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Schadensersatzpflicht eines ehemaligen Vorstands einer Gesellschaft wegen Pflichtverletzungen

LG Duisburg, Az.: 25 O 54/12, Urteil vom 09.11.2016

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.032.618,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2012 zu zahlen.

Der Beklagten wird verurteilt, an die Klägerin weitere 4.718.156,87 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, vormals H AG, ist ein Wohnungsbauunternehmen der Stadt E2. Sie bewirtschaftet und verwaltet rund 14.000 Miet- und Wohneinheiten sowie sonstige Liegenschaften. Mit Beschluss vom 09.02.2012 hat die Hauptversammlung der Klägerin beschlossen, Schadensersatzansprüche gegen derzeitige und frühere Mitglieder von Gesellschaftsorganen im Zusammenhang mit dem Projekt „Erweiterung Museum L“ geltend zu machen und diese erforderlichenfalls klageweise zu verfolgen. Im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung vom 23.12.2011 hat die Klägerin durch Umwandlungsbeschluss einen Formwechsel von der Rechtsform der Aktiengesellschaft hin zu der Rechtsform der GmbH beschlossen. Der Formwechsel wurde am 13.02.2012 im Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte wurde auf der Grundlage eines Ratsbeschlusses erstmalig am 01.08.1995 Vorstandsmitglied der Klägerin. In dieser Funktion folgte er seinem Vorgänger im Amt des Wohnungsbaudezernenten (später: Dezernat für Stadtentwicklung). Durch Wiederwahlen, letztmalig am 24.09.2009, verlängerte sich diese Funktion bis zum 30.04.2011. Als Vergütung für seine Vorstandstätigkeit erhielt der Beklagte aufgrund besoldungsrechtlicher Vorschriften des Beamtenrechts monatlich 500,00 EUR.

Im Jahr 1996 wurde das ehemalige Mühlen- und Speichergebäude „L“, das im Eigentum der Klägerin steht, zu einem Museum umgebaut und modernisiert, u.a. zur Ausstellung einer Kunstsammlung der Familie H2. Gleichzeitig schloss die Klägerin mit dem Kunstsammler I2 H2 einen Überlassungsvertrag, auf dessen Basis die Klägerin Herrn H2 die L zu Nutzung als Museum überließ. Im Jahr 2005 veräußerte Herr H2 seine Kunstsammlung an die Kunstsammlerin Frau T T2. Diese beabsichtigte, die Kunstsammlung mit ihrer eigenen Sammlung zusammenzuführen und sie in den Räumen der L auszustellen. Ende 2005 schlossen deshalb die Klägerin, die Stiftung L2 als Betreiberin des Museums und Frau T2 einen Gebrauchsüberlassungsvertrag, auf dessen Basis sich die Klägerin verpflichtete, der Stiftung für L2 das Gebäude bis zum 31.12.2026 zum Betrieb eines Museums zu überlassen. Zugleich legten die Vertragsparteien ihre Absicht nieder, das Gebäude der L auszubauen.

Nachdem die Klägerin das Architekturbüro I3 mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie beauftragt hatte, schlossen diese, Frau T2 und die vorbenannte Stiftung am 18.04.2008 einen „Vertrag über die Gewährung eines Baukostenzuschusses und die Einräumung eines Nutzungsrechts zum Betrieb eines Museums“, mit dem sich die Stiftung verpflichtete, an die Klägerin einen Baukostenzuschuss in Höhe von 10 Mio. EUR zu zahlen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin zur Erweiterung des Museums entsprechend der Machbarkeitsstudie der Architekten I3 bis zum 30.06.2010. Bei dem beabsichtigten Erweiterungsbau handelte es sich um eine Sonderkonstruktion, bei der ein begehbarer Stahlkubus auf die bestehenden Speicher des Museums aufgesetzt und die Ausstellungsfläche um ca. 2.000 qm erweitert werden sollte. Die Klägerin ging dabei von Baukosten in Höhe von 25 Mio. EUR aus, die durch den Baukostenzuschuss seitens der Stiftung (10 Mio EUR), Landesfördermittel (10 Mio EUR) und Sponsorengelder der F für Werbemaßnahmen (5 Mio EUR) aufgebracht werden sollten. Da indes bis zum Abschluss dieses Vertrages noch keine verlässliche Berechnung der zu erwartenden Baukosten vorlag, trafen die Vertragsschließenden in § 7 Ziffer 1. folgende Regelung:

„Die H hat das Recht, von diesem Vertrag bis spätestens zum 31.12.2008 ohne besondere Gründe zurückzutreten und sich hierdurch der Verpflichtung zur Errichtung des Erweiterungsbaus zu entziehen. Sollte das Rücktrittsrecht nicht ausgeübt werden, schuldet die H der Stiftung und der Sammlerin gegenüber die Errichtung des Gebäudes in der geforderten Qualität innerhalb des vorgegebenen Zeitraums“.

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie Anlage K 5 Bezug genommen.

Als im Dezember 2008 noch keine belastbaren Zahlen zu der mit der Durchführung des Erweiterungsbaus für die Klägerin verbundene Kostenlast vorlagen (wobei von Seiten des Vorstandes der Klägerin nunmehr von Baukosten i.H.v. 34 Mio. EUR die Rede war), fasste der Aufsichtsrat der Klägerin am 12.12.2008 einen Beschluss (Anlage K 15), der den Vorstand anwies, die Verlängerung der Rücktrittsoption zu vereinbaren oder fristwahrend von dem Vertrag zurückzutreten. Weiterhin verpflichtete der Aufsichtsrat den Vorstand, dem Aufsichtsrat bis Mitte Februar 2009 aussagekräftige Unterlagen zur Entscheidung über die Fortsetzung der Planungsphase vorzulegen. Zudem wurde der Vorstand aufgeforderte, weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben zu unterlassen. In Umsetzung dieser Vorgabe wurde von dem Vorstand eine Verlängerung der Rücktrittsoption bis zum 28.02.2009 erwirkt.

Am 26.02.2009 fand eine Besprechung des Vorstandes statt, bei der u.a. über die ungesicherte Finanzierung des Projektes gesprochen wurde. Laut Protokoll dieser Besprechung (Anlage K 19) sollte eine Rücktrittserklärung vorbereitet werden.

Am 27.02.2009 fand eine Aufsichtsratssitzung statt (Protokoll Anlage K 16). Von Seiten des Vorstands nahmen der Vorstandsvorsitzende D, Frau X, die seit dem 01.09.2009 Mitglied des Vorstands war, und der Beklagte teil. Zu diesem Zeitpunkt waren hinsichtlich des Erweiterungsvorhabens immer noch nicht alle vom Aufsichtsrat freigegebenen Leistungsphasen (1-3 der HOAI) abgeschlossen. Zudem war unklar, ob es für die Klägerin zulässig wäre, auch die auf das Honorar der beteiligten Baufirmen, Architekten etc. zu zahlende Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt als Vorsteuer geltend zu machen. Die Möglichkeit der Vorsteuererstattung in einer Größenordnung von 5,7 Millionen Euro stellte für die Klägerin einen wesentlichen Finanzierungsbeitrag dar. Der Aufsichtsrat fasste auf dieser Sitzung folgenden Beschluss:

„Sollten nachfolgende Vorgaben erfüllt werden, kann dem Baubeginn der Erweiterung „L“ zugestimmt werden.

