten: Das gilt für die zusätzlichen „Fahrerkosten“ von M bis L in
Höhe von 335,00 €, die Taxikosten vom Bahnhof M bis zur Autobahn M , für die
Bahnkarte von B bis M und schließlich wieder für „Fahrerkosten“ von M bis L .
Ebenso ist in keiner Weise erkennbar, wie die einzelnen Positionen berechnet
sind. Es ist nicht nur nicht vorgetragen, welcher Fahrer überhaupt zu der Stelle,
an der der Kläger den Bus verlassen hat, transportiert worden ist, von wo er
transportiert worden ist, warum dieses solch hohe Kosten verursacht hat und wie
die mehrfachen „Fahrerkosten“ berechnet sein sollen. Es fehlt auch insoweit
jeglicher Beweisantritt. Die (vom Beklagten) eingereichten „Belege“ (Bl.103 –
108 d.A.), auf die der Kläger sich weiterhin beruft, sind ebenso wenig
aussagekräftig. Sie könne weder ausweisen, dass es sich um durch das
Verlassen des Busses durch den Kläger kausal verursachte Kosten handelt,
noch wie sie berechnet sind.
Der Kläger teilt im Schriftsatz vom 19.08.2009 schließlich mit, dass sich die
Firma H zur weitergehenden Informationen diesbezüglich nicht bereitgefunden
habe. Der Kläger kann mithin nach eigenem Bekunden zur Schadenshöhe nicht
substantiiert vortragen.
Der Kläger führt indes einen Zivilprozess und ist für die Kausalität des Schadens
und für seine Höhe darlegungs- und beweisbelastet. Wenn die Firma H , die
dem Kläger die Kosten in Rechnung gestellt hat (mit Rechnung vom 04.07.2007)
und die nach Behauptung des Klägers mit Gegenforderungen des Kläger gegen
die Firma H aufgerechnet hat, nicht bereit ist, ihren dem Kläger in Rechnung
gestellten Schaden substantiiert dem Kläger vorzutragen, so ist dem Kläger
anheimgestellt, seine Forderungen gegen die Firma H durchzusetzen und die
Berechtigung der Aufrechnung zu bestreiten. Die Weigerung der Firma H kann
indes nicht dazu führen, dass der Kläger ohne eigenen substantiierten Vortrag
die ihm von der Firma H in Rechnung gestellten Kosten seinerseits als Schaden
gegen den Kläger durchsetzen kann, ohne seiner prozessualen Darlegungslast
nachzukommen.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung darauf verwiesen hat, dass das
Arbeitsgericht auch ein Versäumnisurteil erlassen habe und mithin seinen
Anspruch für schlüssig gehalten habe, so ist auch im Hinblick darauf, dass auch
die erkennende Kammer wegen der Säumnis des Beklagten ein
Versäumnisurteil erlassen hat, darauf hinzuweisen, dass es für ein
Versäumnisurteil nur darauf ankommt, ob das Vorbringen schlüssig. Es kommt
nicht darauf an, ob es substantiiert ist. Die Substantiierungsobliegenheit, nämlich
die Obliegenheit, die tatsächlichen Umstände vollständig (§ 138 Abs. 1 ZPO) so
vorzutragen, dass sich die Gegenpartei ebenso vollständig dazu erklären kann
und dass eine mögliche Beweiserhebung nicht zu einem unzulässigen
Ausforschungsbeweis missrät (vgl. dazu BAG 15.12.1999 – 5 AZR 566/98) setzt
erst ein, wenn das Vorbringen der Gegenpartei zu berücksichtigen ist. Hier hat
die Gegenpartei den geltend gemachten Schaden bestritten und die
Unsubstantiiertheit des Vortrags des Klägers ausdrücklich hingewiesen. Sie hat
vorgetragen, was die Schadenshöhe angehe, so habe der Beklagte schon
darauf hingewiesen, dass die vorgelegte Rechnung der Firma H nicht ausreiche,
da ein jeglicher substantiierter Vortrag nicht vorliege. Dieses sei bereits im
erstinstanzlichen Urteil festgestellt worden. Der Beklagte hat ausdrücklich
bestritten, dass der immer noch nicht namentlich benannte Fahrer, der aus S mit
dem Taxi angereist sein solle, den Bus weitergefahren habe. Er hat auf die
Tachoscheiben verwiesen, die vorgelegt werden sollten, und aus denen sich
ergeben könne, welcher Fahrer konkret die Fahrt durchgeführt habe. Er hat
darauf verwiesen, dass der Kläger beweisen müsse, dass der Fahrer tatsächlich
aus S angereist sei zu dem Zweck, den Bus zu fahren. Im Übrigen sei es
unabhängig von alledem nicht nachvollziehbar, warum es gerade erforderlich
gewesen sein solle, den Busfahrer mit dem Taxi anreisen zu lassen.