1. Dem Aufsichtsrat wird durch Vorlage von verbindlichen schriftlichen Zusagen belegt, dass

– entweder die umfängliche Vorsteuererstattung durch die Finanzbehörden gewährleistet ist,

oder

– durch Finanzierungszusagen Dritter die eventuell ganz oder teilweise anfallende Vorsteuer ersetzt wird.

2. Es werden dem Aufsichtsrat schriftliche Zusagen vorgelegt, die die Übernahme etwaiger Baukostenerhöhung durch die Fördermittelgeber/ Sponsoren gewährleisten.

3. Die Finanzierung der Maßnahmen ist dem Aufsichtsrat gegenüber lückenlos darzulegen. Hierzu sind dem Aufsichtsrat die Zusagen aller Fördermittelgeber, Sponsoren und Kreditinstitute vorzulegen.

4. Dem Aufsichtsrat ist durch geeignete Unterlagen zu belegen, dass mit der Erweiterung L und deren Verkauf keine weiteren Belastungen für die Gesellschaft verbunden sind.

5. Es ist durch den Vorstand sicher zu stellen, dass eine zur Erfüllung der unter Ziffer 1. bis 4. genannten Bedingungen hinreichende Verlängerung der vereinbarten Rücktrittsoptionen oder ein Verzicht auf die Bauverpflichtung mit allen Beteiligten erreicht wird. Andernfalls sind die gegebenen Rücktrittsrechte Form- und Frist während auszuüben.“

Der Vorstand setzte diesen Beschluss im Folgenden nicht um und erwirkte insbesondere keine Verlängerung der Rücktrittsoption und erklärte auch keinen Rücktritt vom Vertrag mit Bauverpflichtung.

Am 16.06.2009 erteilte der Beklagte in seiner Funktion als Beigeordneter der Stadt E2 die Baugenehmigung für den Erweiterungsbau. Darin war es der Klägerin nachgelassen, die erforderlichen Nachweise zur Standsicherheit, d.h. die Prüfstatik, nicht im Rahmen der Beantragung der Genehmigung, sondern erst vor Bauausführung vorzulegen.

Die Klägerin begann noch im Juni 2009 mit der Errichtung des Baus. In der Folgezeit stiegen die Baukosten weit über die ursprünglich kalkulierten Baukosten hinaus an. Im August 2009 stand fest, dass sich die geschätzten Baukosten von bis dahin angenommen 34 Mio. EUR auf etwa 40 Mio. EUR erhöhen würden. Im Juni 2010 stand fest, dass der Fertigstellungstermin zum 31.12.2010 nicht eingehalten werden konnte und die Baukosten zwischenzeitlich auf geschätzte 48 Mio. EUR angestiegen waren. Auch in der Folgezeit steigen die geschätzten Kosten für eine Fertigstellung an, nunmehr auf über 70 Mio. EUR. Zudem traten zunehmende Bauverzögerungen auf. Die Stahlbaufirma, die den auf die Speichersilos zu setzenden Stahlkubus herstellen sollte, meldete Insolvenz an. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass der Stahlkubus an gravierenden Mängeln litt und daher nur noch Schrottwert besaß. Die Klägerin hat deshalb am 06.06.2011 einen Baustopp angeordnet.

Unstreitig sind in dem Zeitraum vom 02.03.2009 bis zum 26.06.2012 von der Klägerin im Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau L Baukosten, Architektenhonorar, Beraterhonorar und sonstigen Kosten für Dienstleister in Höhe von 27.309.225,94 EUR brutto (Aufstellung Bl. 179-185 GA; Anlagenkonvolut K 49) gezahlt worden. In Höhe von 778.450,81 EUR wurde eine partielle Vorsteuerabzugsberechtigung (vorläufig) anerkannt; des weiteren erhielt die Klägerin insgesamt 20.780.000 EUR von Sponsoren und Fördermittelgebern.

Der Aufsichtsrat der Beklagten hat im Nachgang zu dem Scheitern des ursprünglichen Bauprojekts den gesamten Vorstand der Gesellschaft ausgetauscht. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende D wurde in dem Parallelverfahren 24 O 50/12 LG Duisburg = I-17 U 91/13 OLG Düsseldorf rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.300.370,31 EUR verurteilt, ebenso der Vorstand X im Parallelverfahren 21 O 130/11 LG Duisburg = I-17 U 126/13 OLG Düsseldorf.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte hafte ihr gegenüber gemäß § 93 Abs. 2 AktG, weil er als Mitglied des Vorstands den Beschluss des Aufsichtsrates vom 27.02.2009 missachtet habe. Nach diesem Beschluss habe der Erweiterungsbau nur begonnen werden dürfen, wenn die Finanzierung bis zum 28.02.2009 geklärt gewesen wäre und keine weiteren Belastungen zu erwarten gewesen wären. Andernfalls sei der Vorstand gehalten gewesen, fristwahrend vom Vertrag zurück zu treten. Zumindest eine Verschiebung der Rücktrittsfrist bzw. die Ausübung des Rücktritts innerhalb dieser Frist wäre ohne weiteres möglich gewesen. Ein etwaiger Haftungsausschluss nach § 93 Abs. 4 AktG sei nicht beschlossen worden. Daneben habe auch keine anderweitige Billigung des Handelns durch den Aufsichtsrat vorgelegen. Ein Entlastungsbeschluss sei nach § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG unbeachtlich.

Der Beklagte habe seine Vorstandspflicht – so die Klägerin – , zudem dadurch verletzt, dass er nicht gegen den Beginn der Bauarbeiten im September 2009 interveniert habe. Hierzu wäre er verpflichtet gewesen, weil die von ihm erteilte Baugenehmigung die Bedingung enthielt, dass die Nachweise zur Standsicherheit zwar nicht schon vor Baugenehmigung, aber vor der Bauausführung eingereicht werden mussten und bei Baubeginn eine Prüfstatik dennoch nicht vorlag.

Nachdem die Klägerin mit am 09.11.2012 eingegangener Klage den Beklagten im Wege der Teilklage zunächst auf Schadensersatz in Höhe von 1.032.618,26 EUR in Anspruch genommen hat, beantragt sie nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.032.618,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2012 zu zahlen; den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 4.718.156,87 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2013 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, er habe den Aufsichtsratsbeschluss vom 27.02.2009 nicht missachtet, sondern im Gegenteil im Zusammenwirken mit den anderen Vorstandsmitgliedern dafür Sorge getragen, dass sämtlichen Verpflichtungen und Zielvorgaben nachgekommen werden konnte. Der Beschluss des Aufsichtsrats vom 27.02.2009 hätte – so der Beklagte – auch rein praktisch gar nicht umgesetzt werden können, weil die Rücktrittserklärung am 28.02.2009 hätte zugestellt werden müssen. Weitere Verhandlungen mit den Zuwendern und die Nichtausübung des Rücktrittsrechts habe dem Willen des Aufsichtsrats entsprochen, der ja auch keine Konsequenzen aus der Nichtausübung des Rücktrittsrechts gezogen habe, was für eine Billigung des Handelns spreche. Der Klärungsprozess der Gesamtfinanzierung habe sich im Einvernehmen aller Beteiligten, einschließlich der hauptamtlichen Mitglieder des Vorstands und der Mitglieder des Aufsichtsrates der Klägerin nach der Aufsichtsratssitzung vom 27.02.2009 fortgesetzt. Zudem sei der Aufsichtsratsbeschluss vom 27.02.2009 nichtig; zum einen, weil der Aufsichtsrat damit seine gesetzlichen Kompetenzen überschritten und die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes in unzulässiger Weise eingeschränkt habe. Zum anderen sei er aber auch wegen eines grob fehlerhaften Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht und der Verletzung der Treuepflicht nichtig. Denn der damalige Vorstand des Aufsichtsrates habe sich in der Sitzung vom 27.02.2009 mehrmals aus dem Sitzungszimmer entfernt, um sein weiteres Vorgehen mit dem damaligen Geschäftsführer der T3-Ratsfraktion abzustimmen.

Der Beklagte ist weiter der Auffassung, seine Haftung scheitere schon daran, dass der Aufsichtsrat 3 Jahre lang die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand trotz Prüfung nicht als erforderlich angesehen habe. Der Aufsichtsrat habe in der Folgezeit nach dem Beschluss vom 27.02.2009 keinen Anlass gesehen, einen Vorwurf gegen ihn, den Beklagten zu erheben oder aufgrund einer erfolgten umfassenden Prüfung den Vorstand wegen pflichtwidrigen Verhaltens in Anspruch zu nehmen. Zudem habe der Aufsichtsrat vielfach Pflichten verletzt, u.a. weil die Aufsichtsratsmitglieder bei der Entscheidungsfindung eigenen Partikularinteressen Vorrang vor dem Unternehmensinteresse gegeben hätten und weil er nicht unmittelbar auf den behaupteten Pflichtverstoß des Vorstandes reagiert habe. Dagegen habe er, der Beklagte, nicht von Verstößen gegen Sorgfaltspflichten ausgehen können, nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende und weitere Personen am 05.10.2010 die Fertigstellungserklärung für das Bauvorhaben abgegeben hatten. Diese gemeinsame Erklärung widerlege zudem die Annahme, durch die Missachtung des Aufsichtsratsbeschlusses sei eine unumstößliche Bauverpflichtung für die Klägerin eingetreten. Denn dadurch seien Zweifel der Eheleute T2 ausgeräumt worden, die sicherlich nicht bestanden hätten, wenn eine rechtlich wirksame Bauverpflichtung bereits bestanden hätte. Zudem sei er, der Beklagte, als Vertreter der Gemeinde im ehemaligen Vorstand der Klägerin gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 GO NRW verpflichtet gewesen, die Interessen der Gemeinde zu verfolgen und sei an Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse gebunden gewesen. Er sei faktisch der verlängerte Arm der Stadt und an Weisungen gebunden gewesen. Schon aufgrund seiner geringen Vergütung von 500 EUR/Monat dürfe er nicht mit hauptamtlichen Vertretern geleichgestellt werden; jedenfalls sei es ein Widerspruch, seine Verantwortlichkeit mit derjenigen der hauptamtlichen Vorstände gleichzusetzen, aber eine gleichgestellte Angemessenheit der Vergütung zu verneinen.

Der Beklagte meint, die 6-Monats-Frist des § 147 Abs. 1, S. 2 AktG sei nicht gewahrt und der Hauptversammlung stehe gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG kein Klagerecht auf Schadensersatz gegen einen Vorstand zu. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine Aktiengesellschaft mehr sei und nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ein Vorstandsmitglied nur gegenüber der Gesellschaft als Aktiengesellschaft hafte. Jedenfalls sei mit dem Formwechsel verbunden, dass keine Organhaftungsansprüche mehr gegen frühere Organe bestünden; der Formwechsel berühre nur Ansprüche der Gläubiger nicht; mit dem Formwechsel ende indes die Organstellung des Vorstandes.

Schließlich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung und macht geltend, nach der Umwandlung betrage die Verjährungsfrist bei Organhaftungsansprüchen gemäß § 195 BGB nunmehr 3 Jahre, so dass Verjährung am 31.12.2011 eingetreten sei.

Hinsichtlich der Schadenshöhe sei, so der Beklagte, aktuell zu prüfen, ob die in der Klage genannte Schadenshöhe noch dem tatsächlichen Schadensumfang entspreche, die wesentlichen Schadensfälle hätten sich bis dato gegen Null entwickelt. Es sei eine Aktualisierung der Schadensberechnung durch die Klägerin erforderlich; ergangene Urteile und ein Kostenausgleich durch die Stadt E2 seien unberücksichtigt.

Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten als ihren ehemaligen Vorstand einen Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die zumindest gesellschaftsintern zuständige Gesellschafterversammlung mit Beschluss vom 22.05.2014 noch rechtzeitig in den Rechtsstreit eingetreten und hat die bisherige Prozessführung der Klägerin genehmigt; bereits zuvor war die gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche am 09.02.2012 vor der formwechselnden Umwandlung der Gesellschaft von der damaligen Hauptversammlung der Beklagten beschlossen worden. Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG kein Klagerecht auf Schadensersatz gegen einen Vorstand zustehe. Denn die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hierfür zuständige Hauptversammlung hat – rechtlich zulässig – beschlossen, dass die Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegenüber den ehemaligen Vorständen geltend machen solle. Diese Beschlussfassung wurde durch Klageeinreichung umgesetzt, und zwar – wie ausgeführt jedenfalls durch nachträgliche Genehmigung – durch das nach der Satzung der Klägerin zuständige Vertretungsorgan, die Gesellschafterversammlung.

Die Klage scheitert auch nicht an der Überschreitung der 6-Monats-Frist des § 147 Abs. 1 S. 2 AktG zwischen dem Beschluss der Hauptversammlung und dem Eingang der Klage. Die Frist des § 147 AktG ist zwar grundsätzlich auch auf Ansprüche nach § 93 AktG anwendbar. Es handelt sich indes schon nach dem Wortlaut lediglich um eine Sollvorschrift, die den Zweck hat, willkürliche Verzögerungen durch die Verwaltung zu verhindern. Sie hat insbesondere keine Auswirkungen im Außenverhältnis zum Anspruchsgegner. Folge der Fristversäumung ist nur die Pflicht des dafür verantwortlichen Organs zum Ersatz des durch die Fristüberschreitung entstandenen Schadens (Schröer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2013, § 147 AktG Rn 18, 40 m.w.N.).

II.