Der Kläger hat auch darauf nichts Substantiiertes vorgetragen. Er hat vielmehr
darauf verwiesen, dass die Firma H ihm die notwendigen Informationen nicht
gebe.
Entsprechend der völligen Unsubstantiiertheit des Vortrags des Klägers fehlt es
auch an entsprechenden Beweisantritten. Der Kläger hat keinen zulässigen und
durchschlagenden Beweis dafür angeboten, dass die in der Rechnung
genannten Positionen kausal durch den Ausfall des Klägers verursacht worden
sind. Er hat keinen Beweis dafür angeboten, dass der namentlich nicht benannte
Fahrer, der aus S mit dem Taxi angereist sein soll, den Bus weitergefahren hat.
Er hat auch keinen Beweis dafür angetreten, dass dieser Fahrer auch tatsächlich
von S aus angereist ist zum Zwecke, den Bus zu fahren. Er hat keinen Beweis
dafür angetreten, dass ein Taxi aus S erforderlich gewesen sei. Ebenso wenig
hat er zur Kausalität und Erforderlichkeit der übrigen Positionen keinen Beweis
angetreten. Die vom Beklagten mit am 11.11.2008 eingegangenem Schriftsatz
(Bl. 102 ff. d. A.) selbst eingereichten „Belege“ enthalten nichts
Nachvollziehbares zu den streitigen Fragen.
2. Es ist unabhängig von dem zuvor Gesagten auch nicht feststellbar, dass dem
Kläger – die Berechtigung der Forderung der Firma H gegenüber dem Kläger
aufgrund des Verhaltens des Beklagten unterstellt – überhaupt ein
entsprechender Schaden entstanden ist.
Bereits das Arbeitsgericht hat die Klage u. a. deshalb abgewiesen, weil noch
nicht einmal vorgetragen sei, dass der Kläger die Rechnung überhaupt bezahlt
habe, ein Schaden also schon eingetreten sei. Hierzu hat der Kläger in der
Berufungsbegründung nur vorgetragen: „Tatsache ist, dass die Firma H Kosten
in Höhe von 1.281,30 € in Rechnung gestellt hat, die vom Beklagte auch
ausgeglichen wurden.“
Auch hierzu hat der Beklagte in der Berufungsinstanz gerügt, dass der Vortrag
unsubstantiiert sei, da der konkrete Zahlungsvortrag (Überweisung oder
Barzahlung) nicht vorgetragen sei.
Der Kläger lässt daraufhin im Schriftsatz vom 19.08.2008 nur vortragen, die
Firma H habe gegen Forderungen des Klägers mit dieser Rechnung vom
04.07.2007 aufgerechnet. Als Beweis bezieht er sich nur auf die Rechnung der
Firma H Eine Aufrechnungserklärung ist wiederum nicht substantiiert
vorgetragen. Auch dann, wenn man den früheren Beweisantritt des Klägers
(Frau E ), die in der Berufungsbegründung dafür genannt war, dass die
Rechnung „vom Beklagten auch ausgeglichen wurde“, auch als Beweisantritt für
die Aufrechnung heranziehen würde, so wäre ein solcher Beweisantritt
unzulässig.
Wird Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden
Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die
Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist
dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich (BAG 15.12.1999 – 5 AZR
566/98). Die beweispflichtige Partei muss diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu
denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit
und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart zugehörende
Geschehnisse oder Zustände. Entsprechend die unter Beweis gestellten
Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung
aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben
(BAG a. a. O.).
Der Kläger hat die angebliche Aufrechnungserklärung weder nach der Zeit noch
nach deren Umständen in irgendeiner Weise präzisiert. Er hat weder dargetan,
wer wann die Aufrechnung wem gegenüber erklärt hat, noch, ob diese
mündliche oder schriftlich erfolgt ist. Er hat auch die Gegenforderung nicht
vorgetragen.
Soweit sich der Kläger im Schriftsatz vom 19.08.2009 zum Beweis für die
Aufrechnung auf die Anlage K 2, nämlich die Rechnung der Firma H vom
04.07.2007, bezieht, folgt aus dieser eine Aufrechnung gerade nicht. Dort heißt
es nämlich: „Zahlbar sofort ohne Abzug.“
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO in Verbindung mit § 344 ZPO.