Der Beklagte haftet als Gesamtschuldner mit den weiteren damaligen Vorstandsmitgliedern der Klägerin auf Ersatz des durch die Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten entstandenen Schadens im Zusammenhang mit der Errichtung des Erweiterungsbaus für das Museum L in einer Gesamthöhe von mindestens 5.750.775,13 EUR. Der Beklagte hat schuldhaft seine sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebenden Pflichten als Vorstandsmitglied der Klägerin verletzt.

1. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Maßstab ihrer Sorgfaltspflicht ist danach, wie der Leiter eines Unternehmens vergleichbarer Art und Größe, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern wie ein treuhänderischer Verwalter fremden Vermögens verpflichtet ist, zu handeln hat. Zu den sich daraus ergebenden Einzelpflichten zählt insbesondere auch die Pflicht des Vorstands, sich bei seiner Amtsführung gesetzestreu zu verhalten. Im Rahmen dieser Legalitätspflicht unterliegt der Vorstand zum einen einer internen Pflichtenbindung durch das Aktiengesetz, die Satzung oder die Geschäftsordnung der Gesellschaft und zum anderen einer internen Pflichtenbindung, die sich aus allen anderen Rechtsvorschriften außerhalb des Aktienrechts ergibt (zum Ganzen: Hüffer in Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 12. Auflage 2016, § 93 AktG Rn 4, 6; Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 93 AktG Rn 73 ff., jeweils m.w.N.). Des weiteren besteht auch im Rahmen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums die Pflicht, die einzelnen Aspekte einer Entscheidung ausreichend zu bewerten und sie gegenüber den damit verbundenen Risiken abzuwägen. Kann daher der Vorstand aufgrund der vorliegenden Informationen erkennen, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Existenzgefährdung eintritt, muss er die Maßnahme unterlassen; besteht jedoch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen positiven Verlauf, kann er die Maßnahme durchführen (Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 93 AktG Rn 53 ff. m.w.N.)

a) Diese Sorgfaltspflicht traf den Beklagten, soweit er Vorstandsmitglied war, und wird entgegen seiner Auffassung durch die Umwandlung der Klägerin von der Rechtsform der Aktiengesellschaft in eine GmbH nicht berührt. Zwar geht der Beklagte zutreffend davon aus, dass mit dem Wirksamwerden des Formwechsels die Organstellung der Mitglieder eines Vertretungsorgans endet und dass der Formwechsel nur Ansprüche von Gläubigern nicht berührt. Dies führt aber unzweifelhaft nicht dazu, dass mit dem Formwechsel sämtliche bereits entstandenen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre früheren Organe erlöschen. Beim Formwechsel nach dem UmwG erhält ein Rechtsträger eine andere Rechtsform (§ 190 Abs. 1 UmwG); die Identität des Rechtsträgers wird jedoch gewahrt. Es findet keine Rechtsnachfolge und damit auch kein Vermögensübergang statt, vielmehr ändert sich nur die Rechtsform und damit insbesondere die Organisations- und Haftungsstruktur. So erfolgt etwa im Falle der Beteiligung der formwechselnden Gesellschaft an einem laufenden Zivilprozess aufgrund des identitätswahrenden Charakters des Formwechsels kein Parteiwechsel, sondern nur eine Rubrumsberichtigung bezüglich der Rechtsform (zum ganzen: Wertenbruch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 105 AktG Rn 34). Eben deshalb hat der Formwechsel keinen Einfluss auf den Bestand einmal entstandener Schadensersatzansprüche aus § 93 AktG.

Der Beklagte hat gegen die oben aufgezeigt Sorgfaltspflichten dadurch verstoßen, dass er – entgegen dem Beschluss des Aufsichtsrates vom 27.02.2009 (Anlage K 16) und der Pflicht, evident unangemessene Risiken zu Lasten der Gesellschaft zu vermeiden – weder den Rücktritt vom Vertrag vom 18.04.2008 erklärt oder noch zumindest eine Verlängerung der Rücktrittsklausel erwirkt hat.

Der Beklagte war gemäß Ziffer 5. des Beschlusses des Aufsichtsrates vom 27.02.2009 verpflichtet, bis zum 29.02.2009 vom Vertrag zurückzutreten, weil er „eine zur Erfüllung der unter Ziffer 1. bis 4. genannten Bedingungen hinreichende Verlängerung der vereinbarten Rücktrittsoptionen, oder ein Verzicht auf die Bauverpflichtung mit allen Beteiligten“ nicht erreicht hat. Denn im Rahmen seiner internen Pflichtenbindung ist der Vorstand nach der ausdrücklichen Regelung des § 82 Abs. 2 AktG auch gehalten, die gesetzliche Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Organen der Gesellschaft zu wahren. Kompetenzüberschreitungen des Vorstands stellen daher stets einen Verstoß gegen § 93 Abs. 1 AktG dar (Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 93 AktG Rn 73). Ein unternehmerisches Entscheidungsermessen des Aufsichtsrates i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG besteht in dieser Hinsicht für den Vorstand von vornherein nicht (Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 93 AktG Rn 45 m.w.N.). Insbesondere stellt es daher anerkanntermaßen auch eine Verletzung der Legalitätspflicht und damit eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, wenn ein Vorstandsmitglied einen durch die Satzung oder durch den Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG formulierten Zustimmungsvorbehalt missachtet (BGH WM 1998, 1779 ff.; Habersack in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 111 AktG Rn 129).

Ein derartiger Zustimmungsvorbehalt ist durch den Beschluss des Aufsichtsrates vom 27.02.2009 in wirksamer Weise begründet worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten lag in diesem Beschluss keine unter Verstoß gegen die Kompetenzverteilung erfolgte unzulässige Anweisung. Eine unzulässige Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes liegt nicht vor. Denn der Aufsichtsrat ist grundsätzlich berechtigt, auch für ein bestimmtes Einzelgeschäft ad hoc – also außerhalb der Satzung und der Geschäftsordnung durch einen auf die Einzelmaßnahme bezogenen Beschluss des Aufsichtsrats – einen Zustimmungsvorbehalt zu beschließen (BGHZ 124, 111 ; Habersack in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 111 AktG Rn 115). Ob der Aufsichtsrat von der Möglichkeit eines derartigen Vorbehalts Gebrauch macht, unterliegt grundsätzlich seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist nicht auf Maßnahmen von grundlegender Bedeutung beschränkt. Er kann durch den Aufsichtsrat vielmehr auch dann als „Druckmittel“ eingesetzt werden, wenn eine zwar bedeutende, aber nicht grundlegende Maßnahme der Geschäftsführung in Frage steht (Habersack in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 111 AktG Rn 115). Genau dies hat der Aufsichtsrat hier jedenfalls spätestens durch seinen Beschluss vom 27.02.2009 getan (so auch OLG Düsseldorf, Urteile vom 02.07.2014, AZ I-17 U 126/13 und I-17 U 91/13).

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht daraus, dass dem Vorstand aufgrund des Aufsichtsratsbeschlusses vom 27. Februar 2009 nur der Rücktritt von dem Vertrag vom 18.04.2008 als einzige Handlungsmöglichkeit verblieben wäre. Denn zum einen hätte dies nicht die Konsequenz, dass sich dann dieser Beschluss als eine unzulässige Weisung darstellen würde. Vielmehr würde dies dann eine – zulässige – Versagung der Zustimmung zu einer Nichtausübung des vorbehaltenen Rücktrittsrechts darstellen. Zum anderen trifft es auch in der Sache nicht zu, dass den Mitgliedern des Vorstands nur die Option des Rücktritts von dem Vertrag vom 18. April 2008 als einzige Handlungsmöglichkeit verblieben wäre. Selbst wenn die Zeit bis zum Ablauf der Rücktrittsfrist zur Erfüllung der Auflagen gemäß den Ziffern 1 bis 4 des Beschlusses zu kurz gewesen wäre, verblieb dem Vorstand nämlich neben der Option eines zumindest präventiven Rücktritts von dem Vertrag mit der Möglichkeit späterer Nachverhandlungen zumindest auch noch die Möglichkeit, sich mit der Vertragsparteien auf eine erneute Verlängerung der Rücktrittsfrist (Ziffer 5 Alt. 2 des Beschlusses) oder möglicherweise sogar auch auf einen Verzicht auf die in diesem Vertrag statuierten Bauverpflichtung (Ziffer 5 Alt. 3 des Beschlusses) zu einigen.

Aus diesem Grund war der Aufsichtsratsbeschlusses vom 27.02.2009 auch nicht deshalb rechtlich unverbindlich, weil – wie der Beklagte meint – die mit der Zustimmung des Aufsichtsrates verbundenen Auflagen faktisch unmöglich zu erfüllen gewesen waren. Denn jedenfalls vor dem Hintergrund der bestehenden Verlängerungsmöglichkeit für die Rücktrittsfrist wären auch die Auflagen gemäß den Ziffern 1 bis 4 des Beschlusses zur Sicherstellung der Finanzierung des Museumsbaus zeitlich noch erfüllbar gewesen. Andere als rein zeitliche Gründe für eine mangelnde Erfüllbarkeit der Auflagen macht der Beklagte jedoch selbst nicht geltend.

b) Der Beklagte hätte aber auch dann gegen seine sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebenden Sorgfaltspflichten verstoßen, wenn der Vorstand in dieser Hinsicht nicht schon durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 27.02.2009 gebunden gewesen wäre (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Daher kommt es nicht darauf an, ob – wie der Beklagte meint – dieser Beschluss wegen der Verletzung von Geheimhaltungspflichten nichtig war. Unabhängig davon, dass der Beklagte schon nicht näher darlegt, welche Geheimnisse der Gesellschaft der Aufsichtsratsvorsitzende in der Sitzung am 27.02.2009 unbefugt offenbart haben soll, wäre der Vorstand und damit auch der Beklagte ohnedies verpflichtet gewesen, entweder das vorbehaltene Rücktrittsrecht auszuüben oder im Rahmen seines Geschäftsleiterermessens für eine ordnungsgemäße Deckung der noch bestehenden Finanzierungslücke zu sorgen oder zumindest die erneute Verlängerung der vereinbarten Rücktrittsfrist zu erreichen, um Zeit für eine entsprechende Absicherung der Finanzierung zu schaffen.

Der Beklagte hat entgegen seiner Auffassung gerade nicht innerhalb des einem Vorstand zustehenden haftungsfreien Handlungs- und Entscheidungsspielraum gehandelt; seine Entscheidung war – auch weil er selbst mit Vermerk vom 06.02.2009 und in der Aufsichtsratssitzung vom 27.02.2009 auf die Gefahren der Versagung der Mehrwertsteuerbegünstigung hingewiesen hat – nicht mehr von dem einem Vorstand zustehenden weiten Ermessensspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen gedeckt, sondern pflichtwidrig.

Zwar schließt die Eigenverantwortlichkeit bei der Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben und Ziele notwendig einen Spielraum für das eigene unternehmerische Ermessen ein. Bei der Beurteilung, ob sich ein Vorstandsmitglied schuldhaft pflichtwidrig verhalten hat, ist daher zu berücksichtigen, dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Unternehmens ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen ist, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit nicht möglich ist. Dennoch muss der Vorstand auch in diesem Rahmen bestimmte Grundsätze einhalten, abgesehen von der Schaffung einer ausreichenden Tatsachengrundlage, vor allem die Bewertung der einzelnen Aspekte und ihre Abwägung gegenüber den damit verbundenen Risiken. Besonders intensiver Auseinandersetzung mit den zur Verfügung stehenden Informationen und den Chancen und Risiken bedarf es, wenn die Maßnahme zur Existenzgefährdung der Gesellschaft führen würde. (Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 93 AktG Rn 26, 54).

Vorliegend stellte das Wirksam werden lassen des Vertrages vom 18.04.2008 und damit der unbedingten Bauverpflichtung der Klägerin die Eingehung eines evident unangemessenen Risikos zu Lasten der Klägerin, dem keine dies rechtfertigenden unternehmerischen Vorteile gegenüberstanden. Zum Zeitpunkt der (notwendig gewesenen) Entscheidung Ende Februar 2009 war die Frage der Vorsteuererstattung auf die Baukosten noch nicht geklärt war, was der Beklagte auch wusste und worauf er selbst hingewiesen hat. Ausgehend von damals erwarteten Baukosten von ca. 30 Mio. EUR bestand eine ungedeckte Finanzierungslücke in einer Größenordnung von mindestens 5,7 Mio. EUR. Obwohl deshalb sogar der Beklagte in der Aufsichtsratssitzung vom 27.02.2009 (Anlage K 16) selbst darauf hingewiesen hatte, dass das Projekt im Falle einer Nichterstattung der MwSt. nicht realisiert werden könne, hat er nicht die oben aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen, sondern den Vertrag vom 18.04.2008 endgültig verbindlich werden lassen. Er ist bewusst das hohe Risiko des finanziellen Scheiterns eingegangen, obschon dieses Risiko durch die o.g. Maßnahmen hätte vermieden werden können. Darin lag auch dann ein Verstoß des Beklagten gegen seine Sorgfaltspflichten, wenn er in diesem Punkt nicht schon durch den Beschluss des Aufsichtsrates gebunden, sondern ein unternehmerisches Ermessen gehabt hätte. Selbst durch einen – unterstellt – unverbindlichen Beschluss des Aufsichtsrats vom 27.02.2009 wären den Vorstandsmitgliedern in dieser Hinsicht also nichts anderes als die ohnehin maßgeblichen Richtlinien für ihre Entscheidung aufgezeigt worden (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Der Beklagte hat – entgegen seiner Auffassung – seiner Pflicht nicht schon dadurch genügt, dass er auf die mit der Mehrwertsteuer verbundene Problematik hingewiesen hat; vielmehr hätte er wegen dieser Finanzierungsproblematik reagieren und Maßnahmen ergreifen müssen. Seine Aufgabe zur Ausübung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters endete nicht mit dem Hinweis auf Risiken, sondern hätte eine Reaktion auf diese Risiken erfordert.

c) Den aufgezeigten Sorgfaltsmaßstab hatte der Beklagten in seiner Funktion als Mitglied des Vorstandes unabhängig davon zu beachten, dass er die Organstellung aufgrund seiner Stellung als Wohnungsbaudezernent (später: Dezernat für Stadtentwicklung) innehatte. Der Beklagte war vollwertiges Vorstandsmitglied und hatte als solches die Pflichten eines Vorstandsmitglieds, und zwar unabhängig sowohl vom Grund für seine Bestellung als auch von der Höhe seiner Vergütung und der Frage, ob ihm eine höhere Vergütung zugestanden hätte. Gleiches gilt auch für seine Berufung auf die Tatsache, dass er Vorstandsmitglied im Nebenamt gewesen sei. Die Nebenamtstätigkeit bezieht sich nämlich darauf, dass er in seinem Hauptamt Wohnungsbaudezernent war und nicht darauf, dass er seine Vorstandspflichten quasi nur untergeordnet oder mit geringerer Pflichtenbindung gegenüber der von ihm vertretenen Gesellschaft hätte ausüben dürfen. Sowohl die Höhe der Vergütung, die sich unstreitig aus besoldungsrechtlichen Vorschriften des Beamtenrechts ableitete, als auch die Verknüpfung seiner Funktion als Planungsdezernent mit der Organstellung als Vorstand führt nicht dazu, dass ihn andere bzw. geringere Pflichten getroffen hätten als die weiteren Vorstandsmitglieder. Gleiches gilt auch, soweit der Beklagte sich darauf beruft, er habe kein eigenes Büro und kein eigenes Personal gehabt. Insoweit verblieb es ebenso bei dem generell geltenden Grundsatz der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder wie hinsichtlich der Tatsache, dass weder dem Beklagten noch weiteren Vorständen bestimmte Geschäftsbereiche zugewiesen waren. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erneut darauf abgestellt hat, dass er Vorstand ohne bestimmten Geschäftsbereich gewesen sei und hierzu einen Geschäftsverteilungsplan mit Stellenbewertung vom 01.01.2002 vorgelegt hat, bedeutet dies nicht, dass der Beklagte keinerlei Geschäftsbereich hatte (und damit vollkommen funktionslos und ohne Entscheidungskompetenz gewesen wäre), sondern dass ihm eben nicht ausdrücklich ein bestimmter Geschäftsbereich zugewiesen worden ist. Etwas hiervon Abweichendes wird auch von dem Beklagten nicht behauptet.

In diesem Zusammenhang entlastet den Beklagten auch nicht sein Vortrag, er sei als Vertreter der Gemeinde im ehemaligen Vorstand der Klägerin gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 GO NRW verpflichtet gewesen, die Interessen der Gemeinde zu verfolgen und er sei an Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse gebunden gewesen. Dass es einen Beschluss des Rates und/oder seiner Ausschüsse gegeben hätte, wonach der Beklagte verpflichtet worden ist, weder vom Vertrag vom 18.04.2008 zurückzutreten noch einer Verlängerung der Rücktrittsoption zu erwirken, wird vom Beklagten nicht vorgetragen und ergibt sich auch sonst nicht aus dem Akteninhalt. Auch sein Vortrag, der damalige Oberbürgermeister der Stadt E2 habe sich bis zu seinem Dienstende vehement für die Umsetzung des Bauvorhabens L eingesetzt und diese Position sei auch von seinem Vertreter im Aufsichtsrat uneingeschränkt mitvertreten worden, führt nicht zu einer Bindung des Beklagten dergestalt, dass er trotz der aufgezeigten erheblichen finanziellen Risiken den Vertrag vom 28.04.2008 ohne weitere Maßnahmen wirksam werden lassen durfte. Und eine Weisung – so sie denn zulässig gewesen wäre – seitens des damaligen Oberbürgermeisters wird von dem Beklagten nicht konkret behauptet. Die hierzu vorgelegten Schriftstücke (Vermerke vom 15.01.2008 und 11.01.2008, Anlage K 9 und 10; Protokoll der Tagesordnung für die Sitzung des Lenkungskreises Erweiterungsbau L vom 14.02.2008, Anlage K 11) zeigen lediglich, dass das Bauprojekt zum damaligen Zeitpunkt von Seiten der Stadt befürwortet worden ist. Dies ist aber zwischen den Parteien auch unstreitig. Eine bindende Weisung, die dem Beklagten nur die Möglichkeit gelassen hätte, den Aufsichtsratsbeschluss vom 27.02.2009 zu missachten, lässt sich daraus ebensowenig ableiten wie aus der Fertigstellungserklärung vom 11.05.2010 (Anlage 5).

d) Da die Pflichtverletzung damit schon in den fehlenden Maßnahmen Ende Februar 2009 (Rücktritt, Verlängerung der Rücktrittsfrist) liegt, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte seine Vorstandspflicht, wie von der Klägerin geltend gemacht, auch dadurch verletzt hat, dass er nicht gegen den Beginn der Bauarbeiten im September 2009 interveniert hat. Und dies, obschon die von ihm erteilte Baugenehmigung die Bedingung enthielt, dass die Nachweise zur Standsicherheit zwar nicht schon vor Baugenehmigung, aber vor der Bauausführung eingereicht werden müssen und bei Baubeginn eine Prüfstatik dennoch nicht vorlag.

e) Der Pflichtverstoß des Beklagten ist nicht dadurch geheilt worden, dass der Aufsichtsrat sich nachträglich mit der Handlungsweise des Vorstands einverstanden erklärt oder dessen Handlungen gebilligt hat bzw. zumindest nicht gegen den Vorstand Maßnahmen ergriffen hat. Dass sich der Aufsichtsrat im Folgenden, etwa in der Sitzung vom 08.06.2009, nicht negativ über das Unterlassen der Rücktrittsoption geäußert hat, ist unerheblich. Denn eine nur nachträgliche Genehmigung – so sie denn erfolgt sein sollte – kann schon deshalb keine Zustimmung zu einem Geschäft i.S.d. § 111 Abs. 4 AktG darstellen, weil ansonsten der Charakter eines Zustimmungsvorbehalts im Sinne dieser Vorschrift als präventive Überwachungsmaßnahme entwertet würde (Habersack in Münchener Kommentar zum Aktienrecht, a.a.O., § 111 AktG Rn 123 f.; Hüffer, a.a.O., § 111 AktG Rn 19, jeweils m.w.N.). Zudem bestimmt § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG ausdrücklich, dass die Ersatzpflicht nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat. Daher kommt es nicht darauf an, ob und weshalb der Aufsichtsrat – wie vom Beklagten umfangreich geltend gemacht – keine Maßnahmen ergriffen hat, als der Vorstand nicht entsprechend dem Beschluss vom 27.02.2009 gehandelt hat. Und auch die wiederholten Entlastungen des gesamten Vorstandes in den Hauptversammlungen der Klägerin seit dem Jahre 2009 war gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht mit einem Verzicht der Gesellschaft auf die ihr gegenüber den Vorstandsmitgliedern zustehenden Ersatzansprüche verbunden (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

f) Schließlich kommt es für die Haftung des Beklagten auch nicht darauf an, ob – wie vom Beklagten geltend gemacht – der Aufsichtsrat ggf. seinerseits pflichtwidrig gehandelt hat. In der juristischen Person, die als solche nicht handeln kann, sind nämlich die Pflichten der für sie tätigen Organe so ausgestaltet, dass sie nebeneinander bestehen. Jedes Organ ist für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines gesetzlichen und satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig verantwortlich und hat deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen. Kein Gesellschaftsorgan kann der Gesellschaft gegenüber einwenden, seine Ersatzpflicht bestehe nicht oder sei nach § 254 BGB gemindert, weil ein anderes Gesellschaftsorgan für den Schaden mitverantwortlich sei. Denn die Gesellschaftsorgane vertreten im Innenverhältnis nicht die Gesellschaft gegenüber den anderen Organen. So kann weder der Geschäftsführer einer GmbH noch der Vorstand einer Aktiengesellschaft einwenden, ein Mitgeschäftsführer bzw. -vorstand oder ein Mitglied des Aufsichtsrates sei für den von ihm herbeigeführten Schaden mitverantwortlich (BGH ZIP 2015, 166). Daher kommt es auch nicht auf den Vortrag des Beklagten an, der Aufsichtsrat habe entweder keinen Anlass gesehen, aufgrund einer erfolgten umfassenden Prüfung, den Vorstand wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu verklagen oder der Beschluss der Hauptversammlung vom 09.02.2012 richte sich allein gegen den Aufsichtsrat der H AG wegen Untätigkeit als Pflichtverletzung. Ersteres führt – wie ausgeführt – nicht zu einer nachträglichen Enthaftung des Vorstandes. Letzteres ist weder von Relevanz für die Haftung des Beklagten noch – angesichts des klaren Wortlautes des Hauptversammlungsbeschlusses – plausibel.

2. Die Missachtung des Beschlusses vom 27.02.2009 war für den von der Klägerin geltend gemachten (Mindest-)Schaden in der Gestalt der in der Zeit vom 02.03.2009 bis zum 26.06.2012 angefallenen Baukosten für den Erweiterungsbau der L äquivalent kausal. Denn die Missachtung des Beschlusses vom 27.02.2009 kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der sich daraus ergebende Schadenserfolg entfällt. Wenn der Beklagte die Vorgaben des Beschlusses eingehalten hätte, wäre nämlich entweder gewährleistet gewesen, dass sämtliche mit der Durchführung des Erweiterungsbaus verbundenen und ab dem 02.03.2009 angefallenen Kosten gemäß Ziffer 2 des Beschlusses vom 27.02.2009 entweder durch das schon bestehende Finanzierungskonzept des Projekts oder durch zusätzliche Kostenübernahmeerklärungen der Fördermittelgeber abgedeckt und damit nicht von der Beklagten zu tragen gewesen wären, oder diese Kosten wären insgesamt nicht angefallen, weil die Klägerin von dem Vertrag vom 18.04.2008 zurückgetreten und das Bauprojekt dann insgesamt nicht mehr realisiert worden wäre. Dritte Möglichkeit ist, dass das Projekt aufgrund neuer Verträge mit den Fördermittelgebern realisiert worden wäre, wobei eine etwaige Verpflichtung der Klägerin zur anteiligen Mitübernahme der Baukosten dann von dieser freiwillig übernommen worden und nicht bereits aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten angefallen wäre. Nichts anderes gilt auch, soweit man für die Pflichtverletzung des Klägers nicht auf die Missachtung des Beschlusses vom 27.02.2009, sondern auf eine allgemeine Verletzung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nach der näheren Maßgabe der vorstehenden Ausführungen abstellt (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Hieran ändert auch der pauschale Vortrag des Beklagten nichts, die Bauverpflichtung hätte problemlos aufgehoben werden können; hierzu seien die weiteren Vertragsparteien zweifelsfrei bereit gewesen. Denn die Bauverpflichtung ist – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – gerade nicht aufgehoben worden. Und von den ehemaligen Vorständen der Klägerin sind keine Versuche unternommen worden, den Vertrag vom 18.04.2008 mit den Fördermittelgebern einvernehmlich und vor allem entschädigungslos und ohne Kosten für die Klägerin aufzuheben.

Die Kausalität der Pflichtverletzung für den entstandenen Schaden entfällt auch nicht deshalb, weil – wie der Beklagte meint – durch die „angebliche Mißachtung des Aufsichtsratsbeschlusses eine unumstößliche Bauverpflichtung für die Klägerin“ nicht eingetreten ist. Soweit sich der Beklagte hierzu auf die Fertigstellungserklärung vom 05.10.2010 (gemeint ist offenkundig vom 11.05.2010, Anlage 5) beruft und vorträgt, dadurch seien Zweifel der Eheleute T2 ausgeräumt worden, die sicherlich nicht bestanden hätten, wenn eine rechtlich wirksame Bauverpflichtung bereits bestanden hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Es kommt nicht darauf an, ob die Eheleute T2 im Mai 2010 Zweifel an der Bauverpflichtung hatten, sondern ob die Bauverpflichtung nach objektiven Kriterien bestand. Dies ist unzweifelhaft der Fall. Denn die einschlägige Regelung in § 5 des Vertrages, wonach sich die Klägerin verpflichtet hat, den „Erweiterungsbau des Museums gemäß der Machbarkeitsstudie und – sobald diese vorliegt – der Baubeschreibung herzustellen und … das Bauvorhaben nach den anerkannten Regeln der Technik und technisch einwandfrei zu errichten“ sowie „den Erweiterungsbau bis zum 31. Dezember 2009, spätestens aber bis zum 30. Juni 2010 in einer Weise fertigzustellen, dass der Museumsbetrieb im Erweiterungsbau aufgenommen werden kann“ ist eindeutig. Dass die Klägerin damit eine echte und ggf. auch gerichtlich durchsetzbare Bauverpflichtung übernommen hat, wird zudem durch die Regelung in § 7 des Vertrages vom 18.04.2008 bestätigt, wonach die Klägerin das Recht hat, „von diesem Vertrag bis spätestens zum 31. Dezember 2008 ohne besondere Gründe zurückzutreten und sich hierdurch der Verpflichtung zur Errichtung des Erweiterungsbaus zu entziehen“, jedoch in dem Fall, dass dieses Rücktrittsrecht nicht ausgeübt wird, „die Errichtung des Gebäudes in der geforderten Qualität innerhalb des vorgegebenen Zeitraums schuldet“.

Schließlich entfällt der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht deshalb, weil die Kostenexplosion durch Schlechtleistungen und Mängel am Bau verursacht worden sind. Denn zum einen verkennt der Beklagte, dass der ersatzpflichtige Schaden aus seiner Pflichtverletzung keineswegs nur oder auch nur vorrangig die Mehrkosten umfasst, die durch die Schlechtleistungen der beteiligten Bauunternehmen angefallen sind, sondern die gesamten, in der Zeit seit dem 02.03.2009 angefallenen Kosten des nicht rechtzeitig gestoppten Erweiterungsbaus. Darüber hinaus weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass Schlechtleistungen auf dem Bau und Kostenexplosionen bei Großprojekten, wie sie hier vorgelegen haben, keineswegs außerhalb des gewöhnlich zu erwartenden Laufs der Dinge liegen, sondern strukturbedingt für derartige Projekte sogar als regelrecht typisch angesehen werden müssen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Dies sieht auch der Beklagte so, wenn er vorträgt, der Kostenanstieg habe sich in sachgerechtem Rahmen bewegt; erst recht, wenn man die Entwicklung von ursprünglich 25 Mio. EUR auf rund 50 Mio. EUR mit anderen in E2 zeitgleich realisierten öffentlichen Vorhaben vergleiche. Weshalb der Beklagte hieraus allerdings den Schluss zieht, es könne nicht von einem substantiierten Vermögensschaden die Rede sein, erschließt sich vor dem Hintergrund, dass die Klägerin diese Kosten tragen musste, nicht.

3. Der Beklagte ist für die genannte Sorgfaltspflichtverletzung auch persönlich verantwortlich. Sein Vortrag hierzu, eine Schadenswahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Aufsichtsratsbeschlusses vom Februar 2009 sei nicht erkennbar gewesen, steht im Widerspruch zu seinem Vortrag, er habe ausweislich eines Vermerks vom 06.02.2009 erkannt, dass bei Baubeginn „das Finanzierungsrisiko zulasten der Geber für den Fall, dass die Mehrwertsteuerregelung nicht Finanzierungsbedingungen eintritt.“ übergeht. Dies gilt umso mehr, als er – in seiner Funktion als Beigeordneter der Stadt E2 – nach seinem Vortrag am 03.07.2009 ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, weil er Sorge gehabt habe, dass eine nicht gesicherte Finanzierung des Projekts rechtliche Folgen für ihn bedeuten könnten.

Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte nicht von Verstößen gegen Sorgfaltspflichten habe ausgehen müssen, nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende und weitere Personen am 05.10.2010 die Fertigstellungserklärung für das Bauvorhaben abgegeben hatten. Wovon der Beklagte im weiteren Verlauf (nach der persönlich begangenen Pflichtverletzung) hat ausgehen dürfen, ist weder für die Frage des objektiven Pflichtverstoßes noch für die der persönlichen Verantwortlichkeit zum Zeitpunkt des Pflichtverstoßes von Belang.

Soweit der Beklagten vorträgt, er sei nur nebenamtliches Vorstandsmitglied gewesen und habe sich auf die umfassenden Vorträge der hauptamtlichen Vorstände und Prokuristen in den Geschäftsführer- und Aufsichtsratssitzungen verlassen dürfen, ist dies aufgrund der Gesamtverantwortung des Vorstandes nicht zutreffend und erklärt zudem nicht, weshalb er trotz Kenntnis des Finanzierungsrisiken und des eindeutigen Aufsichtsratsbeschlusses vom 27.02.2009 keine Maßnahmen ergriffen hat. Soweit sein diesbezüglicher Vortrag dahin zu verstehen sein soll, dass er sich auf die (ihm mglw. fehlende) Sachkunde seiner Mitvorstände habe verlassen dürfen, steht auch dies im Widerspruch zu seinem eigenen Vortrag, dass er nämlich auf die Finanzierungsrisiken hingewiesen habe. Zudem stellen mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse, die dem verlangten Standard eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht genügen, keinen Entschuldigungsgrund dar (Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 93 AktG Rn 177). Die Schadensersatzpflicht tritt nur dann nicht ein, wenn das Vorstandsmitglied dem in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG umschriebenem Sorgfaltsstandard gerecht geworden ist. Fehlt es indes daran, so wirkt eine individuelle Unfähigkeit nicht entschuldigend; vielmehr bleibt es bei dem typisierten Verschuldensmaßstab (Hüffer, a.a.O., § 93 AktG Rn 43).

4. Der Anspruch aus § 93 Abs. 2 AktG ist auch der Höhe nach begründet. Der Beklagte hat gegen die Berechnung des von der Klägerin geltend gemachten Teilschadens in Höhe von 5.750.775,13 EUR (= 27.309.225,94 EUR in der Zeit vom 02.03.2009 bis 26.06.2012 für das Projekt aufgewandte Baukosten – 20.780.000,00 EUR an die Klägerin geflossene Baukostenzuschüsse und Sponsorengelder, 778.450,81 EUR anerkannte und gezahlte Vorsteuererstattung auf die Baukosten gemäß der Darstellung in dem Schriftsatz der Klägerin vom 12.08.2013) keine inhaltlichen Einwendungen erhoben. Er trägt hierzu lediglich vor, es sei aktuell zu prüfen, ob die in der Klage genannte Schadenshöhe noch dem tatsächlichen Schadensumfang entspreche. Weshalb er meint, die – im Einzelnen aufgeschlüsselte – Schadenshöhe entspreche nicht mehr dem tatsächlichen Schadensumfang bzw. die wesentlichen Schadensfälle hätten sich bis dato gegen Null entwickelt, wird von ihm nicht erläutert. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch keine Aktualisierung der Schadensberechnung durch die Klägerin erforderlich, weil – so der Beklagte – ergangene Urteile und ein Kostenausgleich durch die Stadt E2 unberücksichtigt seien. Vielmehr weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass der Beklagte insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkennt. Denn der Beklagte haftet – neben den bereits rechtskräftig verurteilten weiteren Vorständen D und X (OLG Düsseldorf, a.a.O.) – gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden. Soweit also Leistungen von den anderen Gesamtschuldnern – etwa aufgrund dieser Verurteilungen – erfolgt sein sollten, hätte es dem Beklagten oblegen, eine zur Erfüllung führende Leistung der weiteren Gesamtschuldner (§ 422 BGB) näher darzulegen und ggf. zu beweisen (Bydlinski in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 422 AktG Rn 2). Soweit der Beklagte sich auf einen Kostenausgleich durch die Stadt E2 beruft, hat der auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargelegt, welcher Kostenausgleich in welcher Höhe erfolgt sein soll, noch, weshalb ein derartiger nachträglicher „Kostenausgleich“ zu einer Verminderung des entstandenen Schadens bei der Klägerin geführt haben soll.

5. Der dargestellte Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat insbesondere die Umwandlung nicht dazu geführt, dass der gemäß § 93 Abs. 2 AktG begründete Anspruch nunmehr der Verjährungsfrist § 195 BGB unterfallen würde und in drei Jahren verjährt wäre. Denn zum einen lässt die Umwandlung nicht nur die Haftung dem Grunde nach, sondern auch die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 93 Abs. 6 AktG fortbestehen. Zudem wäre, wenn infolge des Formwechsels das GmbH-Gesetz auch auf die vorliegenden Ansprüche anwendbar wäre, ebenfalls eine Verjährungsfrist von 5 Jahren gegeben (§ 43 Abs. 4 GmbHG). Der Ende Februar 2009 entstandenen Anspruch war daher bei Klageerhebung am 09.11.2012 nicht verjährt.

6. Die Zinsforderung ist gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 91 ZPO.

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